TE OGH 1990/10/25 13Os87/90

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Veröffentlicht am 25.10.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wachberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter G*** wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit a, c und e PornG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 22. März 1990, GZ 2 c Vr 1342/86-69, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten Peter G*** und des Verteidigers Dr. Kern zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem Peter G*** freisprechenden Teil - ausgenommen die drei keinen sexualbezogenen Inhalt aufweisenden Kassetten "Schwer erziehbare Mädchen", "Hörig Nr 75051" und "Catherine Cheri", siehe Urteil S 16, 35 und 47 - sowie im Strafausspruch und in der Abweisung des Verfalls- und Einziehungsantrages (mit der die vorangeführten Videokassetten betreffenden Einschränkung) aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an die erste Instanz zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil (vgl dazu Art IX Abs. 4 JGG 1988, BGBl Nr 599) wurde der am 6.März 1962 geborene kaufmännische Angestellte Peter G*** des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit a, c und e PornG schuldig erkannt. Gemäß den §§ 1 Abs. 3 PornG, 33 Abs. 1 MedienG wurde ferner auf die Einziehung der den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Druckwerke und nach dem § 3 Abs. 1 PornG auch auf den Verfall der betroffenen Laufbilder und Videokassetten erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat der Angeklagte am 28. April 1987 und am 4.November 1987 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht eine Vielzahl unzüchtiger Druckwerke, Laufbilder und Videokassetten zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten bzw in Druckwerken bekannt gegeben, wo (gemeint ist: wie), von wem oder durch wen unzüchtige Gegenstände erworben oder ausgeliehen oder wo solche Gegenstände besichtigt werden können (Punkte A/I/ bis IV/ und B/I/ bis III/ des den Schuldspruch betreffenden Teils des Urteilssatzes).

Hingegen wurde der Angeklagte von der weiteren, umfangreicheren Anklage, an denselben Tagen in Wien gleichfalls in gewinnsüchtiger Absicht auch noch zahlreiche andere unzüchtige Druckwerke, Laufbilder und Videokassetten zum Zweck der Weiterverbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten bzw in Druckwerken bekanntgegeben zu haben, wie, von wem oder durch wen unzüchtige Gegenstände erworben oder ausgeliehen oder wo solche Gegenstände besichtigt werden können (Punkte A/I/ bis IV/ und B/I/ bis V/ des freisprechenden Teils des Urteilssatzes), gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den Urteilsfeststellungen zeigten die den Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Druckwerke, Laufbilder und Videokassetten (ausgenommen die der Werbung dienenden Druckwerke) sexualbezogene Darstellungen von - der Befriedigung sadistischer und masochistischer Neigungen dienender - Gewalt sowie die Wiedergabe von Unzuchtshandlungen mit Tieren und von Inzesthandlungen, die vom Schöffengericht als tatbildmäßige "harte Pornographie" eingestuft wurden (US 36, 37 und 43). Das Gericht nahm als erwiesen an, daß auch die dem Freispruch zugrundeliegenden Gegenstände (mit Ausnahme der drei keinen sexualbezogenen Inhalt aufweisenden Kassetten "Schwer erziehbare Mädchen", "Hörig Nr 75051" und "Catherine Cheri" - siehe US 16, 35 und 44) in anreißerisch verzerrter und das Obszöne betonenden Weise die Darstellung intensiver lesbischer und homosexueller Betätigung sowie gleichgeschlechtlicher Unzucht mit Zwittern, enthalten, diesen jedoch "kein absolute Unzüchtigkeit begründender Störwert" zukomme.

Diesen Freispruch (ausgenommen hinsichtlich der drei vorangeführten Videokassetten) sowie die hieraus resultierende Abweisung des entsprechenden Verfalls- und Einziehungsantrages bekämpft die Anklagebehörde mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Angeklagte macht hingegen wider den Schuldspruch die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 9 lit a und gegen das damit verbundene Verfalls- und Einziehungserkenntnis den der Z 11 der erwähnten Gesetzesstelle geltend.

Rechtliche Beurteilung

1./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel (Z 4) in der Abweisung seiner in der Hauptverhandlung vom 16. März 1990 gestellten beiden Beweisanträge auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Sozialwissenschaft, womit die mangelnde Eignung der inkriminierten Darstellungen zur Erregung öffentlichen Ärgernisses oder störender Empfindungen bei Durchscnnittsmenschen dargetan werden sollte (AS 163/Band II/) sowie auf Beiziehung auch eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Ethik zum Beweis dafür, daß die inkriminierten Inhalte von der "heutigen durchschnittlichen Bevölkerung" weder als anreißerisch und verzerrt noch als das Obszöne betonend, aber auch nicht als exzessiv aufdringlich oder als sonst abstoßend empfunden würden (AS 178/Band II/).

Verfahrensrechte wurden nicht beeinträchtigt, weil es sich bei der hier aktuellen, die Abgrenzung der sogenannten "absoluten" von der (bloß) "relativen" Unzüchtigkeit betreffenden Auslegung des normativen Tatbestandsmerkmales "unzüchtig" im Sinne des § 1 PornG (auf die die Beweisanträge der Sache nach abzielen) um eine Rechtsfrage (und nicht um eine Tatfrage) handelt, deren Lösung somit allein dem erkennenden Gericht zukommt (vgl dazu EvBl 1971/69 uva, zuletzt insbesondere 11 Os 76/88 und 11 Os 169/88). Auch die Beschwerdeeinwendungen zur Mängelrüge (Z 5) sind nicht stichhältig.

Nach den Urteilskonstatierungen ist der als Kontrollorgan benannte Friedrich A*** in Wahrheit - tätergewollt - gar nicht mit der umfassenden inhaltlichen Prüfung der inkriminierten Ware befaßt, sondern vielmehr nur als Strohmann für den seiner eigenen Überprüfungspflicht nicht genügenden Beschwerdeführer vorgeschoben worden (US 41 und 43); diese Feststellung haben die Tatrichter mit dem Hinweis auf die - einer sachgerechten Kontrolltätigkeit entgegenstehende - Kürze der auch noch für die Erledigung anderer Arbeiten berechnet gewesenen Arbeitszeit des (zwischenzeitig verstorbenen) Friedrich A***, des weiteren auf das Fehlen sowohl eines festen Anstellungsverhältnisses als auch einer adäquaten Entlohnung des Genannten, auf dessen (auch) gegenüber dem Beschwerdeführer jedenfalls seit dem 24.April 1987 massiv zutage getretenen Unzuverlässigkeit, auf dessen eigenes Vorbringen, vom Vorhandensein eines erheblichen Teiles der inkriminierten Ware gar nicht in Kenntnis gesetzt worden zu sein, sowie auf den Mangel von Anhaltspunkten für die tatsächliche Vornahme einer Überprüfung der sichergestellten Ware mängelfrei begründet (US 38 bis 41). Da das Erstgericht sohin das Vorliegen einer - die Vorsatzbildung beim Beschwerdeführer ausschließenden - (effektiven) Bestellung eines Beauftragten verneint hat (vgl dazu insbesondere Mayerhofer-Rieder, II/Nebenstrafrecht2, ENr 48 zu § 1 PornG; ferner 13 Os 151/86, 12 Os 69/88 und 12 Os 53/89), bleibt im vorliegenden Fall kein Raum für ein Eingehen auf die Frage, ob der Beschwerdeführer dem erwähnten Friedrich A*** vertraut und einen eventuellen (allenfalls krankheitsbedingten) Verlust der früheren Verläßlichkeit des Genannten erkannt hat. Gleiches gilt demgemäß auch für die vom Beschwerdeführer vermißte nähere Auseinandersetzung mit dem (vom Erstgericht ohnedies auch in zeitlicher Hinsicht eingeordneten) gleichartigen (früheren) Fehlverhalten Friedrich A*** gegenüber anderen Auftraggebern. Die bezughabende Beschwerdeargumentation muß mithin versagen, weil sie keine entscheidungswesentlichen Umstände betrifft.

Ebensowenig durchzudringen vermag der Beschwerdeführer schließlich mit seinem Vorbringen zur Rechtsrüge (Z 9 lit a), demzufolge den inkriminierten Darstellungen mangels eines exzessiv aufdringlichen und abstoßenden Charakters nicht die Eigenschaft zukäme, die Empfindungen eines sozialintegrierten Durchschnittsmenschen in unerträglicher Weise zu stören. Denn mit diesem Einwand hält die Beschwerde in unzulässiger Weise nicht an den Urteilsannahmen fest, wonach es sich bei den - in bezug auf ihren Sinn- und Aussagegehalt vom Erstgericht in freier Beweiswürdigung als Tatfrage zu beurteilenden - inkriminierten Inhalten (vgl dazu Mayerhofer-Rieder, StPO2, § 281, ENr 46 ff) um die Wiedergabe verschiedener Formen sexueller Gewalttätigkeit in exzessiv aufdringlicher und abstoßender Weise handelt (vgl neuerlich US 36 und 37). Eine derartige Darstellung sexueller Gewalt fällt aber - ohne Rücksicht auf den angesprochenen Pesonenkreis - generell unter den absoluten Unzüchtigkeitsbegriff, weswegen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht eine rechtsfehlerhafte Beurteilung des inkriminierten Tatverhaltens vorliegt (vgl insbesondere SSt 51/51).

Da auch die das Einziehungs- und Verfallserkenntnis bekämpfenden Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO von der urteilsfremden Annahme ausgehen, die bezüglichen Druckwerke, Laufbilder und Videokassetten enthielten keine tatbildlichen Darstellungen im Sinne des Pornographiegesetzes (sodaß es an einer gesetzmäßigen Darstellung des erwähnten Nichtigkeitsgrundes mangelt) erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zur Gänze als unbegründet.

2./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Nach den Entscheidungen zweier verstärkter Senate des Obersten

Gerichtshofes (EvBl 1977/186 = RZ 1977/95; SSt 51/51 = EvBl 1981/52

= RZ 1981/20) sind unter anderim anreißerisch verzerrte, von

Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen gelöste, auf sich selbst reduzierte gleichgeschlechtliche Unzuchtsakte - für die das die Mißbilligung der Gesellschaft ausdrückende Werbungsverbot des § 220 StGB besteht - absolut unzüchtig (sogenannte harte Pornographie). Ebenso verhält es sich mit der - gleichfalls der gleichgeschlechtlichen Unzucht zuzuordnenden - Darstellung geschlechtlicher Betätigung von und mit Zwittern (vgl 10 Os 131/83). Dabei ist für die Verwirklichung des Tatbestandes nach dem § 1 Abs. 1 lit a bis e PornG eine Massenbeeinflussung oder propagandistische Wirkung nicht erforderlich (vgl jüngst 11 Os 169/88 und die dort angeführten Entscheidungen und Literatur). Eines zusätzlichen besonderen Störwertes der betreffenden Wiedergaben bedurfte es entgegen der Auffassung des Erstgerichtes demzufolge nicht.

Das Erstgericht hat es im Hinblick auf diese verfehlte Rechtsauffassung unterlassen, für eine abschließende rechtliche Beurteilung ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu treffen. Es hat lediglich hinsichtlich der vom Schuldspruch erfaßten Gegenstände konstatiert, daß der Angeklagte deren absolut unzüchtigen Inhalt zumindest ernstlich in Kauf genommen und sich damit abgefunden hat; im übrigen ging es davon aus, daß den anderen Gegenständen "kein absolute Unzüchtigkeit begründender Störwert" zukomme, ohne sich mit der subjektiven Tatseite näher zu befassen. Demnach war das Urteil im Umfang der Anfechtung durch die Staatsanwaltschaft aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen. Für das erneuerte Verfahren wird auf die Übergangsbestimmung des Art IX Abs. 4 JGG 1988 und auf die bindende Kraft der in diesem Erkenntnis dargelegten Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes (§ 293 Abs. 2 StPO) hingewiesen.

Mit ihren durch die Aufhebung des Strafausspruchs gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E22272

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00087.9.1025.000

Dokumentnummer

JJT_19901025_OGH0002_0130OS00087_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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