TE OGH 1990/9/25 5Ob595/90

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Veröffentlicht am 25.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** B***, vertreten durch Dr. Johann Szemelliker, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Mathias M*** Gesellschaft m.b.H., Parndorf, Neusiedler Straße 16, vertreten durch Dr. Harald Beck und Dr. Klaus Dörnhöfer, Rechtsanwälte in Eisenstadt, wegen S 96.221,98 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Mai 1990, GZ 11 R 50/90-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 5.Jänner 1990, GZ 3 Cg 257/89-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.629,60 (einschließlich S 771,60 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrt S 96.221,98 an Schadenersatz mit der Begründung, Arbeiter der beklagten Partei hätten am 26.Mai 1988 bei Kanalbauarbeiten im Ortsgebiet von Günselsdorf ein wasserführendes Gußeisenrohr der Badener Wasserversorgung zerstört. Die beklagte Partei habe sich über die Leitungsführung nicht informiert. Die beklagte Partei wendete ein, vor Auftragserteilung durch den Abwasserverband Trumau/Schönau habe der Projektleiter Dipl.-Ing. Dr. Ludwig C*** eine sogenannte Einbaubesprechung mit Leitungsberechtigten vorgenommen. Dieser habe aber bei der Planerstellung die Fernwasserleitung der klagenden Partei übersehen. Die beklagte Partei treffe daher an der Beschädigung dieser Leitung durch ihre Arbeiter am 31.5.1988 kein Verschulden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es legte seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die beklagte Partei wurde am 13.7.1987 als Mitglied einer Bietergemeinschaft vom Abwasserverband Trumau/Schönau mit Kanalherstellungsarbeiten beauftragt. Im Punkt 46 des Anbotschreibens (Beilage ./A) war eine beispielhafte Aufzählung der Leitungsberechtigten enthalten. Vom Abwasserverband Trumau/Schönau wurde der Ziviltechniker Dipl.-Ing. Dr. Ludwig C*** mit der Projektierung der Trasse und der Einholung der für die Bauausführung erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligungen beauftragt. Ihm wurde auch die Bauleitung übertragen. Dr. C*** übersah bei der von ihm projektierten Trasse, daß die Fernwasserleitung Ebenfurth-Baden parallel zur Wasserleitung des Wasserverbandes Triestingtal verläuft und diese Wasserleitung auch viermal kreuzt. Er unterließ es deshalb, die erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligungen auch bezüglich der Fernwasserleitung Ebenfurth-Baden einzuholen. Unmittelbar nach Auftragserteilung setzte Dr. C*** eine Einbaubesprechung an, zu der die am Projekt beteiligten Unternehmen und die in den Projektunterlagen berücksichtigten Leitungsberechtigten geladen wurden. Obgleich sich das Bauunternehmen grundsätzlich auf die Richtigkeit der Projektunterlagen verlassen kann, kommt es in der Praxis immer wieder vor, daß nicht berücksichtigte weitere Einbauten vorhanden sind.

Jeweils wenige Tage vor Ausführung eines Bauabschnittes durch die beklagte Partei erfolgte je nach Baufortschritt eine Trassenbegehung 20 m bis 30 m im voraus mit Vertretern des Wasserleitungsverbandes Triestingtal.

Am 31.5.1988 wurde durch Baggerarbeiten die Fernwasserleitung Ebenfurth-Baden beschädigt.

Etwa 75 m bis 80 m nach der Schadensstelle befindet sich im Gehsteig ein Deckel, der ein Schieberventil der Fernwasserleitung verdeckt. An einem Brüstungsgeländer weist eine "Schiebertafel" auf das Vorhandensein einer Leitung hin.

Das Erstgericht ging rechtlich davon aus, daß die beklagte Partei ihrer besonderen Sorgfaltspflicht nach § 1299 ABGB nicht entsprochen habe, weil bekannt sei, daß immer wieder in den Projektunterlagen Einbauten nicht vermerkt seien. Die beklagte Partei wäre daher bei Bauführung im Ortsgebiet zu besonderer Sorgfalt und Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen. Sie hätte die in einer Entfernung von 70 m bis 80 m von der Schadensstelle angebrachte Schiebertafel beachten müssen.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klageabweisenden Sinn ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis unbedenklicher Beweiswürdigung und führte rechtlich folgendes aus:

Ein Bauunternehmer sei dann, wenn er mit unterirdischen Einbauten rechnen muß, zu besonderer Sorgfalt bei Grabungsarbeiten verpflichtet. Es genüge nicht, wenn der Einbau in dem ihm zur Verfügung gestellten Planungsunterlagen nicht aufscheine. Er sei vielmehr immer dann, wenn nach der Sachlage mit dem Vorhandensein von Einbauten zu rechnen sei, verpflichtet, bei den in Frage kommenden Einbauträgern eine Auskunft einzuholen (JBl 1973, 35; SZ 46/78; 2 Ob 224/79, 5 Ob 307/80 uva). In dem hier zu beurteilenden Fall habe aber nicht der geringste Anhaltspunkt für eine Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des vom Projektleiter erstellten Planes bestanden. Eine solche Vermutung der Unvollständigkeit hätte etwa dann bestehen können, wenn im Plan wesentliche, im verbauten Gebiet zu erwartende Einbauten gefehlt hätten. Dies wäre aber vor allem deswegen nicht der Fall gewesen, weil der Plan die Einzeichnung einer Wasserleitung (nämlich des Wasserleitungsverbandes Triestingtal) enthalten hätte, so daß nicht der geringste Anlaß bestanden habe, mit dem Vorhandensein einer weiteren, in unmittelbarer Nähe verlaufenden Wasserleitung zu rechnen oder deren Vorhandensein auch nur zu vermuten. Wohl habe der Oberste Gerichtshof (2 Ob 224/79) dem Bauführer die Nichtbeachtung eines ca 100 m von der Schadensstelle entfernten, allerdings 1,20 m über dem Boden herausragenden Kabelverteilers als weitere Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen, doch habe der Beklagte in jenem Fall jegliche Anfrage bei der Post- und Telegraphenverwaltung über das Vorhandensein verlegter Kabel unterlassen und durch die Nichtbeachtung der oberirdischen Hinweise auf die schon nach der Sachlage zu erwartenden Einbauten einen zusätzlichen Sorgfaltsverstoß begangen.

Liege aber einem Bauführer ein Plan vor, an dessen Richtigkeit und Vollständigkeit zu zweifeln nicht der geringste Anlaß bestehe, dann dürfe er sich zwar nicht über die Wahrnehmung oberirdischer Hinweise auf zusätzliche Einbauten hinwegsetzen, doch bestehe keine Veranlassung, nach solchen nicht zu erwartenden Hinweisen zu suchen. Die Schiebertafel an einem Brüstungsgeländer in einer Entfernung von 75 m bis 80 m habe keinen solchen Auffälligkeitswert, daß sie ohne gezielte Suche ins Auge fallen müßte.

Zwar hebe § 1299 ABGB gegenüber § 1297 ABGB den objektiven Sorgfaltsmaßstab an (SZ 48/42; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1299 mit weiterer Judikatur), wonach gemessen am durchschnittlichen Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe auch außergewöhnlicher Fleiß und außergewöhnliche Kenntnisse zu vertreten seien. Diesem Sorgfaltsmaßstab habe die beklagte Partei entsprochen, die ihre Arbeiten an Hand eines offenbar richtigen und vollständigen Planes eines anderen, gleichfalls der Diligenzpflicht des § 1299 ABGB unterstehenden Fachmannes durchgeführt habe. Das Berufungsgericht sprach die Zulässigkeit der Revision mit der Begründung aus, wegen der Interpretationsbedürftigkeit der in den Ermessensbereich reichenden Begriffe wie "maßgerechter Fachmann" (Art 9363), "durchschnittlicher Fachmann" (EvBl 1982/2), "gewissenhafter Bauunternehmer" (2 Ob 224/79), "pflichtgemäße Beobachtung" (JBl 1962, 91) sei bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision zur Wahrung der Rechtseinheit ein großzügiger Maßstab anzulegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist - worauf die beklagte Partei in der Revisionsbeantwortung zutreffend hinwies - nicht zulässig.

Ob die in § 502 Abs 1 ZPO angeführten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gegeben sind, hat der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO selbständig und ohne Bindung an einen diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes (nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) zu beurteilen.

In der hier zu beurteilenden Rechtssache stellte das Berufungsgericht die für die Entscheidung dieser Rechtssache maßgebenden Grundsätze richtig entsprechend der von ihm und schon vom Erstgericht angeführten Lehre und Rechtsprechung dar. Unzweifelhafte Antworten auf eine Rechtsfrage, die nur spezielle Einzelfälle aus einem Komplex von Möglichkeiten betreffen, die durch einen generellen Rechtssatz beantwortet sind, schließen aber die Erheblichkeit der Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO regelmäßig aus, wenn nicht Umstände dargelegt werden, welche die Richtigkeit der generellen Aussage im speziellen Einzelfall in Frage stellen (5 Ob 1528/85; 8 Ob 555,556/89). Derartiges läßt sich der Aktenlage aber nicht entnehmen. Gerade das vom Berufungsgericht aufgezeigte Hineinreichen der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe in den Ermessensbereich schließt die Zulässigkeit der Revision dann aus, wenn bei der Entscheidung des Einzelfalles vom dem durch den Begriffsinhalt abgesteckten Ermessen im Rahmen der von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze Gebrauch gemacht wurde.

Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E21907

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00595.9.0925.000

Dokumentnummer

JJT_19900925_OGH0002_0050OB00595_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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