TE OGH 1990/10/24 1Ob674/90

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Veröffentlicht am 24.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans A***, Kaufmann, Freilassing, Gewerbegasse 6 a, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Peter Z***, Rechtsanwalt, Salzburg, Imbergstraße 18, vertreten durch Dr.Alfred Ebner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 220.290 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5.Dezember 1989, GZ 2 R 125/89-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 6. Februar 1989, GZ 14 a Cg 476/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie als Zwischenurteil zu lauten haben:

"Die Klagsforderung besteht dem Grunde nach zu Recht. Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten."

Auf die Kosten des Rechtsmittelverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verlegte im grenznahen Freilassing, Bundesrepublik Deutschland, die Werbezeitschrift "Der Einkaufsberater". In der auch im Raum Salzburg verteilten Ausgabe XII/1984 warben Inserenten in DM-Preisen. Der österreichische W***-S*** ZUR F***

L*** W*** IM IN- UND A*** (im folgenden: W***-Schutzverband) forderte die Inserenten in seinem anwaltlichen Abmahnschreiben vom 17.Dezember 1984 zur außergerichtlichen Erledigung durch a) Erklärung der Unterlassung des Verstoßes gegen das PreisG und das UWG, b) Zahlung von 3.850 S für Rechtsanwaltskosten, c) Abschluß eines gerichtlichen Vergleiches bei Verlangen und d) Veröffentlichung der Unterlassungserklärung in einer Tageszeitung auf. Der davon von seinen Inserenten informierte Kläger wandte sich an die deutsche Rechtsanwältin Silvia D*** in Freilassing. Diese gab ihm die Auskunft, daß sicherlich ein Wettbewerbsverstoß vorliege, verwies ihn wegen näherer Einzelheiten an einen österreichischen Anwalt und empfahl die - als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) bestehende - Rechtsanwaltskanzlui Dr.Gunther S***/Dr.Peter Z*** (Beklagter). Vorher hatte die Anwältin Silvia D*** selbst mit dieser Anwaltskanzlei telefoniert, mit Dr.Elisabeth P***-S***, der Tochter Dr.Gunther S***s und Konzipientin des Beklagten, gesprochen, sich über die im Abmahnschreiben erwähnten Bestimmungen des österreichischen PreisG informiert und erklärt, sie werde den Kläger an Dr.Elisabeth P***-S*** verweisen. Nachdem der Kläger von Rechtsanwältin Silvia D*** informiert worden war, rief er in der Rechtsanwaltskanzlei des Beklagten und Dr.Gunther S***s an, wurde ebenfalls mit Dr.Elisabeth P***-S*** verbunden, besprach mit ihr das an seine Kunden gerichtete Abmahnschreiben und las dieses am Telefon vor. Beide vereinbarten, daß der Kläger das Schreiben sofort nach Salzburg übersende. Nachdem dies geschehen war, setzte sich der Kläger wieder mit Dr.Elisabeth P***-S*** fernmündlich in Verbindung und fragte, was zu tun sei, damit seine Kunden mit möglichst wenig Kosten belastet werden. Dr.Elisabeth P***-S***, die während des Telefonates das Abmahnschreiben vor sich liegen hatte, antwortete, es wäre ausreichend, bloß die Unterlassungsverpflichtung zu akzeptieren, alle weiteren Forderungen könne man durchstreichen. Diesen Rat gab der Kläger an seine Kunden weiter; sie wurden kurz darauf vom W***-Schutzverband auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung geklagt. Der Kläger beauftragte sodann Dr.Gunther S***, auf seine Kosten für seine Kunden einzuschreiten. Die Verfahren endeten mit einem klagsstattgebenden Urteil und submittierenden Vergleichen. Dr.Elisabeth P***-S*** berichtete über die in dieser Angelegenheit mit der deutschen Anwältin und dem Kläger geführten Gespräche nicht dem Beklagten, sondern ihrem Vater, für den sie in dieser Wettbewerbsangelegenheit auch noch verschiedene weitere Arbeiten erledigte.

Im Vorverfahren 8 Cg 80/86 des Landesgerichtes Salzburg forderte der Kläger von Dr.Gunther S*** - der ua den Einwand der mangelnden Passivlegitimation erhob - Schadenersatz von (vorerst) 100.000 S und erhielt in zweiter Instanz 100.000 S sA rechtskräftig zugesprochen, weil ihm Dr.Elisabeth P***-S***, für die Dr.Gunther S*** nach § 1313 a ABGB hafte, eine für den Schaden mitursächliche, unrichtige Auskunft erteilt habe. Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger vom Beklagten zuletzt, unter Berücksichtigung des vom Kanzleipartner des Beklagten bezahlten Betrages von S 100.000, aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes den Betrag von 220.290 S sA (196.334,59 S als Ersatz für bezahlte 261.784,59 S abzüglich der Kosten und Gebühren, die bei richtiger Beratung hätten bezahlt werden müssen, 83.955,44 S als Umsatz- und Verdienstentgang und 40.000 S als Gewinnentgang pro 1986).

Der Beklagte wendete ein, passiv nicht legitimiert zu sein, weil Dr.Elisabeth P***-S*** in dieser Sache nicht für ihn, sondern für seinen Kanzleipartner Dr.Gunther S*** tätig geworden sei. Er habe daher für eine allfällige Fehlberatung nicht einzustehen. Außer Streit steht, daß dem Kläger durch die Beratung von Dr.Elisabeth P***-S*** ein Schaden entstand, der den im Vorverfahren festgestellten Betrag von 100.000 S zumindest um 1 S überschreitet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es "stellte fest", daß in der Wettbewerbsangelegenheit ein die anwaltliche Beratung und Vertretung betreffendes Vertragsverhältnis nur zwischen dem Kläger und Dr.Gunther S*** bestanden habe. Der Beklagte und Dr.Gunther S***, die ihre Kanzlei in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts führten, hafteten an sich solidarisch für Schäden, die aus Anlaß der Vertragserfüllung entstanden seien. Der Kläger habe aber im vorprozessualen Stadium und in den Prozessen nur Dr.Gunther S*** beauftragt; ein äußerer Tatbestand für ein Vertragsverhältnis mit dem Beklagten sei nicht gesetzt worden. Dr.Elisabeth P***-S*** habe die Beratung des Klägers nur für Dr.Gunther S*** durchgeführt, so daß auch nur dieser für den eingetretenen Schaden zu haften habe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der Erstrichterin. Es übernahm die Feststellungen der Erstrichterin, billigte deren Rechtsauffassung und ließ die Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und gerechtfertigt.

Zutreffend und in den Rechtsmittelschriften unbestritten wurde von den Vorinstanzen die (damalige) Kanzleigemeinschaft von Dr.Gunther S*** mit dem Beklagten als GesbR iS der §§ 1175 ff ABGB beurteilt (WBl 1987, 40 mwN; EvBl 1981/78; MietSlg 8.602/42; Jabornegg in Schwimann, § 1175 ABGB Rz 2). In dieser GesbR war die Tochter Dr.Gunther S***s beim Beklagten als Rechtsanwaltsanwärterin tätig. Die Tätigkeit des Rechtsanwaltsanwärters ist die eines Erfüllungsgehilfen (§ 1313 a ABGB), dessen sich der Rechtsanwalt bei Erfüllung eines Auftrages - auch zur Erteilung eines anwaltlichen Rates - bedienen darf. Der Rechtsanwalt haftet daher nicht nur für dessen Auswahl, sondern auch für dessen Verschulden, auch wenn dem Anwalt selbst kein Verschulden zur Last fällt (Harrer in Schwimann, § 1300 ABGB Rz 14; Ströher, Das Recht der Vertretung des Rechtsanwaltes durch den Rechtsanwaltsanwärter in AnwBl 1977, 151 ff mwN in FN 2; Heller-Jahoda-Schuppich, RAO3 § 15 Anm 4; Feil-Hajek, Die Berufshaftung der Rechtsanwälte und Notare, Rz 62; vgl auch SZ 59/106 zur Haftung des Notars für den Notariatskandidaten). Nach den Urteilsannahmen der Vorinstanzen wurde zwar in der Wettbewerbsangelegenheit (nach Erteilung des in Rede stehenden Rates) ein die anwaltliche Beratung und Vertretung betreffendes Vertragsverhältnis nur zwischen dem Kläger und Dr.Gunther S*** begründet, dennoch haftet der Beklagte aufgrund des von der Anwaltssozietät gesetzten Rechtsscheins. Dr.P***-S*** erteile namens der Anwaltssozietät und damit (auch) in seinem Namen dem Kläger telefonisch einen anwaltlichen Rat. In der Ermöglichung ihres telefonischen Auftretens und damit der Erteilung einer telefonischen Rechtsauskunft gegenüber einem ratsuchenden Dritten (vgl HS 7102 mwN; SZ 37/161; Welser, Die Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 73; Strasser in Rummel2, § 1002 ABGB Rz 49 mwN) liegt entgegen der Meinung der Vorinstanzen der haftungsbegründende äußere Tatbestand. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Person im Vertrauen auf einen äußeren Tatbestand zu schützen, wenn ihr trotz Anwendung gehöriger Sorgfalt der wahre Sachverhalt verborgen blieb und der äußere Tatbestand von dem gesetzt wurde, gegen den er sich auswirken soll. Das Vertrauen muß nur seine Grundlage im Verhalten dessen haben, der diesen äußeren Tatbestand und die Überzeugung des Dritten vom Vorhandensein der Vertretungsmacht schafft (SZ 61/64, JBl 1986, 784, jeweils mwN ua; Apathy in Schwimann, § 1029 ABGB Rz 5). Gefordert ist im Einzelfall die sorgfältige Prüfung, wie der Dritte das Auftreten des Handelnden von seinem Erkenntnisstand aus und nach der Verkehrssitte verstehen durfte (SZ 57/12 ua; Koziol-Welser, Grundriß8 I 155 f). Hier trat die Konzipientin des Beklagten Dr.Elisabeth P***-S*** gegenüber dem Kläger fernmündlich mangels ausdrücklicher Erklärung namens der Anwaltssozietät auf. Der Kläger durfte mangels weiterer Klarstellung bei einer Anwaltskanzlei mit zwei Rechtsanwälten annehmen, Dr.Elisabeth P***-S*** trete jedenfalls (auch) für den Beklagten als eines der beiden Rechtsanwälte der Kanzleigemeinschaft, mit der er in Rechtsbeziehung treten wollte, auf (vgl Strasser in Rummel, Rz 4 zu § 1201 ABGB). Bezüglich des schadensstiftenden Rates kam demnach konkludent ein Vertrag zwischen der durch Dr.P***-S*** vertretenen Anwaltssozietät und dem Kläger zustande; daß Dr.P***-S*** hiezu nicht befugt gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Auch Raterteilung aus bloßer Gefälligkeit ist nicht anzunehmen (vgl Welser, aaO 37, 68). Die Bevollmächtigung von Dr.Gunther S*** zur Vertretung in den Wettbewerbsprozessen durch den Kläger erfolgte erst nach dem als Haftungsgrund für den klägerischen Schadenersatzanspruch herangezogenen unrichtigen Rat der Konzipientin.

Auch von einem Rechtsanwalt können freilich nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die Rechtsanwälte im allgemeinen gewöhnlichen haben (SZ 59/35, SZ 58/165, SZ 54/98 ua). Die Rechtsauslegung der Konzipientin des Beklagten zum Wegfall der Wiederholungsgefahr im Wettbewerbsrecht war aber nicht vertretbar und damit schuldhaft, weil sie von einer eindeutigen, wiederholt veröffentlichten Spruchpraxis des Höchstgerichtes abwich (SZ 59/35 mwN; Fenzl-Völkl-Völkl, Die Haftung der rechtsberatenden Berufe im Spiegel der Rechtsprechung in ÖJZ 1989, 513 ff, 515). Da die vom Kläger verteilte Werbezeitschrift XII/1984 mit den beanstandeten Inseraten mit DM-Preisen auch im Raum Salzburg verteilt wurden und sich daher auf den österreichischen Markt auswirkte, waren die Ansprüche des W***-Schutzverbandes gemäß § 48 Abs 2 IPRG nach österreichischem Recht zu beurteilen (SZ 59/202 = WBl 1987, 99 mwN).

Nach § 11 c Abs 3 erster Satz PreisG idgF, der keine Einschränkung

auf österreischische Anbieter enthält, haben die Ersichtlichmachung

und öffentliche Ankündigung von Preisen in österreichischer Währung

zu erfolgen. Die Norm ist wettbewerbsregelnd, ein Verstoß gegen sie

daher aber ein Verstoß gegen § 1 UWG (vgl WBl 1989, 25 zu § 11 c

Abs 2 PreisG). Wie der Oberste Gerichtshof seit der ausführlich

begründeten E SZ 51/87 = EvBl 1978/205 = ÖBl 1978, 127 wiederholt

(MuR 1988, 59 und 125; ÖBl 1985, 16; SZ 57/104 = JBl 1985, 44 = ÖBl

1984, 123; SZ 52/94 = ÖBl 1980, 7 ua) ausgesprochen hat, wird im

Regelfall die Wiederholungsgefahr als materiellrechtliche Voraussetzung eines klagbaren Unterlassungsanspruches nach dem UWG nur durch das Angebot eines umfassenden, an keine Bedingungen geknüpften, vollstreckbaren, das heißt bei jedem weiteren Zuwiderhandeln des Beklagten zur Exekutionsführung nach § 355 EO berechtigenden Unterlassungsvergleiches beseitigt, wobei der Beklagte (hier der einzelne deutsche Inserent) dem Begehren in jenen Punkten Rechnung tragen muß, in denen der Kläger (hier der W***-Schutzverband) auch im Rechtsstreit obsiegen könnte (ÖBl 1989, 52; ÖBl 1985, 16 ua). Dazu gehört auch die Ermächtigung zur Veröffentlichung des Vergleiches auf Kosten des Beklagten im angemessenen Umfang, wenn der Kläger berechtigterweise Urteilsveröffentlichung begehren kann (WBl 1989, 25; JBl 1986, 462 = ÖBl 1985, 164; SZ 57/104, SZ 52/94 uva; Schönherr, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rz 507.7). Der W***-Schutzverband hatte angesichts der Art des Wettbewerbsverstoßes nach § 11 c Abs 3 PreisG durch Inserate in der Werbezeitschrift, somit der Werbung an einen unbestimmten Personenkreis, und der Tatsache, daß zwischen dem Verstoß und dem Abmahnschreiben nur ein Zeitraum von nicht einmal einem Monat lag, sodaß die Werbeaussage noch nicht in Vergessenheit geraten war, auch ein schutzwürdiges Interesse an einer Aufklärung des Publikums und damit auch an einer Veröffentlichung eines Vergleiches (SZ 58/38; ÖBl 1980, 75 uva). Dem anwaltlichen Rat der Konzipientin des Beklagten, jedenfalls sowohl das Begehren auf Abschluß eines Vergleiches (bei Verlangen) als auf Veröffentlichung desselben abzulehnen, war damit schuldhaft unrichtig. Ob die Inserenten den Anspruch des W***-Schutzverbandes auf Kostenersatz für sein anwaltliches Abmahnschreiben vom 17.Dezember 1984 gleichfalls anerkennen mußten oder dies vorbehalten konnten (vgl ÖBl 1989, 52; ÖBl 1985, 164, 16; SZ 57/104 ua), braucht daher nicht mehr untersucht zu werden. Der Beklagte haftet demnach nach §§ 1002, 1313 a ABGB dem Kläger für den Schaden, den dieser durch den unrichtigen anwaltlichen Rat seiner Konzipientin erlitt. Ob Rechtsanwälte, die ihre Kanzlei in der Rechtsform einer GesbR führen, Klienten gegenüber generell solidarisch haften, kann hier unerörtert bleiben. Das erstgerichtliche Verfahren wird zur Höhe des Schadens des Klägers zu ergänzen sein. Demgemäß ist der Revision Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vorbehalt für die Verfahrenskosten aller Instanzen beruht auf § 52 ZPO iVm § 393 Abs 4 ZPO.

Anmerkung

E22331

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00674.9.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19901024_OGH0002_0010OB00674_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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