TE OGH 1990/9/18 10ObS260/90

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Veröffentlicht am 18.09.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Trabauer (Arbeitgeber) und Gerhard Gotschy (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anton S***, 3130 Herzogenburg, Inzersdorf 97, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei A*** U***, 1200 Wien, Adalbert

Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner und Dr.Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.März 1990, GZ 31 Rs 59/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18.Oktober 1989, GZ 33 Cgs 98/89-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 23.3.1989 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers ab, ihm aus Anlaß des Arbeitsunfalls vom 12.10.1987 eine Versehrtenrente zu gewähren, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenbegründendem Ausmaß nicht vorliege. Mit der rechtzeitigen Klage begehrte der Kläger die Gewährung einer Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % der Vollrente ab gesetzlichem Anfallstag. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und wendete ein, die vorgebrachten Beschwerden stünden mit dem gegenständlichen Unfall in keinem Zusammenhang. Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 12.10.1987 eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 20 % der Vollrente zu gewähren. Es gelangte zu dem Ergebnis, daß die beim Kläger auf Grund des genannten Arbeitsunfalles vorhandenen Beschwerden und funktionellen Beeinträchtigungen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 20 % nach sich ziehen.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung nicht Folge. Die Berufungswerberin rüge zu Unrecht, daß das Erstgericht es unterlassen habe, eine Gesamtrentenbildung vorzunehmen. Sie übersehe, daß Gegenstand des erstgerichtlichen Verfahrens allein der Unfall des Klägers vom 12.10.1987 gewesen sei. Die beklagte Partei habe diesem Klagebegehren gegenüber lediglich eingewendet, daß der genannte Unfall keine die Leistungsfähigkeit des Klägers über den dritten Monat nach Eintritt des Versicherungsfalles hinaus beeinträchtigenden Folgen bedinge und daß die in der Klage vorgebrachten Beschwerden mit dem gegenständlichen Unfall in keinem Zusammenhang stünden. Ein Vorbringen des Inhalts, daß der Kläger vor dem gegenständlichen Unfall bereits andere Arbeitsunfälle erlitten hätte, die zu einer Gesamtrentenbildung heranzuziehen gewesen wären, habe die beklagte Partei im Verfahren erster Instanz nicht erstattet. Sie verstoße daher mit ihren Berufungsausführungen gegen das Neuerungsverbot. Für die Bildung einer Gesamtrente bestehe demnach keine sachliche Grundlage. Die auf Grund des Arbeitsunfalles vom 12.10.1987 eingetretene Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers habe das Erstgericht richtig festgelegt.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil von der beklagten Partei erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die beklagte Partei führt unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache aus, daß bereits in dem vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachten die Arbeitsunfälle von 1972 und 1976 dokumentiert und der Bezug einer 30 %igen Versehrtenrente angeführt, somit gerichtsbekannt sei. Zum Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Urteils sei die Frist des § 210 Abs. 2 ASVG bereits überschritten gewesen. Die Vorinstanzen hätten daher von sich aus die zwingende Norm des § 210 ASVG anwenden und eine Gesamtrente aus sämtlichen Arbeitsunfällen bilden müssen. Da diesbezüglich Feststellungen unterblieben seien, liege auch der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor.

Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden. Daß gemäß § 210 Abs. 2 ASVG iVm dem vorangehenden Absatz 1 spätestens vom Beginn des dritten Jahres nach dem Eintritt des neuen Versicherungsfalls an die Rente nach dem Grad der durch alle Versicherungsfälle verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit festzustellen ist, wenn ein Versehrter neuerlich durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt wird, die durch diese neuerliche Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 % beträgt und die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 20 % (bei bestimmten Berufskrankheiten 50 %) erreicht, ist im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Den Gegenstand des Verfahrens bildete nämlich allein der Arbeitsunfall vom 12.10.1987, wie sich aus dem Klagebegehren aber auch dem sonstigen Prozeßvorbringen beider Streitteile ergibt. Die Vorinstanzen waren daher nicht verpflichtet und auch gar nicht berechtigt, frühere Arbeitsunfälle (aus den Jahren 1972 und 1976) zum Gegenstand ihrer Entscheidung zu machen und über die Gewährung einer Gesamtrente zu entscheiden; dies hätte vorausgesetzt, daß der Kläger seine Klage auf sämtliche Arbeitsunfälle gestützt oder die beklagte Partei die Notwendigkeit der Feststellung einer Gesamtrente eingewendet hätte. Da dies nicht geschah, ist es auch dem Obersten Gerichtshof verwehrt, auf die Feststellung einer Gesamtrente Bedacht zu nehmen. Die dem Kläger gebührende Versehrtenrente war vielmehr gemäß § 210 Abs. 5 ASVG entsprechend dem Grad der durch die neuerliche Schädigung allein verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit zuzuerkennen (ebenso 10 Ob S 309/89 = SSV-NF 3/128 zu dem vergleichbaren § 108 B-KUVG mit Ablehnung der gegenteiligen älteren Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien). Wie zu entscheiden ist, wenn die beklagte Partei die Notwendigkeit der Feststellung einer Gesamtrente einwendet, ist hier nicht zu erörtern. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht entstanden, sodaß eine Kostenentscheidung zu entfallen hatte.

Anmerkung

E21772

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00260.9.0918.000

Dokumentnummer

JJT_19900918_OGH0002_010OBS00260_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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