TE OGH 1990/10/24 1Ob20/90

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Veröffentlicht am 24.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DIE W*** Wohnungseigentumsgesellschaft mbH, Wien 3., Jaquingasse 51, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** W***, vertreten durch Dr.Josef Milchram, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 5,504,280 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28.März 1990, GZ 14 R 250/89-125, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 28.August 1989, GZ 54 a Cg 1026/86-118, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 30.148,58 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 5.024,76 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei war Eigentümerin der Liegenschaften EZ 361 und 363 KG Landstraße Wien 3., Erdberger Straße 37 und 39. Architekt Dipl.Ing. Norbert K*** beantragte im Einverständnis mit der klagenden Partei, mit Ablauf einer Bausperre am 26.Juli 1977 gemäß § 9 Abs 1 der Wiener Bauordnung die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen dieser Liegenschaften durch die beklagte Partei, die S*** W***. Am 26.Juli 1977 teilte die Magistratsabteilung 36 Dipl.Ing. Norbert K*** mit, daß ein Lageplan in zweifacher Ausfertigung nachzureichen sei. Dem kam Dipl.Ing. Norbert K*** am 9.August 1977 fristgerecht nach. Nach den zum Zeitpunkt des Antrages laut Gemeinderatsbeschluß vom 22.März 1953, PrZl.527/63; PD 4002, gültigen Bebauungsbestimmungen lagen die beiden Liegenschaften im geminschten Baugebiet Bauklasse IV. Zum Zeitpunkt des Ansuchens um Bekanntgabe der Babauungsbestimmungen hatten Organe der beklagten Partei jedoch die Absicht, den Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für dieses Gebiet zu ändern. Die Magistratsabteilung 21, die von der Magistratsabteilung 36 am 26. Juli 1977 um Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen ersucht worden war, teilte der Magistratsabteilung 36 am 2.August 1977 mit, daß ein Antrag gemäß §§ 1 und 8 Abs 2 WrBauO in Ausarbeitung sei und demnächst der beschlußfassenden Körperschaft zur Genehmigung vorgelegt werde (Plan Nr 5464). Die Magistratsabteilung 36 gab darauf Dipl.Ing. Norbert K*** mit Schreiben vom 9.August 1977 bekannt, daß die beantragte Bekanntgabe derzeit nicht erfolgen könne, weil der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan für dieses Gebiet abgeändert werde. Es verlängere sich somit die gesetzliche Frist zur Bekanntgabe um weitere zwei Monate. Im Plan Nr 5464 war vorgesehen, daß die Liegenschaften der klagenden Partei nunmehr als Betriebsbaugebiet gewidmet sein sollten. Da bekannt war, daß die klagende Partei eine Wohnhausanlage errichten wollte, hätte die fristgerechte Erledigung des Antrages das neue Konzept durchbrochen; dies wußte auch der Leiter der Magistratsabteilung 21 Senatsrat Friedrich P***. Als auch weiterhin die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen durch die Magistratsabteilung 36 nicht erfolgte, stellte Architekt Dipl.Ing. Norbert K*** am 25.Oktober 1977 einen Devolutionsantrag. Über diesen entschied das Rechtsmittelbüro der Magistratsdirektion der beklagten Partei mit Bescheid vom 13.März 1978, Zl. MDR-B III-28/77; zu diesem Zeitpunkt war bereits mit Beschluß des Gemeinderates vom 30.Jänner 1978, PrZl 288/78, PD 5464, die Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes auf Betriebsbaugebiet erfolgt. Diese neuen Bebauungsbestimmungen wurden Dipl.Ing. Norbert K*** bekanntgegeben. Eine Beschwerde der klagenden Partei an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit Erkenntnis vom 13.Mai 1980, Zl 1038/78-5, als unbegründet abgewiesen. Bei Bescheiden über die Bekanntgabe von Bebauungsbestimmungen handle es sich um rechtsgestaltende Verwaltungsakte, für deren Rechtmäßigkeit die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung gegebene Rechtslage maßgebend sei. Die klagende Partei begehrt aus dem Titel der Amtshaftung den Zuspruch des Betrages von S 5,504.280 samt Anhang. Organe der beklagten Partei hätten rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, weil sie die Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen trotz der auferlegten Selbstbindung, dies innerhalb von weiteren zwei Monaten tun zu müssen, absichtlich unterlassen hätten. Da innerhalb dieser Frist noch der alte Bebauungsplan in Geltung gestanden sei, wäre es der klagenden Partei bei rechtzeitiger Bekanntgabe möglich gewesen, eine Wohnungseigentumsanlage zu errichten. Die klagende Partei hätte bei Gesamtaufwendungen von S 25,450.720 einen Gesamterlös von S 34,155.000 erzielen können. Tatsächlich habe der Verkaufserlös durch Verkauf an die Firma P*** nur S 3,200.000 betragen, sodaß der klagenden Partei ein Schade in der Höhe des Klagsbetrages entstanden sei.

Die beklagte Partei bestritt Rechtswidrigkeit und Verschulden. Mit Zwischenurteil des Erstgerichtes vom 8.2.1982, ON 10, bestätigt mit Urteilen des Oberlandesgerichtes Wien vom 3.5.1982, 14 R 73/82-15 und des Obersten Gerichtshofes vom 3.11.1982, 1 Ob 33/82 = SZ 55/161, wurde ausgesprochen, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht besteht.

Im Verfahren über die Höhe wendete die beklagte Partei, soweit dies für das Rechtsmittelverfahren noch von Bedeutung ist, ein, der für den Verkauf der Liegenschaft EZ 361 und 363 KG Landstraße erzielte Kaufpreis hätte gewinnbringend angelegt werden müssen. Die klagende Partei wäre aus ihrer Verpflichtung zur Schadensminderung insbesondere gehalten gewesen, eine andere Liegenschaft zu kaufen, ein Ersatzobjekt zu errichten und dieses gewinnbringend zu veräußern. Der erzielbare Gewinn würde den geltend gemachten Schaden überstiegen haben.

Die klagende Partei replizierte, bei rechtmäßigem Verhalten der beklagten Partei wäre Ende 1979 der klagenden Partei der Gesamterlös aus der Errichtung der Wohnhausanlage zugeflossen gewesen, die Auswirkungen des schädigenden Ereignisses wären spätestens Ende 1979 beendet gewesen. Sie habe im Jahre 1979 die Liegenschaft Wien 10., Herzgasse 78, um S 3,6 Mill gekauft, im Jahre 1983 unter Verlust um S 2,4 Mill verkauft.

Das Erstgericht gab mit Endurteil dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, hätte die klagende Partei die projektierte Wohnhausanlage errichtet, wären Aufwendungen von S 25,450.720 entstanden, aber Erlöse von S 41,771.400 erzielt worden. Die Marktlage für solche Wohnungen sei im Jahre 1979 ausgezeichnet gewesen. Die klagende Partei hätte alle Wohnungen spätestens Jahresende 1979 zu den von ihr vorgesehenen Konditionen verkauft. Die klagende Partei habe bei Verkauf der Liegenschaften EZ 361 und 363 KG Landstraße den bestmöglichen Preis von S 3,020.000 erzielt. Dieser Betrag sei der klagenden Partei bis Ende 1979 zugeflossen. Von dieser Summe sei ein Betrag von S 2,000.000 zur teilweisen Finanzierung des Erwerbes der Liegenschaft Wien 10., Herzgasse 68 verwendet worden. Es sei ein Kredit abgedeckt worden. Mit dem weiteren Betrag von S 720.000 seien frustrierte Auslagen abgedeckt worden. Da sich 1980/81 die Marktlage für frei finanzierte Eigentumswohnungen empfindlich verschlechtert habe, sei die Liegenschaft Wien 10., Herzgasse 68, im Jahre 1983 mit Verlust um S 2,4 Mill verkauft worden. Die klagende Partei habe immer mit kaufmännischen Überlegungen und dem Ziel, einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen, gehandelt. Ende 1978 habe die klagende Partei Fremdkapital im Ausmaß von 11,8 Mill S, Ende 1979 von 15,5 Mill S in Anspruch genommen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß das schädigende Ereignis Auswirkungen bis Ende 1979 gehabt habe. Der klagenden Partei stünde daher der Differenzbetrag zwischen hypothetischen Aufwendungen und hypothetischem Erlös in der Höhe des Klagsbetrages als Nettoerlös zu. Der dafür beweispflichtigen beklagten Partei sei der Nachweis, daß der klagenden Partei eine Sorglosigkeit in eigenen Handlungen im Sinne des § 1304 ABGB anzulasten sei, nicht gelungen. Die klagende Partei habe gewinnorientiert gehandelt und sich lediglich von kaufmännischen Überlegungen leiten lassen. Selbst wenn eine solche Entscheidung retrospektiv betrachtet nicht den gewünschten Erfolg gebracht habe, so sei darin keinesfalls eine Verletzung der Schadensminderungspflicht zu erblicken. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getrofenen Feststellungen des Erstgerichtes. Aus dem Ankauf des Grundstückes Wien 10., Herzgasse 68, im Septemeber 1979, das 1983 mit Verlust habe verkauft werden müssen, könne keine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die klagende Partei abgeleitet werden, zumal dieses Grundstück keineswegs von vornherein für die Bebauung unzulänglich gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei, in der inhaltlich nur der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache ausgeführt wird, ist nicht berechtigt.

Der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht gehört nicht zum Anspruchsgrund (ZVR 1985/144; SZ 45/51). Die von der beklagten Partei erstmals nach Erlassung des Zwischenurteiles vom 8.2.1982, ON 10, erhobene Einwendung, die klagende Partei sei ihrer Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen, ist daher nicht verspätet.

Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht kann aber der klagenden Partei nicht vorgeworfen werden. Die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verletzt, wer schuldhaft Handlungen unterläßt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden und geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwenden oder zu verringern (ZVR 1980/153; ZVR 1979/304 ua; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I2 261). Die Schadensabwehr muß dem Geschädigten aber objektiv und subjektiv zumutbar gewesen sein (SZ 45/96). Die beklagte Partei stellt sich auf den Standpunkt, die klagende Partei habe, wozu sie objektiv verpflichtet gewesen wäre, kein Ersatzgrundstück gekauft und auf diesem eine ähnlich gewinnträchtige Wohnhausanlage erbaut. Die klagende Partei habe überhaupt keine Umdispositionen vorgenommen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die bei Geltendmachung vertraglichen Nichterfüllungsschadens aus Gründen der Schadensminderungspflicht abgeleitete Obliegenheit zum Abschluß eines günstigen Deckungsgeschäftes (SZ 60/218; JBl 1985, 746; SZ 57/129 ua; Reischauer in Rummel2 Rz 3 zu § 921; Koziol-Welser I8

234) ohne weitere Einschränkung auch auf deliktisch herbeigeführte Schäden anzuwenden ist (vgl dazu den in NJW 1989, 290 dargestellten Meinungsstand). Auf jeden Fall wäre auch bei Annahme einer solchen Obliegenheit zu aktivem Tun des Geschädigten zu fordern, daß dies im Einzelfall von der Sache geboten und ihm auch zumutbar gewesen wäre. Schon an diesen Voraussetzungen mangelt es hier. Die Vermögens- und Geschäftslage der klagenden Partei (Erhöhung des Kreditobligos von S 11,8 Mill, auf S 15,5 Mill im Jahre 1979), die ohnehin bereits in Wien 10., Herzgasse 68 ein anderes Projekt in Angriff genommem hatte und den nicht zur Abdeckung von Aufwendungen verbliebenen Teil des Kaufpreises zur teilweisen Rückführung eines dafür aufgenommenen Kredites verwendet hatte, war keineswegs so, daß sie verpflichtet gewesen wäre, von sich aus unter Inanspruchnahme neuer Kreditmittel, nur um die beklagte Partei von berechtigten Amtshaftungsansprüchen zu entlasten, ein neues Projekt zu planen, in Angriff zu nehmen und zeitlich naturgemäß verspätet und damit von der unsicheren Prognose abhängig, wie die Nachfrage bei Fertigstellung nach frei finanzierten Wohnungen in Zukunft sein werde, auszuführen. Soweit die Revisionswerberin rügt, die Vorinstanzen hätten die Berechnung des zu ersetzenden Interesses unrichtig durchgeführt, gehen diese Ausführungen schon deshalb ins Leere, weil der klagenden Partei eine Verletzung ihrer Schadensminderungspflicht nicht anzulasten ist. Im übrigen ist in diesem Punkt die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E22559

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00020.9.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19901024_OGH0002_0010OB00020_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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