TE OGH 1990/9/11 4Ob548/90

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Veröffentlicht am 11.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Firouz T***, praktischer Arzt, Wien 16., Brüßlgasse 28/8-9, vertreten durch Dr. Heinrich Keller und Dr. Rainer Cuscoleca, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Gabriela T***, Hauseigentümerin, Wien 16., Wurlitzergasse 5, vertreten durch Dr. Bernhard Gansrigler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Erteilung einer Zustimmung (Streitwert S 24.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgericht vom 19. Februar 1990, GZ 48 R 37/90-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 28. März 1989, GZ 6 C 2402/87-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; in Abänderung der angefochtenen Entscheidung wird das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Es wird festgestellt, daß der Kläger durch die Erklärung des Vormieters Dr. Vladimir S***, mit der die Mietrechte an der Wohnung top.Nr. 8-9 im Hause Wien 16., Brüßlgasse 28, auf Grund des zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und Dr. Vladimir S*** am 12.10.1954 abgeschlossenen Mietvertrages auf den Kläger übertragen wurden, im Zeitpunkt des Zugehens dieser Erklärung an die Beklagte Mieter des genannten Bestandobjektes geworden ist.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.210,56 (darin enthalten S 576,96 Umsatzsteuer und S 864 Barauslagen) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.935,12 (darin enthalten S 905,52 Umsatzsteuer und S 1.500 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf Grund des mit der vormaligen Eigentümerin des Hauses Wien 16., Brüßlgasse 28, geschlossenen Mietvertrages vom 12. Oktober 1954 war der praktische Arzt Dr. Vladimir S*** Mieter der Wohnung top.Nr. 8-9 in diesem Haus; er benützte den Mietgegenstand in der im Vertrag bedungenen Weise als Wohnung und Ordination. Punkt 11 Abs 2 des Mietvertrages lautete:

"Die Hausinhabung räumt dem Mieter das Recht ein, sich bei einer wohnungsmäßigen Veränderung den Mietrechtsnachfolger selbst zu wählen. Dieser wird durch die Hausinhabung anerkannt, sofern keine Bedenken gegen ihn erhoben werden können."

Eigentümerin des Hauses Wien 16., Brüßlgasse 28, ist nunmehr die Beklagte. Am 20. März 1984 teilte ihr Dr. Vladimir S*** unter Hinweis auf Punkt 11 Abs 2 des Mietvertrages mit, daß er aus gesundheitlichen Gründen seine Arztpraxis nicht mehr weiterführen könne und deshalb Ordination und Wohnung mit Wirkung vom 1. April 1984 dem Kläger übergeben werde. Tatsächlich übernahm der Kläger mit diesem Stichtag das Bestandobjekt; er übt darin ebenfalls seinen Beruf als praktischer Arzt aus. Es konnte nicht festgestellt werden, daß sich Patienten des Klägers längere Zeit hindurch auf dem Gang aufgehalten und diesen verschmutzt hätten.

Die Beklagte sprach sich gegen die Mietrechtsübertragung auf den Kläger aus.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Übernahme des Mietvertrages vom 12. Oktober 1954 mit den gleichen Rechten und Pflichten durch den Kläger zuzustimmen.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Über das Begehren auf Zustimmung zur Mietrechtsübertragung sei bereits im Verfahren 6 Msch 2/85 des Erstgerichtes entschieden worden; der geltend gemachte Anspruch sei im übrigen verjährt. Wenn überhaupt, liege nur ein Recht zur Weitergabe der Wohnung, nicht aber der Ordination vor; der Beklagte habe aber kein dringendes Wohnbedürfnis an dieser Wohnung, weil er eine Eigentumswohnung besitze, in der er auch wohne. Auch bestünden Bedenken gegen den Kläger als Mieter, weil sich seine Patienten großteils auf dem Gang aufhielten, diesen beschmutzten und damit die übrigen Mieter belästigten. Der Kläger habe trotz Kenntnis dieser Umstände keine Abhilfe geschaffen. Das Erstgericht gab der Klage statt. Es verneinte - in den Entscheidungsgründen - das Vorliegen des Prozeßhindernisses der entschiedenen Sache und ging rechtlich davon aus, daß dem Vormieter des Klägers das Recht eingeräumt worden sei, das gesamte Bestandobjekt an einen Nachmieter weiterzugeben; berechtigte Einwände gegen den Kläger als Mieter hätten nicht festgestellt werden können. Der Anspruch auf Erteilung der Zustimmung zur Mietrechtsübertragung sei auch nicht verjährt.

Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die Tatsachenfeststellunegn des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:

Punkt 11 Abs 2 des Mietvertrages, wonach dem Vormieter die "Weitergabe" des Bestandrechtes zugestanden wurde, wenn er sich "wohnungsmäßig verändere", sei dahin auszulegen, daß dieses Recht für den Fall vereinbart wurde, daß er das Bestandobjekt nicht mehr benütze; das Gestaltungsrecht sei nicht auf den Fall eingeschränkt worden, daß der Vormieter das Bestandobjekt nicht mehr als Wohnung, wohl aber noch als Ordination benütze. Dem Vormieter sei aber damit nur ein abgeschwächtes Weitergaberecht, ein sogenanntes "Präsentationsrecht", eingeräumt worden, weil das Recht, einen Nachmieter zu wählen, durch das Erfordernis der Zustimmung des Vermieters eingeschränkt worden sei. In einem solchen Fall komme es aber selbst dann, wenn sich der Hauseigentümer unbegründet weigere, dem Mieterwechsel zuzustimmen, nicht automatisch zum Eintritt des in Aussicht genommenen Mieters in die Mietrechte. Damit unterscheide sich das Präsentationsrecht vom echten Weitergaberecht, bei welchem der Vermieter bereits im vorhinein einem Mieterwechsel zugestimmt habe; nur in diesem Fall werde die Vertragsübernahme mit der Mitteilung an den Bestandgeber vollzogen.

Habe sich der Bestandgeber verpflichtet, unter bestimmten Bedingungen mit einem vom Bestandnehmer vorgeschlagenen Dritten einen Vertrag gleichen oder bestimmten anderen Inhalts abzuschließen, so trete der Nachmieter nicht in den bestehenden Mietvertrag ein; vielmehr müsse zunächst der Abschluß eines neuen Vertrages - notfalls durch Klage - durchgesetzt werden. Eine solche vertragliche Vereinbarung berechtige den vorgeschlagenen Nachfolger nicht, den Vermieter auf Zustimmung zum Eintritt in das Bestandverhältnis zu klagen; der nachfolgende Mieter könne den Vermieter nach ständiger Rechtsprechung auf Abschließung eines Mietvertrages zu gleichen Bedingungen, nicht aber auf Feststellung des Bestehens seiner Mietrechte klagen. Das Begehren des Klägers sei daher verfehlt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht das dem Vormieter des Klägers eingeräumte, auf Nachmieter, gegen die keine Bedenken bestehen, beschränkte Recht, selbst einen Mietrechtsnachfolger zu wählen, entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MietSlg. 20.077; MietSlg. 20.155) nicht als beschränktes Weitergaberecht, sondern als bloßes Präsentationsrecht beurteilt hat; ferner auch deshalb, weil die in MietSlg. 39.135 (siehe auch MietSlg. 20.155) vertretene Auffassung, daß der Mieter im Fall der Verweigerung seiner Zustimmung zu einer solchen in Ausübung eines beschränkten Weitergaberechtes erfolgten Mietrechtsübertragung auf Erteilung der Zustimmung zum Mieterwechsel klagen müsse, vom erkennenden Senat nicht geteilt werden kann. Die Revision ist auch berechtigt.

Mit Recht macht der Kläger zunächst geltend, daß Punkt 11 Abs 2 des zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und Dr. Vladimir S*** geschlossenen Mietvertrages als Einräumung eines (beschränkten) Weitergaberechtes anzusehen ist:

Hat der Bestandgeber dem Bestandnehmer das Recht eingeräumt, durch bloße Erklärung alle Rechte und Pflichten aus dem Bestandverhältnis auf einen Dritten mit der Wirkung zu übertragen, daß dieser an seiner Stelle Bestandnehmer wird, ohne daß es einer (weiteren) Erklärung des Bestandgebers bedarf, und hat er auf diese Weise im voraus seine Zustimmung zur Auswahl des Nachmieters erteilt (unbeschränktes Weitergaberecht), dann liegt darin ein Fall der Vertragsübernahme; der Nachmieter tritt in den Bestandvertrag ein, sobald er dem Bestandgeber bekannt geworden ist, ohne daß es des Abschlusses eines neuen Mietvertrages bedurfte (MietSlg. 22.139, 25.132/11, 26.114, 39.135, 39.136; Würth in Rummel, ABGB2, Rz 14 zu § 1098). Wurde dagegen das Auswahlrecht des Mieters dadurch eingeschränkt, daß der Vermieter den Eintritt des namhaft gemachten Dritten ablehnen darf, wenn gegen dessen Person als Mieter sachlich begründete Bedenken bestehen (beschränktes Weitergaberecht) dann hat der Vermieter innerhalb einer angemessenen Frist nach Bekanntgabe des vorgesehenen Nachmieters zu erklären, ob er in die Mietrechtsübertragung einwilligt oder nicht (MietSlg. 36.157, 39.136). Besteht Streit, ob die Ablehnung zu Recht erfolgte, hat das Gericht zu entscheiden (MietSlg. 20.155). Ein Weitergaberecht mit der Rechtsfolge, daß der Vormieter dem von ihm namhaft gemachten Nachmieter auch die Mieterposition verschaffen kann, liegt aber auch in diesem Fall nur dann vor, wenn der Hauseigentümer im voraus einem solchen Mieterwechsel - hier allerdings mit der Beschränkung auf einen bestimmten Personenkreis - zugestimmt hat. Hat er sich hingegen nur verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen die Zustimmung zum Mieterwechsel zu erklären, dann wurde damit kein Weitergaberecht vereinbart; hier bedarf es vielmehr zum Mietrechtsübergang noch der Zustimmung durch den Vermieter (MietSlg. 31.196; Würth aaO). Ein sog. "Präsentationsrecht" liegt hingegen dann vor, wenn sich der Bestandgeber gegenüber dem Vermieter verpflichtet hat, unter gewissen Bedingungen mit einem vom Bestandnehmer vorgeschlagenen geeigneten Dritten einen Vertrag gleichen oder bestimmten anderen Inhalts abzuschließen (MietSlg. 29.168, 39.136; Würth aaO).

Welches dieser Rechte dem Vormieter durch Punkt 11 Abs 2 des Mietvertrages vom 12. Oktober 1954 eingeräumt wurde, ist, da die Parteien einen vom schriftlichen Vertragstext abweichenden Parteiwillen nicht behauptet haben, im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei scheidet ein bloßes Präsentationsrecht hier schon deshalb aus, weil der Abschluß eines neuen Mietvertrages mit dem namhaft zu machenden Dritten nicht vorgesehen wurde; die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat vielmehr ihre Zustimmung zur Mietrechtsübertragung schon im voraus im Rahmen des Mietvertrages erteilt, dieses Weitergaberecht aber auf Personen eingeschränkt, gegen die keine Bedenken erhoben werden können.

Bei einem solchen beschränkten Weitergaberecht hat die Rechtsprechung (MietSlg. 20.155, 36.157, 39.135) bisher eine Klage des ersten Mieters auf Erteilung der Zustimmung zum Mieterwechsel für erforderlich gehalten, wenn sich der Vermieter weigerte, den Dritten als neuen Mieter anzuerkennen. Dagegen hat allerdings Würth (aaO) mit Recht eingewendet, daß im Fall eines nach Art einer Option konstruierten Weitergaberechtes der Mietrechtsübergang durch das Zugehen der Erklärung des Mieters an den Vermieter geschehe; daran könne auch eine Einschränkung dieses Rechtes auf einen bestimmten Personenkreis nichts ändern: Habe der namhaft gemachte Nachmieter dem zulässigen Personenkreis angehört - weil etwa gegen ihn keine objektiven Bedenken bestanden -, dann sei die Erklärung von Anfang an wirksam, andernfalls unwirksam gewesen. Eine Klage des Mieters auf "Zustimmung" des Vermieters sei verfehlt, weil diese Zustimmung nicht rechtsgestaltend zu ersetzen, sondern lediglich die Rechtswirksamkeit der Erklärung des Mieters, das Weitergaberecht auszuüben, festzustellen sei. Der erkennende Senat schließt sich dieser richtigen Überlegung schon deshalb an, weil ein - wenngleich beschränktes - Recht des Mieters, seine Mietrechte weiterzugeben, also durch bloße Erklärung einen Mieterwechsel herbeizuführen, begrifflich voraussetzt, daß der Vermieter einem solchen Mieterwechsel schon im voraus zugestimmt hat. Hat er aber seine Zustimmung bereits im voraus erteilt, dann bedarf es keiner weiteren Rechtsgestaltungsklage mehr; vielmehr ist dann nur noch in einem Feststellungsprozeß zu prüfen, ob die Weitergabe durch den Mieter der Vereinbarung entsprochen hat. Geht man aber davon aus, daß in einem solchen Fall eine Klage auf Feststellung des Mietrechtsüberganges zulässig ist, dann muß auch das rechtliche Interesse des Nachmieters an einer solchen Feststellung seiner - vom Hauseigentümer bestrittenen - Mietrechte bejaht werden (Würth aaO). Im vorliegenden Fall gehört der Kläger dem zulässigen Personenkreis an: Er übt - wie der Vormieter - in dem Bestandobjekt den Beruf eines praktischen Arztes aus. Daß seine Patienten sich übermäßig lange auf dem Gang aufgehalten oder diesen verschmutzt hätten, konnte nicht festgestellt werden. Sind damit aber die von der Beklagten gegen den Kläger vorgetragenen Bedenken objektiv nicht gegeben, dann ist der Kläger mit dem Zugehen der Erklärung des Vormieters an die Beklagte in den bestehenden Mietvertrag eingetreten.

Da der Kläger das Bestandobjekt benützt, kann sein Mietrecht nicht verjährt sein. Das rechtliche Interesse an der Feststellung des Mietrechtes besteht so lange, als die Beklagte das Recht bestreitet; da der Feststellungsanspruch prozessualer Natur ist, unterliegt er auch nicht der Verjährung (Klang in Klang2 VI 607; Schubert in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1479).

Daß der Kläger im vorliegenden Fall nicht auf Feststellung seiner Mietrechte, sondern - offenbar im Hinblick auf die vom erkennenden Senat abgelehnte Rechtsprechung - auf Erteilung der Zustimmung zur Mietrechtsübertragung geklagt hat, kann ihm nicht schaden: Der Kläger hat im Verfahren erster Instanz unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß er die Anerkennung seiner Rechtsstellung als Mieter durch die Beklagte anstrebt. Da nicht nur der Wortlaut des Begehrens, sondern damit im Zusammenhang auch der Inhalt der Klage zu berücksichtigen ist (SZ 27/12 uva), konnte der - an sich verfehlte - Urteilsantrag in das dem wahren Willen des Klägers entsprechende Feststellungsbegehren umgedeutet und das Ersturteil mit dieser Maßgabe wiederhergestellt werden. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO.

Anmerkung

E21666

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00548.9.0911.000

Dokumentnummer

JJT_19900911_OGH0002_0040OB00548_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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