TE OGH 1990/9/12 1Ob657/90

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Veröffentlicht am 12.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Sandra F***, geboren am 18. April 1974, infolge ao. Revisionsrekurses des BJA für den 2. Bezirk, Karmelitergasse 9, 1020 Wien, als deren Unterhaltssachwalters (§ 212 Abs 2 ABGB, § 9 Abs 1 UVG) gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 23. Februar 1990, GZ 43 R 112/90-103, mit dem der Rekurs des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 6. Dezember 1989, GZ 19 P 231/89-90, als verspätet zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Bezirksjugendamt für den 2. Bezirk (kurz: BJA 2) wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 5. Dezember 1975 zum Unterhaltssachwalter der Minderjährigen gemäß § 198 ABGB bestellt. Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 6. Dezember 1989 (ON 90) einen Antrag der durch den Unterhaltssachwalter vertretenen Minderjährigen auf "Angleichung des laufenden Unterhaltsvorschusses an den Unterhaltstitel" ab und verfügte die Zustellung dieses Beschlusses an das "BJA 2 - RS". Entgegen dieser Anordnung wurde der Beschluß - offenbar irrtümlich - laut Rückschein an das "BJA 22 - Fach" am 20. Dezember 1989 zugestellt, das die Sendung am 27. Dezember 1989 dem Erstgericht "wegen Unzuständigkeit" zurückstellte. Dieses verfügte (neuerlich) die Zustellung an das BJA 2, seine Verfügung wurde am 28. Dezember 1989 abgefertigt (Kanzleivermerk in ON 93).

Das Gericht zweiter Instanz wies mit dem angefochtenen Beschluß den am 10. Jänner 1990 zur Post gegebenen Rekurs der durch das BJA 2 vertretenen Minderjährigen unter Hinweis auf die Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung am 20. Dezember 1989 wegen Verspätung aus dem Grunde des § 11 Abs 2 AußStrG (weil der Bund aus der Entscheidung bereits Rechte erlangt habe) zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete, gemäß § 15 Abs 3 UVG idF Art III RRAG nicht den Beschränkungen des § 14 Abs 2 Z 1 AußStrG unterliegende außerordentliche Revisionsrekurs der durch ihren Unterhaltssachwalter vertretenen Minderjährigen ist zwar zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung der im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG für die Rechtseinheit und Rechtssicherheit bedeutsamen Frage des Verfahrensrechtes abhängt, welche Rechtswirkungen der "Fehlzustellung" an ein (auch vom Gericht bisher) nicht mit der Sache befaßtes anderes Bezirksjugendamt zukommen; er ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß Art 12 Abs 1 Z 1 B-VG ist die "Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge (öffentliche Jugendwohlfahrt)" in der Grundsatzgesetzgebung Bundes-, in der Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung Landessache. Nach der auf den vorliegenden Fall gemäß § 46 JWG 1989, § 43 Abs 1 WrJWG 1990 noch anzuwendenden Generalklausel des § 2 Abs 3 WrJWG 1955, LGBl Nr 14, oblag die Durchführung der öffentlichen Jugendwohlfahrtspflege dem Magistrat. Der Magistrat der Stadt Wien, der gemäß § 67 Abs 1 WStV aus dem Bürgermeister, den amtsführenden Stadträten, dem Magistratsdirektor und den ..... erforderlichen ........ Bediensteten besteht, wird gemäß der - mit vom Gemeinderat genehmigter Entschließung des Bürgermeisters erlassenen - Geschäftsordnung für den Magistrat der Stadt Wien idF ABl 1988/41 (kurz: MagGO) tätig. Gemäß § 5 Abs 1 MagGO sind Dienststellen im Sinne dieser Geschäftsordnung die Magistratsdirektion, die Magistratsabteilungen, die Magistratischen Bezirksämter und das Kontrollamt. Dienststellen sind gemäß § 5 Abs 2 MagGO aber auch dienstliche Einrichtungen (Untergruppen, Abteilungen, Ämter ...), die nach ihrem organisatorischen Aufbau eine räumliche, verwaltungsmäßige oder betriebstechnische Einheit darstellen. Gemäß § 6 Abs 3 MagGO hat der Magistrat die Angelegenheiten der Bezirksverwaltung zu besorgen. Der Unterabteilung des Magistrates (MA 11 - Jugendamt) ist die Geschäftsgruppe "Bildung, Jugend, Familie und Soziales" zugewiesen. Die dezentralisierten Dienststellen des Jugendamtes sind die Bezirksjugendämter. Gemäß § 46 Abs 4 MagGO ist im Schriftverkehr mit Stellen außerhalb des Magistrats die volle Bezeichnung der Dienststelle unter Voransetzung der Worte "Magistrat der Stadt Wien" (bzw gemäß Abs 6 in Landesangelegenheiten "Amt der Wiener Landesregierung") anzugeben. Unter der Überschrift "Grundsatz der Zuständigkeit" ordnet § 35 Abs 5 MagGO an, daß eine bei der unzuständigen Dienststelle anhängige Angelegenheit ohne jeden Verzug der für die Behandlung zuständigen Dienststelle abzutreten ist. Nach § 13 Abs 3 ZustellG ist, wenn der Empfänger keine natürliche Person ist, die Sendung einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Das für die zuständige Magistratsabteilung einschreitende BJA für den 2. Bezirk geht selbst davon aus, daß Zustellungen an den Magistrat als Unterhaltssachwalter auch an die dezentralisierten Bezirksjugendämter erfolgen können. Dann aber kam ungeachtet des Umstandes, daß die Zustellung nicht an den vom Gericht bezeichneten formellen Zustellungsempfänger (BJA für den 2. Bezirk), sondern an ein anderes Bezirksjugendamt erfolgte, materiell wirksam zustande.

Der Lauf der Rechtsmittelfrist wurde dann aber durch die Zustellung vom 20. Dezember 1989 in Gang gesetzt, weil der Magistrat der Stadt Wien in diesem Zeitpunkt mit der Zustellsendung - wenn auch an unzuständiger Dienststelle - erreicht wurde und die mangelnde Fristenwahrung im Bereich des Magistrats liegt und von diesem zu vertreten ist. Der Fall unterscheidet sich im Grundsatz nicht von jenem der Entscheidung SZ 24/40, nach welcher die zufolge eines Irrtums der Zustellorgane an eine unzuständige Dienststelle (MBA anstelle BJA) bewirkte Zustellung ebenfalls den Rechtsmittelfristenlauf in Gang setzte.

Zutreffend hat das Gericht zweiter Instanz dargelegt, daß eine Behandlung des verspäteten Rechtsmittels an der Bestimmung des § 11 Abs 2 AußStrG scheitert, weil der Bund aus der Entscheidung des Erstgerichtes bereits Rechte erlangte.

Der außerordentliche Revisionsrekurs bleibt demnach erfolglos.

Anmerkung

E22094

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00657.9.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19900912_OGH0002_0010OB00657_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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