TE OGH 1990/10/24 1Ob673/90

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Veröffentlicht am 24.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*** L*** Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 6., Mariahilferstraße 1 b, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Siegfried D***, Angestellter, Spiezl, Stockhornstraße 2 b, Schweiz, wegen S 76.256,97 samt Anhang infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 13.Juli 1990, GZ 13 R 125/90-5, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 16.Mai 1990, GZ 15 Cg 113/90-2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit die Klage auf Ansprüche aus dem Leasingvertrag vom 19.7. bzw. 27.7.1988 gestützt wird (Wohnwagen Bürstner City 480 TL S 23.171,33) zurückgewiesen.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei macht gegen den Beklagten Ansprüche aus zwei Leasingverträgen geltend: Über einen Wohnwagen der Marke Bürstner City 480 TL, abgeschlossen am 19.7./27.7.1988, und über einen PKW Daihatsu, abgeschlossen am 2.1./5.1.1989. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge war der Beklagte nach seinen Angaben in Pettenbach, OÖ, wohnhaft. Der zweite Antrag wurde in Scharnstein gestellt. Nach § 10 Z 3 der in beiden Verträgen gleichlautenden Allgemeinen Leasingbedingungen ("Ergänzende Bestimmungen") gilt für allfällige Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrag das sachlich zuständige Gericht in Wien als der vereinbarte Gerichtsstand (für Verbrauchergeschäfte gilt § 14 KSchG). Die klagende Partei kann aber auch den allgemeinen Gerichtsstand des Kunden wählen. Erfüllungsort ist der Sitz der klagenden Partei.

In der am 14.5.1990 beim Landesgericht für ZRS Wien eingebrachten Klage wird als Wohnort des Beklagten Spiezl, Schweiz, und als sein Beruf Angestellter angegeben. Die klagende Partei begehrt darin den Zuspruch des Betrages von S 76.256,97 samt Anhang, darunter aus dem Leasingvertrag über den Wohnwagen S 23.171,33 und aus dem Leasingvertrag über den PKW S 53.085,64.

Das Erstgericht wies die Klage a limine zurück. Da der Beklagte im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in Pettenbach seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe und auf Grund der Vertragsurkunde von einem Verbrauchergeschäft auszugehen sei, sei die Gerichtsstandvereinbarung unzulässig gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Ob eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 14 Abs. 1 KSchG erlaubt oder verboten und daher unwirksam sei, müsse nach den Verhältnissen zur Zeit ihres Abschlusses beurteilt werden. Habe der Verbraucher im Zeitpunkt des Abschlusses der Zuständigkeitsvereinbarung eine Inlandsbeziehung nach § 14 Abs. 1 KSchG, so sei die Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarung auch dann nach dieser Gesetzesstelle zu beurteilen, wenn diese Inlandsbeziehung später noch vor Einbringung der Klage weggefallen sei. Die Wirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung oder einer die Zuständigkeit durch Vereinbarung eines Erfüllungsortes verändernden Vereinbarung sei immer nach dem Zeitpunkt ihres Abschlusses zu beurteilen, sodaß eine wirksam getroffene Vereinbarung auch wirksam bleibe, wenn der Konsument später verziehe oder sich sonst nach § 14 Abs. 1 KSchG wesentliche Umstände nachträglich änderten. Der Beklagte habe im Zeitpunkt des Abschlusses der Leasingverträge in Oberösterreich gewohnt. Im Sinne des § 14 Abs. 1 KSchG habe daher weder gemäß § 104 JN die Zuständigkeit des Gerichtes in Wien wirksam vereinbart werden können noch die Vereinbarung des Sitzes der klagenden Partei in Wien als Erfüllungsort prozessuale Maßgeblichkeit im Sinne des § 88 Abs. 1 JN gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig, soweit er die Zurückweisung der Klage wegen Ansprüche aus dem Leasingvertrag über den Wohnwagen in der Höhe von S 23.171,33 betrifft. Nach § 55 Abs. 1 Z 1 JN sind bei Parteienidentität mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Nach § 55 Abs. 5 JN ist dies auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Rechtsmitteln maßgebend. Ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang besteht nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches Schicksal haben kann und die Ansprüche weder aus einer gemeinsamen Tatsache noch aus einem gemeinsamen Rechtsgrund abgeleitet werden (SZ 56/186; JBl. 1980, 430 uva). Gleichartige Geschäfte unter Zugrundelegung gleicher Vertragsbestimmungen schaffen nicht den vom Gesetz geforderten Zusammenhang (VersR 1990, 550; vgl. SZ 61/70). Für die Beantwortung der Frage, ob der Revisionsrekurs nach § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig ist, sind daher die aus jedem Vertrag abgeleiteten Ansprüche gesondert zu betrachten. Aus dem Leasingvertrag über den Wohnwagen leitet die klagende Partei aber nur Ersatzansprüche in der Höhe von S 23.171,33 ab. In diesem Umfang ist der Revisionsrekurs nach § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO jedenfalls unzulässig.

Im übrigen ist der Revisionsrekurs zwar zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, ob bei Beurteilung der Zulässigkeit einer Gerichtsstandvereinbarung nach § 14 KSchG auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung oder auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung abzustellen ist, fehlt. Er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 14 KSchG kann für Klagen gegen einen Verbraucher, der im Inland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder der im Inland beschäftigt ist, nach den §§ 88, 89, 93 Abs. 2 und 104 JN nur die Zuständigkeit eines Gerichtes begründet werden, in dessen Sprengel der Verbraucher seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem der Ort seiner Beschäftigung liegt. Diese Vorschrift schafft keine positive Zuständigkeitsordnung für Verbrauchergeschäfte, sie enthält Prorogationsverbote (JBl. 1990, 385; SZ 56/159 mwN). Eine Zuständigkeitsvereinbarung ist eine (vorprozessuale) Prozeßhandlung, die in ihrer Wirksamkeit nach den Regeln des Prozeßrechts zu beurteilen ist (WBl. 1987, 17; Fasching, Lehrbuch2 Rz 196). Nach der RV 744 BlgNR 14.GP 33 soll durch die Vorschrift des § 14 KSchG, die dem Vorbild der Bestimmung des § 12 RatenG folgt, erreicht werden, daß rechtsgeschäftliche Verschiebungen der Zuständigkeit zum Nachteil des Verbrauchers ausgeschlossen werden, sodaß die gesetzliche Regelung einseitig zwingend wird. Es wird einhellig die Ansicht vertreten, daß eine zulässig getroffene Zuständigkeitsvereinbarung (etwa am Gericht des Ortes der Beschäftigung) auch dann als gültig bestehen bleibt, wenn dieser Anknüpfungspunkt in der Folge wegfiele (Fasching aaO, Rz 293; Jelinek in Krejci, KSchG-Handbuch 890; Schragel, Konsumentenschutz im Zivilprozeß in "Verbesserter Zugang zum Recht,

Richterwoche 1979", 220 f). Kommt es aber bei Wegfall des Anknüpfungspunktes darauf an, ob die Zuständigkeitsvereinbarung bei ihrem Eingehen zulässig war, dann muß dies umgekehrt auch für den Fall gelten, daß sie ursprünglich unzulässig war und durch Wegfall der im § 14 KSchG genannten inländischen Gerichtsstände zum Zeitpunkt der Klagseinbringung nunmehr zulässig wäre. Nicht die Inanspruchnahme des vereinbarten Gerichtsstandes, sondern die Vereinbarung eines solchen Gerichtsstandes wird durch § 14 KSchG verboten (Schragel aaO 220). Der Kläger kann sich daher auf eine dem § 14 KSchG widersprechende und damit ungültige Vereinbarung nicht berufen, hätte eine solche Vereinbarung auch zu einem späteren Zeitpunkt gültig abgeschlossen werden können. Diese allein den im § 14 KSchG zum Ausdruck gekommenen Schutz des Konsumenten entsprechende Rechtsansicht vertrat schon Petschek-Stagel 131 zur Vorschriften des § 12 RatenG. Soweit Jelinek aaO 888 und Schobel, ÖJZ 1962, 57 aus der Vorschrift des § 29 JN ableiten wollen, der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei nicht entscheidend, übersehen sie, daß für den Verbraucher (Ratenkäufer) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages einer der im Gesetz genannten inländischen Anknüpfungspunkte für die Zuständigkeit gegeben sein muß, um eine weitergehende Prorogation zu verbieten. Ist ein solcher Anknüpfungspunkt selbst bei Abschluß eines Verbrauchergeschäftes im Inland nicht gegeben, etwa wenn jemand, der im Ausland wohnhaft und beschäftigt ist, bei einer Durchreise durch Österreich ein solches Geschäft abschließt, gilt für ihn ungeachtet der Anwendung österreichischen Konsumentenschutzrechtes kein Prorogationsverbot nach § 14 KSchG (so schon Edlbacher, Kommentar zum Ratengesetz 1961, 94; Martinek-Schwarz, Ratengesetz 1961, 83). Der Verbraucher verliert demnach den bei Vertragsabschluß gegebenen Schutz des § 14 KSchG nicht, wenn er nach Abschluß des Vertrages ins Ausland übersiedelt und dort beschäftigt ist, sofern er sich nicht nach dem Wegfall der inländischen Zuständigkeit nach § 14 KSchG zum Abschluß einer neuen Gerichtsstandvereinbarung entschließt. In der wiedergegebenen Formulierung des § 10 Z 3 der Allgemeinen Leasingbedingungen könnte ein durch Wegfall der inländischen Anknüpfungspunkte bedingter Abschluß einer weiteren Zuständigkeitsvereinbarung nicht erblickt werden, sodaß unerörtert bleiben kann, ob eine solche bedingt abgeschlossene Vereinbarung überhaupt zulässig und damit gültig wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

Anmerkung

E22326

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00673.9.1024.000

Dokumentnummer

JJT_19901024_OGH0002_0010OB00673_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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