TE OGH 1990/9/12 1Ob618/90

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Veröffentlicht am 12.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Graf und Dr. Schiemer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang R***, Glasermeister, Schwanenstadt, Parkstraße 6, vertreten durch Dr. Norbert Gugerbauer und Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, wider die beklagte Partei Anton R***, Galvaniseur, Schwanenstadt, Staig 70, vertreten durch Dr. Wolfgang Zahradnik, Dr. Hans Christian Kollmann und Dr. Edgar Hofbauer, Rechtsanwälte in Lambach, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 5. März 1990, GZ R 35/90-65, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwanenstadt vom 19. Oktober 1989, GZ 2 C 202/88-57, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger brachte am 21.11.1985 eine ua auf die auf einen mangelhaften Subzähler zurückzuführende Nichtzahlung von Betriebskosten (Stromkosten) gestützte Kündigungsklage ein. Der Beklagte wendete ein, an einem allfälligen Rückstand träfe ihn kein grobes Verschulden. Erst im Zug des Verfahrens sei ihm bekannt geworden, daß der Subzähler, der durch einen konzessionierten Unternehmer eingebaut worden sei, unrichtige Meßergebnisse liefere. Er habe einen möglicherweise höheren Verbrauch bereits durch eine Akontozahlung von S 29.898,89 am 29.8.1986 ausgeglichen.

Der Kläger replizierte, daß er den Beklagten schon vor Einleitung des Verfahrens wiederholt darauf hingewiesen habe, daß der Subzähler nicht ordnungsgemäß funktioniere. Eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten werde auch darin erblickt, daß sich dieser trotz mehrmaliger eindeutiger Aufforderungen geweigert habe, einen ordnungsgemäß funktionierenden Subzähler zu installieren, obwohl er eine solche Verpflichtung übernommen habe. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 9.6.1988 erklärte der anwaltlich vertretene Beklagte, er sei bereit, für einen Verbrauchszeitraum vom 1.10.1984 bis 30.9.1985 einen Rückstand an Stromkosten mit weiteren S 5.000 anzuerkennen. Sein Anerkenntnis sei ein Entgegenkommen. In dieser Verhandlung verkündete der Richter den Beschluß, daß der Beklagte dem Kläger für rückständige Stromkosten für die Zeit vom 1.10.1984 bis 30.9.1985 den Betrag von S 5.000 schulde. Der Beklagte verzichtete auf Rechtsmittel und Beschlußausfertigung, der Kläger beantragte Beschlußausfertigung. Danach bezahlte der Beklagte dem Kläger den Betrag von S 2.572,50. Der Kläger erklärte diesen Betrag als Teilzahlung anzunehmen. Nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles erklärte der Beklagte den Betrag von S 5.000 "momentan" nicht zahlen zu können, da er das Geld nicht bei sich habe. Nach Legung von Kostennoten verkündete der Richter den Beschluß auf Schluß der Verhandlung. Der Kläger bekämpfte in der Folge den gemäß § 33 Abs 2 MRG ergangenen Beschluß nicht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Voraussetzung für die Aufhebung einer Kündigung sei die Zahlung des gesamten bei Verhandlungsschluß bestehenden Rückstandes. Es seien sämtliche bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz fällig gewordenen Mietzinsbestandteile zu bezahlen. Dazu gehöre nach § 15 Abs 1 Z 2 MRG auch der auf den Mietgegenstand entfallende Anteil an den Betriebskosten. Voraussetzung für die Abwendung der Kündigung nach § 33 Abs 2 MRG sei, daß der bis zum Schluß der Verhandlung bestehende Rückstand vor Schluß der Verhandlung in die Hände des Vermieters gelangt sei. Hier mangle es an der rechtzeitigen Bezahlung des Stromkostenrückstandes durch den Beklagten. Er habe den mit Beschluß nach § 33 Abs 2 MRG festgestellten Stromkostenrückstand vor Schluß der Verhandlung nicht zur Gänze bezahlt, obwohl er auf ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluß sofort verzichtet habe. Er habe sich damit der Möglichkeit begeben, eine Kündigung wegen des bestehenden Stromkostenrückstandes, an dem ihn kein grobes Verschulden getroffen habe, durch rechtzeitige Bezahlung des Rückstandes abzuwenden. Da somit der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG weiterhin gegeben sei, sei der Kündigungsklage stattzugeben.

Dieses Urteil bekämpfte der Beklagte mit Berufung. Er machte den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Er führte aus, nach der Beschlußfassung gemäß § 33 Abs 2 MRG habe er den genannten Betrag an den Kläger bezahlen wollen. Zu seinem Entsetzen habe er feststellen müssen, daß er seine Geldtasche im PKW, den er unmittelbar vor dem Gerichtsgebäude geparkt hatte, liegen gelassen bzw. vergessen habe. Daraufhin habe er seinen Rechtsvertreter gebeten, er möge für ihn zwischenzeitlich diese Zahlung erbringen. Sein Rechtsvertreter habe aber nur den Betrag von S 2.572,50 bei sich gehabt, den er sodann dem Kläger aushändigte. Daraufhin hätten sowohl der Beklagte als auch sein Vertreter den Verhandlungsrichter gebeten, ihnen die Möglichkeit einzuräumen, die vergessene Geldtasche aus dem vor dem Gerichtsgebäude geparkten PKW zu holen und erst dann den Beschluß auf Schluß der Verhandlung zu fassen. Dafür wäre ein Zeitaufwand von etwa ein bis zwei Minuten erforderlich gewesen. Der Richter habe dies jedoch nicht zugelassen und protokolliert, daß der Beklagte momentan nicht mehr Geld bei sich hätte. Jede weitere Protokollierung habe er darüber hinaus nicht gestattet und das Verfahren geschlossen.

Der Kläger bekämpfte in seiner Berufungsbeantwortung die Richtigkeit der Darstellung des Beklagten.

Das Berufungsgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung der Berufung des Beklagten in der Hauptsache Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Der Beschluß, mit dem über die Höhe des geschuldeten Betrages entschieden worden sei, sei in Ansehung des Beklagten in Teilrechtskraft erwachsen. Da der Kläger aber keinen Rechtsmittelverzicht abgegeben habe, sei die Entscheidung des Erstgerichtes über die Höhe des geschuldeten Betrages zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung noch nicht zur Gänze in Rechtskraft erwachsen gewesen. Die Verhandlung erster Instanz hätte nicht geschlossen werden dürfen. Dem Beklagten hätte die Möglichkeit gegeben werden müssen, den gesamten geschuldeten Betrag zu bezahlen, was begrifflich erst nach rechtskräftiger Feststellung hätte erfolgen können, andererseits solle aber auch die für die Parteien bedeutsame Frage, ob ein Bestandverhältnis aufgelöst sei oder nicht, nicht davon abhängen, welchen Geldbetrag ein an sich zahlungswilliger und zur konstruktiven Lösung des Rechtsstreites bereiter Beklagter zufällig mit sich führe. Das Erstgericht hätte somit zumindest die Rechtskraft seines Beschlusses über die Höhe des rückständigen Betrages auch in Ansehung des Rekursrechtes des Klägers abwarten müssen, um dem Beklagten die Möglichkeit zu geben, den geschuldeten Gesamtbetrag zu zahlen. Der Schluß der Verhandlung vor Rechtskraft der Entscheidung begründe eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Da außer Streit stehe, daß in der Zwischenzeit der restliche Betrag bezahlt worden sei, erweise sich die Berufung des Beklagten als berechtigt, zumal ein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand auf seiner Seite nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist berechtigt.

Nach § 33 Abs 2 MRG hat das Gericht vor Schluß der Verhandlung durch Beschluß zu entscheiden, wenn die Höhe (oder auch nur der Grund: SZ 42/128; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 30 zu § 33 MRG) des geschuldeten Mietzinsbetrages strittig ist. Nach dem Anerkenntnis des Beklagten, dem Kläger unabhängig von den von ihm bereits geleisteten Zahlungen einen Mietzins von S 5.000 zu schulden, war nur mehr der vom Kläger behauptete Mehrbetrag strittig. Ein dem Grunde und der Höhe nach anerkannter Mietzinsbetrag ist nicht mehr strittig. Nur über diesen Mehrbetrag war daher bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen abzusprechen. Dies wurde vom Erstgericht inhaltlich in der Weise getan, daß es feststellte, der vom Kläger behauptete, S 5.000 übersteigende Mehrbetrag bestehe nicht zu Recht. Durch diesen Beschluß konnte sich seinem Inhalt nach nur der Kläger beschwert erachten, der aber ein Rechtsmittel nicht ergriff. Es kann auch nur, insoweit der geschuldete Betrag dem Grunde oder der Höhe nach strittig ist, der Zweck der Beschlußfassung nach § 33 Abs 2 MRG (früher § 21 Abs 2 MG), klarzustellen, welchen Betrag der Mieter dem Vermieter schuldet, erreicht werden, damit der Mieter die Möglichkeit erhält, vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung durch Entrichtung (= Zahlung) des rückständigen Mietzinses eine auf die Nichtzahlung des Mietzinses gestützte Kündigung oder eine solche Räumungsklage abzuwehren (MietSlg. 34.498, 33.409. 29.398, 27.450; Würth-Zingher aaO). Nur soweit der geschuldete Betrag strittig ist, muß daher die Rechtskraft des nach § 33 Abs 2 MRG gefaßten Beschlusses abgewartet werden, damit nach deren Eintritt der Mieter die Möglichkeit zur Zahlung erhält (MietSlg. 39.478; Würth-Zingher aaO Rz 30, 31). Mit dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses des Beklagten, dem Kläger den Betrag von S 5.000 an rückständigem Mietzins zu schulden, war nicht nur klargestellt worden, daß dieser Betrag nicht mehr strittig ist, sondern es bestand auch die Verpflichtung des Klägers, wollte er der Rechtswohltat des § 33 Abs 2 MRG teilhaftig werden, jedenfalls noch vor Schluß der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung diesen von ihm auf jeden Fall geschuldeten Betrag zu entrichten. Das Abwarten der Rechtskraft des vom Erstgericht gefaßten Beschlusses wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn der Beklagte den von ihm bereits anerkannten Rückstand auch tatsächlich noch in dieser Verhandlung entrichtet hätte. Eine nach Schluß der Verhandlung erfolgte Zahlung konnte daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht mehr zur Aufhebung der Kündigung führen. Bei anderer Ansicht hätte es jeder Mieter in der Hand, durch Bestreitung nur eines Teiles des vom Vermieter behaupteten Mietzinsrückstandes nicht nur ein Moratorium für einen von ihm auf jeden Fall geschuldeten Betrag zu erreichen, sondern unter den Voraussetzungen des § 33 Abs 2 MRG die Rechtswirksamkeit der Aufkündigung abwehren zu können. Eine solche Bevorzugung des mit der Zahlung des Mietzinses säumigen Mieters kann dem Gesetz nicht entnommen werden.

Damit ist aber auf die in der Berufung des Beklagten allein erhobene Mängelrüge einzugehen. Eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens liegt vor, wenn dem Gekündigten zu Unrecht die Rechtswohltat des § 33 Abs 2 MRG genommen wurde (SZ 16/196). Dies wäre der Fall, wenn der Beklagte, der einen geschuldeten Teilbetrag anerkannte, durch den Verhandlungsrichter mit einem vorschnellen Schluß der Verhandlung überrumpelt wurde und aus diesem Grund den Differenzbetrag nicht mehr entrichten konnte (Sternberg, Das Mietengesetz, 482). Eine solche Überrumpelung läge vor, wenn der vom Beklagten zur Dartuung der Berechtigung seiner Mängelrüge nach § 482 Abs 2 ZPO zulässigerweise geltend gemachte neue Sachverhalt zuträfe, er habe zwar die erforderlichen Geldmittel nicht bei sich im Gerichtssaal gehabt, wäre aber in der Lage gewesen, sie innerhalb kürzester Zeit (etwa weil sich die Geldtasche in dem in der Nähe geparkten PKW befunden habe) die vollständige Zahlung vorzunehmen. Auch für den vergleichbaren Fall der Legung der Kostennote vor Schluß der Verhandlung (§ 54 Abs 2 ZPO) ist anerkannt, daß das Gericht den Parteien die rechtzeitige Fertigstellung der Kostennote zu ermöglichen hat und die Verhandlung nicht sofort nach Aufforderung, die Kostennoten zu legen, schließen darf, wenn die Parteienvertreter dieser Aufforderung unverzüglich nachzukommen trachten (9 Ob A 311/88; Fasching, Kommentar II 374). Bei dem vom Beklagten behaupteten Sachverhalt wäre der Vrhandlungsrichter daher verpflichtet gewesen, eine kurze Zeitspanne mit dem Schluß der Verhandlung zuzuwarten.

Der Revision ist Folge zu geben. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist aufzuheben. Die Rechtssache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Sollte die vom Beklagten behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz vorliegen, könnte die Frage, ob den Beklagten an der Nichtzahlung ein grobes Verschulden getroffen habe, abschließend noch nicht beurteilt werden, weil das Erstgericht zu dem auch in diesem Punkt widerstreitenden Vorbringen der Parteien keine Feststellungen getroffen hat.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E21616

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00618.9.0912.000

Dokumentnummer

JJT_19900912_OGH0002_0010OB00618_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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