TE OGH 1990/9/12 1Ob611/90

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Veröffentlicht am 12.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** & P***,

Dachdeckungs Gesellschaft mbH & Co KG, Klagenfurt, Rosentalerstraße 87, vertreten durch Dr. Georg Kochwalter, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Horst Z***, Unternehmer, Klagenfurt, Schilfweg 7, vertreten durch Dr. Helmut Sommer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterfertigung eines Kaufvertrages (Streitwert 1,000.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 19. März 1990, GZ 6 R 21/90-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Versäumungsurteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 14. Juni 1989, GZ 28 Cg 145/89-2, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß aus dem von der beklagten Partei zu unterfertigenden Kaufvertrag auch aus Punkt III. b) aa) die Wendung ".... und Übergabe des Beschlusses über die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung mit einer Restlaufzeit von neun Monaten bei unverändertem Grundbuchsstand gegenüber dem Auszug vom 28. April 1989 auf dem Kaufobjekt ...." und Punkt VI. zur Gänze zu entfallen haben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 18.667,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.111,30 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Vorvertrag vom 27. Februar 1989 verpflichtete sich der Beklagte, seine Liegenschaft in Klagenfurt der klagenden Partei um S 1,000.000 zu überlassen, die zur grundbücherlichen Durchführung und Eigentumsrechtseinverleibung nötigen Urkunden auszustellen, formgerecht für Grundbuchszwecke zu unterfertigen und dieselben der klagenden Partei bis längstens 5. Mai 1989 zu übergeben. Der Beklagte erhielt bei Unterfertigung des Vorvertrages S 50.000; S 300.000 waren bei Unterfertigung des Kaufvertrages und S 650.000 nach dessen rechtskräftiger grundbücherlicher Durchführung fällig. Der Vorvertrag enthält neben der Bestimmung, daß keinerlei Maklergebühren zur Verrechnung kommen, keine Bestimmungen über eine Verpflichtung des Beklagten zur Übergabe eines Ranganmerkungsbeschlusses und für beide Parteien keinen Ausschluß der Schadloshaltung der Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes (laesio enormis).

Die klagende Partei begehrt unter Vorlage einer Ablichtung des Vorvertrages gegenüber dem Beklagten, dieser sei schuldig, den im Urteilsbegehren im einzelnen genannten Kaufvertrag zu unterfertigen.

Dieser Kaufvertrag enthält u.a. folgende Bestimmungen:

"III.) ... b) die Käuferin verpflichtet sich: aa) einen weiteren Teilbetrag in der Höhe von S 300.000,-- nach Übergabe des durch beide Vertragsteile beglaubigt unterfertigten Vertrages und Übergabe des Beschlusses über die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung mit einer Restlaufzeit von neun Monaten bei unverändertem Grundbuchsstand gegenüber dem Auszug vom 28. April 1989 auf dem Kaufobjekt und ...... zu überweisen.

VI.) Die Vertragsparteien bestätigen, daß ihnen nach den derzeit gegebenen Verhältnissen der wahre Wert des Vertragsgegenstandes bekannt ist, daß sie die Leistung und Gegenleistung als beiderseits angemessen anerkennen und ihnen die Bestimmung des § 935 ABGB bekannt ist.

VIII.) .... Die Kosten der Lastenfreistellung gehen zu Lasten des Verkäufers, ebenso auch die allenfalls zur Verrechnung kommenden Maklergebühren.

Mit dem wegen Nichterstattung der aufgetragenen Klagebeantwortung durch den Beklagten über Antrag der klagenden Partei ergangenen Versäumungsurteil entschied das Erstgericht iS des Klagebegehrens.

In den Rechtsmittelverfahren wendet sich der Beklagte u.a. gegen die von der klagenden Partei in den Kaufvertrag aufgenommenen Bestimmungen über seine Verpflichtung zur Bezahlung von Maklergebühren und zur Übergabe eines Ranganmerkungsbeschlusses sowie einen Ausschluß der laesio enormis. Das Berufungsgericht änderte das Versäumungsurteil durch Abweisung des im Kaufvertrag enthaltenen Passus über die Bezahlung der Maklergebühren (rechtskräftig) ab und bestätigte es im übrigen, weil weder die bei Liegenschaftsverkäufen geradezu selbstverständliche Sicherung des im vorhinein zahlenden Erwerbers durch einen Ranganmerkungsbeschluß noch der Hinweis auf einen nicht zu verändernden Grundbuchsstand ungewÄhnliche Nebenabreden darstellten; es handle sich um nach Treu und Glauben gebotene Vertragsergänzungen, die bei teilweiser Vorauszahlung völlig unbedenklich seien. Auch der Verzicht auf die laesio enormis sei keineswegs außergewÄhnlich.

Rechtliche Beurteilung

Die von der zweiten Instanz zugelassene Revision des Beklagten, mit der er weiterhin die Abweisung des gesamten Begehrens anstrebt, ist teilweise gerechtfertigt.

Beantragt der Kläger die Fällung eines Versäumungsurteiles nach § 396 ZPO oder § 398 Abs 1 ZPO, so hat das Gericht das auch durch etwa vorliegende Beweise unwiderlegte tatsächliche Vorbringen des Klägers für wahr zu halten, aber doch u.a. die Schlüssigkeit der Klage als eine der Voraussetzungen für die Fällung eines dem Antrag des Klägers stattgebenden Versäumungsurteiles von Amts wegen zu prüfen (SZ 47/93; Rechberger, Das Unschlüssigkeitsurteil im Versäumnisfall in JBl. 1974, 562, 565 mwH). Das Gericht muß somit bei der ihm nach § 396 ZPO bzw. § 398 ZPO obliegenden Schlüssigkeitsprüfung selbständig beurteilen, ob die nach der angeführten Gesetzesstelle "für wahr zu haltenden" Tatsachenbehauptungen des Klägers ausreichen, um das Klagebegehren als berechtigt zu erkennen. Soll das auf Antrag des Klägers zu fällende Versäumungsurteil dem Klagebegehren stattgeben, dann muß schon die Klage alle für das Begehren notwendigen rechtserzeugenden Tatsachen enthalten; ist das Vorbringen unschlüssig oder unvollständig, dann ist sein Klagebegehren mangels Schlüssigkeit abzuweisen (SZ 57/69; Fasching III 621 f und Lehrbuch2 Rz 1398). Soweit sich aus einer vom Kläger mit der Klage vorgelegten Urkunde die Unrichtigkeit einer anspruchsbegründenden tatsächlichen Klagsbehauptung ergibt, muß dies auch im Fall eines Versäumungsurteiles nach §§ 396, 398 Abs 1 ZPO zum Nachteil des Klägers berücksichtigt werden (4 Ob 524/77; vgl. auch Fasching III 621). Hier ist der Inhalt des Vorvertrages aktenkundig, er mußte bei der Schlüssigkeitsprüfung berücksichtigt werden. Der Vorvertrag enthält keine Regelung über einen Ausschluß der laesio enormis; die Pflicht der klagenden Partei zur Zahlung der zweiten Kaufpreisrate war nicht von der Vorlage eines Rangordnungsbeschlusses durch den Beklagten abhängig.

Die wesentlichen Stücke des Vertrages sind bestimmt, wenn die Mindestinhalte des Hauptvertrages vereinbart worden sind (JBl. 1979, 94; MietSlg. 29.109, 5.520; Gschnitzer in Klang2, IV/1 576; Binder in Schwimann, § 936 ABGB Rz 21; Reischauer in Rummel2, Rz 2 zu § 936 ABGB; vgl. auch Kramer in Münchener Kommentar2, vor § 145 BGB Rz 37; Heinrichs in Palandt, BGB49 138). Im Streitfall über die sonstigen Vertragspunkte muß der Richter den Inhalt des Hauptvertrages aus dem Parteiwillen erschließen oder aus dem Gesetz ergänzen können (JBl. 1978, 153; EvBl. 1966/493 ua). Bei einem Kaufvertrag über eine Liegenschaft betreffen die nun strittigen Vertragspunkte nicht den Mindestinhalt. Punkt VI. des von der klagenden Partei angestrebten Kaufvertrages ist durch eine Vereinbarung der Parteien ebensowenig gedeckt (5 Ob 700/77) wie die Verpflichtung des Verkäufers, vor Erhalt der zweiten Kaufpreisrate einen Rangordnungsbeschluß vorzulegen. Zu einer Aufnahme dieser nicht erörterten und nun strittigen Vertragspunkte in den Kaufvertrag durch richterliche Vertragsergänzung iS des § 914 ABGB hätte es aber eines Vorbringens in der Klage, daß entweder diese Vertragspunkte vereinbart worden seien oder aber sich die Ausfüllung von Vertragslücken nach ihrer Funktion in den Grenzen des für den anderen Vertragsteil erkennbar bekundeten rechtsgeschäftlichen Willens halte, erfordert. Das Klagsvorbringen enthält aber dazu nichts. Wird das Begehren auf Abschluß eines Vertrages ausschließlich auf die Bestimmungen eines schriftlichen Vorvertrages gestützt, kann die Berechtigung dieses Begehrens nur an Hand dieses Vertragstextes geprüft werden (vgl. SZ 49/120).

Der Beklagte beantragte in der Revision die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens. Während früher die Ansicht vertreten wurde, das Klagebegehren sei abzuweisen, wenn bei einem Begehren auf Vertragserfüllung einzelne der begehrten Vertragsbestimmungen nicht durchsetzbar seien, weil das Ausscheiden oder die Änderung solcher Bestimmungen gegenüber dem Klagebegehren ein aliud darstellten (SZ 49/120; NZ 1970, 41 ua), vertritt der Oberste Gerichtshof nunmehr die Auffassung, daß in das Klagebegehren aufgenommene Vertragsbestimmungen, die der Vereinbarung nicht entsprechen und quantifizierbare und deshalb auch als minus einer Teilabweisung fähige Teile der begehrten Leistungsverpflichtung darstellen (JBl. 1986, 38; MietSlg. 30.471 mwN; 5 Ob 700/77), soferne eine solche Überklagung nur einen bloß unwesentlichen, abtrennbaren Vertragsteil betrifft (7 Ob 812/79). Davon ist hier auszugehen. Demgemäß ist der Revision durch Ausscheidung der entsprechenden Vertragsbestimmungen aus dem nach dem Klagebegehren vom Beklagten zu unterfertigenden Kaufvertrag teilweise Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 Abs. 2, 50 ZPO. Der Beklagte strebte die Abweisung des gesamten Klagebegehrens an. Die Ausschaltung einzelner Vertragspunkte stellt nur einen verhältnismäßig geringfügigen Teil seiner Rechtsmittelanträge dar.

Anmerkung

E21856

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00611.9.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19900912_OGH0002_0010OB00611_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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