TE OGH 1990/11/14 11Os117/90

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Veröffentlicht am 14.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. November 1990 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pokorny als Schriftführerin in der Strafsache gegen Karla S*** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 31. Juli 1990, GZ 11 b Vr 232/90-16, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die weitere Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugemittelt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 15. Februar 1951 geborene Karla S*** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Ihr liegt zur Last, in Wiener Neustadt gewerbsmäßig mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung Angestellte von Geldinstituten durch Vortäuschung ihrer Verfügungsberechtigung über Scheckkonten, indem sie zur Täuschung falsche Urkunden benützte, zur Auszahlung von Geldbeträgen verleitet und die jeweiligen Kontoberechtigten um insgesamt mehr als 25.000 S am Vermögen geschädigt zu haben, nämlich

A/ in der Zeit vom 9. September bis 22. Dezember 1988 durch die Einlösung von das Scheckkonto Nr 304 801 40 000 der V*** NÖ.S*** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung betreffenden Schecks mit nachgemachten Unterschriften über den Gesamtbetrag von 54.000 S zum Nachteil der Renate P***;

B/ in der Zeit vom 18. Oktober bis 12. Dezember 1989 in fünf Fällen durch die Einlösung von das Scheckkonto Nr 401 441 431 der WIENER N*** S*** betreffenden Schecks mit nachgemachten Unterschriften über die Gesamtsumme von 10.500 S zum Nachteil der Waltraud K***.

Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte schriftlich "Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldet" (S 254), in der Folge jedoch Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ausgeführt. Die zur Bekämpfung schöffengerichtlicher Urteile gesetzlich nicht vorgesehene "Berufung wegen Schuld" war vorweg als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die trotz der verfehlten Rechtsmittelanmeldung zulässigerweise ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde stützt sich auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 9 lit b StPO, erweist sich jedoch in keinem Punkt als berechtigt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bedeutete die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten (S 227, 228 iVm S 184) Anträge auf Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen und Vernehmung der Ärzte Dr. B***, Dr. G*** und Dr. R*** keine Hintansetzung entscheidungswesentlicher Verteidigungsrechte, die in dem solcherart verwehrten Nachweis einer auf krankhaftem Tatantrieb beruhenden Zurechnungsunfähigkeit gelegen sein soll. Eine gerichtspsychiatrische Auslotung der Zurechnungsfähigkeit erweist sich nämlich lediglich dann als geboten, wenn die Verfahrensergebnisse objektive Anhaltspunkte für eine zur Zeit der Tat wirksame Unfähigkeit des Täters, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bieten (Mayerhofer-Rieder2 EGr 121 zu § 281 Z 4 StPO). Davon kann aber im konkreten Fall nicht die Rede sein. Die von einer langfristig gezielten Anbahnung gekennzeichneten betrügerischen Scheckfälschungen der (seit geraumer Zeit in angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden und erst wenige Monate zuvor wegen gewerbsmäßigen schweren Betruges verurteilten) Angeklagten stellen sich - nicht anders als die der Vorverurteilung zugrundeliegenden Fälschungen von Geschäftsbelegen - als Ausdruck eines ausgewogenen Betrugskonzeptes dar, dessen Planung und Verwirklichung psychische Fähigkeiten voraussetzt, die mit der Annahme einer Diskretions- oder Dispositionsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB unvereinbar sind. Daß die Angeklagte nach Aufdeckung der (bei ihrem Geständnis vor der Polizei ausdrücklich mit finanziellen Schwierigkeiten begründeten) Taten mehrere Ärzte kontaktierte und dabei im Sinn ihrer späteren Verantwortung vor Gericht eine aus wirtschaftlicher Sicht unsinnige Hortung der betrügerisch herausgelockten Geldbeträge als pathologisches Verhaltenssymptom hinstellte, nahm das Erstgericht im übrigen ohnedies als erwiesen an (S 246). Von einer mit der Ablehnung der beantragten Beweisaufnahmen verbundenen Vernachlässigung entscheidungswesentlicher Aspekte kann daher keine Rede sein.

Ebensowenig ist - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - die Begründung der Feststellung, daß die Angeklagte nach ihrer Überführung als Täterin in der Zufluchtnahme zur Behauptung krankhafter psychischer Störungen den letzten Ausweg aus den drohenden strafrechtlichen Konsequenzen sah, mit den behaupteten formellen Mängeln (Z 5) behaftet. Daß die der Tataufdeckung nachfolgenden Initiativen der Angeklagten, eine ärztliche Behandlungsbedürftigkeit glaubhaft zu machen, in den Entscheidungsgründen nicht unerörtert blieben (S 244), wurde bereits dargetan. Widersprüche der Aussagen der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Hubert P*** und Karl S*** in entscheidungswesentlichen Punkten werden in der Mängelrüge bloß behauptet, nicht aber überprüfbar konkretisiert. Auch findet das Vorbringen im Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls keine evidente Bestätigung. Da sich die tatrichterliche Überzeugung von einer bloß faktischen Vortäuschung eines gravierenden Krankheitsbildes in Form wirtschaftlich desorientierter Hortungstendenzen im wesentlichen darauf stützt, daß die Angeklagte bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung vor der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt am 29. Jänner 1990 ein detailliertes, auch in subjektiver Hinsicht schlüssig konkretisiertes Geständnis ablegte (S 35 ff, 244), sie die (mit einer Kreditaufnahme im Jänner 1990 und mit der nur sukzessiven Schadensgutmachung nicht schlüssig vereinbare) Version krankhafter Geldhortung erstmals vor Gericht vorbrachte und die behauptete Identität der zur Schadensgutmachung übergebenen Banknoten mit den betrügerisch herausgelockten durch das Fehlen von Banknoten zu 500 S bei der Übergabe widerlegt ist (S 209, 212, 245), kann auch davon nicht die Rede sein, daß das wesentliche Tatsachensubstrat des bekämpften Schuldspruchs unzureichend begründet wäre. Soweit das Vorbringen der Mängelrüge in diesem Zusammenhang unter Vernachlässigung der komplexen Würdigung der Verfahrensergebnisse im angefochtenen Urteil den Aussagewert einzelner Aspekte (sukzessive Schadensgutmachung, Herkunft des hiezu verwendeten Geldes, begrenzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der die Angeklagte unterstützenden Schwiegermutter, scheidungsbedingte Kreditübernahme durch den Ehegatten) in verschiedener Richtung problematisiert, kann es schon deshalb auf sich beruhen, weil es (in jeweils isolierter Betrachtung) insgesamt keine Umstände entscheidungswesentlicher Bedeutung berührt.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) hinwieder beschränkt sich im wesentlichen auf eine Wiederholung der bereits erörterten Beschwerdeargumente, ohne damit (geschweige denn erhebliche) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Schließlich erweist sich keine der Rechtsrügen als prozeßordnungsgemäß ausgeführt, weil sie sich in ihrer Argumentation durchwegs nicht am Urteilssachverhalt orientieren:

Die Behauptung von subjektiven Feststellungsmängeln zu den Fragen gewerbsmäßiger Absicht (sachlich Z 10) bzw des Bereicherungsvorsatzes (Z 9 lit a) reduziert sich nämlich im Kern auf die Forderung, das Erstgericht wäre - nach Einholung des beantragten gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachtens - verhalten gewesen, die Verantwortung der Angeklagten mit krankhaften Geldhortungstendenzen in einem für sie günstigeren Sinn zu werten. Das Tatsachensubstrat aber, das den erstgerichtlichen Rechtserwägungen zur Frage gewerbsmäßiger Tatbegehung zugrundeliegt (S 247, 248), läßt keine der relevierten subjektiven Deliktskomponenten offen.

Auf die abweichenden tatrichterlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite ist die Beschwerde letztlich auch zu verweisen, soweit sie den Einwand einer Zurechnungsunfähigkeit der Angeklagten zur Tatzeit unter dem Gesichtspunkt der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO wiederholt.

Die teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach der Z 2, teilweise nach der Z 1 (iVm dem § 285 a Z 2) des § 285 d Abs. 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E22257

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0110OS00117.9.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19901114_OGH0002_0110OS00117_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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