TE OGH 1990/9/27 8Ob36/89 (8Ob37/89)

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Veröffentlicht am 27.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wider die beklagte und widerklagende Partei Johann E***, Kaufmann, Krems an der Donau, Roseggerstraße 16/5, vertreten durch Dr. Werner Zaufal, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 2,359.324,-- s.A. und S 150.000,-- s. A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 17. März 1989, GZ 5 R 22, 23/89-38, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 10. Mai 1988, GZ 18 Cg 64/86-26, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich auf die Widerklage bezieht, zurückgewiesen.

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Der Beklagte und Widerkläger ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 18.614,97 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erließ aufgrund des vom Beklagten und Widerkläger (im folgenden "Beklagter") blanko akzeptierten, am 16. 1. 1984 von der Ö*** K*** AG als Vertreter

der klagenden Partei im Rahmen eines Ausfuhrförderungsverfahrens ergänzten Wechsels über S 3,314.143,--, zahlbar am 18. 1. 1984 über den von der klagenden und widerbeklagten Partei (im folgenden "klagende Partei" genannt) begehrten Betrag von S 2,364.324,-- (in der Folge eingeschränkt auf S 2,359.324,-- s.A.) einen Wechselzahlungsauftrag, gegen den der Beklagte Einwendungen erhob. Dem Verfahren liegt folgendes, wesentliches Parteienvorbringen zugrunde:

Die klagende Partei habe im Ausführförderungsverfahren, in welchem die Ö*** K*** AG als ihre Bevollmächtigte

fungiert habe, die Bürgschaft für die H*** Holz- und Kunststoffwarenindustrie Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden "H***" genannt) übernommen. Sie habe aus dieser Bürgschaft infolge Insolvenz der H*** Zahlungen leisten müssen. Der Beklagte habe sich verpflichtet, sie im Falle der Inanspruchnahme aus dieser Bürgschaft schad- und klaglos zu halten und zu diesem Zweck den genannten Wechsel akzeptiert, dann aber nicht vollständig bezahlt, obgleich er seine Zahlungsverpflichtung ausdrücklich anerkannt und mit der Abstattung der vereinbarten Raten auch begonnen habe. Infolge des vereinbarten Terminsverlustes sei die Gesamtforderung fällig (ON 1 und 3).

Der Beklagte wendete ein, nicht die Ö*** K***

AG sei zur Ausstellung eines Wechsels zugunsten der klagenden Partei legitimiert, sondern nur der Bundesminister für Finanzen. Das Grundgeschäft sei nicht existent geworden, weil die Wechselkreditzusage der klagenden Partei nur unter der Bedingung erfolgt sei, daß auch für den in das Obligo der Ö*** V*** AG entfallenden Teil des Exportwechselkredites keine Sicherheiten bedungen würden. Dagegen sei verstoßen worden, indem die V*** KREMS als Hausbank der H*** sich weitere

Sicherheiten in Form von Fakturenzessionen, Wiederbekleidung eines zum Teil abgedeckten Hypothekarkredites etc. verschafft habe. Mangels Erfüllung der von der Ö*** K*** AG

gestellten Bedingung sei daher die vom Beklagten übernommene Bürgschaft nicht existent geworden (ON 2). Das Anerkenntnis des Beklagten und seine Verpflichtung zur Ratenzahlung sei irrtümlich erfolgt, weil ihm damals die Nichteinhaltung der genannten Bedingung nicht bekannt gewesen sei (ON 4). Die Wechselgebühr von S 4.143,-- hätte nicht entrichtet werden müssen, weil die klagende Partei von der Entrichtung befreit sei. Eine Vergütung gemäß Art. 48 Abs 1 Z 4 WG stehe nicht zu, weil kein zur Erlassung eines Wechselzahlungsauftrages geeigneter Wechsel vorliege (ON 2). Überdies wendete der Beklagte eine Gegenforderung ein, die ihm gegen die klagende Partei zustehe, weil ihm durch Maßnahmen des Bundesministeriums für soziale Verwaltung Schäden in einer den eingeklagten Betrag übersteigenden Höhe zugefügt worden seien (ON 2). Schließlich brachte der Beklagte zu 20 Cg 119/87 des Erstgerichtes eine Widerklage auf Rückzahlung von S 150.000,-- ein. Als Rechtsgrund machte er den bereits erwähnten Irrtum bei Abschluß der Ratenvereinbarung geltend.

Die klagende Partei wendete Verjährung bezüglich der Irrtumsanfechtung ein (20 Cg 119/87-3 i.V.m. ON 10). In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. 2. 1988 vom Beklagten erstattetes umfangreiches neues Vorbringen wurde gemäß § 179 Abs 1 ZPO vom Erstgericht als unstatthaft erklärt, weil es in offenbarer Verschleppungsabsicht erfolgt sei (ON 19 und 25).

Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag im Umfang der Klageeinschränkung aufrecht und verpflichtete den Beklagten, der klagenden Partei S 2,359.324,-- samt 6 % Zinsen seit 1. 10. 1986 bezüglich Wechselgebühren von S 4.143,-- sowie einer Vergütung gemäß Art. 48 Abs 1 Z 4 Wechselgesetz von S 7.881,-- zu zahlen. Die Widerklage wies es ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die klagende Partei übernahm im Jahre 1983 in einem Ausfuhrförderungsverfahren, in dem die Ö*** K***

AG als ihre Bevollmächtigte auftrat, die Bürgschaft für einen der H*** von der Ö*** V*** AG durch die V***

KREMS gewährten Kredit bis zum Höchstbetrag von S 5,000.000,--. Der Beklagte übernahm für den Fall der Inanspruchnahme der klagenden Partei aus dieser Bürgschaft die Haftung und unterfertigte zur Besicherung dieses Ansgruches der klagenden Partei als Akzeptant den von der Ö*** K*** AG als Aussteller

unterfertigten Blankowechsel sowie eine Wechselwidmungserklärung, wonach unter anderem dieser Wechsel der Sicherstellung und allfälligen Mobilisierung aller der Ö*** K*** AG

gegen die H*** zustehenden Forderungen und Ansprüche diene. Die Ö*** K*** AG wurde ermächtigt, diesen Wechsel bis

zur Höhe der gegen die H*** entstandenen Forderungen auszufüllen, jederzeit fällig zu stellen und ihn geltend zu machen. Am 9. 9. 1983 wurde über das Vermögen der H*** der Konkurs eröffnet. Die Ö*** K*** AG überwies daher

aufgrund der gegenständlichen Wechselbürgschaft am 30. 9. 1983 S 2,500.000,-- an die Ö*** V*** AG, d.s. 50 % des

der H*** gewährten Kredites. Ferner wurde die Wechselbürgschaft des Bundes durch den österreichischen Exportfonds mit einem Betrag von S 810.000,-- in Anspruch genommen, welcher jedoch infolge der inzwischen erfolgten Zahlung durch die Ö*** V***

AG nicht Gegenstand der Klage ist.

Die Ö*** K*** AG hat hierauf am 16. 1. 1984

den Blankowechsel komplettiert. Bei einer Besprechung am 27. 1. 1984

in den Räumen der Ö*** K*** AG erklärte der Beklagte, daß er es aus menschlichen Gründen nicht richtig finde, zur Zahlung herangezogen zu werden. Auf die Frage, ob er gegen den Bestand oder die Höhe der Forderungen Einwendungen habe, erklärte er jedoch, die Schuld anzuerkennen. Die Besprechung endete damit, daß dem Beklagten eine Frist von einem Monat zur Erstattung eines Zahlungsvorschlages eingeräumt wurde. In der Folge kam eine Zahlungsvereinbarung zustande, aufgrund welcher der Beklagte 30 Monatsraten a S 5.000,-- zahlte.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus die Aufrechterhaltung des Wechselzahlungsauftrages im Umfang des eingeschränkten Klagebegehrens. Die Ö*** K*** AG sei zur Ausstellung derartiger Wechsel berechtigt gewesen, weil § 5 Abs 1 Ausfuhrförderungsgesetz 1981 lediglich die gerichtliche Geltendmachung von deren Kompetenzen als Bevollmächtigte des Bundes ausnehme. Die Anfechtung des Anerkenntnisses wegen Irrtums sei erstmals mit der Widerklage erfolgt. Im Verfahren über die Klage der R*** Ö*** habe der Beklagte erstmals in der Tagsatzung vom 14. 1. 1987 auf das Anerkenntnis Bezug genommen. Auch dabei habe er aber nicht behauptet, sein Irrtum sei durch die klagende Partei veranlaßt worden. Die dreijährige Verjährungsfrist sei bereits am 27. 1. 1987 abgelaufen. Auf das als verspätet zurückgewiesene Vorbringen wegen Arglist sei nicht Bedacht zu nehmen. Das ausdrückliche Anerkenntnis der Wechselschuld stehe den Einwendungen des Beklagten entgegen. Da es sich um einen Finanzwechsel handle, falle er nicht unter die Gebührenbefreiungsbestimmung. Der Geltendmachung einer allfälligen Gegenforderung des Beklagten, die dieser aus Maßnahmen des Bundesministeriums für soziale Verwaltung ableite, stehe § 1441 ABGB entgegen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Durch das Schuldanerkenntnis des Beklagten und die Annahme des Vorschlages, die Wechselschuld in monatlichen Raten abzustatten, sei ein Vergleich nach § 1380 ABGB zustande gekommen, der unabhängig vom Bestehen des behaupteten Rechtes eine neue selbständige Verpflichtung auch für den Fall begründete, daß das ursprüngliche Rechtsverhältnis zweifelhaft gewesen wäre oder nicht bestanden haben sollte. Da ein Vergleich die Unsicherheit endgültig und in verbindlicher Weise beseitige, könne er auch nicht angefochten werden, wenn ein Partner beim Abschluß über den wahren Sachverhalt geirrt habe (§ 1387 ABGB), außer es handelte sich um einen Irrtum über die Vergleichsgrundlage. Ein Vorbringen in dieser Richtung sei jedoch nicht erstattet worden. Ebensowenig habe der Beklagte behauptet, daß er anläßlich der Besprechung vom 27. 1. 1984 oder im Zuge der darauf folgenden Korrespondenz (betreffend den Ratenvergleich) von der Klägerin listig in Irrtum geführt worden und eine Vergleichsanfechtung aus diesem Grund gerechtfertigt sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist, soweit sie sich auf die Widerklage bezieht, nicht zulässig, im übrigen nicht berechtigt.

1. Zur Unzulässigkeit der Revision betreffend das Begehren in der Widerklage:

Hinsichtlich der Widerklage hätte das Berufungsgericht gemäß § 500 Abs 2 ZPO auszusprechen gehabt, ob die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig ist. Dieser Ausspruch unterblieb. Da jedoch der Beklagte auch diesbezüglich Revision erhob, darin die Zulässigkeit der Revision geltend machte und der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht gebunden wäre, kann er sogleich über die Zulässigkeit der Revision selbst entscheiden. Die Zulässigkeit schon allein deswegen zu bejahen (wie der Revisionswerber meint), weil die beiden zwischen denselben Parteien anhängigen Verfahren verbunden wurden und ein Teil der Entscheidungsgrundlage unter denselben rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, entspricht nicht dem Gesetz. Die Verbindung beider Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung nimmt diesen nicht ihre Selbständigkeit. Es besteht daher kein Grund, die Zulässigkeit der Revision im Falle der Verbindung der Rechtssachen anders zu behandeln, als wenn diese Verfahren getrennt geführt worden wären.

Wie bei Behandlung der Rechtsrüge zum stattgebenden Urteil über die Klage der R*** Ö*** ausgeführt werden wird,

entsprechen die Urteile der Untergerichte der ständigen Rechtsprechung. Die Revision des Beklagten, womit er die Abänderung des über die Widerklage ergangenen Urteiles anstrebt, ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Zur Revision betreffend die Klage der R*** Ö***:

Die geltend gemachten Aktenwidrigkeiten und die behaupteten Verfahrensmängel sind nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit die vom Berufungsgericht bestätigte Zurückweisung von Vorbringen des Beklagten gemäß § 179 Abs 1 ZPO durch das Erstgericht bekämpft wird, handelt es sich in Wahrheit um die Geltendmachung eines Verfahrensmangels; dies ist aber nur in der nächsthöheren Instanz zulässig (siehe EvBl 1964/165 ua.).

Nach ausführlicher Wiedergabe der Tatsachenfeststellungen und der Rechtsansichten der Vorinstanzen führt der Beklagte die Rechtsrüge nur noch unter dem Gesichtspunkt aus, daß weder ein Vergleich noch ein konstitutives Anerkenntnis vorlägen. Dem ist zu erwidern, daß die als Zahlungsregelung (Beil./Q) am 16. 3. 1984 vom Beklagten unterzeichnete Vereinbarung - eine Folge der Besprechung vom 27. 1. 1984, bei welcher der Beklagte Grund und Höhe der eingeklagten Forderung festgestelltermaßen anerkannte - jedenfalls insofern einen Vergleich darstellt, als die Zahlungsmodalitäten geändert wurden. Wegen der dabei als unstrittig angenommenen Vergleichsgrundlage - Bestand und Höhe der Forderung - könnte der Vergleich innerhalb der ab Vergleichsabschluß laufenden dreijährigen Verjährungsfrist (§ 1487 ABGB) wegen Irrtums über die Vergleichsgrundlage angefochten werden (EvBl 1962/510). Eine solche Anfechtung setzt die Behauptung eines den in § 971 ABGB vorgesehenen Tatbestandsmerkmalen (Veranlassung des Irrtums durch den anderen etc.) entsprechenden Sachverhaltes voraus. Dies ist weder im Verfahren über die Klage (siehe ON 4, AS 18, Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 14. 1. 1987) noch in der am 16. 3. 1987 bei Gericht eingelangten Widerklage der Fall gewesen. In beiden Fällen wurde vom Beklagten nur sein Irrtum behauptet (ON 4) und begründet (Widerklage). Eine nicht verjährte Irrtumsanfechtung liegt daher nicht vor.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Da die klagende Partei auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten bezüglich seiner Widerklage nicht hinwies, war deren Streitwert nicht in die Kostenbemessungsgrundlage einzubeziehen.

Anmerkung

E22177

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0080OB00036.89.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19900927_OGH0002_0080OB00036_8900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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