TE OGH 1990/9/4 Okt39/90

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Veröffentlicht am 04.09.1990
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Kopf

Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Helmut Gamerith als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Dkfm. Dr. Grünwald, Dr. Kinscher, Dr. Placek, Dr. Rauter und Dr. Reindl in der Rechtssache der Antragstellerin B***

W*** Wien 4, Wiedner Hauptstraße 83, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Werner Sporn, Wien, wider die Antragsgegner

1. "f***" Handelsgesellschaft Aktiengesellschaft, 2. "f***" F.M. Z*** Gesellschaft mbH & Co, 3. F.M. Z*** Geschäftsführungsgesellschaft mbH, 4. Dkfm. Martin Z***, alle Dornbirn, Wallenmahd 46, wegen Untersagung gemäß § 3 a NVG infolge Rekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 15.5.1990, NaV 2/88-26, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Erstgericht untersagte den Antragsgegnern, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im "Säger-Center" in Dornbirn, Marktstraße 67, Mohrenbier "Spezial" in Kisten zu je 20 Flaschen, eine Flasche zu 0,5 Liter, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, und wies das Mehrbegehren, den Antragsgegnern darüber hinaus zu untersagen, alle dem NVG (aF) unterliegenden Waren zum oder unter dem Einstandspreis zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten, ab.

Diese Entscheidung stellte das Erstgericht am 23.4.1990 Rechtsanwalt Dr. Viktor A. Straberger zu, der unter Berufung auf seine Vollmacht (§ 30 Abs 2 ZPO) seit 8.4.1988 für die Antragsgegner eingeschritten war. Am 11.5.1990 gaben die vier Antragsgegner (persönlich bzw. durch ihren Vorstand ÄGeschäftsführerÜ) einen Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes zur Post. Erst mit Schriftsatz vom 15.6.1990 teilte Rechtsanwalt Dr. Viktor A. Straberger dem Erstgericht die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß wies das Erstgericht das Rechtsmittel der Antragsgegner als verspätet zurück. Diese Entscheidung bekämpfen die Antragsgegner mit Rekurs, den sie mit Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Zustellung der Entscheidung an sie (persönlich bzw. zu Handen der vertretungsbefugten Organe) verbinden.

Nach der Rechtsprechung EvBl 1973/106 (Lehrbuch2 Rz 586) JBl 1974, 76; JBl 1980, 161; zuletzt 4 Ob 30/83 ist bei Zusammentreffen eines Wiedereinsetzungsantrages mit einem Rechtsmittel, zunächst über dieses zu entscheiden, während nach Fasching die Reihenfolge der Entscheidung von der Prozeßökonomie abhängt. Da das Kartellgericht den Rekurs vorgelegt hat, ohne vorher über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden, ist jedenfalls das aufsteigende Rechtsmittel zuerst zu behandeln.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Rekurswerber machen geltend, siej hätten das Vollmachtsverhältnis mit Rechtsanwalt Dr. Viktor A. Straberger in allen beim Kartellgericht anhängigen Nahversorgungsrechtssachen aufgelöst und deshalb den Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache selbst verfaßt. Diese Entscheidung sei ihnen bisher nicht zugestellt worden.

Diese Ausführungen sind nicht berechtigt.

Für das Verfahren vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht in Nahversorgungssachen (§ 6 NVG) gelten gemäß § 7 Abs 1 NVG die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (mit bestimmten, hier nicht wesentlichen Besonderheiten). Es handelt sich dabei um ein zum sogenannten Streitbereich des außerstreitigen Verfahrens gehörendes Zweiparteienverfahren (zu diesem siehe Dolinar, Außerstreitverfahrensrecht, Allg Teil 15 ff); für derartige Verfahren sind - bei Fehlen von Sondervorschriften - wegen der Strukturähnlichkeit mit dem streitigen Zivilprozeß die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (weitgehend) analog anzuwenden (Dolinar aaO 72).

Das gilt insbesondere auch für die allgemeinen Grundsätze, die die Bestellung und Abberufung von Bevollmächtigten regeln. In Außerstreitsachen besteht zwar kein Anwaltszwang (§ 5 AußStrG). Bedient sich jedoch eine Partei im Verfahren außer Streitsachen eines Rechtsanwaltes, so sind die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung insbesondere über den Nachweis der Bevollmächtigung (§ 30 Abs 2 ZPO; dazu JBl 1987, 258; 2 Ob 510/90) und der Wirkung der Vollmachtskündigung (§ 36 ZPO; dazu 1 Ob 61-63/74) analog anzuwenden (ähnl auch zu § 35 ZPO EvBl 1975/110). Gemäß § 6 AußStrG iVm § 93 Abs 1 ZPO hatten alle Zustellungen bis zur Aufkündigung der Prozeßvollmacht an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen. Infolge analoger Anwendung des § 36 ZPO erlangte aber der Widerruf der Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. Viktor A. Straberger durch die Antragsgegner erst mit der Mitteilung an das Gericht (am 15.6.1990) Wirksamkeit (Fasching Komm II 288). Zu dieser Zeit war aber der Beschluß des Kartellgerichtes in der Hauptsache längst wirksam an den damals noch ausgewiesenen Parteienvertreter der Antragsgegner zugestellt worden (23.4.1990) und die 14-tägige Rekursfrist des § 7 Abs 3 NVG abgelaufen. § 11 Abs 2 AußStrG ist nicht anzuwenden, weil sich die Entscheidung nicht ohne Nachteil der Antragstellerin abändern läßt. Nach § 11 Abs 2 Satz 2 AußStrG ist zwar die Zurückweisung der "höheren Behörde" vorbehalten, doch haben die Rekurswerber kein Rechtsschutzinteresse daran, daß der - inhaltlich

richtige - Zurückweisungsbeschluß anstelle der ersten Instanz erst vom Kartellobergericht als funktionell zuständiges Gericht gefaßt würde. Der Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes ist daher zu bestätigen.

Das weitere Vorbringen der Antragsgegner, aus welchen Gründen sie die Rechtsmittelfrist versäumt haben, ist ihrem Wiedereinsetzungsantrag zuzuordnen, über den nunmehr das Kartellgericht zu entscheiden haben wird. Über den Rekurs der Antragstellerin in der Hauptsache kann erst entschieden werden, wenn feststeht, ob auch der Rekurs der Antragsgegner in der Hauptsache (wegen Bewilligung der Wiedereinsetzung) meritorisch zu behandeln ist.

Anmerkung

E21554

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:000OKT00039.9.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19900904_OGH0002_000OKT00039_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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