TE OGH 1990/9/27 7Ob634/90

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Veröffentlicht am 27.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Brunhilde G***, Hausfrau, Bludenz, In der Halde 33 d, vertreten durch Dr.Ludwig Gassner, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagten Parteien 1. Rudolf B***, Mechanikermeister, 2. Elsa B***-B***, Hausfrau, 3. Günther B***, Kraftfahrer und 4. Bertram B***, ÖBB-Mechaniker, alle Bludenz, Zürcherstraße 20, alle vertreten durch Dr.Gerold Hirn u.a., Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Feststellung des Bestehens eines Rechtes (Streitwert S 30.000,--) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 25.April 1990, GZ 1c R 65/90-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bludenz vom 16.März 1990, GZ 4 C 265/90f-3, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des Verfahrens gegen den Erstbeklagten Rudolf B*** unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt gegen die Beklagten das Urteil, sie seien zur ungeteilten Hand schuldig, den 4 m breiten und 13,5 m langen Grundstücksstreifen an der Ostgrenze des Grundstücks Nr. 212/4 der EZ 2260, GB Bludenz, im Norden an die Zürcherstraße angrenzend, zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben und ihr die ungestörte Nutzung dieses Grundstücksstreifens zu gestatten. Die Beklagten seien Miteigentümer unter anderem des Grundstücks Nr. 212/4. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Eigentum dieses Grundstücks, die Mutter des Erstbeklagten und der Klägerin, habe der Klägerin und ihrem inzwischen verstorbenen Ehegatten im Jahr 1947 die Erlaubnis erteilt, auf dem im Klagebegehren genannten Grundstücksstreifen eine Garage zu errichten und zu der Garage zuzufahren. Sie habe der Klägerin und deren Ehegatten erklärt, daß sie ihnen den Grundstücksstreifen zum Zweck der Errichtung der Garage und der Erstellung einer Zufahrt schenke. In der Folge sei der Grundstücksstreifen in den Besitz der Klägerin und ihres Mannes übertragen worden, die darauf eine Garage errichtet und die Zufahrt bis zum 11.4.1987, als die Garage mit dem darin abgestellten Fahrzeug abgebrannt sei, benützt hätten. Parzellierung und grundbücherliche Durchführung des Schenkungsvertrages seien wegen des guten Einvernehmens zwischen allen Familienangehörigen unterblieben. Seit April 1988 verwehrten die Beklagten der Klägerin die Wiederherstellung der Garage und die Benützung der Zufahrt. Das Erstgericht wies die Klage hinsichtlich des Erstbeklagten Rudolf B*** wegen entschiedener Rechtssache zurück. Die Klägerin habe ihren Anspruch bereits zu 4 C 348/89-k des Erstgerichtes gegen den Erstbeklagten geltend gemacht. Mit rechtskräftigem Urteil vom 21.8.1989 sei das Begehren, der (Erst-)Beklagte sei schuldig, den 4 m breiten und 13,5 m langen Grundstücksstreifen an der Ostseite des Grundstückes Nr. 212/4 in EZ 2260 der KG Bludenz zu räumen und der Klägerin geräumt zu übergeben und alles zu unterlassen, was die Klägerin in der Ausübung ihres Nutzungsrechtes störe, abgewiesen worden.

Die zweite Instanz bestätigte diese Entscheidung. Sie sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand an Geldeswert S 50.000,-- übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig ist. Eine einheitliche Streitgenossenschaft der Beklagten liege entgegen der Ansicht der Klägerin nicht vor. Das Räumungs- und Duldungsbegehren der Klägerin müsse sich nicht naturnotwendig gegen alle vier Beklagten richten. Das Vorliegen eines den Eigentümer zur Duldung verpflichtenden Rechtstitels sei eine im Unterlassungsstreit zu lösende Vorfrage, über die nicht mit Rechtskraftwirkung zu entscheiden sei. Die Klägerin strebe nicht eine der Rechtskraft teilhaft werdende Entscheidung über den Bestand einer Grunddienstbarkeit an. Das Duldungs- und Räumungsbegehren aber könne gegen einzelne oder alle Miteigentümer gerichtet werden. Da das praktisch idente Klagebegehren bereits gegen den Erstbeklagten rechtskräftig abgewiesen worden sei, sei die in diesem Verfahren beschlossene Zurückweisung der Klage gegen den Erstbeklagten nicht zu beanstanden. Der Revisionsrekurs sei als zulässig zu erklären gewesen, weil der zu beurteilenden Rechtsfrage erhebliche Bedeutung iS des § 528 Abs 1 ZPO zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Klägerin ist im Ergebnis berechtigt. Die Klägerin macht geltend, es liege eine actio confessoria iS des § 523 ZPO vor. Das Begehren einer solchen Klage könne auf Beseitigung von der Rechtsausübung entgegenstehenden Hindernissen gerichtet sein. Die Dienstbarkeitsklage sei gegen die Miteigentümer des dienenden Grundstücks als einheitliche und notwendige Streitgenossen einzubringen.

Ob die vorliegende Klage als Servitutenklage iS des § 523 ABGB anzusehen ist, kann jedoch dahingestellt bleiben.

Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung hat unter anderem zur Folge, daß eine neuerliche Verhandlung und Sachentscheidung über den bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruch unzulässig ist (Einmaligkeitswirkung - ne bis in idem). Die Einmaligkeitswirkung schließt zwischen denselben Parteien die neuerliche Anhängigmachung eines gleichen Begehrens, das auf den gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt ist, aus (Fasching Komm. III 693 f, Fasching Lehrbuch Rz 1499 f). Wird derselbe Anspruch auf Grund eines anderen Sachvorbringens geltend gemacht, als es dem Gericht im Vorprozeß vorlag, steht die Rechtskraft des Urteils im Vorprozeß dieser Geltendmachung nicht im Wege (SZ 48/113, JBl 1951, 41). Im Vorverfahren 4 C 348/89-k des Erstgerichtes, das allein gegen den Erstbeklagten (als den damaligen Alleineigentümer der Liegenschaft) gerichtet war, hat die Klägerin zwar ein, wie im Beschluß des Erstgerichtes wiedergegeben wurde, im wesentlichen identes Begehren gestellt. Sie hat dieses Begehren aber schlicht auf eine "rechtsverbindliche Vereinbarung" gegründet, und hat hinzugefügt, daß ihr das Recht, auf dem strittigen Grundstücksstreifen eine Garage zu errichten, zu benützen und zu dieser zuzufahren, für die Zeit eingeräumt worden sei, während welcher sie einen PKW besitze. Im Urteil vom 21.8.1989 wurde diese Vereinbarung als Leihvertrag qualifiziert.

Nunmehr macht die Klägerin ausdrücklich Schenkung geltend und führt weiter aus, die Parzellierung des Grundstücks und die grundbücherliche Durchführung des Schenkungsvertrages sei nur wegen des zwischen allen Familienangehörigen bestehenden guten Einvernehmens unterblieben. Sie stützt damit ihr Begehren keineswegs auf den gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt wie im Vorverfahren. Eine rechtskräftig entschiedene Streitsache ist daher auch im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten nicht gegeben. Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E21950

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00634.9.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19900927_OGH0002_0070OB00634_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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