TE OGH 1990/11/7 6Ob665/90

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Veröffentlicht am 07.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Elfriede S***, Hausfrau, 3100 St.Pölten, Steinfeldstraße 18, vertreten durch Dr. Eduard Pranz, Dr. Oswin Lukesch, Dr. Anton Hintermeier, Rechtsanwälte in St. Pölten wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Erich S***, Chemiker, Steinfeldstraße 18, 3100 St.Pölten, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen Unterlassung und einstweiliger Verfügung infolge der Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 13. Juni 1990, GZ R 369/90-20, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 24.Jänner 1990, GZ 2 C 120/90-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die gefährdete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.

Der Gegner der gefährdeten Partei hat die Kosten des Rekursverfahrens sowie des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Streitteile leben in aufrechter Ehe, ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Mit der am 24.1.1990 eingebrachten Klage begehrte Elfriede S***, ihren Ehemann schuldig zu erkennen, jede Veräußerung und Belastung der ihm grundbücherlich gehörigen Liegenschaft EZ 2354 KG St.Pölten zu unterlassen und einzuwilligen, daß ob dieser Liegenschaft das Veräußerungs- und Belastungsverbot zu ihren Gunsten einverleibt werde. Mit dieser Klage verband sie den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, zur Sicherung ihres Anspruches auf Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses im Hause Steinfeldstraße 18 dem Gegner jede Veräußerung und Belastung der Liegenschaft EZ 2354 KG St.Pölten zu verbieten und dieses Verbot bei der EZ 2354 KG St.Pölten anzumerken, wobei diese einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Beendigung des gegenständlichen Rechtsstreites gelten solle.

Die gefährdete Partei brachte hiezu im wesentlichen vor, der Gegner sei Alleineigentümer der obgenannten Liegenschaft, auf welcher sich das Einfamilienhaus Steinfeldstraße 18 befinde. Dieses diene als Ehewohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der gefährdeten Partei und ihrer Kinder. Der Gegner habe, offensichtlich um der gefährdeten Partei Schaden zuzufügen, ohne wirtschaftliche Notwendigkeit oder durch sonstige wesentliche Umstände gezwungen, die Liegenschaft mit einem Höchstbetragspfandrecht von S 1,600.000 belastet und bereits einen Makler mit dem Verkauf der Liegenschaft beauftragt. Dieser biete die Liegenschaft an, es seien bereits Interessenten erschienen. Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung ohne Anhörung des Gegners. Es nahm als bescheinigt an, daß das auf der Liegenschaft errichtete Einfamilienhaus der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der gefährdeten Partei dient und die dringende Gefahr besteht, daß der allein über das Haus verfügungsberechtigte Gegner der gefährdeten Partei die Liegenschaft veräußert und damit die Klägerin die Wohnung verliert. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Gegners der gefährdeten Partei teilweise Folge, bestätigte die Erlassung des Veräußerungsverbotes hinsichtlich der gegenständlichen Liegenschaft, wies jedoch das Mehrbegehren auf Erlassung eines Belastungsverbotes ab.

Es führte aus, der Rekurswerber habe im Rekurs das dringende Wohnbedürfnis der gefährdeten Partei nicht bestritten und zur Frage eines beabsichtigten Verkaufes nicht Stellung genommen. Es sei daher davon auszugehen, daß er sich mit dem Gedanken trage, die Liegenschaft zu verkaufen. Ein Unterlassungsanspruch des Ehegatten nach § 97 ABGB könne durch einstweilige Verfügung in Form eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes gesichert werden. Der Anspruch der gefährdeten Partei sei aber mit einem Veräußerungsverbot allein genügend abgesichert, weil abgesehen von der Tatsache, daß wohl nur wenige Kreditgeber zu einer Kreditvergabe gegen Einverleibung eines Pfandrechts ob einer mit einem Veräußerungsverbot belasteten Liegenschaft bereit seien, eine Realexekution zur Hereinbringung der besicherten Forderung nur durch Zwangsverwaltung möglich wäre. Ein Belastungsverbot könnte der gefährdeten Partei keinen wesentlich weitergehenden Schutz bieten, als dies ohnehin schon durch das Veräußerungsverbot der Fall sei.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Frage, inwieweit neben einem Veräußerungsverbot auch ein Belastungsverbot zum Schutze des Anspruches nach § 97 ABGB erforderlich sei, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht endgültig gelöst sei. Während die gefährdete Partei mit ihrem Revisionsrekurs die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung anstrebt, beantragt deren Gegner in seinem Rechtsmittel die gänzliche Abweisung der beantragten einstweiligen Verfügung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind zulässig, jener der gefährdeten Partei ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung

(insbesondere SZ 50/105 = EvBl 1978/37 = MietSlg.29.011/22 =

EFSlg.28.649 und 30.186; SZ 52/190; EFSlg.36.916 = MietSlg.32.811 =

RZ 1981/18; JBl 1982, 393 = EFSlg.37.087/6 = EvBl 1981/95)

dargelegt, daß der Zweck des im § 97 ABGB normierten Unterlassungsanspruches des wohnungsbedürftigen Ehegatten darin besteht, den einen Ehegatten in seinem Anliegen auf Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen zu schützen. Nicht selten benützt nämlich ein Ehegatte sein Verfügungsrecht über die Wohnung dazu, zum Schaden des anderen Verfügungen zu treffen, wie dies etwa die Aufgabe von Mietrechten, Rechtsverzicht und bewußt nachteiliger Verkauf von Eigentumswohnungen oder Eigenheimen sind. Solchen Gefahren soll die zitierte Bestimmung dadurch entgegenwirken, daß sie einen Schutz in Form eines Unterlassungsanspruches gewährt. Der andere Ehegatte hat alles zu unterlassen, was zu einer Aufgabe dieser Wohnung führen könnte. Der wohnungsbedürftige Ehegatte hat daher gegenüber dem verfügungsberechtigten Ehegatten einen sich aus dem klagbaren Unterlassungsanspruch ergebenden Anspruch auf Benützung einer bestimmten Wohnung, der durch eine einstweilige Verfügung nach den §§ 381 ff EO gesichert werden kann. Als Sicherungsmittel kommt bei Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen auch jenes des § 382 Z 6 EO in Betracht, da sich der zu sichernde Anspruch auf die Liegenschaft oder den betreffenden Liegenschaftsanteil bezieht. Aus der Bestimmung des § 384 Abs 2 EO ergibt sich, daß das Veräußerungs- oder Belastungsverbot, weil es sich auf eine Liegenschaft bezieht, von Amts wegen im Grundbuch anzumerken ist (vgl auch Ent-Hopf: Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, S.44 f und FN 91). Der zu sichernde Anspruch bezieht sich nicht nur auf eine Liegenschaft. § 87 EheG sieht im Rahmen des nachehelichen Aufteilungsverfahrens über die Ehewohnung nicht nur die Möglichkeit der Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zugunsten eines Ehegatten, sondern auch jene der Übertragung des Eigentumes oder des dinglichen Rechtes von einem auf den anderen Ehegatten vor.

Dem widerspricht auch, entgegen der vom Gegner der gefährdeten Partei unter Berufung auf Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 97 vertretenen Ansicht, die in MietSlg.31.007/39 veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nicht. In dieser wurde lediglich ausgeführt, daß § 97 ABGB dem wohnungsbedürftigen Ehegatten gegenüber dem verfügungsberechtigten Ehegatten nur einen klagbaren Unterlassungsanspruch, nicht aber einen Anspruch auf Einräumung dinglicher Rechte gibt, somit ein auf § 97 ABGB gestütztes Klagebegehren auf Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten der klagenden Partei wegen der bloß obligatorischen Natur des Sicherungsanspruches nicht berechtigt ist (dies wird anläßlich der Entscheidung über das Klagebegehren der gefährdeten Partei zu berücksichtigen sein). Daß der klagbare Unterlassungsanspruch durch eine einstweilige Verfügung nach den §§ 381 f EO, auch durch eine einstweilige Verfügung im Sinne des § 382 Z 6 EO gesichert werden kann, wurde ausdrücklich bejaht. Der erkennende Senat vermag sich auch den Argumenten des Rekursgerichtes, bei Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei durch ein Veräußerungsverbot sei ein Belastungsverbot entbehrlich, nicht anzuschließen. Ist bescheinigt, daß der Gegner der gefährdeten Partei bereits konkrete Schritte zur Veräußerung der Ehewohnung zum Nachteil seines Ehepartners unternommen hat, dann ist auch zu befürchten, daß er, wird ihm nur die Veräußerung durch einstweilige Verfügung verboten, zumindest versuchen wird, durch Belastung seines Eigentumes mit bücherlich besicherten Pfandrechten - wie dies im vorliegenden Fall tatsächlich schon geschehen ist - den Anspruch seines Ehepartners zu vereiteln. Eine verläßliche Sicherung bietet daher nur die Erlassung eines Veräußerungsverbotes zugleich mit einem Belastungsverbot. Es war daher die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Der Ausspruch über die Kosten der gefährdeten Partei beruht auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten des Gegners der gefährdeten Partei auf den §§ 402 Abs 2 und 78 EO sowie den §§ 40 und 50 ZPO.

Anmerkung

E22423

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0060OB00665.9.1107.000

Dokumentnummer

JJT_19901107_OGH0002_0060OB00665_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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