TE OGH 1990/9/25 10ObS276/90

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Veröffentlicht am 25.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Göstl (Arbeitgeber) und Walter Hartl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermine K***, 2201 Gerasdorf, Brahmsweg 34, vertreten durch Dr.Eduard Klingsbigl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (L*** W***),

1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.April 1990, GZ 33 Rs 49/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 12.Juli 1989, GZ 15 Cgs 177/88-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zwischen dem am 1.7.1988 verstorbenen Versicherten Josef K*** und der nunmehrigen Klägerin am 26.11.1938 geschlossene Ehe wurde mit Urteil des Landgerichtes Wien vom 27.11.1944, 3 Cg 211/44-3, aus dem Verschulden der nunmehrigen Klägerin (wegen Ehebruches mit Alexander P***) geschieden. In einem dieser Scheidung vorangegangenen gerichtlichen Vergleich vom 27.11.1944 hatten beide Ehepartner gegenseitig auf jede Alimentation gegeneinander, auch unter Umständen, an die damals nicht gedacht werden konnte, verzichtet. Unmittelbar vor Beginn der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhaldung vom 27.11.1944 hatte Josef K*** der nunmehrigen Klägerin mitgeteilt, er nehme den von ihr gesetzten Scheidungsgrund nicht ernst und wolle mit ihr ungeachtet der Scheidung "wie bisher als Ehegatten" zusammenleben; die Klägerin zeigte sich damit einverstanden. Zu einer Erörterung der Frage künftiger Unterhaltsleistungen kam es dabei nicht. In der Folge lebten die Klägerin und der verstorbene Versicherte vorerst in der früheren Ehewohnung in Wien 2, und ab 1964 in Gerasdorf ohne Unterbrechung bis zum Tod des Versicherten in Lebensgemeinschaft. Die Lebensgestaltung entsprach einer "Hausfrauenehe": Die Klägerin war nicht berufstätig und bezog nie ein eigenes Einkommen, sie versorgte die vier gemeinsamen Kinder und den Haushalt und der Versicherte leistete ihr Naturalunterhalt in vollem Umfang. Die beklagte P*** DER A*** lehnte

mit Bescheid vom 23.9.1988 den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Witwenpension nach dem verstorbenen Versicherten Josef K*** ab, weil diesen zur Zeit seines Todes keine Unterhaltsverpflichtung getroffen habe.

Das Erstgericht wies das von der Klägerin dagegen erhobene Begehren auf Gewährung einer Witwenpension in gesetzlicher Höhe ab. Es folgerte rechtlich, der Versicherte und die Klägerin seien zum Zeitpuntk des Abschlusses des gerichtlichen Vergleiches über den wechselseitigen Unterhaltsverzicht darüber einig gewesen, daß die mit diesem Vergleich verbundenen Rechtswirkungen zugunsten der wirklich gewollten verdeckten Unterhaltsregelung nicht eintreten sollten. Dennoch sei für die Klägerin nichts zu gewinnen, weil der verdeckten Unterhaltsvereinbarung die von der Rechsprechung einhellig geforderte Bestimmtheit mangle. In Anbetracht des § 264 Abs. 4 ASVG müsse aus den in § 258 Abs. 4 ASVG genannten Rechtstiteln die Höhe der Unterhaltsverpflichtung ziffernmäßig bestimmt oder doch ohne weiteren Verfahrensaufwand unmittelbar bestimmbar sein.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin erhobenen Berufung nicht Folge. Der Einwand der Klägerin, der verstorbene Versicherte habe bei der beklagten Partei einen Pensionsanspruch von monatlich S 9.090,-- gehabt, woraus ihr gesetzlicher Unterhaltsanspruch mit 33 % des Nettoeinkommens des Verstorbenen in Höhe von monatlich S 3.000,-- bestimmbar gewesen wäre, sei nicht stichhältig. Die Klägerin übersehe, daß sie nach der Scheidung der Ehe im Jahr 1944 weder einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch nach § 94 ABGB, noch einen solchen nach § 66 ff EheG gehabt habe. Im übrigen sei die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zu billigen, wonach Voraussetzung für den Anspruch des geschiedenen Ehegatten auf Witwenpension sei, daß die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten im Zeitpunkt seines Todes auf Grund eines der im § 258 Abs. 4 ASVG taxativ aufgezählten Rechtstitel nicht nur dem Grunde nach feststehe, sondern aus ihm auch die Anspruchshöhe bestimmt oder zumindest ohne weiteren Verfahrensaufwand bestimmbar sei. Diese Voraussetzung treffe bei dem festgestellten Einverständnis vor Abschluß des gerichtlichen Vergleiches über den gegenseitigen Unterhaltsverzicht, wie bisher als Ehegatten zusammenzuleben, nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Voraussetzung für den Anspruch der geschiedenen Ehegattin auf Witwenpension ist, daß ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte (§ 258 Abs. 4 ASVG). Da im vorliegenden Fall ein über den Unterhaltsanspruch der Klägerin absprechendes Urteil nicht existiert und in einem gerichtlichen Vergleich für die Zeit nach der Scheidung sogar ausdrücklich auf jegliche Unterhaltsleistung verzichtet wurde, ist zu prüfen, ob sich die Klägerin auf einen vor der Scheidung geschlossenen Unterhaltsvertrag berufen kann. Wie der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 8.5.1990 10 Ob S 190/90 unter Hinweis auf Rummel in Rummel ABGB Rz 4 zu § 914 und Rz 6 zu § 871 bereits ausgesprochen hat, stünde dabei selbst der gerichtlich protokollierte Unterhaltsverzicht bei übereinstimmender gegenteiliger Absicht der Parteien einer vom schriftlichen Text abweichenden Unterhaltsvereinbarung nicht unbedingt entgegen, weil auch gerichtliche Vergleiche nach der Absicht der Parteien auszulegen sind und der vom objektiven Erklärungswert abweichende Wille, den der andere Teil erkannte, vorgeht; dies muß umsomehr gelten, wenn bei beiden Parteien Übereinstimmung über einen vom schriftlichen Text abweichenden Inhalt einer Vereinbarung besteht. Nach herrschender Auffassung ist die vertragliche Verpflichtung des Ehemannes, seiner Frau nach der Scheidung der Ehe Unterhalt zu leisten, auch weder an die Form eines Notariatsaktes noch an eine andere Form gebunden (Teschner/Fürböck ASVG MGA 49. ErgLfg 1334 Anm 9 a zu § 258 mwN), weshalb auch eine schlüssige Vereinbarung genügt (§ 863 ABGB). Mit Rücksicht auf den diesbezüglich eindeutigen Wortlaut des § 258 Abs. 4 ASVG (" ... vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung ...") reicht allerdings eine tatsächliche Unterhaltsgewährung nach der Ehescheidung ohne vorherige Vereinbarung nicht aus (vgl. SSV-NF 1/63). Auch nach der Lehre, welche die allzu strengen Maßstäbe der Judikatur an die vertragliche Verpflichtung zur Unterhaltsgewährung kritisiert, ist eine vor der Auflösung der Ehe getroffene Vereinbarung wenigstens in der Form erforderlich, daß etwa eine Abrede getroffen wurde, den gesetzlichen oder den notwendigen Unterhalt leisten zu wollen, oder eine Erklärung vorliegt, leisten zu wollen "wie bisher" (Rummel, Entscheidungsbespr. ZAS 1978, 133 [115]; ihm folgend Schrammel in Tomandl, SV-System 4. ErgLfg 123; ähnlich Kerschner, Entscheidungsbespr. ZAS 1982, 110 f; diese Kritik als nicht stichhältig ablehend allerdings SZ 57/76 und SSV-NF 2/11). Einer Auseinandersetzung mit den gegen die Judikatur vorgebrachten Bedenken bedarf es jedoch diesmal nicht. Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt ist zunächst bedeutsam, daß die Klägerin wegen der Scheidung der Ehe aus ihrem alleinigen Verschulden (wegen Ehebruchs) keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Gatten hatte, weshalb der von ihr ausdrücklich erklärte Unterhaltsverzicht eigentlich überflüssig war. Dieser Fall muß daher anders gesehen werden als jener, in dem eine schuldlos (oder mit geringerem Verschulden) geschiedene Frau mit gesetzlichem Unterhaltsanspruch im Anschluß an die Scheidung mit dem Versicherten wieder zusammenlebt und von ihm bis zu dessen Tod Naturalunterhalt erhält (vgl. Rummel aaO 114, der die Versagung der Witwenpension an eine solche Frau "besonders aufreizend" findet). Andererseits ist unbestritten, daß die bloße - wenn auch noch so lange und bis zum Tod des Versicherten dauernde - nichteheliche Lebensgemeinschaft mit einem Versicherten im Sinne eines eheähnlichen Zustandes, der dem typischen Erscheinungsbild des Zusammenlebens von Ehegatten entspricht (vgl. Koziol/Welser, Grundriß des bürg. Rechts8 II 170 f; Ehrenzweig/Schwind, Familienrecht3 3; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 5 und 6 zu § 42 und Rz 2 zu § 75 EheG; EFSlg 57.268 ff ua), nach dem Tod des Versicherten keinen Anspruch auf Witwenpension eröffnet (Teschner in Tomandl SV-System 4. ErgLfg 398).

Zu Prüfen ist daher letztlich, ob die von der Klägerin unmittelbar vor der Scheidung ihrer Ehe zustimmend zur Kenntnis genommene Erklärung des Versicherten, er nehme den Scheidungsgrund des Ehebruches "nicht ernst" und wolle mit ihr ungeachtet der Scheidung "wie bisher als Ehegatte" zusammenleben, als Unterhaltsvertrag im Sinne des § 258 Abs. 4 ASVG qualifiziert werden kann. Das ist zu verneinen. Bei Berücksichtigung aller Umstände des Falles (§ 863 ABGB) konnte die Klägerin diese Äußerung nicht dahin verstehen, daß ihr der Versicherte ungeachtet der Scheidung der Ehe aus ihrem alleinigen Verschulden und demgemäß des gänzlichen Fehlens eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches einen vertraglichen - und im Nichtleistungsfall auch klagbaren - Unterhaltsanspruch einer Ehefrau einräumen wollte. Das Anbot, "wie bisher als Ehegatte" mit ihr zu leben, konnte vielmehr nur als Anbot auf Fortsetzung der - nunmehr nichtehelichen - Lebensgemeinschaft aufgefaßt werden, die im allgemeinen durch eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichnet ist und auch mit Naturalunterhaltsleistungen des Mannes an seine den Haushalt führende und die Kinder aufziehende Lebensgefährtin verbunden sein kann. Daß eine andere Parteienabsicht nicht feststellbar ist, ergibt sich aus der Aussage der Klägerin, eine ausdrückliche Vereinbarung über die Unterhaltsfrage habe es nicht gegeben (weil eben über den Unterhalt gar nicht gesprochen wurde) und sie könne nicht sagen, daß - den gegenseitigen Unterhaltsverzicht anlangend - "intern" das Gegenteil vereinbart worden wäre. Die Zusage des Versicherten, mit der Klägerin die bisherige Lebensgestaltung in Form einer Lebensgemeinschaft fortzuführen, umfaßte - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes (das Berufungsgericht hat sich mit diesem Problem gar nicht auseinandergesetzt) - keineswegs die Verpflichtung, der Klägerin Unterhalt wie bei aufrechter Ehe zu leisten. Schon aus diesen Erwägungen besteht der Anspruch auf Witwenpension nicht zu Recht, ohne daß auf die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zur Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit eines vereinbarten Unterhaltes eingegangen werden mußte. Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren daher zutreffend abgewiesen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19, 2/26, 2/27 uva).

Anmerkung

E22234

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00276.9.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19900925_OGH0002_010OBS00276_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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