TE OGH 1990/9/12 9ObS9/90

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Veröffentlicht am 12.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinrich Basalka und Margarethe Heidinger als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hans Peter W***, Angestellter, Wald im Pinzgau 59, vertreten durch Dr. Peter Cardona, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei A*** S***, Salzburg, Auerspergstraße 67, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen S 905.695,31 netto sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.April 1990, GZ 13 Rs 32/90-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Februar 1990, GZ 19 Cgs 94/89-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 20.1. bis 22.7.1987 als Laborant bei der Firma C*** A*** C*** Company Ltd., Georgetown, Grand Cayman B.W.I., Plant 98585, British West Indies, beschäftigt. Der räumliche Tätigkeitsbereich des Klägers erstreckte sich aufgrund des Dienstvertrags grundsätzlich allein auf den Standort Cayman. Wenn sich allerdings die Notwendigkeit ergeben hätte, wäre der Einsatz des Klägers auch an einem anderen Ort im karibischen Raum vorgesehen gewesen. Die Firma C*** hatte zu keiner Zeit in Österreich eine Betriebsstätte oder Niederlassung.

Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 24.2.1988, 36 Cga 1077/87-22, wurde der ehemalige Dienstgeber des Klägers schuldig erkannt, dem Kläger einen Betrag von S 462.978,-- netto samt Stufenzinsen zu zahlen sowie die mit S 10.320,-- bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Darüberhinaus wurde festgestellt, daß der Kläger für den Zeitraum 22.10.1987 bis 19.1.1989 Anspruch auf Kündigungsentschädigung für den Differenzbetrag zwischen S 50.000,-- netto monatlich und dem tatsächlichen ins Verdienen gebrachten bzw. zu verdienen verabsäumten Betrag hat.

Am 27.12.1988 stellte der Kläger beim Landesgericht Salzburg als Konkursgericht den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines ehemaligen Dienstgebers. Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 25.1.1989, 23 Nc 8/89-3, wurde dieser Antrag mangels inländischer Gerichtsbarkeit gemäß § 63 KO zurückgewiesen.

Der Kläger beantragte daraufhin bei der beklagten Partei den Zuspruch von Insolvenzausfallgeld für folgende Ansprüche:

Gehalt lt. Urteil 36 Cg 1077/87        S 462.987,-- netto

Kündigungsentschädigung für die

Zeit vom 22.10.1987 bis 19.1.1989      S 432.092,81 netto

Kosten des Verfahrens 36 Cga 1077/87   S  10.320,-- netto

Kosten des Konkursantrages             S     304,50 netto

Insgesamt                              S 905.695,31 netto

Mit Bescheid vom 10.7.1989 lehnte die beklagte Partei diesen Antrag des Klägers auf Insolvenzausfallgeld mit der Begründung ab, daß der Zurückweisungsbeschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 25.1.1989, 23 Nc 8/89, keinen Insolvenztatbestand nach § 1 Abs 1 Z 6 IESG erfülle.

In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung von S 905.695,31 netto an Insolvenzausfallgeld im wesentlichen mit der Begründung, daß die Zurückweisung seines Antrages auf Eröffnung des Konkurses die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs 1 Z 6 IESG auf Insolvenzausfallgeld erfülle.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Gesetzgeber bei Einführung der Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 6 IESG die Absicht gehabt habe, nur in jenen Fällen Insolvenzausfallgeld aufgrund eines Zurückweisungsbeschlusses gemäß § 63 KO zuzusprechen, in denen der Arbeitgeber nicht mehr auffindbar und auch kein Vermögen vorhanden sei. Da sich im vorliegenden Fall die Tätigkeit des Klägers allein auf die Insel Cayman erstreckt habe und die Firma C*** zu keiner Zeit in Österreich eine Betriebsstätte oder Niederlassung gehabt habe, fehle der nötige Inlandsbezug für die Zuerkennung von Insolvenzausfallgeld. Hingegen stellte die beklagte Partei das Klagebegehren der Höhe nach ausdrücklich außer Streit mit der Ausnahme, daß der Anspruch auf Insolvenzausfallgeld für Zinsen nur für die Zeit bis 25.5.1989 berechtigt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit folgenden Erwägungen:

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre hat die Gesetzesauslegung mit der Erforschung des Wortsinnes der Norm zu beginnen und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdruckes im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der getroffenen Regelung zu fragen (SZ 54/135 ua). Zur Auslegung einer Gesetzesstelle sind grundsätzlich alle Instrumente heranzuziehen, die das Verstehen fördern können, insbesondere auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (SZ 47/65 ua). Nur dann, wenn die Erläuternden Bemerkungen einer Regierungsvorlage in eindeutigem Widerspruch zum Gesetz stehen, können sie nicht zur Auslegung des Gesetzes herangezogen werden (SZ 45/64). Die gegenwärtige Auslegungslehre legt auf die teleologische Interpretation das Hauptgewicht (Koziol-Welser I8, 23), sodaß bei Vorliegen widersprechender Ergebnisse das Ergebnis der grammatikalischen dem der logischen und das sowohl der grammatikalischen wie der logischen dem der teleologischen zu weichen hat (ÖJZ 1980, 330/67). Es ist daher gemäß der immanenten Teleologie des Gesetzes eine Norm selbst entgegen dem Wortlaut des Gesetzes einschränkend aufzufassen, wenn der betreffende Fall nach dem erkennbaren Sinn und Zweck des Gesetzes von der Norm nicht erfaßt werden sollte (SZ 52/132).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so hat bereits das Erstgericht zutreffend die Entstehungsgeschichte der Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 6 IESG dargelegt, sodaß insoweit auf seine Ausführungen verwiesen werden kann. War daher der Anspruch auf Insolvenzausfallgeld nach der ursprünglichen Fassung des IESG (BGBl 1977/324) auf die Fälle der Eröffnung des Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens, der Anordnung der Geschäftsaufsicht und der Abweisung eines Antrages auf Eröffnung eines Konkurses mangels hinreichenden Vermögens im Inland beschränkt, so wurden durch die Novelle vom 15.12.1980 (BGBl 1980/580) die bisherigen Anknüpfungstatbestände dadurch erweitert, daß Anspruch auf Insolvenzausfallgeld auch dann besteht, wenn ein ausländisches Gericht eine derartige Entscheidung getroffen hat, die aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen im Inland anerkannt wird (§ 1 Abs 1 letzter Satz IESG).

In diesen Fällen, in denen der Gemeinschuldner keinen Inlandsbezug hat, weil er im Inland weder eine Betriebsstätte, Niederlassung noch Vermögen hat, hat der Gesetzgeber für die Erlangung von Insolvenzausfallgeld somit besondere Voraussetzungen festgelegt, und zwar eine Entscheidung eines ausländischen Gerichtes im Sinn des § 1 Abs 1 IESG, welche aufgrund von völkerrechtlichen Verträgen im Inland anerkannt wird. Solche Verträge bestehen derzeit mit der Türkei, Großbritannien, Belgien, Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland (vgl. IESG, herausgegeben vom Bundesministerium für soziale Verwaltung, S.14). Bei dieser Rechtslage hat daher der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 1.12.1989 (veröffentlicht in ARD 4145/2/90) den Anspruch eines im Inland tätigen und wohnhaften Arbeitnehmers auf Insolvenzausfallgeld anerkannt, obwohl der in der Bundesrepublik Deutschland eröffnete Konkurs einen Arbeitgeber betraf, der im Inland weder eine Niederlassung noch Vermögen hatte. Im vorliegenden Fall liegen jedoch unbestrittenermaßen die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Insolvenzausfallgeld im Sinn des § 1 Abs 1 letzter Satz IESG nicht vor, sodaß vom Kläger als einzig möglicher Anknüpfungspunkt die durch die Novelle zum IESG, BGBl 1986/395, neu geschaffene Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 6 IESG in Anspruch genommen wurde. Danach ist einer Eröffnung des Konkurses im Inland unter anderem auch die Zurückweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses gemäß § 63 KO gleichzuhalten. Als Begründung für die Schaffung dieser Bestimmung wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ausgeführt, daß im Zuge des Begutachtungsverfahrens der Österreichische Arbeiterkammertag darauf hingewiesen habe, daß es - abgesehen von den im Ministerialentwurf in Aussicht genommenen neuen Regelungen - Konstellationen gebe, in denen der Entgeltschutz durch das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz nicht greife. Dies sei zum einen dann der Fall, wenn der Arbeitgeber nicht mehr auffindbar und kein Vermögen vorhanden sei. In Ermangelung einer Gerichtszuständigkeit sei in solchen Fällen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht möglich und es ergehe daher ein Zurückweisungsbeschluß nach § 63 KO (993 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVI.Gesetzgebungsperiode).

Der Wortlaut dieser vorgeschlagenen Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 6 IESG wurde durch die Beratungen im Ausschuß nicht geändert, sodaß sich dazu auch keine weiteren Erwägungen im Ausschußbericht finden. Der Gesetzgeber hatte somit bei der Schaffung dieses neuen Anknüpfungstatbestandes offensichtlich jene Fälle im Auge, in denen der Arbeitgeber nicht mehr auffindbar und kein Vermögen (im Inland) vorhanden ist, sodaß im Inland eine örtliche Zuständigkeit eines Konkursgerichtes gemäß § 63 KO nicht gegeben ist. Es findet sich jedoch kein Hinweis dafür, daß der Gesetzgeber über diese Fälle hinaus einen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld bei einer Insolvenz eines ausländischen Arbeitgebers ohne Betriebsstätte und Vermögen im Inland auch unabhängig vom Vorliegen der im § 1 Abs 1 letzter Satz IESG geforderten zusätzlichen Voraussetzungen schaffen wollte. Dies ergibt sich zum einen aus den bereits zitierten Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage und zum anderen aus dem weiteren Umstand, daß diese Bestimmung des § 1 Abs 1 letzter Satz IESG durch die erwähnte IESG-Novelle 1986 nicht geändert wurde. Würde man der vom Kläger vertretenen Rechtsansicht folgen, käme man zu dem widersinnigen Ergebnis, daß beispielsweise bei einer Eröffnung des Konkurses über einen ehemaligen ausländischen Arbeitgeber durch das zuständige ausländische Gericht bei Fehlen eines für österreichische Gerichte bindenden völkerrechtlichen Vertrages im Hinblick auf § 1 Abs 1 letzter Satz IESG kein Anspruch auf Insolvenzausfallgeld bestünde, hingegen im gleichen Fall einer von vornherein völlig aussichtslosen Antragstellung des Arbeitnehmers auf Konkurseröffnung bei einem inländischen Konkursgericht aufgrund der von diesem vorzunehmenden Zurückweisung des Antrages mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit ein Anspruch auf Insolvenzausfallgeld entstünde.

Da jedoch dem Gesetzgeber ein solcher Wertungswiderspruch nicht unterstellt werden kann, zeigt sich, daß dem gegenständlichen Verfahren ein Sachverhalt zugrunde liegt, der nach dem erkennbaren Sinn und Zweck des Gesetzes und auch im Zusammenhang innerhalb der getroffenen Regelung ("der Konkurseröffnung" (im Inland) stehen gleich....") von der Norm des § 1 Abs 1 Z 6 IESG nicht erfaßt werden sollte. Diese Norm erfaßt somit nicht den hier zu beurteilenden Fall, daß ein ausländischer Arbeitgeber ohne Betriebsstätte und Vermögen im Inland einen Arbeitnehmer im Rahmen eines Dienstverhältnisses ausschließlich im Ausland beschäftigt. Denn auch wenn der Arbeitnehmer während seiner Auslandstätigkeit seinen Wohnsitz im Inland behält, vermag dieser Umstand ebensowenig wie seine österreichische Staatsbürgerschaft eine die Annahme der inländischen Gerichtsbarkeit rechtfertigende Nahebeziehung zum österreichischen Rechtsbereich zu begründen (ARD 4108/16/89). Daher besteht aber in einem solchen Fall auch kein Anspruch auf Insolvenzausfallgeld.

Es haben bereits die beklagte Partei und das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß - folgte man der Rechtsansicht des Klägers - der ehemalige Dienstgeber des Klägers und auch jeder andere ausländische Dienstgeber die Verpflichtung zur Lohnzahlung auf den Insolvenzausfallgeldfonds in Österreich schon dadurch überwälzen könnte, indem sie ihren Zahlungsverpflichtungen einfach nicht nachkommen und der Dienstnehmer, der in Österreich nie eine Dienstleistung verrichtet hat, bei einem inländischen Landes- oder Kreisgericht seiner Wahl einen Konkursantrag stellt, der schon mangels Vorliegens der inländischen Gerichtsbarkeit gemäß § 63 KO zurückgewiesen werden muß; und dies, obwohl der ausländische Dienstgeber keinerlei Mittel zur Risikoversicherung des Dienstnehmers gemäß § 12 Abs 1 Z 5 IESG beiträgt und überdies der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des ausländischen Dienstgebers gar nicht festgestellt ist. Eine solche Auslegung der Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 6 IESG, wie sie der Kläger im vorliegenden Verfahren vertritt, kann aber einem vernünftigen Gesetzgeber nicht unterstellt werden.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben. Die Revision ist nicht berechtigt.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes umfassend und zutreffend und ihr nichts hinzuzufügen ist, genügt es auf diese Entscheidung zu verweisen, zumal der Kläger in der Revision keine neuen Gesichtspunkte aufzuzeigen vermochte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E21746

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBS00009.9.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19900912_OGH0002_009OBS00009_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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