TE OGH 1990/9/4 Okt38/90

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Veröffentlicht am 04.09.1990
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Das Kartellobergericht beim Obersten Gerichtshof hat duch den stellvertretenden Vorsitzenden Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden sowie durch seine weiteren Mitglieder Kommerzialräte Dr. Bauer, Dkfm. Dr. Grünwald, Dr. Kinscher, Dr. Placek, Dr. Rauter und Dr. Reindl und Dr. Schwarz in der Kartellrechtssache des Antragstellers Ö***

A***, Wien 4., Prinz-Eugen-Straße 20-22, wider die Antragsgegnerin E*** L*** C***, 1014 Wien, Am Graben 16, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufforderung zur Anzeige eines Bagatellkartells gemäß den §§ 57 und 58 KartG 1988 infolge Rekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Stellvertreters des Vorsitzenden des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien vom 7. Februar 1990, GZ Kt 1297/89-2, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Ö*** A*** stellte (gemäß den §§ 57 und 58 KartG 1988) den Antrag, die Antragsgegnerin aufzufordern,

1. die hinterlegte Vertriebsbindung als Bagatellkartell anzuzeigen und 2. nachzuweisen, daß die Voraussetzungen gemäß § 16 KartG 1988 vorliegen. Er brachte vor, die hinterlegte Vertriebsbindung enthalte in Punkt 1.3 der Depotvereinbarung eine Gebietsbeschränkung. Gemäß § 17 Abs 3 KartG 1988 und der hiezu ergangenen Freistellungsverordnung, BGBl 185/1989, seien Gebietsbeschränkungen von der Freistellung nicht erfaßt. Nach eigenen Angaben habe die Antragsgegnerin weniger als 5 % Marktanteil. Daher wäre sie aufzufordern, ein Bagatellkartell anzuzeigen und zugleich ihren entsprechenden Marktanteil nachzuweisen. Berechnungsgrundlage für die Marktanteile sei der Umsatz an Depotkosmetik in Österreich. Unter Depotkosmetik werde eine über Parfümerien und Fachabteilungen von Kaufhäusern vertriebene Kosmetik verstanden. Ziel dieser Vertriebsart sei eine spezifische Beratung, Imagepflege und Präsentation der jeweiligen Marke. Depotkosmetik werde von Konsumkosmetik (weniger intensive Beratung, Verkauf auch in Selbstbedienungsläden) unterschieden. Sollte man die - nach Ansicht des Antragstellers unrichtige - Auffassung vertreten, Berechnungsgrundlage sei der gesamte Kosmetikmarkt, so würde sich die Bagatelleigenschaft nicht verändern, sondern nur verstärken. Wegen der außergewöhnlichen Bedeutung des Prestiges, das der Depotkosmetik zukomme, sei diese für den Konsumenten durch Konsumkosmetik nicht substituierbar. Depot- und Konsumkosmetik deckten somit einen verschiedenen Bedarf, weil sonst der Sinn des Vertriebssystems der Depotkosmetik in Frage gestellt wäre. Bei Vorliegen einer Gebietsbeschränkung seien somit die Voraussetzungen der §§ 57 und 58 KartG 1988 gegeben.

Mit dem angefochtenen Beschluß forderte der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichtes beim Oberlandesgericht Wien die Antragsgegnerin gemäß den §§ 57 und 58 KartG 1988 auf, als Mitglied eines Bagatellkartells (§ 16 KartG 1988) binnen einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses das Kartell beim Kartellgericht beim Oberlandesgericht Wien anzuzeigen. Gleichzeitig wurde die Antragsgegnerin darüber belehrt, daß die Pflicht zur Einbringung der Anzeige unmittelbar die Kartellmitglieder treffe. Werde die Anzeigefrist versäumt, sei die weitere - auch nur

teilweise - Durchführung des Kartells solange verboten, bis die Kartellmitglieder der Aufforderung nachkommen. Die verbotene Durchführung eines Kartells sei strafbar (§ 130 KartG 1988). Die Antragsgegnerin wurde ferner gemäß § 57 Abs 2 und § 54 KartG 1988 belehrt, daß sich Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müßten, und ihr der Gesetzestext des § 54 KartG 1988 mitgeteilt. Dagegen wurde der weitere Antrag des Ö*** A***, die Antragsgegnerin auch zum Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 16 KartG 1988 aufzufordern, abgewiesen. Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichts beim Oberlandesgericht Wien begründete seinen Beschluß dahin, dem Antrag des Ö*** A*** sei gemäß § 57 Abs 2 KartG 1988 ohne Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen zu entsprechen. Die Vorschriften der §§ 60, 62 und 65 KartG 1988 seien in diesem Verfahren nicht anzuwenden. Dem Kartellgericht sei es somit verwehrt, vor Erlassung der Aufforderung zur Anzeige des Bagatellkartells weitere Erhebungen durchzuführen. Dem Kartellgericht sei es daher auch nicht möglich, auf Grund ausreichender Entscheidungsgrundlagen - etwa eines Gutachtens des Paritätischen Ausschusses für Kartellangelegenheiten - eine umfassende abschließende rechtliche Beurteilung vorzunehmen. Zu beachten sei auch, daß kein weiteres Verfahren vor dem Kartellgericht vorgesehen sei, wenn die Kartellmitglieder der Aufforderung nicht nachkommen sollten. Sollten sich die aufgeforderten Personen in das Verfahren nicht einlassen wollen, etwa weil sie der Auffassung seien, daß kein Kartell vorliege, entstünden ihnen keine Kosten und, wenn tatsächlich kein Kartell vorliege, auch keine sonstigen Nachteile. Andererseits könnten sie auch von der weiteren Durchführung eines Kartells absehen. Die Frage, ob ein Bagatellkartell tatsächlich vorliege, könne in einem solchen Fall nur vor dem Strafgericht geklärt werden. Auch die Voraussetzungen gemäß § 16 KartG 1988 unterlägen in diesem Verfahrensstadium keiner Überprüfung durch das Kartellgericht. Daher sei eine Aufforderung zum Nachweis dieser Voraussetzungen in diesem Verfahrensabschnitt noch nicht zu erteilen. Punkt 2. des Antrages des Ö*** A*** setze die Anzeige eines Bagatellkartells voraus, da eine solche aber noch nicht erfolgt sei, sei dieser Teil des Antrags als verfrüht gestellt abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Antragsgegnerin erhobene Rekurs ist zulässig. Gemäß § 43 KartG 1988 entscheiden das Kartellgericht und das Kartellobergericht in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz im Verfahren außer Streitsachen. Nach § 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein schlüssig behaupteter Eingriff in die geschützte Rechtssphäre (SZ 50/41, SZ 42/176 ua). Unter einer anfechtbaren Verfügung ist eine auf die Erzeugung von Rechtswirkungen gerichtete prozessuale Willenserklärung des Gerichtes zu verstehen, deren Abänderung oder Aufhebung das dagegen erhobene Rechtsmittel bezweckt. Bei Prüfung in dieser Richtung ist kein kleinlicher Maßstab anzulegen. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist also mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung nur dort abzulehnen, wo die Rechtsstellung des Beteiligten nicht gefährdet ist (SZ 50/41 mwN).

Durch den angefochtenen Beschluß wird die Rechtsstellung der Antragsgegnerin verändert und sie wird hiedurch auch - sollte tatsächlich ein Bagatellkartell vorliegen - beschwert, weil sie bis zum Ablauf der gesetzten Frist gemäß § 18 Abs 1 Z 1 KartG 1988 ein allenfalls bestehendes Bagatellkartell auch ohne Anzeige durchführen durfte. Nach fruchtlosem Verstreichen der im angefochtenen Beschluß gesetzten Frist wäre ihr dagegen die auch nur teilweise weitere Durchführung gemäß § 58 iVm § 57 Abs 3 KartG 1988 sogar unter strafgerichtlicher Sanktion (§ 130 Abs 1 KartG 1988) verboten. Die Erhebung des vorliegenden Rekurses durch einen gewählten Rechtsanwalt statt eines Kartellbevollmächtigten war der Antragsgegnerin nicht verwehrt. Die vom Stellvertreter des Vorsitzenden des Kartellgerichts gemäß § 58 iVm

§ 57 Abs 2 KartG 1988 in den Beschluß aufgenommene Belehrung über die Bestimmung des § 54 KartG - wonach sich die Kartellmitglieder vor dem Kartellgericht und dem Kartellobergericht durch einen im Inland wohnhaften Kartellbevollmächtigten vertreten lassen müssen - gilt noch nicht für das Rechtsmittelverfahren über die Aufforderung durch das Kartellgericht zur Anzeige, weil darin noch keine Gemeinschaftsrechte auszuüben sind bzw davon betroffen werden (siehe die Möglichkeit nach § 57 Abs 1 KartG 1988, ohne Bestellung eines Kartellbevollmächtigten um Fristverlängerung anzusuchen; vgl auch § 54 Abs 2 KartG 1988 und Jelinek in ÖBl 1968, 25, 28). Der Rekurs ist aber auch im Ergebnis berechtigt.

Bei der allseitigen rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ist zunächst wahrzunehmen, daß der bekämpfte Auftrag des Stellvertreters des Vorsitzenden des Kartellgerichts dem § 58 iVm § 57 Abs 1 KartG 1988 schon formell nicht entspricht. Auf Antrag einer Amtspartei sind nämlich gemäß § 58 KartG 1988 bei Bagatellkartellen deren Mitglieder aufzufordern, das Kartell binnen einem Monat dem Kartellgericht anzuzeigen. Nach dieser klaren Gesetzesbestimmung kann die Aufforderung nicht wirksam allein an ein angebliches Mitglied eines Bagatellkartells gerichtet werden. Eine solche Aufforderung wäre auch sachlich ohne Sinn. Dem einzelnen Aufgeforderten wäre sodann die weitere Durchführung des Kartells untersagt (§ 58 iVm § 57 Abs 3 KartG 1988), nicht aber allen übrigen möglichen Kartellanten. Nur die Zustellung der Aufforderung genügt gemäß § 58 iVm § 57 Abs 2 KartG 1988 an ein einziges Kartellmitglied. Das ist zwar auch nicht immer zielführend, weil sich ein Kartellmitglied, dem kein Verschulden an einer weiteren Durchführung des Kartells vorgeworfen werden kann (etwa infolge nicht einmal fahrlässiger Unkenntnis der Aufforderung), sich nicht nach § 130 KartG 1988 strafbar macht; die Bestimmung mag aber bei vermuteten Bagatellkartellen großen Umfangs und häufig wechselnden Teilnehmern ihren Sinn haben. Im allgemeinen ist jedoch auch die Zustellung an alle bekannten Kartellmitglieder zu empfehlen. Das Erstgericht wird daher den vorliegenden Antrag der Amtspartei Ö*** A*** zunächst dahin zu

prüfen haben, welche gerichtsbekannten oder von dieser Amtspartei namhaft gemachten Mitglieder des angeblichen Bagatellkartells im Sinne des § 58 iVm § 57 Abs 1 KartG 1988 zur Anzeige des Kartells aufzufordern sind.

Auf die weiteren im Rekurs angeschnittenen Rechtsfragen betreffend die Zulässigkeit dieses Auftrages ist vorläufig nicht einzugehen, um die übrigen möglichen Antragsgegner nicht zu präjudizieren.

Anmerkung

E21552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:000OKT00038.9.0904.000

Dokumentnummer

JJT_19900904_OGH0002_000OKT00038_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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