TE OGH 1990/9/20 7Ob614/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Egermann, Dr. Niederreiter, Dr. Redl und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Johannes D***, geboren am 21.Mai 1977, infolge von Revisionsrekursen der Bezirkshauptmannschaft (Jugendamt) Salzburg-Umgebung und des Vaters Matthias K***, Hilfsprogrammierer, Straßwalchen, Stadlberg 16, vertreten durch Dr. Wolfgang Paumgartner, Rechtsanwalt in Hallein, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 5. April 1990, GZ 22 a R 38/90-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 23.Februar 1990, GZ P 106/80-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Vaters wird nicht Folge gegeben. Der Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Minderjährige ist das uneheliche Kind der Irmgard D*** und des Matthias K***. Auf ihren Antrag wurde die Mutter mit Beschluß vom 4.8.1980 (AS 3) gemäß § 198 Abs.2 (alt) ABGB zum Vormund und die Bezirkshauptmannschaft (Jugendamt) Salzburg-Umgebung gemäß § 198 Abs.3 (alt) ABGB zum besonderen Sachwalter des Kindes für die Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche bestellt. Am 20.11.1989 beantragte das Jugendamt eine Erhöhung des vom Vater zu leistenden Unterhaltes von S 1.500 auf S 2.000 monatlich ab 1.12.1989 (ON 10). Die Mutter stellte am 5.1.1990 gleichfalls einen Erhöhungsantrag auf S 2.800 monatlich ab 1.1.1990 (ON 13).

Das Erstgericht erkannte sachlich über beide Anträge und setzte den Unterhaltsbeitrag des Vaters für Dezember 1989 mit S 2.000 und ab 1.1.1990 mit S 2.200 monatlich fest. Das Mehrbegehren der Mutter wies es ab (ON 14).

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Das Rekursgericht nahm auf die durch das KindRÄG eingetretene Änderung der Rechtslage Bedacht und vertrat die Auffassung, daß eine nach § 198 Abs.3 (alt) ABGB bestellte Amtssachwalterschaft eine solche im Sinne des Art.VI § 4 Abs.1 KindRÄG sei und daher zufolge dieser Übergangsregelung nunmehr als Sachwalterschaft nach § 213 ABGB gelte. Für die Sachwalterschaft nach § 213 ABGB enthalte das KindRÄG jedoch keine dem § 212 Abs.4 ABGB entsprechende Bestimmung, wonach durch die Vertretungsbefugnis des Jugendwohlfahrtsträgers die Vertretungsbefugnis des gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt werde. Aus den Intentionen des Gesetzgebers, die Befugnisse der Mutter nicht allzusehr einzuschränken, ergebe sich jedoch, daß die Bestimmungen des § 212 Abs.4 und 5 ABGB sinngemäß auch auf nach § 198 Abs.3 (alt) ABGB bestellte Sachwalterschaften anzuwenden seien. Durch die Sachwalterschaft des Jugendamtes sei daher im vorliegenden Fall die Vertretungsbefugnis der Mutter nicht eingeschränkt worden. Es lägen jedoch Doppelvertretungshandlungen vor. Nach den sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen des § 154 a ABGB sei das Jugendamt, das die erste Verfahrenshandlung gesetzt habe, Verfahrensvertreter des Kindes. Das Jugendamt sei jedoch den Verfahrenshandlungen der Mutter (nachträglich durch die vom Rekursgericht eingeholte Erklärung) beigetreten und habe sie genehmigt, sodaß der Antrag der Mutter sachlich zu entscheiden und nicht zurückzuweisen sei. In der Sache vertrat das Rekursgericht die Auffassung, daß bei einer Bemessungsgrundlage von S 17.076 monatlich unter Berücksichtigung der Sorgepflichten des Vaters für seine nicht berufstätige Ehefrau und für ein Kind im Alter von über 10 Jahren und für zwei Kinder im Alter unter 10 Jahren der vom Erstgericht festgesetzte Unterhaltsbetrag von S 2.200 monatlich der ständigen Rechtsprechung entspräche.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz vom Vater erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt, der Revisionsrekurs des Jugendamtes ist unzulässig.

1. Zum Revisionsrekurs des Vaters:

Beizupflichten ist dem Rechtsmittelwerber darin, daß nach bisher ständiger Rechtsprechung dann, wenn das Bezirksjugendamt vom Pflegschaftsgericht zum Unterhaltssachwalter bestellt wurde, dieses alleiniger und unmittelbarer Vertreter des Kindes für die Festsetzung und Durchsetzung der Unterhaltsansprüche und dieser Aufgabenkreis dem gesetzlichen Vertreter entzogen war (RZ 1984/7; 1 Ob 667/84 ua). Zu Recht ist jedoch das Rekursgericht von den Bestimmungen des am 1.7.1989 in Kraft getretenen und hier bereits anzuwendenden KindRÄG ausgegangen. Danach wird der Jugendwohlfahrtsträger bereits mit dem Einlangen eines entsprechenden Ersuchens, der schriftlichen Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder mit dem Abschluß der Niederschrift hierüber Sachwalter des Kindes für die Festsetzung oder Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen. Eines Gerichtsbeschlusses bedarf es nicht mehr (§ 212 Abs.2 ABGB; Pichler, Neues im Kindschaftsrecht in JBl.1989, 681). Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Kindes ist eine rechtsgeschäftliche Übertragung eines Teiles der Vertretungsmacht und muß auch hinsichtlich der Festsetzung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen schlechthin und nicht nur gegen einen bestimmten Verpflichteten oder nur bis zu einer bestimmten Höhe lauten (Pichler aaO). Gemäß § 212 Abs.4 ABGB wird jedoch durch eine solche Sachwalterschaft die gesetzliche Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt, es gilt jedoch der § 154 a ABGB sinngemäß. Es besteht somit konkurrierende Vertretungsbefugnis für zivilgerichtliche Verfahren (auch Außerstreitverfahren). Wer die erste Verfahrenshandlung setzt (§ 154 a ABGB) ist alleiniger Verfahrensvertreter. Es kann jedoch eine andere Einigung erfolgen (Pichler aaO 682).

Zufolge der Übergangsregelung des Art.VI § 4 Abs.1 KindRÄG gilt eine bestellte Amtssachwalterschaft als solche gemäß § 213 ABGB, der eine konkurrierende Vertretungsbefugnis nicht vorsieht. Dem Rekursgericht ist jedoch darin beizupflichten, daß jedenfalls in Ansehung von auf Antrag des gesetzlichen Vertreters bestellten Unterhaltssachwalterschaften nach der Zielsetzung des Gesetzgebers und nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung eine Lücke vorliegt, die durch Gesetzesanalogie zu schließen ist. Der Fall, daß ein Unterhaltssachwalter nach der alten Rechtslage auf Antrag des gesetzlichen Vertreters bestellt wurde, stimmt in den maßgeblichen Voraussetzungen (der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters) mit dem im § 212 Abs.2 ABGB geregelten Fall überein. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war es aber, für derartige Sachwalterschaften die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht einzuschränken (887 BlgNR 17.GP 9). Auf den Fall, daß auf Antrag der Mutter des Kindes gemäß § 198 Abs.3 (alt) ABGB die Bezirksverwaltungsbehörde zum Unterhaltssachwalter bestellt wurde, ist daher der § 212 Abs.4 ABGB analog anzuwenden. Ein solcher Fall liegt hier vor und es besteht daher konkurrierende Vertretungsbefugnis. Durch die sinngemäße Anwendung des § 154 a ABGB sollen Doppelvertretungshandlungen über denselben Verfahrensgegenstand vermieden werden (887 BlgNR 17.GP 9). Beim Antrag der Mutter handelt es sich hier jedoch um einen weiteren, einen späteren Bemessungszeitraum (ab 1.1.1990) betreffenden Erhöhungsantrag, der auch, unbeschadet des Umstandes, daß der erste Antrag noch nicht erledigt war, gestellt werden konnte. Insoweit liegen daher Doppelvertretungshandlungen nicht vor. Entgegen der Meinung des Vaters haben daher die Vorinstanzen zu Recht über den Antrag der Mutter sachlich entschieden und ihn nicht mangels Vertretungsbefugnis der Mutter zurückgewiesen.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs des Vaters ein Erfolg zu versagen.

2.) Zum Revisionsrekurs des Jugendamtes:

Der Zuspruch eines Unterhaltsbeitrages von S 2.000 ab 1.12.1989 im Sinne des Antrages des Jugendamtes ist mangels Anfechtung durch den Vater in Rechtskraft erwachsen. Die Frage, ob für die weitere Vertretung hinsichtlich des von der Mutter gestellten Antrages im Revisionsrekursverfahren eine Einigung des Jugendamtes und der Mutter vorliegt, kann ungeprüft bleiben. Auch im Verfahren außer Streitsachen ist das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses (einer Beschwer) Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels (EFSlg.34.959; NZ 1970, 182). Dieses besteht im Interesse an einer Änderung oder Beseitigung der angefochtenen Entscheidung (EvBl.1973/204) und fehlt, wenn der Entscheidung nur theoretisch-abstrakte Bedeutung zukäme (6 Ob 642, 647/87). Da das Jugendamt den Antrag der Mutter billigt und selbst eine solche Erhöhung des Unterhaltsbeitrages anstrebt, kann es sich nicht dadurch beschwert erachten, daß die Vorinstanzen über den Antrag der Mutter sachlich entschieden und ihn nicht mangels Vertretungsbefugnis der Mutter zurückgewiesen haben. In Ansehung der Bemessung wird eine Abweichung des Rekursgerichtes von der Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz nicht aufgezeigt, und es ist eine solche auch nicht ersichtlich (vgl. Schwimann-Schlemmer, ABGB, § 140 Rz 13 f mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Prozentsatzkomponente und der Minderung durch weitere Sorgepflichten). Der vom Jugendamt zitierten Entscheidung EFSlg.56.479 lag eine höhere Bemessungsgrundlage zugrunde. Es trafen nämlich den Unterhaltspflichtigen keine weiteren Sorgepflichten. Der Sonderbedarf ist Gegenstand eines weiteren Antrages der Mutter. Demgemäß ist der Revisionsrekurs des Jugendamtes zurückzuweisen.

Anmerkung

E21961

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00614.9.0920.000

Dokumentnummer

JJT_19900920_OGH0002_0070OB00614_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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