TE OGH 1990/10/24 3Ob574/90

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Veröffentlicht am 24.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schalich als weitere Richter in der Vormundschaftssache des mj. Christian Patrick B***, geboren am 28. Februar 1983, wegen Annahme an Kindesstatt, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, Salzburg, Kaigasse 14-16, als Sachwalter des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 3. Mai 1990, GZ 22 a R 26/90-26, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 19.Jänner 1990, GZ 4 P 145/89-21, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Mutter des am 28.2.1983 unehelich geborenen mj. Christian heiratete am 29.4.1989 ihren nunmehrigen Ehemann, den am 21.1.1965 geborenen Georg B***; das Kind trägt seit 29.5.1989 dessen Familiennamen. Es lebt mit der Mutter im gemeinsamen Haushalt mit deren Ehemann. Zwischen dem mj. Christian und seinem unehelichen (leiblichen) Vater Wolfgang S*** besteht regelmäßiger Besuchskontakt. Georg B*** und die Mutter des Minderjährigen als dessen gesetzliche Vertreterin schlossen am 9.1.1990 einen Adoptionsvertrag, dem der leibliche Vater Wolfgang S*** und die Jugendwohlfahrtsbehörde als besonderer Sachwalter zur Erstellung des Adoptionsvertrages zugestimmt haben.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung dieses Adoptionsvertrages ab. Es ging wegen der erst 10 Monate dauernden Ehe davon aus, daß die Beziehung zwischen dem Ehemann der Mutter und dem mj. Christian noch nicht in dem im § 180 Abs. 1 Satz 2 ABGB geforderten Ausmaß gefestigt sei, und folgerte daraus rechtlich, daß eine Unterschreitung der Altersgrenze des Wahlvaters um 5 Jahre nicht gerechtfertigt erscheine.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Jugendwohlfahrtsträgers nicht Folge. Es stellte auf Grund zweier Berichte des Referates für Familienpolitik des Amtes der Salzburger Landesregierung ergänzend fest, daß aus psychologischer Sicht keine Bedenken gegen eine Adoption bestehen, zumal es glaubhaft ist, daß der Ehemann der Mutter dem mj. Christian ein guter Vater sein wird, daß aber der leibliche Vater auch (noch) eine tragende Rolle in den familiären Beziehungen des pflegebefohlenen Minderjährigen spielt. Das Rekursgericht vertrat die Rechtsauffassung, es genüge nicht, daß die im § 180 Abs. 1 Satz 2 ABGB geforderte Eltern-Kind-Beziehung erst in Zukunft hergestellt werde, vielmehr sei deren Bestand Voraussetzung für die Altersnachsicht. Selbst wenn es, wie im Rekurs behauptet wird, zutreffe, daß die Mutter und ihre Ehemann mit dem mj. Christian bereits seit 2 Jahren im gemeinsamen Haushalt leben, reiche dies für eine Altersnachsicht nicht aus, weil an die Stetigkeit und Dauerhaftigkeit des zu fordernden Eltern-Kind-Verhältnisses umso strengere Voraussetzungen gestellt werden müßten, je mehr die im § 180 Abs. 1 ABGB normierte Altersgrenze vom Wahlvater unterschritten werde. Das Kind habe zu seinem leiblichen Vater eine positiv zu wertende Beziehung, deren Weiterbestehen mit der Adoption aber vom Gutdünken der Mutter und ihres Ehemannes abhinge. Das von der Mutter angegebene Motiv, mit der Adoption Besuchskontakte des Vaters einzuschränken, trage zwar der Tatsache Rechnung, daß es bei der Besuchsrechtsausübung zu wohl nie ganz vermeidenden seelischen Irritationen des Kindes kommen könnte, doch seien solche, sofern sie ein zu tolerierendes Ausmaß nicht übersteigen, in Kauf zu nehmen.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Jugendwohlfahrtsträger als Sachwalter des Kindes erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig, weil der Beurteilung des vorliegenden Rechtsfalles keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Unter der im § 180 Abs. 1 Satz 2 ABGB geforderten Beziehung zwischen dem Wahlkind und dem Wahlvater entsprechend dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und ihren Kindern ist ein gesellschaftliches und psychologisches Verhältnis zu verstehen, also jene Summe von zwischenmenschlichen Beziehungen und Bindungen, wie sie sich zwischen Kindern, die ihre Umwelt im Zuge ihres Heranwachsens bewußt erfaßten, und ihren Eltern entwickeln. Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, daß die Akzeptanz des nunmehrigen Ehemannes der Mutter als Hauptperson in der neuen Familie durch den mj. Christian erfahrungsgemäß einen gewissen Zeitraum in Anspruch nimmt, und richtig ist auch, daß das Gesetz von einer bereits vorliegenden Eltern-Kind-Beziehung ausgeht. Ob diese vorliegt, ist aber eine Frage des Einzelfalles. Das Rekursgericht hat die Erfüllung dieser Voraussetzung auf Grund tauglicher Beweisgrundlagen bei Beurteilung der Tatfrage verneint. Im Gegensatz zum Rekursgericht wäre lediglich zu bemerken, daß eine an sich schon problematische Beurteilung, inwieweit diese Eltern-Kind-Beziehung dauerhaft fortgesetzt werden wird, beim Fehlen konkreter Anhaltspunkte, die Rückschlüsse auf Absichten des Wahlvaters zulassen, die dem Wohl des Kindes widersprechen könnten, entbehrlich ist. Es kommt auch nicht darauf an, inwieweit die Interessen des leiblichen Vaters durch die beabsichtigte Adoption berührt werden, sondern ob das Verhältnis zwischen dem Kind und dem in Aussicht genommenen Wahlvater ausreichend konsolidiert ist und daß das Kindeswohl gewährleistet sind. Der aufrechte Bestand einer (noch) tragenden Rolle (auch) des leiblichen Vaters spräche noch nicht gegen die Anerkennung des Ehemannes der Mutter als zukünftigem Adoptivvater, sofern letzterer vom Kind friktionsfrei als eine der Hauptpersonen in der Familie anerkannt wird. Nach der Adoption hinge allerdings das Besuchsrecht des leiblichen Vaters allein vom Wohlwollen der Eltern des Kindes ab (SZ 34/177). Ein dann mögliches gänzliches Unterbleiben des Besuchskontaktes zum leiblichen Vater könnte sich für das Kindeswohl allenfalls ungünstig auswirken. Das Schwergewicht der Beurteilung des vorliegenden Falles liegt aber auf der Tatfrage, zumal das Rekursgericht der Entscheidung EFSlg. 45.907 nur zum Teil gefolgt ist.

Anmerkung

E22579

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00574.9.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19901024_OGH0002_0030OB00574_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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