TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/12 2002/17/0179

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Veröffentlicht am 12.12.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
37/01 Geldrecht Währungsrecht;
37/02 Kreditwesen;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BWG 1993 §70 Abs4 Z1;
BWG 1993 §70 Abs4 Z2 idF 1998/I/126;
BWG 1993 §96;
VVG §1;
VVG §5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;
VwGG §47 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der E Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Hausmaninger Herbst Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. April 2002, Zl. MD-VfR - E 22/01, betreffend Vollstreckung einer Zwangsstrafe nach § 70 Abs. 4 Z 2 Bankwesengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Hinsichtlich des dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zu Grunde liegenden Sachverhaltes ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 7. November 2005, Zl. 2000/17/0229, zu verweisen. Mit diesem Erkenntnis wurde ein vom Bundesminister für Finanzen am 21. September 2000 erteilter Auftrag gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 Bankwesengesetz - BWG (Art. I des Finanzmarktanpassungsgesetzes 1993), BGBl. Nr. 532/1993, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1.2. Der genannte Auftrag gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG war im Hinblick auf die fortgesetzte Überschreitung des Umfanges der Konzession der Beschwerdeführerin durch Geschäfte mit drei verschiedenen Vertragspartnern (den Unternehmen S, V und D GmbH) ergangen.

Der Bundesminister für Finanzen hatte mit Bescheid vom 20. Mai 1999 der Beschwerdeführerin unter Androhung einer Zwangsstrafe in Höhe von S 200.000,-- aufgetragen, den gesetzeskonformen Zustand durch Rückführung der Geschäftsbeziehungen mit anderen Vertragspartnern als Kreditinstituten und Wertpapierfirmen gemäß Art. 1 Z 2 der Richtlinie 93/22/EWG herzustellen.

Nachdem nach Auffassung des Bundesministers für Finanzen die Beschwerdeführerin durch Aufrechterhaltung dieser Geschäftsbeziehungen fortgesetzt den Konzessionsumfang überschritten hatte, erging in der Folge der genannte Auftrag gemäß § 70 Abs. 4 Z 2, zweiter Fall, BWG. Der Bundesminister für Finanzen drohte in diesem Bescheid für den Fall der weiteren Zuwiderhandlung eine Zwangsstrafe in der Höhe von S 300.000,-- an. Im Anschluss an die Bescheiderlassung ersuchte der Bundesminister für Finanzen die Vollstreckungsbehörde um die Vollstreckung der mit Bescheid vom 20. Mai 1999 angedrohten Zwangsstrafe in der Höhe von S 200.000,--.

1.3. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 4. Dezember 2000 wurde unter Berufung auf § 5 VVG die angedrohte Zwangsstrafe in der Höhe von S 200.000,-- (EUR 14.534,57) verhängt und "gemäß § 96 BWG" eine Geldstrafe von S 300.000,-- (EUR 21.801,85) für das ergebnislose Verstreichen der "für die Erbringung der Leistung" gesetzten Frist von zwei Monaten angedroht.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

1.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mit der Maßgabe ab, dass der Strafbetrag EUR 14.534,57 und die Rechtsgrundlage für die Verhängung der Zwangsstrafe vollständig "§ 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG), BGBl. Nr. 53/1991, in Verbindung mit § 96 Bankwesengesetz (BWG), BGBl. Nr. 532/1993, beide in der geltenden Fassung", zu lauten habe.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Bundesminister für Finanzen habe mit Bescheid vom 20. Mai 1999 festgestellt, dass auf Grund des Konzessionsbescheides vom 23. Dezember 1997 ausschließlich Kreditinstitute und Wertpapierfirmen gemäß Art. 1 Z 2 der Richtlinie 93/22/EWG als Vertragspartner im Rahmen der bankgeschäftlichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin umfasst seien. Gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 BWG sei der Beschwerdeführerin aufgetragen worden, den gesetzeskonformen Zustand in der Form herzustellen, dass sämtliche Bankgeschäfte mit anderen als den oben angegebenen Vertragspartnern, so auch jene mit der D GmbH, innerhalb von acht Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Zwangsstrafe in Höhe von S 200.000,-- (dies entspreche EUR 14.534,57) zur Gänze rückzuführen seien.

Mit Schreiben vom 25. August 1999 habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass der Wertpapierbestand mit der Fa. D GmbH zur Gänze aufgelöst und mit Valuta 2. Juli 1999 entsprechend der aufgekündigten Kooperationsvereinbarung abgerechnet und somit der gesetzeskonforme Zustand hergestellt worden sei.

Mit Schreiben vom 13. Juli 2000 habe die Bundes-Wertpapieraufsicht mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin die D GmbH im Rahmen der Meldung gemäß § 10 Wertpapieraufsichtsgesetz mit Datum 13. März 2000 als Vertragspartner gemeldet habe.

Mit Bescheid vom 21. September 2000 sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin entgegen dem Konzessionsbescheid vom 23. Dezember 1997 und dem bescheidmäßigen Auftrag vom 20. Mai 1999 Bankgeschäfte mit anderen als den in § 57 Abs. 2 Börsegesetz genannten Vertragspartnern (insbesondere mit der Fa. D GmbH) tätige. Unter einem sei der Beschwerdeführerin gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG aufgetragen worden, den gesetzeskonformen Zustand bei sonstiger Zwangsstrafe gemäß § 96 BWG in Höhe von S 300.000,-- in der Form herzustellen, dass eine Abwicklung von Bankgeschäften gemäß § 1 Abs. 1 Z 7 BWG mit anderen als den o.a. Vertragspartnern zu unterlassen sei.

Gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG habe der Bundesminister für Finanzen im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern des Kreditinstitutes die Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen, es sei denn, dass dies nach Art und Schwere des Verstoßes unangemessen wäre und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch nochmaliges Vorgehen gemäß Z 1 erwartet werden könne. In diesem Fall sei die erstverhängte Zwangsstrafe zu vollziehen und der Auftrag unter Androhung einer höheren Zwangsstrafe zu wiederholen.

Da die Beschwerdeführerin entgegen der Bekanntgabe im Schreiben vom 25. August 1999 "mit Meldedatum 13. März 2000 eine bankgeschäftliche Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 1 Z 7 BWG mit der Fa. D GmbH" ausgeübt habe, sei die Beschwerdeführerin der seinerzeitigen Verpflichtung im Titelbescheid vom 20. Mai 1999 nicht nachgekommen.

Im Hinblick auf die Rechtskraft des Bescheides vom 21. September 2000, mit dem die Verletzung des Konzessionsbescheides vom 23. Dezember 1997 bzw. des Titelbescheides vom 20. Mai 1999 festgestellt worden sei, und die damit eingetretene Bindungswirkung, die auch durch die gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nicht beeinträchtigt werde, erübrige sich ein Eingehen auf die Berufungsausführungen bzw. die Ausführungen in der Stellungnahme vom 5. April 2001, wonach keine Verletzung dieser Bescheide vorliege.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf Nichtverhängung einer Geldstrafe von S 200.000,-- (EUR 14.534,57) gemäß § 5 VVG sowie im Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens geltend gemacht wird.

1.6. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. § 70 Abs. 4 Bankwesengesetz - BWG, BGBl. Nr. 532/1993, stand im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/1998 in Geltung und lautete:

"(4) Liegt eine Konzessionsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 bis 13 nach Erteilung der Konzession nicht mehr vor oder verletzt ein Kreditinstitut Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, des Sparkassengesetzes, soweit nicht in erster Instanz der Landeshauptmann zuständig ist, des Bausparkassengesetzes, der Einführungsverordnung zum Hypothekenbanken- und Pfandbriefgesetz, des Hypothekenbankgesetzes, des Pfandbriefgesetzes, des Gesetzes betreffend die Wahrung der Rechte der Besitzer von Pfandbriefen, des Bankschuldverschreibungsgesetzes, des Investmentfondsgesetzes, des Depotgesetzes, des Beteiligungsfondsgesetzes, einer auf Grund dieser Bundesgesetze erlassenen Verordnung oder eines Bescheides, so hat der Bundesminister für Finanzen

1. dem Kreditinstitut unter Androhung einer Zwangsstrafe aufzutragen, den rechtmäßigen Zustand binnen jener Frist herzustellen, die im Hinblick auf die Umstände des Falles angemessen ist;

2. im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall den Geschäftsleitern des Kreditinstitutes die Geschäftsführung ganz oder teilweise zu untersagen, es sei denn, dass dies nach Art und Schwere des Verstoßes unangemessen wäre, und die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch nochmaliges Vorgehen gemäß Z 1 erwartet werden kann; in diesem Fall ist die erstverhängte Zwangsstrafe zu vollziehen und der Auftrag unter Androhung einer höheren Zwangsstrafe zu wiederholen;

3. ..."

§ 96 BWG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/2001 lautet:

"§ 96. Für die Vollstreckung eines Bescheides nach diesem Bundesgesetz tritt an die Stelle des im § 5 Abs. 3 VVG vorgesehenen Betrages von 10 000 S der Betrag von 20 000 Euro. Die Vollstreckung solcher Bescheide durch Geldstrafen als Zwangsstrafe ist auch gegen Körperschaften des öffentlichen Rechts zulässig."

In der im Jahre 2000 in Geltung gestandenen Fassung (also zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG) lautete es an Stelle des Betrages von "EUR 20.000" "S 300.000,--".

§ 5 VVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 und BGBl. I Nr. 137/2001 lautet:

"b) Zwangsstrafen

§ 5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, wird dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von EUR 726, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.

(4) Die Vollstreckung durch Geldstrafen als Zwangsmittel ist auch gegen juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts und eingetragene Erwerbsgesellschaften mit Ausnahme der Körperschaften des öffentlichen Rechts zulässig."

Der in Abs. 3 genannte Betrag wurde mit BGBl. I Nr. 137/2001 von "10 000 S" auf EUR 726 geändert.

2.2. Mit dem oben genannten Erkenntnis vom 7. November 2005, Zl. 2000/17/0229, hat der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 21. September 2000 hinsichtlich seines Ausspruches gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2.3. Zum Verhältnis des Bescheides nach § 70 Abs. 4 Z 2 BWG zum angefochtenen Bescheid:

Im Beschwerdefall wurde nach Erlassung eines Bescheides gemäß dem zweiten Fall des § 70 Abs. 4 Z 2 BWG die bescheidmäßig gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 BWG festgesetzte Zwangsstrafe vollzogen.

Diese Vollstreckung hatte mangels einer abweichenden Zuständigkeitsregelung durch die nach VVG zuständige Behörde zu erfolgen (vgl. Laurer in Fremuth/Laurer/Linc/Pötzlberger/Strobl, BWG2, § 96 Rz 1). Das BWG enthält einerseits in § 96 BWG lediglich eine Sonderregelung für die Höhe von Zwangsstrafen, die nach dem BWG angedroht werden; andererseits stellen die Vorschriften des § 70 Abs. 4 Z 1 und Z 2 BWG ein Spezialregime für die Vollstreckung einer angedrohten Zwangsstrafe dar.

Eine Vollstreckung der gemäß § 70 Abs. 4 Z 1 angedrohten Zwangsstrafe setzt nämlich das Vorliegen des Bescheides gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG voraus. Eine Vollstreckung der gemäß § 70 Abs. 2 Z 1 BWG angedrohten Zwangsstrafe ist ohne Vorliegen eines Bescheides gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG unzulässig.

Daraus folgt, dass § 70 Abs. 4 Z 1 und 2 BWG insofern eine Sonderregelung trifft, als in Abweichung von § 5 VVG im Falle eines weiteren Zuwiderhandelns - also in dem in Z 2 leg. cit. genannten "Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall" - die nach § 70 Abs. 4 Z 1 BWG angedrohte Strafe nicht jedenfalls (automatisch) zu vollziehen ist (und die Vollstreckungsbehörde das Vorliegen des Sachverhalts des weiteren Zuwiderhandelns beurteilen müsste), sondern die Zulässigkeit der Vollstreckung von einem weiteren Bescheid der Titelbehörde abhängig ist. Erst auf Grund dieses Bescheids ist die Vollstreckung der ursprünglich angedrohten Zwangsstrafe zulässig; wählt die Behörde hingegen die erste Variante des § 70 Abs. 4 Z 2 BWG (die Untersagung der Geschäftsführung), so kommt es überhaupt nicht zur Vollziehung der zunächst angedrohten Zwangsstrafe. Der Bescheid nach § 70 Abs. 4 Z 2 BWG ersetzt im Ergebnis für die Vollstreckungsbehörde die eigenen Sachverhaltsfeststellungen, ob einem Titelbescheid (hier:

dem Bescheid über die erstmalige Androhung der Verhängung einer Zwangsstrafe) entsprochen wurde. Die Vollstreckung der erstangedrohten Zwangsstrafe ist erst nach Ergehen des Bescheides nach § 70 Abs. 4 Z 2 BWG zulässig, sie kann aber dann schon allein unter Hinweis auf diesen Bescheid erfolgen, ohne dass in der Vollstreckungsverfügung (wie dies die belangte Behörde überdies getan hat) das Vorliegen des Wiederholungsfalles eigens sachverhaltsmäßig untermauert werden müsste. Eine Vollziehung der erstangedrohten Zwangsstrafe durch die Vollstreckungsbehörde ist somit nur zulässig, wenn der entsprechende Bescheid gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG vorliegt, mit dem der (damals zuständig gewesene) Bundesminister für Finanzen im Wiederholungs- oder Fortsetzungsfall konkretisiert, welche Rechtsfolge sich an die fortgesetzte Missachtung der Unterlassungsverpflichtung knüpft. In diesem Sinne hat der Gesetzgeber eine Tatbestandswirkung des Bescheides nach § 70 Abs. 4 Z 2, zweiter Fall, BWG normiert. Es liegt daher bei der Vollziehung einer nach § 70 Abs. 4 Z 2 BWG angedrohten Strafe nicht dieselbe Situation vor, wie sie ansonst bei der Vollstreckung verwaltungsbehördlicher Titelbescheide gegeben ist.

2.4. Zu den Wirkungen der Aufhebung des Bescheides nach § 70 Abs. 4 Z 2 BWG:

2.4.1. Da der Bescheid nach § 70 Abs. 4 Z 2 BWG mit dem hg. Erkenntnis vom 7. November 2005 aufgehoben wurde, ist zu untersuchen, welche Auswirkungen diese Aufhebung auf den angefochtenen Bescheid hat.

2.4.2. Die Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof führt gemäß § 42 Abs. 3 VwGG dazu, dass die Rechtssache wieder in die Lage zurücktritt, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hatte. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dieser Bestimmung ausgesprochen hat, normiert § 42 Abs. 3 VwGG eine ex-tunc-Wirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 31. Oktober 1978, Zlen. 1785 bis 1787/78, und die dort zitierte Vorjudikatur, und vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030). Diese "ex-tunc-Wirkung" bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet jedenfalls auch, dass allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des dann vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (im Erkenntnis vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030, wird hiezu auf Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 185, verwiesen; dieser nennt a.a.O. als Belege für - dazu siehe unten - und zwei Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu auch Stöger, Verwaltungsgerichtliche Kassation und aufbauende Bescheide, 8 ff).

2.4.3. In einer Reihe von Fällen, die keine Vollstreckungsakte betrafen, wurde in Auseinandersetzung mit den hg. Erkenntnissen vom 3. November 1956, Slg. Nr. 4070/A, und vom 5. Juni 1956, Slg. Nr. 4084/A (unter insoweit verfehlter Berufung auf das hg. Erkenntnis Slg. Nr. 4084/A, was das angebliche automatische Außerkrafttreten von bestimmten Folgebescheiden angeht, weil dieses Erkenntnis ebenfalls - und zwar auch hinsichtlich in der Zwischenzeit ergangener Vollstreckungsakte - auf dem Boden der Auffassung steht, dass der Folgeakt aufhebbar geworden sei), die Auffassung vertreten, dass nur dann, wenn zwei Bescheide in einem unlösbaren Zusammenhang stünden, wie dies im Verhältnis von Titelbescheid und Vollstreckungsbescheiden der Fall sei, durch die Aufhebung des Bescheides, der die Voraussetzung für den weiteren Bescheid bildete, auch der abhängige Bescheid wegfalle (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030, mit welchem im damaligen Beschwerdefall das Vorliegen eines untrennbaren Verfahrenszusammenhanges dieser Art verneint wurde).

Hingegen wurde in der hg. Rechtsprechung zum Verhältnis von Titelbescheid und nachfolgenden Vollstreckungsakten ausgehend vom hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1965, Slg. Nr. 6693/A, die Auffassung vertreten, dass nach der Aufhebung eines Titelbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof der Berufung gegen einen Bescheid betreffend die Vorauszahlung der Kosten der Vollstreckung bzw. die Anordnung der Ersatzvornahme zur Vollstreckung dieses Titels stattzugeben sei. Ein Außer-Kraft-Treten der Vollstreckungsbescheide wurde nicht angenommen (vgl. Stöger, a.a.O., 12 und 20; anders nur das hg. Erkenntnis vom 27. September 1994, Zl. 94/07/0073).

2.4.4. Was nun vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung die vorliegende Fallgestaltung anlangt, so handelt es sich um eine dem Vollstreckungsrecht zugehörige, wenn auch vom Materiengesetzgeber zum Teil in besonderer Weise geregelte Rechtssache. Mangels eines in diesen Fällen von der Rechtsprechung (von einer vereinzelt gebliebenen Ausnahme abgesehen) als untrennbar aufgefassten Verfahrenszusammenhanges dehnt sich daher die in § 42 Abs. 3 VwGG vorgesehene ex-tunc-Wirkung der hg. Aufhebung des Auftrages des Bundesministers für Finanzen vom 21. September 2000 auf den mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. April 2002 betreffend die Vollstreckung einer Zwangsstrafe nach § 70 Abs. 4 Z 2 BWG nicht - den Gegenstand des aufhebenden Abspruchs des Verwaltungsgerichtshofes erweiternd - in der Weise aus, dass der angefochtene Bescheid bereits durch die Aufhebung des Auftragsbescheides vom 21. September 2000 seine Rechtswirkung verloren hätte.

Im Beschwerdefall liegt zudem nicht die Konstellation vor, dass die Auswirkung der Aufhebung eines Titelbescheides auf nachfolgende Vollstreckungsakte zu beurteilen wäre, sondern die Aufhebung mit dem hg. Erkenntnis vom 7. November 2005 betraf den die Tatbestandswirkung für die Verhängung der Zwangsstrafe entfaltenden Bescheid des Bundesministers für Finanzen gemäß § 70 Abs. 4 Z 2 BWG. Durch die rückwirkende Aufhebung dieses Bescheides ist auch dem nachfolgend erlassenen Bescheid über die Verhängung der Zwangsstrafe und dem in dieser Rechtssache ergangenen angefochtenen Berufungsbescheid die Rechtsgrundlage entzogen.

2.5. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Auf die Frage des Verhältnisses von § 70 Abs. 4 BWG zu § 96 BWG und die Frage, welche Auswirkungen es im Beschwerdefall hat, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, mit dem die Berufung gegen die Androhung einer weiteren Zwangsstrafe in der Höhe von S 300.000,-- bestätigt wurde, § 96 BWG bereits in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/2001 in Kraft stand, sodass die Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von S 300.000,-- unzulässig war, braucht daher nicht mehr eingegangen werden.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Da die Zuständigkeit in Angelegenheiten der in die Bundesvollziehung fallenden Verwaltungsvollstreckung generell beim Bundesminister für Inneres liegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1949, Slg. Nr. 757/A), wird darauf hingewiesen, dass bei funktionaler Zurechnung auf der Seite der verpflichteten Gebietskörperschaft (§ 47 Abs. 5 VwGG) die Kostentragung zu Lasten des Haushaltsansatzes dieses Bundesministeriums zu erfolgen hat.

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 12. Dezember 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002170179.X00

Im RIS seit

19.02.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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