TE OGH 1990/11/14 1Ob683/90

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Veröffentlicht am 14.11.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Kinder Alexander A***, geboren am 17.August 1976 und Christine A***, geboren am 14.Jänner 1980 infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der mj.Kinder vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 19.Juli 1990, GZ 47 R 508, 509/90-35, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 9.Mai 1990, GZ 1 P 150/85-30, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß Josef A***, Wien 11., Geiselbergstraße 27/6/25, schuldig ist, seinen mj.Kindern auch für den Zeitraum vom 9.1.1989 bis 13.4.1989 einen erhöhten Unterhalt, und zwar für den mj.Alexander A*** S 2.870 und für die mj.Chistine A*** S 2.400 monatlich bei sonstiger Exekution binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 26.6.1985, 11 Cg 55/85-14, einvernehmlich geschieden. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich vom selben Tag verpflichtete sich der Vater, den in Obsorge der Mutter verbleibenden Kindern einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je S 2.000 zu bezahlen.

Am 19.4.1989 beantragte der Unterhaltssachwalter, den Vater ab 9.1.1989 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.870 (mj.Alexander) und von S 2.400 (mj.Christine) zu verhalten. Der Vater sei seit 9.1.1990 bei der Firma Koloman H*** mit einem monatlichen Nettoeinkommen von S 15.110 beschäftigt. Der Vater bestritt seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, einen erhöhten Unterhaltsbetrag bezahlen zu können. Das Erstgericht erhöhte den Unterhalt in der beantragten Höhe nur für den Zeitraum vom 19.4. bis 30.4.1989, das Mehrbegehren wies es ab. Es stellte fest, das Dienstverhältnis des Vaters zur Firma Karl B*** & Co AG sei am 4.11.1988 beendet worden. Der Vater habe eine Abfertigung in der Höhe von sechs Monatsgehältern mit einem Nettobetrag von S 120.885 (das seien monatlich rund S 20.147,50) ausbezahlt erhalten. Vom 19.4.1988 bis 15.12.1989 habe der Vater eine monatliche Arbeitslosenunterstützung in der Höhe von rund S 8.271 bezogen, nunmehr beziehe er ein monatliches Krankengeld von S 6.490. Für die Zeit vom 9.1.1989 bis 18.4.1989 sei die Mutter für den restlichen Unterhalt der beiden Kinder aufgekommen. Die Unterhaltsverpflichtung des Vaters sei daher im Umfang der erbrachten Leistung erloschen. Der Mutter stehe - außer bei Schenkungsabsicht - ein Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den Unterhaltspflichtigen zu. Der Argumentation, daß bei Einrechnung aller für den Entscheidungszeitraum relevanter Einkommensbestandteile und bei Einrechnung der Abfertigung für mindestens 17 Monate sich ein dem Unterhaltsantrag zugrunde gelegtes Einkommen ergebe, könne sich das Gericht nicht anschließen, da nur für sechs Monate Abfertigungszahlungen zu berücksichtigen seien und die Anrechnung der Abfertigung somit mit 30.4.1989 ende. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für nicht zulässig. Grundsätzlich könnten auch für die Vergangenheit Unterhaltsansprüche gestellt werden. Wenn aber ein Dritter den gesetzlichen Unterhalt geleistet habe, sei die Unterhaltsverpflichtung im Umfang der erbrachten Leistung erloschen, dem Leistenden stehe außer bei Schenkungsabsicht nur ein Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den Unterhaltspflichtigen zu. Da nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes die Mutter für die Zeit vom 9.1.1989 bis 18.4.1989 für den restlichen Unterhalt der Kinder aufgekommen sei, habe das Erstgericht zutreffend erachtet, daß in diesem Umfang die Unterhaltsverpflichtung des Vaters erloschen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters ist zulässig und teilweise berechtigt.

Nach der Entscheidung des verstärkten Senates vom 9.6.1988, 6 Ob 544/87 = SZ 61/143, können Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit, also die Zeit vor der Antragstellung, gestellt werden. Der verstärkte Senat hat ausgesprochen, daß jede Art der Schuldtilgung oder eines Forderungsüberganges eines hinreichend substantiierten Einwendungsvorbringens des Beklagten (Unterhaltsverpflichteten, hier Antragsgegners) bedarf. Diesem obläge daher auch die Behauptung, daß ein Dritter durch seine Leistung den Anspruch getilgt und damit einen Ersatzanspruch erworben habe. Auch im Bereich des vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens außer Streitsachen sind subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn vermögensrechtliche Ansprüche in Verfahren, in denen sich zwei oder mehr Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zur Entscheidung stehen (ÖA 1982, 67; SZ 53/54; Edlbacher in Verfahren außer Streitsachen, MGA 30, Anm 4 zu § 2; Pichler, ÖA 1988, 69). An dieser Behauptungslast ist mit Pichler (Gedanken zum Unterhalt für die Vergangenheit, ÖA 1990, 68 ff) vor allem deshalb festzuhalten, weil der diesen Einwand erhebende Antragsgegner sich damit einer Zivilklage mit Kostenfolgen und einem Anspruch mit nach herrschender Ansicht 30-jähriger Verjährungsfrist aussetzt (Pichler aaO 69). Der unterhaltspflichtige Vater bestritt hier nur seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und brachte vor, er sei nicht in der Lage, den von ihm geforderten erhöhten Unterhaltsbetrag zu bezahlen. Er wendete aber nicht ein, allfällige für die Vergangenheit zu Recht bestandene Unterhaltsforderungen seien durch Zahlungen Dritter getilgt worden. Schon mangels entsprechendem Vorbringen des Vaters war es verfehlt, für die Zeit vom 9.1.1989 bis 13.4.1989 das Erhöhungsbegehren abzuweisen. Dazu kommt, daß die vom Erstgericht getroffene Feststellung, die Mutter sei in diesem Zeitraum für den "restlichen" Unterhalt aufgekommen, weder erkennen läßt, daß die Mutter Unterhaltsleistungen in einem Ausmaß erbrachte, das den gesamten Erhöhungsantrag abdeckte, noch daß sie damit überhaupt den Vater von der ihn treffenden Unterhaltspflicht befreien und Ansprüche nach § 1042 ABGB stellen wollte. Allfällige von ihr erbrachte Unterhaltsleistungen können von ihr auch dahin verstanden werden, daß sie nur vorschußweise für den unterhaltspflichtigen Vater in Vorlage treten und berechtigte Unterhaltsansprüche der Kinder eben nicht zum Erlöschen bringen wollte.

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs kann allerdings nicht gefolgt werden, daß die vom Vater bezogene Abfertigung in der Höhe von sechs Monatsgehältern über den Zeitraum, für den sie bezogen wurde, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht hätte. Es entspricht ständiger, vom erkennenden Senat gebilligter Rechtsprechung der Rekursgerichte, daß vom Unterhaltspflichtigen bezogene Abfertigungen auf so viele Monate aufzuteilen sind, als diese Abfertigung Monatsentgelten entspricht (EFSlg 56.265, 53.057, 53.431, 50.599 ua).

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs ist teilweise Folge zu geben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, daß dem Unterhaltserhöhungsantrag auch für den Zeitraum vom 9.1.1989 bis 13.4.1989 stattzugeben ist.

Anmerkung

E22318

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00683.9.1114.000

Dokumentnummer

JJT_19901114_OGH0002_0010OB00683_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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