TE OGH 1990/11/7 9ObA222/90

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Veröffentlicht am 07.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sieglinde W***, Vertragslehrerin, Völkermarkt, Ritzingstraße 16, vertreten durch Dr. Rene S***, Sekretär der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, Wien 1., Teinfaltstraße 7, dieser vertreten durch Dr. Walter Riedl ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei L*** K***, vertreten durch den Landeshauptmann Dr. Jörg H***, Klagenfurt, Arnulfplatz 1, dieser vertreten durch Dr. Ulrich Polley, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 19.116,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.Mai 1990, GZ 7 Ra 25/90-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. November 1989, GZ 35 Cga 151/89-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Arbeitsrechtssache an das Berufungsgericht zur Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die in Völkermarkt wohnhafte Klägerin ist bei der beklagten Partei als Vertragslehrerin beschäftigt. Sie wurde erstmals am 26. Februar 1986 für die Dauer des Bedarfes als sogenannte "Springerin" zur Vertretung bzw vorübergehenden Verwendung im örtlichen Verwaltungsbereich der allgemeinbildenden Pflichtschulen in Kärnten angestellt. Bis zum Ende dieses befristeten Dienstverhältnisses am 3.Juli 1986 versah sie ihren Dienst in verschiedenen Volks- und Sonderschulen in Schönweg, Ettendorf, Maria Rojach und St.Georgen.

Für das Schuljahr 1986/87 erhielt die Klägerin neuerlich einen für die Dauer des Bedarfes, längstens jedoch bis 31.August 1987 befristeten Dienstvertrag als "Springerin" in der Personalreserve im Entlohnungsschema II L. Sie wurde vorerst der Volksschule in Eisenkappel als sogenannte "Stammschule" zur Dienstleistung zugewiesen. Mit Wirkung vom 13.Oktober 1986 wurde sie "aus Dienstesrücksichten" ihres Dienstes an der Volksschule in Eisenkappel enthoben und an die Volksschule 2 Treibach-Althofen versetzt. Mangels einer Unterkunft an diesem Ort mußte sie, da ein öffentliches Verkehrsmittel aufgrund der ungeeigneten Verkehrszeiten nicht in Betracht kam, für den Weg zu ihrem Arbeitsplatz und zurück ihren eigenen PKW benützen.

Am 10.November 1986, einem Montag, hatte sie auf der Fahrt von ihrem Wohnort nach Treibach-Althofen einen Verkehrsunfall, durch den ihr an ihrem PKW ein Schaden von S 18.000 und an Ab- und Anmeldegebühren Kosten von S 1.116 entstanden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin den Ersatz ihres Schadens in der Höhe von S 19.116,-- sA. Sie sei auf dem Weg zu ihrem Arbeitsort mit ihrem PKW trotz mäßiger Geschwindigkeit wegen plötzlichen Auftretens von Glatteis in einer Kurve ins Schleudern gekommen und gegen einen Baum geprallt. Sie habe ihren eigenen PKW benützen müssen, da sie sonst nicht rechtzeitig an ihren Arbeitsplatz gekommen wäre. Wegen des häufigen und unvorhersehbaren Dienstortwechsels sei eine Wohnsitznahme am jeweiligen Dienstort nicht möglich gewesen. Sie habe von der beklagten Partei auch nur einen monatlichen Fahrtkostenzuschuß von S 175 erhalten. Da sie die ihr aufgetragene Arbeit ohne Einsatz ihres PKW nicht ordentlich bewältigen hätte können, hafte die beklagte Partei gemäß § 1014 ABGB für den eingetretenen Schaden.

Die beklagte Partei beantragte, das der Höhe nach außer Streit gestellte Klagebegehren abzuweisen. Es werde zwar nicht bestritten, daß die Klägerin tatsächlich ihren PKW habe benützen müssen, um rechtzeitig zum Unterrichtsbeginn in der Schule zu sein, doch komme eine Ersatzpflicht des Dienstgebers nur bei einem Unfall des Dienstnehmers im Zuge einer "Dienstfahrt", sohin einer Dienstreise im Sinne der Reisegebührenvorschrift in Betracht, etwa wenn ein Dienstnehmer in Entsprechung eines Dienstreiseauftrages von der Stammschule zur vorübergehenden Unterrichtserteilung an eine Nebenschule zu fahren habe. Auch wenn die Klägerin ihre Dienste ohne eigenen PKW nicht hätte erbringen können, seien ihre regelmäßigen Fahrten zwischen der Dienststelle und der Wohnung daher nicht als solche anspruchsbegründende Dienstreisen anzusehen. Im übrigen habe die Klägerin ihren Unfall zumindest leicht fahrlässig selbst verschuldet, so daß ihr Schadenersatzanspruch zu mindern ei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Nach der Praxis der Schulbehörden der beklagten Partei werden den Vertretungslehrern an ihren jeweiligen Dienststellen keine Unterkünfte zur Verfügung gestellt; ebensowenig gibt es für sie Dienstautos. Eine Entschädigung für ein allfälliges Übernachten am Dienstort ist nicht vorgesehen und wird auch nicht abgegolten. Es bleibt allein den Lehrern überlassen, wie sie ihren jeweiligen Dienstort erreichen. Ob die Vertretungslehrer über einen eigenen PKW verfügen, findet bei der Zuweisung zur Dienstleistung keine Berücksichtigung. Die einzelnen Arbeitseinsätze werden entsprechend dem Bedarf jeweils kurzfristig bekanntgegeben.

Nach ihrer Zuweisung an die Volksschule Eisenkappel als "Stammschule" und ihrer Versetzung an die Volksschule 2 Treibach-Althofen als "Stammschule" wurde die Klägerin tage- oder wochenweise anderen Schulen im selben politischen Bezirk zur Dienstleistung zugewiesen. Für die Klägerin waren solche Zuweisungen oder Versetzungen an eine andere "Stammschule" nicht vorhersehbar. Fallweise wurde ihr die Zuweisung erst am Morgen des Zuweisungstages entweder telefonisch in ihrer Wohnung oder in der "Stammschule" mündlich mitgeteilt. Eine längere Dienstleistung war nicht vorgesehen. Die Klägerin erhielt während der gesamten Zeit ihrer Tätigkeit im Schuljahr 1986/87 einen Fahrtkostenzuschuß wegen Nichtbenützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Für vorübergehene Zuweisungen hätte sie Reisegebühren verrechnen können; sie unterließ dies infolge Unkenntnis.

In der Nacht zum 10.November 1986 war es sehr kalt. Die Klägerin fuhr früher von ihrem Wohnort weg, da sie mit dem Auftreten von Glatteis rechnete. Die Fahrbahn war schneefrei, aber naß. Die Klägerin hatte an ihrem PKW Winterreifen montiert. In einer Rechtskurve der Seeberg-Bundesstraße kam sie mit ihrem PKW bei einer Geschwindigkeit von etwa 30 bis 40 km/h ins Schleudern. Der PKW drehte sich und stieß gegen einen Baum.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Benützung des eigenen PKW durch die Klägerin dem Betätigungsbereich der beklagten Partei zuzurechnen sei, da die Klägerin als Dienstnehmerin in der Personalreserve die ihr aufgetragene Arbeit ohne den PKW-Einsatz nicht habe bewältigen können. Die Verwendung des PKW sei unumgänglich und absolut notwendig gewesen. Die beklagte Partei habe es sich dadurch erspart, ein eigenes Fahrzeug einzusetzen und das damit verbundene Unfallrisiko selbst zu tragen. Sie hafte daher verschuldensunabhängig für den Unfallschaden der Klägerin im Sinne des § 1014 ABGB. Im Hinblick auf das Einkommen der Klägerin von etwa S 10.000 netto monatlich und des geringen Fahrtkostenzuschusses könne nicht angenommen werden, daß bei der Bemessung des Entgelts das mit der ausgeübten Tätigkeit verbundene Wagnis berücksichtigt worden sei. Das Durchfahren einer Kurve mit 30 bis 40 km/h sei schon aufgrund der den Verhältnissen angepaßten Fahrweise nur als entschuldbare Fehlleistung anzusehen, welche keine Ersatzpflicht der Klägerin im Sinne des § 2 DHG begründet hätte.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in nichtöffentlicher Sitzung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies und aussprach, daß die Revision nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin gegen die beklagte Partei keinen Anspruch auf Ersatz ihres Schadens habe, da der Unfallschaden nicht anläßlich einer Dienstfahrt im Sinne einer Dienstreise entstanden sei. Es könne zwar nicht davon ausgegangen werden, daß ihr Dienstort der gesamte Sprengel des Bundeslandes Kärnten gewesen sei, doch habe die Zuweisung der Klägerin vorerst an die Volksschule Eisenkappel und sodann an die Volksschule in Althofen jeweils einen neuen Dienstort begründet. Die Verwendung des eigenen PKW zur Erreichung des jeweiligen Dienstortes sei zwar arbeitsadäquat, aber dem Lebensbereich des Dienstnehmers und nicht dem Betriebsbereich des Dienstgebers zuzurechnen. Die Bereitstellung der zugesagten Arbeitsleistung am "vereinbarten Dienstort" sei allein Sache des Dienstnehmers. Die Fahrt der Klägerin am 10. November 1986 zwischen Wohnung und Dienstort sei sohin keine Dienstfahrt gewesen, sondern die Bewältigung des täglichen Arbeitswegs im Sinne des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG, die keineswegs im Dienstgeberinteresse liege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da es zur Frage der Qualifikation der Zureise vom Wohnort zur Arbeitsstelle mit dem eigenen PKW als "Dienstfahrt" im Sinne des § 1014 ABGB noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gibt; die Revision ist aber auch berechtigt. Wie der Oberste Gerichtshof zum Problem der Risikohaftung bei einer Tätigkeit im fremden Interesse bereits grundlegend ausgeführt hat, läßt das in § 1014 ABGB zum Ausdruck kommende allgemeine Prinzip der "Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse" eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Dienstverträge als sachgerecht erscheinen. Auch wenn § 1151 Abs 2 ABGB seine Verweisung nur auf Geschäftsbesorgungen beschränkte, wäre es nicht gerechtfertigt, in der Haftungsfrage zwischen Geschäftsbesorgung und bloß faktischer Tätigkeit im fremden Interesse zu unterscheiden. Der "Auftrag" entspricht insoweit dem Dienstverhältnis. Die Bestimmung des § 1014 ABGB verpflichtet den Gewalthaber zum Schadenersatz, soweit es um die typischen Gefahren des aufgetragenen Geschäfts, also um eine Art "Betriebsgefahr" geht; er umfaßt nur den "ex causa mandati", nicht aber auch den "ex occasione mandati" entstandenen Schaden (DRdA 1989/26 [Jabornegg]; DRdA 1988/6 [Jabornegg]; DRdA 1984/1 [Jabornegg] ua).

Die gleiche Einschränkung muß auch bei einer analogen Anwendung des § 1014 ABGB auf die Haftung des Dienstgebers gemacht werden. Auch er hat also dem Dienstnehmer aus diesem Rechtsgrund nur die mit der konkreten Arbeitsleistung typischerweise verbundenen, also "arbeitsadäquaten" Sachschäden zu ersetzen, die das spezifische Risiko der Tätigkeit des Dienstnehmers verwirklichen, nicht aber auch andere Nachteile, die der Dienstnehmer nur zufällig ("gelegentlich" seiner Arbeitsverrichtung) erleidet. Die Ersatzpflicht des Dienstgebers ist nur bei Vorsatz des Dienstnehmers ausgeschlossen, während bei Schuldlosigkeit des Dienstnehmers (oder bei einer ihm unterlaufenen nicht entschuldbaren Fehlleistung) der Dienstgeber vollen Schadenersatz zu leisten hat; fällt hingegen dem Dienstnehmer ein Versehen, also nur Fahrlässigkeit zur Last, ist der Umfang allfälliger Ersatzansprüche des Dienstnehmers nach den im § 2 Abs 1 DHG angeführten Kriterien zu beurteilen (vgl Arb 10.784 mit zahlreichen Hinweisen auf Lehre und Judikatur).

Unabhängig von seiner Ableitung beruht der Ersatzanspruch des geschädigten Dienstnehmers darauf, daß der Dienstgeber in dem Gefahrenbereich, in dem der Dienstnehmer seinen Dienst auszuüben hat, über dessen Sachen für eigene Zwecke disponiert und sich dadurch einen entsprechenden Nutzen verschafft (Jabornegg in DRdA 1989, 402 f und in DRdA 1984, 37 ff, 39). Dem Dienstgeber ist daher der Schaden aus der Benützung des eigenen Kfz durch den Dienstnehmer zuzurechnen, wenn dem Vertragsbediensteten Aufgaben übertragen wurden, deren Erfüllung ohne Kfz nicht möglich oder zumutbar war, der Schaden in Erfüllung dieser Aufgaben eingetreten ist und sich der Dienstgeber mangels Beistellung eines Dienstfahrzeuges das eigene Unfallrisiko erspart hat. Darauf, daß der Dienstnehmer seinen PKW im Ergebnis letztlich "freiwillig" beistellt, kommt es ebensowenig an wie auf die bloße Zustimmung des Dienstgebers zur Verwendung des Kfz im Sinne der den Ersatz dieser Schäden ohnehin nicht umfassenden Reisegebührenvorschrift (vgl 9 Ob A 504/87 in JBl 1988, 331; VfGH vom 1.3.1990, G 316/89, zur Aufhebung des § 20 Abs 2 GehG in JBl 1990, 578 ua).

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß die Fahrt des Dienstnehmers vom Wohnort zur Dienststelle im allgemeinen der privaten Sphäre des Dienstnehmers und nicht dem Risikobereich des Dienstgebers zuzurechnen ist. Durch die Zurücklegung dieser Wegstrecke wird weder der betriebliche Nutzen gefördert noch liegt typischerweise eine Disposition des Dienstgebers in diesem Bereich vor. Für den vorliegenden Fall ist aber beachtlich, daß sich die typische Gefahr des aufgetragenen Geschäftes nicht, wie die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung meint, allein in der Unterrichtstätigkeit der Klägerin erschöpfte. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die Zuweisungen ad hoc jeweils vorübergehend neue "Dienstorte" begründeten (vgl § 2 Abs 1 Landesvertragslehrergesetz 1966, BGBl Nr 172, iVm §§ 4 Abs 2 lit b, 38 Abs 3 und 39 Abs 2 VBG; auch DRdA 1990/27 [Schindler]; DRdA 1987/8 [Grof]).

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes wurde die Klägerin als sogenannte "Springerin" in der Personalreserve zur Vertretung bzw vorübergehenden Verwendung "im örtlichen Verwaltungsbereich der allgemeinbildenden Pflichtschulen in Kärnten" angestellt. Ihre Dienstzuweisungen erfolgten für sie unvorhersehbar unter anderem tage- oder wochenweise kurzfristig entweder telefonisch in ihrer Wohnung oder erst mündlich in der jeweiligen "Stammschule". Hätte sie nicht ihren eigenen PKW beigestellt, hätte sie den Zuweisungen der Schulbehörde nicht entsprechen können; dies umso weniger, wenn sie erst an ihrer Dienststelle von der weiteren Zuweisung erfuhr. Die Verwendung des eigenen PKW war sohin nicht nur arbeitsadäquat, sondern erfolgte auch in dem spezifischen Gefahrenbereich, in dem die Klägerin ihren Dienst im weiteren Sinn auszuüben hatte, da diesbezüglich zwar noch nicht die Erteilung des Unterrichtes im Vordergrund stand, aber ihre gesamte Tätigkeit als sogenannte "Springerin", die auch das rechtzeitige Eintreffen am jeweiligen Einsatzort umfaßte, verfügbar zu sein hatte. Auch wenn sich die Schulbehörden der beklagten Partei nicht darum kümmerten, wie die Vertragslehrer ihren jeweiligen Arbeitsplatz rechtzeitig erreichen konnten, war es ihnen bekannt, daß die Klägerin jedenfalls ihren PKW benützen mußte, um überhaupt rechtzeitig zum Unterricht erscheinen zu können. Die beklagte Partei hat sohin bei solchen Zuweisungen und Zuteilungen, deren sofortige Befolgung ohne Kraftfahrzeug nicht möglich gewesen wäre, über die - offenbar

vorausgesetzte - Beistellung des Kraftfahrzeuges durch den Dienstnehmer disponiert und sich dadurch einen entsprechenden Nutzen nicht zuletzt in der unbeschränkten Beweglichkeit und Verfügbarkeit der Personalreserve verschafft. Wäre daher von den Feststellungen des Erstgerichtes auszugehen, bestünde der Anspruch der Klägerin, nach Maßgabe der bisher vom Berufungsgericht noch nicht geprüften Voraussetzungen des § 2 DHG, zu Recht.

Die beklagte Partei, die im Verfahren erster Instanz nicht qualifiziert vertreten war (§ 40 Abs 2 Z 1 ASGG), hat jedoch in ihrer Berufung die Außerstreitstellung, daß die Klägerin notwendigerweise ihren PKW habe benützen müssen, um rechtzeitig zu Unterrichtsbeginn zu der im Unfallszeitpunkt maßgeblichen Dienststelle zu gelangen, widerrufen und neu vorgebracht, daß die Klägerin bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel rechtzeitig zur Arbeitsstelle hätte kommen können. Die beklagte Partei brachte überdies zulässigerweise neu vor (§ 63 Abs 1 ASGG), daß die Klägerin aufgrund der Zuweisung an die Volksschule Treibach-Althofen als "Stammschule" gewußt habe, daß sie für zumindest vier Wochen im Bezirk sein werde. Es sei ihr daher möglich gewesen, sich um eine Wohnmöglichkeit in der Nähe dieser Schule umzusehen. Im Raume Treibach-Althofen gebe es genügend freie Wohnungen oder Zimmer, welche die Klägerin hätte mieten können.

Da es, wie ausgeführt, darauf ankommt, ob der Klägerin Aufgaben übertragen wurden, deren Erfüllung ohne Kraftfahrzeug nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre, und die beklagte Partei der Klägerin nur die mit der konkreten Dienstleistung typischerweise verbundenen Sachschäden zu ersetzen hat, die das spezifische Risiko der Tätigkeit verwirklichten, kommt diesen neuen Behauptungen der beklagten Partei Beachtlichkeit zu. Das Berufungsgericht ließ diese Behauptungen aber ungeprüft, da es im wesentlichen die Rechtsauffassung vertrat, daß auch sprengelbedienstete Vertragslehrer einen Dienstort haben "müssen", von dem aus Dienstzuteilungen im Sinne des § 2 Abs 3 RGV vorgenommen werden könnten. Abgesehen davon, daß Dienstort im Sinne des § 2 Abs 5 RDV jene Ortsgemeinde ist, in der die Dienststelle liegt, der der Beamte "dauernd" zur Dienstleistung zugewiesen ist, und daher nach den Begriffsbestimmungen der nur den Ersatz von Reisegebühren regelnden RGV auch alle Einsätze der Klägerin nach der ersten Zuweisung jeweils als Dienstzuteilungen angesehen werden könnten (§ 2 Abs 3 RGV), da sie von vornherein nicht auf Dauer angelegt waren, kommt es auf diese besoldungsrechtlichen und reisegebührenrechtlichen Kriterien bei der Beurteilung des Ersatzanspruches eines Vertragsbediensteten aus der Risikohaftung bei Tätigkeit im fremden Interesse nicht an (JBl 1988, 331 ua). Wesentlich ist vielmehr, ob der PKW der Klägerin am Unfallstag zum Nutzen und nach Disposition der beklagten Partei eingesetzt worden ist. Das wäre insbesondere nicht der Fall, wenn die Klägerin ebenso die tägliche Zu- und Heimreise in zumutbarer Weise ermöglichende öffentliche Verkehrsmittel hätte benützen können, wenn sie ferner den PKW nicht zur weiteren Disposition der beklagten Partei zur Dienststelle hätte mitnehmen müssen, um etwa einer kurzfristigen Zuweisung unverzüglich entsprechen zu können, oder wenn sie zufolge der Vorher- bzw Absehbarkeit der Zuweisung ein finanziell zumutbares Quartier in der Nähe des Arbeitsplatzes für die in Betracht kommenden kurzen Zuteilungszeiten hätte mieten können. In diesen Fällen wäre es der Klägerin im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes freigestanden, auf welche Weise sie den Ort ihrer Dienstleistung erreichen wollte. Hätte die Klägerin ihr Kraftfahrzeug nur zu ihrer persönlichen Erleichterung benützt, wäre dessen Einsatz ihrem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Bei der Beschädigung des PKW hätte es sich dann nicht um einen mit der Ausübung des Dienstes notwendigerweise verbundenen Aufwand gehandelt. Das Berufungsgericht hat daher nicht nur die in der Berufung der beklagten Partei erhobene Mängel-, Beweis- und Tatsachenrüge zu behandeln, sondern gemäß § 63 Abs 2 ASGG auch über die vorgebrachten Neuerungen zu verhandeln und zu entscheiden. Da die zulässigen Neuerungen bereits in der Berufungsschrift vorgebracht wurden, ist darüber ungeachtet eines darauf abzielenden Antrages eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen (Kuderna, ASGG § 63 Erl 6 letzter Absatz).

Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.

Anmerkung

E22018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBA00222.9.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19901107_OGH0002_009OBA00222_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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