TE OGH 1990/9/27 7Ob627/90

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Veröffentlicht am 27.09.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Helene U***, Private, Klagenfurt, Waidmannsdorferstraße 64/12, vertreten durch Dr.Karl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Engelberg S***, Landwirt, Tröpolach 43, vertreten durch Dr.Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung des Nichtbestehens einer Dienstbarkeit (Streitwert S 75.000), unter Nebenintervention des Dr.Karl B***, Rechtsanwalt, Wien 1., Seilerstätte 22, auf Seiten der klagenden Partei, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 9.April 1990, GZ 3 R 16/90-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei und deren Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 30.Oktober 1989, GZ 23 Cg 176/89-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen, das auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gleich weiteren Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Fruchtnießerin der im Eigentum des Nebenintervenienten Dr.Karl B*** stehenden Liegenschaft EZ 381 KG Tröpolach mit den Grundstücken 724/2 und 725/4. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 39 derselben Katastralgemeinde mit den Grundstücken 718/2 und 717.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, es bestehe keine Dienstbarkeit des Fahrrechtes über die Liegenschaft EZ 381 KG Tröpolach, Grundstücke 724/2 und 725/4, als diendendes Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Grundstücke 718/2 und 717 der KG Tröpolach; der Beklagte sei daher schuldig, alle Handlungen zu unterlassen, die sich als Ausübung einer solchen Servitut darstellen. Der Beklagte behaupte das Bestehen einer Wegeservitut über die Grundstücke 724/2 und 725/4 zugunsten der in seinem Eigentum stehenden Grundstücke 718/2 und 717. Eine derartige Wegeservitut bestehe jedoch nicht. Sie sei zum Erreichen der genannten Grundstücke auch nicht erforderlich, weil eine unmittelbare Zufahrt vom öffentlichen Wegenetz gegeben sei. Durch die Ausübung des behaupteten Fahrrechtes werde jede sinnvolle Bewirtschaftung oder Nutzung der Grundstücke als Baugrund verhindert. Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Seine Rechtsvorgänger und er selst hätten die bestrittene Dienstbarkeitsberechtigung ersessen. Der Klägerin stehe als der Fruchtnießerin die Eigentumsfreiheitsklage nicht zu. Das Erstgericht wies die Klage ohne Aufnahme von Beweisen ab. Die Eigentumsfreiheitsklage stehe nur dem Eigentümer, nicht auch dem Fruchtnießer zu.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteigt und daß die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist. Zwar könne auch der Fruchtnießer Eingriffen in sein Fruchtgenußrecht mit der Eigentumsfreiheitsklage begegnen, welche der Abwehr der Anmaßung eines Rechtes oder einer Dienstbarkeit diene. Das bedeute aber nicht die Aktivlegitimation zur Abwehr von Wegerechten gleich dem Eigentümer, soweit die Rechte des Fruchtnießers durch die Ausübung dieser Dienstbarkeit nicht beharrt werden. Der persönliche Dienstbarkeitsberechtigte könne von der Negatorienklage dann Gebrauch machen, wenn sein Recht durch den Eingriff beeinträchtigt werde. Allerdings könne sich ein solcher Berechtigter gegen Eingriffe nur soweit selbst unmittelbar schützen, als die Voraussetzungen der Besitzstörungs- oder Besitzentziehungsklage gegeben seien. Im übrigen aber stehe dem Fruchtnießer die Eigentumsfreiheitsklage nicht zu: Die Abwehr von allen nur das Eigentum beeinflussenden Eingriffen, die nicht das Fruchtgenußrecht berührten, bleibe dem Eigentümer vorbehalten. Die Klägerin behaupte nicht, daß sie durch das vom Beklagten in Anspruch genommene Wegerecht in ihrem Fruchtgenußrecht beeinträchtigt werde. Sie strebe vielmehr, gleichsam als Grundeigentümerin, die sie aber nicht sei, die Abwehr einer behaupteten Wegegerechtigkeitan. Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil seit der Entscheidung EvBl 1974/54 eine oberstgerichtliche Entscheidung zur Frage der Legitimation des Fruchtnießers zur Erhebung einer Negatorienklage nicht mehr ergangen sei.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, es im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an die Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 509 ABGB ist die Fruchtnießung das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen. Dem Eigentümer bleiben (nur) jene Befugnisse, deren Ausübung das Recht des Fruchtnießers nicht beeinträchtigt, wie etwa die Veräußerung oder die weitere Belastung der Liegenschaft. Der Fruchtnießer (dagegen) hat das ausschließliche Recht auf Ausübung der Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse (Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 509). Gegen jeden Störer steht dem Fruchtnießer die Klage nach § 523, zweiter Fall, ABGB auf Unterlassung von Eingriffen zu (Petrasch aaO und Rz 10 zu § 523; Pimmer in Schwimann, ABGB, Rz 24 zu § 523; iglS Gschnitzer, Sachenrecht, 129). Zur Abwehr von das Fruchtgenußrecht beeinträchtigenden Angriffen ist während der Dauer der Fruchtnießung nur der Fruchtnießer, nicht auch der Eigentümer berechtigt (Pimmer aaO und Rz 7 zu § 509).

Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Revisionsgerichtes (SZ 27/203, MietSlg 17.769; EvBl 1968/231; 5 Ob 173/70; EvBl 1974/54), das seit jeher die Ansicht vertreten hat, dem Fruchtgenußberechtigten sei, da ihm hinsichtlich der Nutzung der Liegenschaft alle jene Rechte zustehen, die sonst dem Eigentümer zustünden, auch die Befugnis zuzubilligen, alle das Fruchtgenußrecht selbst oder damit im Zusammenhang stehende Ansprüche beeinträchtigenden Angriffe abzuwehren und das Nichtbestehen eines seine Befugnisse einschränkenden Vertrages bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 228 ZPO feststellen zu lassen. Daß die Klägerin eine Beeinträchtigung ihres Fruchtgenußrechtes nicht behauptet habe, wie das Berufungsgericht vermeint, trifft nicht zu. Die Klägerin hat ausdrücklich geltend gemacht, daß durch den vom Beklagten behaupteten Servitutsweg jede sinnvolle Bewirtschaftung oder Nutzung als Baugrund verhindert wird. Die Vorinstanzen stützen ihre gegenteilige Rechtsansicht auf die Ausführungen von Klang in Klang2 II 602 f (damit übereinstimmend Klang in Klang1 I/2, 416 f) und Ehrenzweig2 I/2, 302 (damit übereinstimmend Ehrenzweig1 I/2, 390 f). Beide begründen ihre Ansicht, die Negatorienklage stehe dem Dienstbarkeitsberechtigten nicht zu, damit, daß es sich hiebei um eine Klage aus dem Eigentum handle, die nur dem Eigentümer zustehe. Sie stellen den Fruchtnießer in eine Reihe mit dem Pfandgläubiger und dem Bestandnehmer (Pächter) und verweisen hinsichtlich des Bestandnehmers (Pächters) auf die Entscheidung GlUNF 3.731. Festgehalten sei, daß Klang aaO einerseits darauf hinweist, daß auch (von Geller, Kommentar 324) die Meinung vertreten wird, von der Negatorienklage könne jeder Berechtigte Gebrauch machen, dessen Recht durch den Eingriff beeinträchtigt wird, und andererseits, daß das deutsche Recht unter anderem auch dem Fruchtnießer und dem Pfandgläubiger den negatorischen Anspruch gewährt (aaO Anm 42), daß nach der von ihm vertretenen Meinung sich solche Berechtigte gegen Eingriffe aber nur so weit selbst unmittelbar schützen können, als die Voraussetzungen der Besitzstörungs- oder Besitzentziehungsklage gegeben sind. Damit schränkt Klang seine grundsätzlichen Ausführungen aber doch offensichtlich selbst wieder ein.

Das Revisionsgericht schließt sich der Ansicht Ehrenzweigs und Klangs, die Negatorienklage stehe nur dem Eigentümer, nicht auch dem Fruchtnießer zu, nicht an. Es wäre mit Rücksicht darauf, daß das Fruchtgenußrecht seinem Inhaber eine ähnliche Stellung zur Sache gibt, wie sie der Eigentümer hat - der Unterschied liegt nur darin, daß der Fruchtnießer die Substanz nicht angreifen und über sie rechtlich nicht verfügen darf - (Klang aaO 582 f), nicht gerechtfertigt, ihm die selbständige Abwehr von sein Fruchtgenußrecht beeinträchtigenden Angriffen zu verwehren und ihn auf vom Eigentümer vorzunehmende Maßnahmen zu verweisen. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die in der neueren Judikatur verbesserte Rechtsstellung des Bestandnehmers (vgl hiezu Petrasch aaO Rz 10 zu § 523, sowie SZ 50/10 und JBl 1990, 447). Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden und dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Der Kostenvorbehalt erfolgte nach § 52 ZPO.

Anmerkung

E21954

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00627.9.0927.000

Dokumentnummer

JJT_19900927_OGH0002_0070OB00627_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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