TE OGH 1990/9/19 3Ob94/90

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Veröffentlicht am 19.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Schalich und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich T***, kaufmännischer Angestellter, Schippingerstraße 31, 8051 Graz, vertreten durch Dr.Gerhard Hackenberger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei S*** G***, Glockenspielplatz 7, 8010 Graz, vertreten durch Dr.Ilse Grossauer, Rechtsanwältin in Graz, wegen Widerspruch gegen die Räumungsexekution nach § 37 EO, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 9.Mai 1990, GZ 4 R 20/90-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7.November 1989, GZ 8 C 434/87t-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.087,-- (darin S 514,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 11.Mai 1966 mietete die Ehegattin des Klägers eine Zimmer-Küche Wohnung samt Nebenräumen mit rund 39 m2 Nutzfläche in dem im Eigentum der nun beklagten Stadtgemeinde stehenden Haus Schippingerstraße 31 in 8051 Graz. Der Kläger schloß am 5.Mai 1972 die Ehe. Bis 1983 lebten die Ehegatten in dieser Mietwohnung, dann zogen sie in eine Dienstwohnung der Ehegattin, doch wurde im Sommer 1985 das Dienstverhältnis aufgelöst. Die Ehegattin kehrte nach einem Genesungsurlaub nicht mehr zum Kläger zurück und brachte am 30.August 1985 die Scheidungsklage ein. Der Kläger zog vorübergehend zu seiner Mutter nach Knittelfeld und wohnte seit 1986 wieder in der Mietwohnung im Haus der beklagten Partei. Die gesonderte Wohnungsnahme der Ehegattin wurde am 24.März 1986 vom Gericht nach § 92 Abs 2 ABGB als rechtmäßig festgestellt. Dies erwähnte sie bei Vorsprachen gegenüber den mit der Liegenschaftsverwaltung betrauten Personen, denen dadurch bekannt wurde, daß die Ehegattin nicht mehr in der Wohnung wohne aber hoffe, sie nach der Scheidung wieder beziehen zu können. Die Ehegattin des Klägers hielt sich mit dem Sohn in einem von Verwandten überlassenen Zimmer von 10 m2 Nutzfläche ohne natürliches Licht auf. Sie bezahlte den Mietzins an die beklagte Partei bis Oktober 1986 und übergab dann Erlagscheine dem Kläger mit der Erklärung, sie werde nicht weiter den Mietzins für die Wohnung bezahlen, in der sie nicht wohnen könne, und sei dazu auch nicht in der Lage, weil sie seit 15. Oktober 1985 arbeitslos war.

Im Feber 1987 bezahlte der Kläger namens der Ehegattin einen Teilbetrag des Mietzinsrückstandes.

Die beklagte Vermieterin brachte am 19.Mai 1987 gegen die Hauptmieterin die auf Zahlung des Mietzinses und Räumung gerichtete Klage ein. Der Kläger erfuhr von der Auflösung des Mietverhältnisses und der Prozeßführung nichts, er wurde weder von seiner Ehegattin noch von der beklagten Partei verständigt. Mit dem Versäumungsurteil vom 3.Juni 1987 wurde die Ehegattin des Klägers zur Räumung der Wohnung und zur Zahlung des rückständigen Mietzinses von S 7.766,53 sA verurteilt.

Nach Rechtskraft dieses Urteiles bewilligte das Erstgericht der Vermieterin die Exekution durch zwangsweise Räumung der Wohnung. Der Räumungstermin war für den 29.September 1987 anberaumt. Am 28.September 1987 hat der Ehegatte der Verpflichteten mittels Klage Widerspruch gegen die Räumungsexekution erhoben und behauptet, es stehe ihm an der Wohnung ein Recht zu, welches die Vornahme der Exekution unzulässig mache (§ 37 EO). Er habe die Wohnung mit seiner Ehegattin bis 1985 gemeinsam bewohnt und sei zur Deckung des dringenden Wohnbedürfnisses auf diese Wohnung angewiesen. Die Ehegattin habe seinen nach § 97 ABGB zustehenden Anspruch verletzt und es unterlassen, den Mietzins laufend zu begleichen und dem Räumungsbegehren entgegenzutreten. Sie habe vielmehr den Kläger nicht rechtzeitig verständigt und ein Versäumungsurteil in Rechtskraft erwachsen lassen. Den mit der Hausverwaltung betrauten Personen der beklagten Stadtgemeinde sei zumindest seit dem Sommer 1986 bekannt gewesen, daß der Kläger in der Wohnung, die ihm zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses diene, wohne. Der Räumungsprozeß beruhe auf einem Zusammenwirken der beklagten Partei mit der ihm nach § 97 ABGB verpflichteten Hauptmieterin mit dem Ziel, ihn aus der Wohnung zu bringen. Die beklagte Partei habe jedenfalls Kenntnis von der Rechtsposition des Klägers gehabt und es unterlassen, ihn zu unterrichten. Ihm stehe daher auch gegen die beklagte Partei der Anspruch auf Sicherung der Wohnungsbenützung nach § 97 ABGB zu.

Die beklagte Partei trat dem Exszindierungsbegehren entgegen. Sie bestritt jede Zusammenwirkung mit der Ehegattin des Klägers. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, vor der Aufhebung des Mietvertrages mit der Hauptmieterin wegen Säumigkeit mit der Bezahlung des Mietzinses nach § 1118 ABGB den Kläger zu verständigen. Die Hauptmieterin habe bei wiederholten Vorsprachen erwähnt, daß ihre Ehe zerrüttet sei und ihr die gesonderte Wohnungnahme gerichtlich gestattet wurde. Sie habe den Mietzins nicht mehr bezahlen können und davon ohnedies dem Kläger Mitteilung gemacht.

Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang erneut das Klagebegehren ab. Es verneinte einen Anspruch des Klägers gegen seine Ehegattin nach § 97 ABGB, weil er ein Verhalten gesetzt habe, das einen Auftrag zum Verlassen der Ehewohnung gerechtfertigt hätte. Schon deshalb könne er auch keinen Anspruch gegen die beklagte Vermieterin erheben.

Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht traf nach Beweisergängzung noch folgende Feststellungen:

Es bestand zwischen der beklagten Partei und der Hauptmieterin der Wohnung keine Vereinbarung oder Zusage, daß ihr die Wohnung nach der Räumung durch den Kläger wieder vermietet werde. Die Hauptmieterin hatte bei einer Vorsprache ihre Absicht bekundet, nach der Scheidung im Aufteilungsverfahren die Mietrechte zu behalten. Die Einbringung der Räumungsklage erfolgte einzig und allein wegen des Mietzinsrückstandes. Erst nach Rechtskraft des Räumungsurteiles kam es zwischen der Verpflichteten und den Sachbearbeitern der beklagten Partei zu Gesprächen, daß sie diese Wohnung nach Räumung durch den Kläger wieder oder eine andere Gemeindewohnung mieten könne und bis dahin befristet ab 1.Jänner 1988 in einer Wohnung in der Schulgasse wohnen könne. Die beklagte Partei setzt die Ehegatten von Hauptmietern (Hauptmieterinnen) von der Einbringung einer Aufkündigung oder der Erhebung einer Räumungsklage grundsätzlich nicht in Kenntnis. Sie sah sich dazu auch hier nicht veranlaßt, weil der Sachbearbeiterin der Gerichtsbeschluß über die Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungnahme bekannt war.

Auf der Grundlage der (nur teilweise) übernommenen erstgerichtlichen Feststellungen und dieses ergänzend als erwiesen angenommenen Sachverhalts meinte das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung, ein Direktanspruch aus § 97 ABGB gegen einen Dritten bestehe nur ausnahmsweise, wenn ein relevantes Verschulden des Dritten bewiesen sei. Weder ein bewußtes Zusammenwirken der beklagten Partei mit der Verpflichteten bei Schaffung des Räumungstitels zur Unterlaufung des Anspruches nach § 97 ABGB sei erwiesen, noch ein bedingter Vorsatz aber auch keine Fahrlässigkeit der beklagten Partei: Den Sachbearbeitern der beklagten Partei sei nicht bekannt geworden, daß die Hauptmieterin den Kläger vom Räumungsprozeß nicht rechtzeitig verständigte. Sie hätten aber auch nicht Kenntnis gehabt, daß alle Voraussetzungen eines Anspruches nach § 97 ABGB vorlagen, besonders daß die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten diente. Es könne auch nicht von einer Stadtgemeinde, die mehr als 6.000 Bestandgegenstände betreue, verlangt werden, in jedem Fall vor der Mietvertragsauflösung den anderen Ehegatten zu verständigen. Ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der nach § 97 ABGB zur Unterlassung und Vorkehrung, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere, verpflichtete über die Wohnung verfügungsberechtigte Ehegatte seinen Pflichten nicht nachkomme, sei eine Verständigungspflicht durch den Vermieter nicht gegeben, selbst wenn dieser von der Ehekrise und der gesonderten Wohnungnahme Kenntnis hatte. Der beklagten Partei gegenüber bestehe daher kein Recht, das die Räumungsexekution gegen die Verpflichtete unzulässig mache.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zwar wegen der Erheblichkeit der zu beurteilenden Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zulässig aber nicht berechtigt.

Es ist grundsätzlich daran festzuhalten, daß der aus § 97 ABGB abgeleitete Anspruch auf Sicherung des Wohnbedürfnisses gegenüber dem anderen Ehegatten, der über die Wohnung verfügen kann, nur gegen diesen Ehegatten besteht (Pichler in Rummel2, Rz 4 zu § 97; MietSlg 50.255 uva), und nur ausnahmsweise eine Schadenersatzpflicht auch des Dritten besteht, wenn die Voraussetzung der Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte gegeben sind (Pichler in Rummel2, Rz 6 zu § 97; EFSlg 50.257 = MietSlg 38.002/42; EFSlg 53.089 = JBl 1987, 518). Die angemessene Sanktion ist die Verpflichtung zum Ersatz der durch eine rechtswidrige Handlung oder Unterlassung dem anderen Ehegatten zugefügten Schäden (Schwind, EheR2 79 Rz 4.2.). Bei einem dolosen Zusammenwirken des verfügungsberechtigten Ehegatten mit dem Dritten kann sich dessen Verpflichtung zum Schadenersatz durch Naturalrestitution ergeben (SZ 60/281; 5 Ob 25/89). Wenn auch der Anspruch gegen den anderen Ehegatten nach § 97 ABGB gegen Eingriffe des Dritten bei Verletzung eines durch den Besitz verstärkten und damit erkennbaren Forderungsrechtes geschützt wird (JBl 1987, 518 mwN), so geht doch die Schadenersatzverpflichtung des Dritten nicht soweit, daß dieser von sich aus Nachforschungen einleiten müßte, um das Bestehen eines Anspruches nach § 97 ABGB zu prüfen, der durch sein Verhalten beeinträchtigt werden könnte. Solange dem Vermieter nicht bekannt sein muß, daß sein Hauptmieter nicht alles Zumutbare vorkehre, um dem auf die Mietwohnung zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses angewiesenen Ehegatten diese zu erhalten, besteht weder eine Pflicht zu Nachforschungen noch zu einer Kontaktaufnahme mit einem Ehegatten, zu dem er in keiner rechtlichen Beziehung steht, denn der andere Ehegatte hat nie einen Anspruch darauf, Mieter zu werden, es sei denn, der Hauptmieter übertrage ihm die Hauptmietrechte unter den Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG. Hier stellte die Ehefrau des Klägers nach Monaten, in denen sie selbst die Wohnung nicht mehr bewohnte, die Zahlung des Mietzinses ein und teilte dies dem Kläger, der die Wohnung nach einem mehrjährigen anderweitigen Aufenthalt wieder bezogen hatte, mit. Er hätte also durchaus von sich aus dafür Sorge tragen können, daß der Mietzins vertragsgemäß bezahlt wird, indem er für die Hauptmieterin die Zinszahlungen leistete. Die beklagte Vermieterin erklärte die Aufhebung des Mietvertrages (§ 1118 Fall 2 ABGB; § 29 Abs 1 Z 5 MRG) ausschließlich wegen Bestehens des qualifizierten Mietzinsrückstandes, ohne daß ihr eine Absprache mit der Hauptmieterin oder die Kenntnis der drohenden Beeinträchtigung des Anspruches des Klägers gegen seine Ehegattin nach § 97 ABGB nachgewiesen ist. Vergeblich beruft sich der Revisionswerber auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 6 Ob 621/86 = JBl 1987, 518 = MietSlg 53.089, denn auch dort wurde eine Schlechtgläubigkeit der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung als Dritter letztlich verneint und in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen auf Räumung der Wohnung erkannt, weil nach den Umständen des Einzelfalles eine Verpflichtung zu weiteren Nachforschungen über die Möglichkeit eines Eingriffes in die Rechte des auf die Wohnung angewiesenen anderen Ehegatten verneint wurde und daher von einem Eingriff in fremde Forderungsrechte nicht gesprochen werden könne. Es kommt allein auf den Zeitpunkt der Abgabe der Aufhebungserklärung nach § 1118 ABGB an, denn damit wurde, wenn nicht damals eine Naturalrestitutionspflicht der beklagten Partei bestanden hat, das Mietverhältnis mit der Hauptmieterin aufgelöst und damit auch dem Kläger, der bloß ein familienrechtliches Wohnungsrecht besaß, dessen Grundlage entzogen. Ob die beklagte Partei nach diesem Zeitpunkt etwa vor oder nach ihrem Antrag auf Bewilligung der Exekution durch zwangsweise Räumung Umstände bekannt wurden, aus denen sich ein Anspruch des Klägers gegen seine Ehegattin nach § 97 ABGB ergab, spielt entgegen der Meinung des Revisionswerbers keine Rolle. Seine Rechtsrüge geht insoweit ins Leere, denn würde man seiner Ansicht folgen, wäre zwar der Mietvertrag über das Bestandobjekt wirksam aufgelöst, die beklagte Partei müßte aber das Bewohnen durch den Angehörigen der früheren Hauptmieterin auf unbestimmte Zeit dulden. Daß der beklagten Partei im Zeitpunkt der Antragstellung auf zwangsweise Räumung bekannt sein konnte, daß die Hauptmieterin gegen die Klagsführung nichts unternommen und möglicherweise den Kläger nicht verständigt hatte, spielt demnach keine Rolle. War der Mietvertrag wirksam aufgelöst, so konnte die Vermieterin nicht anders vorgehen, als auf zwangsweise Räumung zu dringen, denn sie war weder verpflichtet, den Vertrag zu erneuern und schon gar nicht, die Wohnung an den Kläger zu vermieten. Es wäre sogar der Titel nach § 575 Abs 2 ZPO außer Kraft getreten, wenn nicht rechtzeitig wegen der Räumung Exekution beantragt worden wäre.

Damit erweist sich die Revision des Klägers als völlig unberechtigt und es bedurfte nicht der Klärung, ob nach den Umständen des Einzelfalles ein Anspruch des Klägers gegen seine Ehefrau nach § 97 ABGB überhaupt bestanden hat, denn dessen Verletzung könnte hier nur eine Schadenersatzpflicht der Ehegattin auslösen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E21880

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00094.9.0919.000

Dokumentnummer

JJT_19900919_OGH0002_0030OB00094_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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