TE OGH 1990/10/23 10ObS138/90

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Veröffentlicht am 23.10.1990
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Oskar Harter (Arbeitgeber) und Claus Bauer (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei L*** W*** als Sozialhilfeträger, vertreten durch Dr. Wolfgang Heufler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** G***, 1101 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten

durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Übernahme von Ambulanzgebühren infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 1989, GZ 31 Rs 225/89-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 13. Juni 1989, GZ 5 Cgs 506/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die einschließlich 617,70 S Umsatzsteuer mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der bei der W*** G*** krankenversicherte

Pensionist Karl B***, der damals Pflegling des Pflegeheimes der Stadt Wien-Lainz war und aufgrund des Wiener Sozialhilfegesetzes Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, insbesondere auf Pflege hatte, wurde in der Zeit vom 4.10. bis 31.12.1988 in der Krankenanstalt Rudolfstiftung der Stadt Wien 24 mal ambulant dialysiert. Dadurch entstanden dem Land Wien Kosten von 90.720 S, die sich jedoch für Träger der gesetzlichen Krankenversicherung auf 45.600 S zuzüglich 10 % Umsatzsteuer, also insgesamt auf 50.160 S ermäßigten.

Mit Schreiben vom 3.2.1989 ersuchte das Land Wien als Sozialhilfeträger die W*** G*** um Übernahme dieser Kosten, weil die Dialyse eine Behandlung sei, die aufgrund der Aufgaben eines Pflegeheimes in einem solchen nicht durchgeführt werden könnten.

Mit Schreiben vom 22.2.1989 teilte die W***

G*** dem Magistrat der Stadt Wien mit, daß die Kosten nicht übernommen werden könnten. Sei ein Pensionist in einer Versorgungsanstalt oder in einer Anstalt der Sozialhilfe, in der er im Rahmen seiner gesamten Betreuung ärztliche Hilfe und Heilmittel erhalte, untergebracht, so bestehe nach § 124 Abs 3 ASVG während der Dauer dieser Unterbringung für seine Person kein Anspruch auf diese Leistungen der Krankenversicherung. Die ambulante Dialyse zähle zur ärztlichen Hilfe im Sinne des § 135 Abs 1 ASVG.

Aufgrund dieses Schreibens erhob die klagende Partei Klage auf Ersatz der ihr als Sozialhilfeträger aufgrund der Nichtbezahlung der für die Zeit vom 4.10. bis 31.12.1988 aufgelaufenen Ambulanzgebühren durch die beklagte Partei entstandenen Kosten im gesetzlichen bzw. vertragsmäßigen Ausmaß von 50.160 S. Dazu brachte sie im wesentlichen vor: Ein in ihrem Pflegeheim untergebrachter Pensionist habe aufgrund des Wiener Sozialhilfegesetzes Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes, insbesondere auf Pflege. Diese könne innerhalb oder außerhalb von Pflegeheimen gewährt werden. Weil ihr Umfang davon unabhängig sei, ob sie innerhalb oder außerhalb eines solchen Heimes gewährt werde, könnten an ein Pflegeheim keine größeren Anforderungen gestellt werden als an die häusliche Pflege. Dies bedeute für die Bereitstellung ärztlicher Hilfe, daß nur jene ärztliche Versorgung bereitgehalten werden müsse, die auch durch einen niedergelassenen Arzt bei häuslicher Pflege im Rahmen eines Hausbesuches vorgenommen werde. Daß ein Pflegeheim über alle medizinischen Einrichtungen und Fachärzte von Ambulatorien verfüge, könne nicht gefordert werden. Die klagende Partei sei daher nicht verpflichtet, im Pflegeheim Lainz eine Dialyse bereitzuhalten, weshalb der dort untergebrachte Pensionist keinen Anspruch auf die Durchführung einer solchen im genannten Pflegeheim habe. Deshalb sei die beklagte Partei nicht nach § 124 Abs 3 ASVG leistungsfrei. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage, weil die Dialysebehandlung als ärztliche Hilfe dem Leistungsverbot des § 124 Abs 3 ASVG unterliege.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

§ 124 Abs 3 ASVG sei einschränkend dahin auszulegen, daß der in einer Versorgungsanstalt oder einer Anstalt der Sozialhilfe untergebrachte Pensionist nur von jenen Leistungen ausgeschlossen sei, die er ihm Rahmen seiner gesamten Betreuung in der Anstalt erhalte, nicht jedoch von jeder ambulanten ärztlichen Hilfe schlechthin. Da die Hämodialyse auch bisher nicht von einer solchen Anstalt erbracht worden sei und auch keine einfache Behandlung sei, die von jeder Pflegeanstalt ohne besondere Erweiterung der medizinischen Einrichtungen und ohne besondere Vorbereitungen bei Bedarf sofort aufgenommen werden könne, gehe diese Behandlung über den Rahmen der Gesamtbetreuung eines Heimbewohners hinaus und sei daher nicht von der genannten Leistungsbefreiungsbestimmung umfaßt. Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

§ 124 Abs 3 ASVG gebe dem Träger der Krankenversicherung keinen Rechtsanspruch darauf, daß der Träger der Sozialhilfe dem Pensionisten oder dessen Angehörigen eine bestimmte Art von ärztlicher Hilfe oder von Heilmitteln gewähre. Der Umfang der von den Trägern der Sozialhilfe zu erbringenden Leistungen richte sich nach den Sozialhilfegesetzen der Länder, nach denen nur der Hilfebedürftige einen Anspruch gegenüber den Trägern der Sozialhilfe habe. Für den Leistungsausschluß der zitierten Gesetzesstelle komme es auch nicht darauf an, ob der Pensionist einen landesgesetzlichen Anspruch auf Erbringung einer bestimmten Leistung gegenüber dem Träger der Sozialhilfe habe, sondern in welchem Umfang dieser die Leistung tatsächlich erbringe. Der Leistungsausschluß solle die mehrfache Inanspruchnahme identer Leistungen gegenüber dem Träger der Sozialhilfe und dem Träger der Krankenversicherung verhindern, regle aber den Umfang der vom erstgenannten Träger zu erbringenden Leistungen nicht. Endgültiger Kostenträger sei auch bei der Erbringung von Leistungen des Trägers der Sozialhilfe aufgrund des Ersatzanspruches nach § 324 Abs 1 ASVG letztlich der Träger der Krankenversicherung.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit einem auf Abweisung der Klage gerichteten Abänderungsantrag.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 2 Z 2 ASGG in der nach Art XLI Z 5 WGN 1989 hier anzuwendenden Fassung vor dieser Novelle zulässig. Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG.)

Nach § 65 Abs 1 Z 3 ASGG sind Rechtsstreitigkeiten über Ersatzansprüche der Träger der Sozialhilfe (§ 354 Z 3, ....) Sozialrechtssachen. § 354 Z 3 zählt Angelegenheiten, in denen es sich um Streitigkeiten über Ersatzansprüche der Träger der Sozialhilfe gemäß Abschnitt II des Fünften Teiles (des ASVG) handelt, zu den Leistungssachen.

Unterstützt ein Träger der Sozialhilfe aufgrund einer

gesetzlichen Verpflichtung einen Hilfsbedürftigen für die Zeit, für

die er einen Anspruch auf eine Versicherungsleistung nach dem ASVG

hat, so hat der Versicherungsträger dem Träger der Sozialhilfe die

von diesem geleisteten Unterstützungen nach § 324 Abs 1 gemäß den

§§ 325 bis 328 zu ersetzen, jedoch bei Geldleistungen nur bis zur

Höhe der Versicherungsleistung, auf die der Unterstützte während

dieser Zeit Anspruch hat; für Sachleistungen sind, soweit nicht eine

Abgeltung nach § 328 Platz greift, dem Träger der Sozialhilfe die

erwachsenen Kosten so weit zu ersetzen, als dem Versicherungsträger

selbst Kosten für derartige Sachleistungen erwachsen wären. Nach

§ 325 Abs 1 gebührt dem Träger der Sozialhilfe aus den Leistungen

der Krankenversicherung Ersatz nur, wenn die Leistung der

Sozialhilfe wegen der Krankheit ........ gewährt wurde, auf die sich

der Anspruch des Unterstützten gegen den Träger der

Krankenversicherung gründet (Abs 1). Leistungen der Sozialhilfe, die

wegen Krankheit .... gewährt werden, sind aus den ihnen

entsprechenden Leistungen der Krankenversicherung zu ersetzen (Abs 2). Die auf § 324 Abs 1 ASVG gestützten Ersatzansprüche der Sozialhilfeträger sind selbständige Ansprüche, die neben den Leistungsanspruch treten.

Nach § 116 Abs 1 Z 2 trifft die Krankenversicherung u.a. Vorsorge für den Versicherungsfall der Krankheit. Nach § 117 Z 2 werden aus diesem Versicherungsfall als Leistungen der Krankenversicherung Krankenbehandlung (§§ 133 bis 137) und Hauskrankenpflege (§ 151), erforderlichenfalls Anstaltspflege (§§ 144 bis 150) gewährt. Die Krankenbehandlung umfaßt nach § 133 Abs 1 1. ärztliche Hilfe, 2. Heilmittel und 3. Heilbehelfe. Sie wird nach § 134 Abs 1 während der Versicherung für die Dauer der Krankheit ohne zeitliche Begrenzung gewährt. Die ärztliche Hilfe wird nach § 135 Abs 1 durch Vertragsärzte, durch Wahlärzte, oder durch Ärzte in eigenen hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) der Versicherungsträger gewährt.

Nach § 122 Abs 1 lit a hat der Versicherte nach Maßgabe der

folgenden Bestimmungen Anspruch auf die Leistungen der

Krankenversicherung ......., wenn der Versicherungsfall während der

Versicherung eingetreten ist. § 124 trifft in den Abs 1 und 2

Sonderregelungen für Selbstversicherte und im Abs 3 folgende

Sonderregelung für Pensionisten:

"Ist der Pensionist (§ 8 Abs 1 Z 1) ..... in einer

Versorgungsanstalt oder in einer Anstalt der Sozialhilfe, in der er im Rahmen seiner gesamten Betreuung ärztliche Hilfe und Heilmittel erhält, untergebracht, so besteht während der Dauer dieser Unterbringung für seine Person kein Anspruch auf diese Leistungen der Krankenversicherung."

Diese Ausnahmebestimmung war schon in der Stammfassung (als Abs 2) enthalten und wurde durch die 9., 32. und 35. ASVGNov durch terminologische Anpassungen und durch Art II Z 8 der 29. ASVGNov BGBl 1973/31 entscheidend abgeändert. Sie lautete in der vor der

29. ASVGNov geltenden Fassung: "(2) Leistungen aus der Krankenversicherung werden nicht gewährt, wenn der Rentner (§ 8 Abs 1 Z 1) oder ein Angehöriger des Rentners in einer Versorgungsanstalt oder in einer Anstalt der allgemeinen Fürsorge, in der er im Rahmen seiner gesamten Betreuung Krankenbehandlung erhält, untergebracht ist." Die EB der RV zum Stammgesetz 599 BlgNR 7. GP enthalten keine diesbezügliche Begründung. Die RV zur 29. ASVGNov 404 BlgNR 13. GP 88 wies darauf hin, daß diese Formulierung in der Praxis dazu geführt habe, daß ein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung auch dann nicht bestehe, wenn die ärztlichen und technischen Betreuungsmöglichkeiten in der Anstalt nicht mehr ausreichen (zB Gewährung von Zahnbehandlung, Anschaffung von Sehbehelfen usw). Um diese vielfach als unbefriedigend empfundene Rechtslage zu beseitigen, solle diese Bestimmung dahin abgeändert werden, daß der in einer Versorgungsanstalt oder in einer Anstalt der allgemeinen Fürsorge untergebrachte Pensionist (dessen Angehöriger) nur von den Leistungen der Krankenversicherung ausgeschlossen sein solle, die er im Rahmen seiner gesamten Betreuung in der Versorgungsanstalt oder Anstalt der allgemeinen Fürsorge erhalte.

Daher erhielt diese Ausnahmebestimmung durch die 29. ASVGNov die oben angegebene Fassung:

Teschner-Fürböck führen in MGA ASVG 46. ErgLfg 744 FN 8 zu § 124 Abs 3 aus, der in einer Versorgungsanstalt oder in einer Anstalt der allgemeinen Fürsorge untergebrachte Pensionist (dessen Angehöriger) sei demnach nur von den Leistungen der Krankenversicherung ausgeschlossen, die er im Rahmen seiner gesamten Betreuung in einer solchen Anstalt erhalte. In der FN 9 weisen sie unter Bezugnahme auf SozSi 1973, 429 darauf hin, die Krankenversicherungsträger verstünden § 124 Abs 3 so, daß die Gewährung physiko-therapeutischer und logopädisch und phoniatrisch-audiometrischer Behandlungen, die der ärztlichen Hilfe gleichgestellt seien, bei Aufenthalt des Anspruchsberechtigten oder seines Angehörigen in einer der hier genannten Anstalten nur dann ausgeschlossen sei, wenn die betreffende Behandlung in der Anstalt verabreicht werde. Schon vor der 29. ASVGNov vertrat das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien in Wien (23.6.1959 SVSlg 9.034) die Rechtsansicht, § 124 Abs 2 befreie den Krankenversicherungsträger nur so lange von der Erbringung von Leistungen, als der Rentner in einer Versorgungsanstalt im Rahmen seiner Betreuung Krankenbehandlung erhalte. Reichten die medizinischen Einrichtungen der Versorgungsanstalt nicht aus, um die gesundheitliche Betreuung zu gewährleisten, so habe der Krankenversicherungsträger die im Gesetz vorgesehenen Leistungen zu erbringen. Das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Steiermark in Graz führte wiederholt aus (17. und 24.5.1966 SVSlg 16.081), nach dem Wortlaut des § 124 Abs 2 komme es lediglich darauf an, ob der Versicherte Krankenbehandlung im Pflegeheim erhalte. Sei dies nicht oder nur teilweise der Fall, weil die Voraussetzungen für die Gewährung der Krankenbehandlung im Gesamtausmaß der §§ 133 ff, sei es in personeller Hinsicht oder mangels entsprechender Einrichtungen, nicht gegeben seien, dann erhalte der Versicherte eben nicht die ihm zustehende Krankenbehandlung nach den gesetzlichen Bestimmungen. Hingegen vertrat das Oberlandesgericht Wien als damals letzte Instanz in Leistungsstreitsachen zur Rechtslage vor der 29. ASVGNov die Ansicht, ein in einer Anstalt der allgemeinen Fürsorge untergebrachter Pensionist habe während der Dauer dieser Unterbringung für seine Person auch dann keinen Anspruch auf Leistungen aus der Krankenversicherung (mit Ausnahme des Sterbegeldes), wenn er in der Anstalt nur eingeschränkte Krankenbehandlung erhalte (7.11.1966 SSV 6/132 = SVSlg 16.080). Entgegen der Meinung der Revisionswerberin besteht für einen in einer im § 124 Abs 3 genannten Anstalt untergebrachten Pensionisten nur insoweit kein Anspruch auf ärztliche Hilfe und Heilmittel gegen den Träger der Krankenversicherung, als er im Rahmen seiner gesamten Anstaltsbetreuung ärztliche Hilfe und Heilmittel im ausreichenden und zweckmäßigen Ausmaß erhält. Dies folgt insbesondere aus § 133 Abs 2, wonach die Krankenbehandlung, die nach Abs 1 leg.cit. auch die ärztliche Hilfe und die Heilmittel umfaßt, ausreichend und zweckmäßig sein muß, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. Die Sonderregelung des § 124 Abs 3 läßt sich nur damit begründen, daß ein Pensionist, der im Rahmen seiner gesamten Betreuung in einer Anstalt ausreichende und zweckmäßige ärztliche Hilfe und Heilmittel erhält, diese Sachleistungen der Krankenversicherung nicht benötigt. Wenn und soweit er jedoch im Rahmen seiner Gesamtbetreuung in einer Anstalt ärztliche Hilfe und Heilmittel nicht im zur Wiederherstellung, Festigung oder Besserung seiner Gesundheit, Arbeitsfähigkeit oder Fähigkeit, für die lebenswichtigen persönlichen Bedürfnisse zu sorgen notwendigen Maß erhält, hat er auch während der Dauer der Anstaltsunterbringung auf diese zur Krankenbehandlung zählenden Leistungen der Krankenversicherung Anspruch. § 124 Abs 3 schließt einen Anspruch des in einer Anstalt untergebrachten Pensionisten nicht dann aus, wenn er im Rahmen seiner Gesamtbetreuung Anspruch auf ärztliche Hilfe und Heilmittel gegen die Anstalt hat, sondern wenn er diese Leistungen in der Anstalt im Rahmen seiner Gesamtbetreuung (tatsächlich) erhält. Inwieweit der Träger der Anstalt verpflichtet wäre, dem Pensionisten (ausreichende und zweckentsprechende) ärztliche Hilfe und Heilmittel in der Anstalt im Rahmen seiner Gesamtbetreuung zu erbringen, ist für dessen Leistungsanspruch gegen den Krankenversicherer ohne Bedeutung.

Nach § 15 Wiener Sozialhilfegesetz umfaßt die Pflege die körperliche und persönliche Betreuung von Personen, die aufgrund ihres körperlichen oder geistig-seelischen Zustandes nicht imstande sind, die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe zu besorgen. Die Pflege kann innerhalb oder außerhalb von Pflegeheimen gewährt werden (Abs 1). Pflegeheime im Sinne dieses Gesetzes sind Einrichtungen für Personen mit einer Behinderung oder einer unheilbaren Krankheit, welche die Verrichtungen des täglichen Lebens nicht selbst vornehmen können und der stationären Pflege und sozialen Betreueung bedürfen (Abs 2).

Im Rahmen dieser Anstaltsbetreuung wird der Pflegling u.a. auch die ärztliche Hilfe erhalten, für welche die in solchen Anstalten üblichen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ausreichen. Bei diesen Anstalten handelt es sich aber nicht um Krankenanstalten iS des Krankenanstaltengesetzes oder des Wiener Krankenanstaltengesetzes, die auch für komplizierte Untersuchungen und Behandlungsmethoden eingerichtet sein müssen. Zu letzteren zählt die Hämodialysebehandlung von Personen, die die notwendigen Verrichtungen des täglichen Lebens ohne fremde Hilfe nicht mehr besorgen können und deshalb in einem Pflegeheim betreut werden müssen. Unter diesen Umständen wird die Hämodialyse in aller Regel nur mehr unter intensiver ärztlicher und pflegerischer Überwachung in mit entsprechend ausgestatteten Dialysegeräten ausgestatteten Dialysezentren vorgenommen werden können, die nicht einmal in allen Krankenanstalten eingerichtet sind. Solche Dialysebehandlungen, die in der Regel zwei oder dreimal pro Woche vorgenommen werden müssen, wobei der Patient jeweils mehrere Stunden an ein Dialysegerät angeschlossen bleibt, kommen einer (teil)stationären Anstaltspflege nahe, werden aber, wenn der Patient einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedarf, in den Krankenanstalten als ambulante Behandlungen iS des § 26 Abs 1 lit c KAG und § 42 Abs 1 lit c Wiener KAG durchgeführt. Nach den zitierten bundes- und landesgesetzlichen Bestimmungen sind Personen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen, in öffentlichen Krankenanstalten bestimmter Art ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn es zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit solchen Behelfen, die außerhalb der Anstalten in angemessener Entfernung zum Wohnort des Patienten nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, notwendig ist. Dies trifft im vorliegenden Fall zu.

Daraus folgt, daß der klagende Träger der Sozialhilfe nicht verpflichtet war, dafür zu sorgen, daß der im Pflegeheim der Stadt Wien-Lainz untergebrachte Pensionist Karl B*** im Rahmen der gesamten Betreuung auf (endgültige) Kosten des Sozialhilfeträgers ärztliche Hilfe auch durch Hämodialysebehandlungen erhält. Die klagende Partei hat die Kosten der 24 ambulanten Dialysebehandlungen des Pfleglings in der Zeit vom 4.10. bis 31.12.1988 in ihrer Krankenanstalt Rudolfstiftung, die von der beklagten Partei als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sind, nur vorläufig übernommen. Deshalb sind ihr diese Kosten nach den §§ 324 und 325 vom beklagten Versicherungsträger zu ersetzen. Weil es sich nicht um einen Rechtsstreit zwischen einem Versicherungsträger und einem Versicherten, sondern zwischen einem Träger der Sozialhilfe und einem Versicherungsträger handelt, gilt für den Kostenersatzanspruch nicht § 77 ASGG, sondern gelten die allgemeinen Kostenersatzbestimmungen der §§ 41 und 50 ZPO (Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz Erl 2 zu § 77; Feitzinger-Tades, ASGG Anm 3 zu § 77).

Anmerkung

E22489

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:010OBS00138.9.1023.000

Dokumentnummer

JJT_19901023_OGH0002_010OBS00138_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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