TE OGH 1990/10/11 7Ob664/90

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Veröffentlicht am 11.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** W***

registrierte Genossenschaft mbH, Wien 2., Hollandstraße 2, vertreten durch Dr.Tobias Reinisch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. P*** & H*** Gesellschaft mbH, Wien., Jägerstraße 12,

2.

Walter P***, Geschäftsführer, Wien 5., Stollberggasse 10,

3.

Waltraud P***, Hausbesorgerin, Wien 16., Ottakringerstraße 69, vertreten durch Dr.Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien,

4.

Robert H***, Geschäftsführer, Wien 9., Spittelauer Lände 19, und

5.

Rosa H***, Hausfrau, Wien 9., Spittelauer Lände 19, wegen

S 809.319,92 s.A., infolge Revision der drittbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 19. Oktober 1989, GZ 1 R 189/89-22, womit infolge Berufung der drittbeklagten Partei das Versäumungsurteil des Handelsgerichtes Wien vom 10.Februar 1988, GZ 11 Cg 120/87-5, bestätigt wurde, und den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 26.April 1990, GZ 1 R 189/89-26, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Rekurs wird zurückgewiesen.

II. Die Revision wird hinsichtlich eines Betrages von

S 65.435,60 samt 15,5, % Zinsen seit 1.10.1987 zurückgewiesen.

III. Im übrigen wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Urteil in Ansehung der Drittbeklagten Waltraud P*** dahin abgeändert, daß es in Ansehung dieser Beklagten insgesamt zu lauten hat:

"1. Die Drittbeklagte Waltraud P*** ist schuldig, der klagenden Partei zur ungeteilten Hand mit der Zweitbeklagten den Betrag von

S 65.435,60 samt 15,5 % Zinsen seit 1.10.1987 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das weitere Begehren, die Drittbeklagte Waltraud P*** sei schuldig, der klagenden Partei zur ungeteilten Hand mit der erst-, zweit-, viert- und fünftbeklagten Partei einen Betrag von

S 618.574,32 samt 14,5 % Zinsen aus S 663.574,32 vom 1.10.1987 bis 5.10.1987 und aus S 618.574,32 seit 6.10.1987 sowie zur ungeteilten Hand mit der zweitbeklagten Partei einen weiteren Betrag von

S 125.310,-- samt 14,75 % Zinsen seit 1.10.1987 zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Die klagende Partei ist schuldig, der drittbeklagten Partei 8/10 der mit S 52.792,15 (darin S 7.321,65 an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten, das sind S 42.233,72, binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Nach dem Klagevorbringen hat die klagende Partei folgende Kredite gewährt:

1. der erstbeklagten Partei

a) am 27.6.1985 einen Betriebsmittelkredit, der mit S 161.472,32 aushaftet;

b) am 28.3.1985 einen Abstattungskredit, der mit S 250.194,-- aushaftet;

c) am 27.6.1985 einen weiteren Abstattungskredit, der mit

S 206.908,-- aushaftet.

Für jeden dieser Kredite hat nach den Klagebehauptungen unter anderem die Drittbeklagte die Bürgschaft übernommen.

2. dem Zweitbeklagten und der Drittbeklagten am 2.11.1982 einen Abstattungskredit, der mit S 65.435,60 aushaftet.

3. dem Zweitbeklagten am 29.4.1985 einen Abstattungskredit, der mit S 125.310,-- aushaftet, und für den die Drittbeklagte nach den Klagebehauptungen die Bürgschaft übernommen hat.

Das Erstgericht hat über das Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 618.574,32 samt 14,5 % Zinsen vom 1. bis 5.Oktober 1987 aus S 663.574,32 und seit 6.10.1987 aus S 618.574,32, die Zweit- und Drittbeklagten einen weiteren Betrag von S 190.745,60 samt 15,5 % Zinsen aus S 65.435,60 und samt 14,75 % Zinsen (aus S 125.310,--) je seit 1.10.1987 zu bezahlen, mit Versäumungsurteil erkannt. Das Berufungsgericht hat der (nur) von der Drittbeklagten dagegen erhobenen Berufung nicht Folge gegeben und (mit Beschluß vom 26.4.1990) ausgesprochen, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO (in der Fassung vor der WGN 1989) nicht zulässig ist. Werde in der Klage nicht ausdrücklich ausgeführt, zu welcher Art der Bürgschaft sich die Drittbeklagte verpflichtet habe, mache dies die Klage nicht unschlüssig. Es sei vielmehr im Sinne des § 1355 ABGB Nachschuldnerschaft anzunehmen. Wohl aber müßte für die Schlüssigkeit der Klage im allgemeinen eine Behauptung über die Mahnung des Hauptschuldners oder den Verzicht des Bürgen auf die Mahnung des Hauptschuldners - seine Verpflichtung als Bürge und Zahler - gefordert werden. Das Fehlen dieser Behauptung schade aber hier nicht. Die Mahnung des Hauptschuldners könne durch die Klage erfolgen. In dem für die Schlüssigkeitsprüfung maßgeblichen Zeitpunkt der Fällung des Versäumungsurteiles sei die Mahnung der Hauptschuldner durch die Klagszustellung offenkundig gewesen. Infolge amtlicher Wahrnehmung offenkundige Tatsachen habe das Gericht seiner Entscheidung auch dann zugrundezulegen, wenn sie nicht vorgebracht worden seien. Die Revision sei nicht zuzulassen gewesen, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung nicht abgewichen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes vom 26.4.1990, mit dem der Spruch des Urteils der zweiten Instanz vom 19.10.1989 durch den Ausspruch berichtigt wurde, daß die Revision nicht zulässig ist, ist unzulässig. Zwar ist der Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision durch den Obersten Gerichtshof überprüfbar, weil das Revisionsgericht an einen derartigen Ausspruch nicht gebunden ist (§ 508 a Abs 1 ZPO). Ein selbständiges Rechtsmittel gegen diesen Ausspruch ist jedoch nicht vorgesehen (Fasching, Lehrbuch1 Rz 1898).

Die Revision ist hinsichtlich eines S 65.435,60 s.A. übersteigenden Betrages zulässig und insoweit auch berechtigt. Die Drittbeklagte wird nur hinsichtlich der unter Punkt 1. a) bis c) und Punkt 3. des eingangs wiedergegebenen Klagevorbringens als Bürgin, hinsichtlich des im Punkt 2. genannten Betrages von S 65.435,60 aber als Hauptschuldnerin in Anspruch genommen. Die Revision bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes entsprechend der Anfechtungserklärung zwar seinem gesamten Umfang nach. Sie enthält jedoch keinerlei Ausführungen darüber, weshalb die Klagebehauptungen in jenem Umfang, in dem die Drittbeklagte (gemeinsam mit der Zweitbeklagten) als Hauptschuldnerin in Anspruch genommen wird, unschlüssig sein sollen. Unschlüssigkeit ist auch insoweit nicht gegeben, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat (S 5 f der angefochtenen Entscheidung).

Der Revision war deshalb, soweit die Drittbeklagte als Hauptschuldnerin belangt wurde, das ist hinsichtlich des Betrages von S 65.435,60 s.A., mangels Vorliegens einer im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO in der Fassung vor der WGN 1989 erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Nicht beizupflichten vermag das Revisionsgericht der Ansicht der zweiten Instanz, die Schlüssigkeit der Klage sei ungeachtet des Fehlens einer Behauptung über die Mahnung des Hauptschuldners - soweit nämlich die Drittbeklagte als Bürgin in Anspruch genommen wird - gegeben. Nach § 1355 ABGB kann der Bürge in der Regel erst dann belangt werden, wenn der Hauptschuldner auf des Gläubigers gerichtliche oder außergerichtliche Einmahnung seine Verbindlichkeit nicht erfüllt hat. Ergibt sich daher aus den Vereinbarungen der Parteien über die Wirkung der Bürgschaft oder aus besonderen Vorschriften nichts anderes, ist der Bürge Nachschuldner:

Seine Inanspruchnahme setzt die Einmahnung der Hauptschuld durch den Gläubiger voraus (Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1355). Gewiß kann die Mahnung auch durch die Klage erfolgen, doch muß zwischen der Einmahnung des Hauptschuldners und der Inanspruchnahme des Bürgen ein angemessener Zeitraum liegen, der dem Bürgen die prompte Zahlung der fälligen Schuld ermöglicht (Gamerith aaO Rz 2, Mader in Schwimann, Rz 2 zu § 1355). Es hat daher im Verfahren gegen den Bürgen der Gläubiger die Einmahnung des Hauptschuldners zu behaupten und zu beweisen (Mader aaO; Mayerhofer/Ehrenzweig, Das Recht der Schuldverhältnisse, Allgemeiner Teil 131; Ohmeyer, Klang in Klang2 VI 223). Die Einmahnung des Hauptschuldners ist Bedingung für die Inanspruchnahme des Bürgen (Ohmeyer/Klang aaO). Daß sie die Hauptschuld bereits eingemahnt habe, hat die klagende Partei nicht behauptet. Setzt aber die Inanspruchnahme des Bürgen die einen angemessenen Zeitraum zuvor erfolgte Einmahnung der Hauptschuld voraus, vermag die in der Klage gegen den Hauptschuldner liegende Einmahnung der Hauptschuld (Wolff in Klang2 VI 173, Gamerith aaO) bei gleichzeitiger Belangung des Bürgen das Erfordernis der vorausgegangenen Einmahnung im Sinne des § 1355 ABGB nicht zu ersetzen. Die Klage ist daher, soweit die Drittbeklagte als Bürgin belangt wird, nicht schlüssig.

Da die zweite Instanz in der angefochtenen Entscheidung eine andere Ansicht vertreten hat, liegt, soweit die Drittbeklagte als Bürgin belangt wird, eine im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO in der Fassung vor der WGN 1989 erhebliche Rechtsfrage vor. Die Revision ist in diesem Umfang zulässig und, wie dargelegt wurde, auch berechtigt.

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Drittbeklagte ist zu 9/10, die klagende Partei rücksichtlich der Drittbeklagten mit 1/10 durchgedrungen, sodaß der Drittbeklagten 8/10 der von ihr verzeichneten Prozeßkosten aller drei Instanzen zuzusprechen waren. Der Schriftsatz vom 4.5.1988, ON 8, war nur nach TP 2 zu honorieren; für einen Zuspruch von Streitgenossenzuschlag fehlen die Voraussetzungen des § 15 RATG.

Anmerkung

E22442

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00664.9.1011.000

Dokumentnummer

JJT_19901011_OGH0002_0070OB00664_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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