TE OGH 1990/9/12 1Ob656/90

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Veröffentlicht am 12.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Hannes und Peter H***, geboren am 14. April 1972 und 24. September 1973, beide Wattens, Schleifereigasse 10, infolge ao. Revisionsrekurses der Kinder, vertreten durch ihre Mutter Margarethe H***, Haushalt, Wattens, Schleifereigasse 10, diese vertreten durch Dr. Walter Kerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 12. Februar 1990, GZ 1 b R 9/90-125, womit infolge Rekurse beider Elternteile der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 14. November 1989, GZ P 204/77-117, zum Teil als nichtig aufgehoben, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem ao. Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als der vom Vater zu leistende monatliche Unterhalt ab 14. März 1989 auf S 4.300 (mj. Hannes) bzw. S 4.100 (mj. Peter) herabgesetzt wurde; dem Erstgericht wird in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern wurde mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Dezember 1974, 9 Cg 736/74, aus dem Verschulden des Vaters geschieden. Die Obsorge für die Kinder steht der Mutter zu. Der Vater ist als praktischer Arzt selbständig berufstätig und neben den beiden Kindern und ihrer Mutter für seine in seiner Ordination unentgeltlich mitarbeitende zweite Frau und zwei 1974 und 1978 geborene Töchter aus zweiter Ehe sorgepflichtig. Nach vergleichsweiser Unterhaltsfestsetzung im Scheidungsvergleich und nach rechtskräftigen Unterhaltserhöhungen ermittelte nach einem Erhöhungsantrag der Kinder der Sachverständige in seinem Gutachten vom 14. Jänner 1987 (ON 85) auf Grund des Jahresabschlusses und der Einkommensteuererklärung des Vaters für 1983 dessen monatliches Durchschnittseinkommen mit S 63.492 netto. Mit dieser Unterhaltsbemessungsgrundlage erhöhte das Erstgericht mit rechtskräftigem Beschluß vom 27. Jänner 1987, ON 89, ab 16. Oktober 1986 die monatlichen Unterhaltsbeiträge des Vaters für den mj. Hannes auf S 6.000 und für den mj. Peter auf S 4.500. Über Antrag des mj. Peter vom 25. Oktober 1988 und mangels Äußerung des Vaters (§ 185 Abs 3 AußStrG) erhöhte das Erstgericht mit Beschluß vom 28. November 1988, ON 91, bestätigt mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 31. Jänner 1989, 1 b R 210/88-94, die monatliche Unterhaltsleistung des Vaters auch für den mj. Peter ab 1. September 1988 auf S 6.000.

Seinen am 14. März 1989 gestellten Antrag auf Herabsetzung des Unterhaltes auf monatlich S 4.300 für den mj. Hannes und auf S 4.000 für den mj. Peter begründete der Vater damit, daß das Gutachten über seine Einkommensverhältnisse für 1983 falsch gewesen sei, sich seitdem sein Einkommen durch die Neueröffnung einer zweiten Arztpraxis wesentlich verringert habe, die nun vorliegende, vom Finanzamt geprüfte Steuererklärung für 1986 ein geringeres Einkommen als 1983 ergebe und durch die regressiven Honorarmaßnahmen der Krankenkassen mit weiteren Einkommensverlusten zu rechnen sei; seine Belastungen seien durch seine von ihm zu versorgenden Töchter aus zweiter Ehe auf Grund deren zunehmenden Alters und der chronischen Erkrankung einer Tochter gestiegen. Er habe auch ein Haus gebaut, in welchem die Ordination untergebracht sei.

Die Kinder sprachen sich gegen den Herabsetzungsantrag aus. Der Sachverständige ermittelte in seinem Gutachten vom 20. Juni 1989 (ON 105) auf Grund des Jahresabschlusses und der Einkommensteuerklärung des Vaters für 1987 dessen monatliches Durchschnittseinkommen mit S 40.747. Daraufhin setzte das Erstgericht den Unterhalt für beide Kinder ab 14. März 1986 auf je S 5.300 monatlich herab und wies das Mehrbegehren ab, wobei es vom monatlichen Nettoeinkommen des Vaters im letztmöglichen Berechnungszeitraum (1987) ausging. Daß ein Sprengelarzt, der nur zur einfachen Buchhaltung (Gewinn- und Verlustrechnung) verpflichtet sei, relativ leicht Gewinne auf die Folgeperiode verlagern könne, ohne daß dies zum Zeitpunkt der Prüfung nachweisbar sei, sei bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden, weil sonst eine Unterhaltsbemessung erst 1991 erfolgen könne.

Das Rekursgericht hob über Rekurs beider Elternteile den erstgerichtlichen Beschluß, soweit das Begehren, die Unterhaltsleistungen rückwirkend (für 1. Jänner 1986 bis 13. März 1989) herabzusetzen, abgewiesen wurde, rechtskräftig zurück, weil darüber im streitigen Verfahren zu entscheiden sei, und setzte die monatliche Unterhaltsverpflichtung ab 14. März 1989 auf S 4.300 für den mj. Hannes und auf S 4.100 für den mj. Peter herab. Bei selbständig Erwerbstätigen sei das letzte steuerlich abgeschlossene Bilanz- oder Geschäftsjahr als Grundlage der Unterhaltsbemessung heranzuziehen, dies sei hier 1987, weil eine Einkommensermittlung für 1988 noch nicht habe erfolgen können. Der Hinweis der Mutter auf den auf Grund angenommener Zustimmung des Vaters ergangenen Unterhaltserhöhungsbeschluß für den mj. Peter vom 28. November 1988 gehe fehl, weil anzunehmen sei, daß zum damalligen Zeitpunkt dem Vater das Nettoeinkommen für 1987 noch nicht bekannt gewesen sei. Er habe sich in seinem Rekurs gegen den Beschluß vom 28. November 1988 auch auf den Einkommensteuerbescheid für 1986 und nicht für 1987 berufen.

Rechtliche Beurteilung

Der ao. Revisionsrekurs der Kinder gegen die Unterhaltsherabsetzung ist iS des § 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989 zulässig und gerechtfertigt.

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt zwar auch Beschlüssen im außerstreitigen Verfahren im Hinblick auf § 18 Abs 1 AußStrG materielle und formelle Rechtskraft zu (EFSlg. 47.280; ÖA 1984, 44; SZ 44/181; JBl 1974, 268 ua; Fasching III 699), die aber einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse nicht standhält (JBl 1974, 268 ua). Zufolge der jeder Unterhaltsbemessung stillschweigend innewohnenden Umstandsklausel (EFSlg 46.272, 43.711 f uva; Rummel in Rummel2 Rz 8 a zu § 901 ABGB; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, Rz 90 zu § 140 ABGB) kann das Gericht bei einer wesentlichen Änderung der für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse - Bedürfnisse des Berechtigten und Leistungsfähigkeit des Verpflichteten - eine andere Entscheidung treffen (EF 46.272; JBl 1974, 268; EFSlg 26.489 uva; Rummel aaO). Eine solche Änderung der Verhältnisse liegt auch dann vor, wenn die Tatsachen zur Zeit der früheren Entscheidung bereits eingetreten waren, dem Gericht bei seiner Beschlußfassung aber unbekannt geblieben sind (SZ 44/180; EFSlg 26.509, 7.997 ua). Entgegen der im Rechtsmittel vertretenen Auffassung wäre daher auch die, einen Zeitraum vor der Schaffung des Vortitels betreffende Einkommensteuererklärung des Vaters für 1987 ein taugliches Beweismittel zur Feststellung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, weil die sich daraus ergebenden Einkommensverhältnisse des Vaters als Tatsachen erst nach der Schaffung des Vortitels bekannt wurden. Äußert sich der gemäß § 185 Abs 3 AußStrG Aufgeforderte nicht, kommt dies einem Tatsachengeständnis gleich (EFSlg. 55.833, 52.893, 47.373 ua); auch bei der Unterhaltsbemessung für den mj. Peter ist daher von einer seinerzeitigen Unterhaltsbemessungsgrundlage von monatlich S 63.492 auszugehen.

Bei selbständig Erwerbstätigen nahmen Rekursgerichte grundsätzlich das letzte steuerlich abgeschlossene Bilanz- oder Geschäftsjahr als Grundlage für die Unterhaltsbemessung (EFSlg LGZ Wien 53.281, 50.468, 42.785, 30.809, KG Krems und LGZ Wien 28.745, LGZ Wien 26.196 ua). Im vorliegenden Fall handelt es sich beim unterhaltspflichtigen Vater um einen freiberuflich tätigen Arzt, der die steuerliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG vornehmen kann. Damit die Unterhaltsbemessungsgrundlage verzerrende Einkommensschwankungen, die auf steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zurückzuführen sind, ausgeschaltet werden, kann in einem solchen Fall die Heranziehung des Einkommens bloß eines, noch dazu nicht des letzten Wirtschaftsjahres vor der Beschlußfassung, keine verläßliche Grundlage dafür bieten, ob sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vaters gegenüber den Feststellungen in den Unterhaltserhöhungsbeschlüssen geändert haben. Dem allgemein anerkannten Grundsatz, daß jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen hat, entspricht es, daß derjenige, der eine für die Unterhaltsbemessung maßgebliche Änderung der auf seiner Seite eingetretenen, zu seinen Gunsten ausschlagenden Verhältnisse behauptet, dies zu beweisen hat (SZ 53/54 mwN). Es ist somit hier Sache des Unterhaltsverpflichteten, seine verminderte Leistungsfähigekit gegenüber den, dem Vortitel zugrunde liegenden Verhältnissen darzutun. Um eine verläßliche Beurteilungsgrundlage zu finden, ist es daher in einem solchen Fall notwendig, das Durchschnittseinkommen des Vaters aus den letzten drei, der Beschlußfassung vorangehenden Wirtschaftsjahren festzustellen, und dieses der seinerzeitigen Bemessungsgrundlage von S 63.492 monatlich gegenüberzustellen (vgl. für den deutschen Rechtsbereich: NJW 1985, 909; NJW 1983, 1554;

NJW 1982, 1642; Diederichsen in Palandt49 1592; Kalthoener-Büttner,

Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts4 Rz 522;

Göppinger/Kindermann, Unterhaltsrecht5 Rz 527). Demgemäß wird im fortgesetzten Verfahren die Sachverhaltsgrundlage so weit zu verbreitern sein, daß ein sicherer Schluß auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters gezogen werden kann. Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Anmerkung

E21858

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00656.9.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19900912_OGH0002_0010OB00656_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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