TE Vfgh Beschluss 2001/11/27 V105/00 ua

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Veröffentlicht am 27.11.2001
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Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
FahrverbotsV der BH Kufstein vom 13.11.00 für LKW über 7.5 t auf der B 171 (Tirolerstraße)
StVO 1960 §43 Abs1 litb
StVO 1960 §45
StVO 1960 §94f

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge von Transport- und Frachtgesellschaften (sowie einer Gemeinde) auf Aufhebung eines Fahrverbots für LKW über 7,5 Tonnen Gesamtgewicht mangels aktueller Betroffenheit der rechtlich geschützten Interessen der Antragsteller als Gewerbetreibende; Auswirkungen der Verkehrsbeschränkung hinsichtlich Zufahrtsmöglichkeiten für Kunden und Lieferanten bloß faktische Reflexwirkungen; Erwirkung einer Ausnahmegenehmigung für die Antragsteller als Fahrzeughalter und Verkehrsteilnehmer möglich; keine Verletzung des Anhörungsrechtes der betroffenen Gemeinde bei Verordnungserlassung

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein hat am 13. November 2000 aufgrund von §43 Abs1 litb StVO 1960 auf der B 171 Tiroler Bundesstraße von Streckenkilometer 20,776 bis 24,109 in der Marktgemeinde Kundl ein Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge mit über 7,5 t höchstzulässigem Gesamtgewicht erlassen.

Die Verordnung hat folgenden Wortlaut:

"§1

Auf der B 171 Tirolerstraße von Strkm. 20,776 bis Strkm. 24,109 in der Marktgemeinde Kundl ist das Fahren mit Lastkraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten.

§2

Vom Verbot nach §1 sind ausgenommen:

a) Fahrten, die dem Abschleppdienst, der Pannenhilfe, dem Einsatz in Katastrophenfällen, dem Einsatz des Straßendienstes oder dem Einsatz des öffentlichen Sicherheitsdienstes dienen sowie unaufschiebbare Fahrten mit Lastkraftfahrzeugen des Bundesheeres.

b) Der Ziel- oder Quellverkehr betreffend jene Gebiete, die ohne Benützung der vom Verbot nach §1 erfaßten Wegstrecke nicht, oder nur unter Benützung der L 211 Unterinntalstraße erreicht werden können. ..."

2. Gegen diese Verordnung richten sich die beim Verfassungsgerichtshof zu V105/00, V3/01 und V41/01 protokollierten Anträge, in denen gemäß Art139 B-VG die Aufhebung der Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit begehrt wird.

3. Die Antragstellerin in dem zu V105/00 beim Verfassungsgerichtshof protokollierten Verfahren betreibt ein Transportunternehmen, eine Werkstätte für LKW und eine Tankstelle für LKW im Gewerbegebiet der Gemeinde Radfeld. Das Betriebsgelände liegt an der parallel zur Autobahn A 12 verlaufenden Bundesstraße B 171. Das Transportunternehmen der Antragstellerin verfügt über 112 LKW mit über 7,5 t höchstzulässigem Gesamtgewicht.

Zur Zulässigkeit ihres auf Art139 B-VG gestützten Individualantrages bringt die Antragstellerin vor, daß die angefochtene Verordnung sie unmittelbar in ihren Rechten verletze und ihr gegenüber ohne Erlassung eines Bescheides oder Fällung einer gerichtlichen Entscheidung wirksam geworden sei. Die Antragstellerin gesteht zwar zu, daß ein Gewerbetreibender durch eine an die Verkehrsteilnehmer gerichtete Verkehrsbeschränkung grundsätzlich nicht in seinen Rechten verletzt sein könne. Dennoch sei sie in ihrer Rechtssphäre betroffen, weil unter "Rechten" und "rechtlich geschützten Interessen" vor allem auch verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verstanden werden müßten. Das bekämpfte LKW-Fahrverbot greife nämlich unmittelbar in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes "Recht auf Gleichheit und Vertrauensschutz faktisch getroffener Dispositionen (Art7 B-VG)" sowie in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung gemäß Art6 StGG und auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß Art5 StGG ein.

Die Eingriffe in ihre mit dem Begriff "Recht auf Gleichheit und auf Vertrauensschutz faktisch getroffener Dispositionen" bezeichnete "Rechtssphäre" leitet die Antragstellerin daraus ab, daß der Flächenwidmungsplan für das Grundstück, auf dem sich ihre Betriebsanlage befindet, keinerlei Beschränkung für Tankstellen oder LKW-Reparaturwerkstätten festlege, obwohl die Bestimmung des §39 Abs2 litd Tiroler Raumordnungsgesetz 1997 (TROG) zu einer derartigen Einschränkung ermächtigen würde. Im Vertrauen auf diese uneingeschränkte Widmung des Grundstückes als Gewerbe- und Industriegebiet habe sie faktische Dispositionen - nämlich den Aufbau ihrer Tankstelle und Reparaturwerkstätte für LKW - getroffen. Ferner habe sie im Vertrauen auf das Vorliegen einer gewerbebehördlichen Bewilligung für ihre Betriebsanlage Millioneninvestitionen getätigt. Insbesondere habe sie darauf vertraut, daß im gewerberechtlichen Genehmigungsbescheid gemäß §77 Abs1 iVm. §74 Abs2 Z4 Gewerbeordnung 1994 "berücksichtigt" worden sei, daß die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs durch die Betriebsanlage nicht beeinträchtigt werde. Außerdem sei die angefochtene Verkehrsbeschränkung intentional darauf gerichtet, den Betrieb der Antragstellerin einem Absiedlungsdruck auszusetzen. Die Verletzung in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz leitet die Antragstellerin daraus ab, daß die Behörde vertrauensbildende Maßnahmen gesetzt hätte (Widmung und gewerbebehördliche Bewilligung) und daß sie im Vertrauen auf deren Bestand beträchtliche Investitionen vorgenommen habe, die nun durch die Verkehrsbeschränkung frustriert worden seien. Schließlich greife das LKW-Fahrverbot auch in langfristig bestehende erfüllbare Verträge über die Betankung von Fahrzeugen ein und verhindere den Abschluß neuer Verträge.

Die Antragstellerin bringt ferner vor, daß es ihren Kunden nicht zumutbar wäre, den Umweg über ein Verwaltungsverfahren zu beschreiten und eine Ausnahmebewilligung gemäß §45 StVO 1960 zu beantragen. Angesichts der Intention der verordnungserlassenden Behörde, welche darauf gerichtet sei, die Antragstellerin durch das LKW-Fahrverbot zur Verlegung ihres Betriebes zu zwingen, bestehe auch keinerlei Aussicht darauf, daß einem Antrag auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung stattgegeben würde. Sie sei überdies der Ansicht, daß solche Ausnahmebewilligungen nur jeweils für ein einzelnes im Bescheid genau zu definierendes Fahrzeug beantragt werden könnten. Ihr Kundenkreis sei jedoch zu groß und die einzelnen Kunden seien ihr nicht bekannt. Es sei ihr daher unzumutbar, für jeden einzelnen potentiellen Kunden eine Ausnahmegenehmigung beantragen zu müssen.

4. Die Antragsteller 1., 2., 3., 4., 5., 7., 8. und 9. in dem zu V3/01 protokollierten Verfahren sind jeweils Transportunternehmer. Die Antragsteller 3., 4., 5. und 8. betreiben zudem jeweils eine eigene Betriebstankstelle und zum Teil auch eine Werkstätte. Der

3. Antragsteller betreibt eine allgemeine Autoreparaturwerkstätte, der 6. Antragsteller führt einen Betrieb für Fahrzeugbau von Spezialfahrzeugen in Radfeld, seine Hauptbetriebsstätte befindet sich in Wörgl. Die Betriebe der 1. und 8. Antragsteller liegen in Kundl, jene der übrigen Antragsteller in Radfeld.

Zur Frage der Zulässigkeit führen die Antragsteller aus, daß die angefochtene Verordnung mit Errichtung der Fahrverbotsschilder für sie unmittelbar wirksam geworden sei. Es sei ihnen nicht zumutbar, über den Umweg eines Verwaltungsverfahrens zu einem Bescheid zu gelangen, um im Wege einer Beschwerde bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ein Normprüfungsverfahren anzuregen. Ihre Betriebe seien westlich des vom Fahrverbot betroffenen Streckenteils gelegen, daher sei ihnen die Zufahrt über die B 171 mit Lastkraftwagen aus östlicher Richtung verwehrt. Dies stelle ein besonderes Hemmnis dar, weil auf der östlich zu befahrenden Strecke ein Tunnel zu durchfahren sei, in dem Gefahrguttransporte nur mit einer Bewilligung und unter großem Aufwand durchführbar seien. Dadurch sei die Belieferung der von einigen Antragstellern geführten (Betriebs-)Tankstellen behindert. Alle neun Antragsteller seien gezwungen, Umwege zu fahren, um Lieferungen durchzuführen und um von ihrem Betriebsgelände zu- und abzufahren.

5. In dem zu V41/01 protokollierten Verfahren ist die Gemeinde Radfeld Antragstellerin.

Zur Zulässigkeit ihres Antrages führt sie aus, daß die bekämpfte Verordnung ihr gegenüber unmittelbar wirksam geworden sei und daß sie durch die Verordnung in ihren Rechten verletzt sei. Die Gemeinde Radfeld habe sich unter anderem mittels raumordnungsrechtlicher Maßnahmen bemüht, entlang der Bundesstraße B 171 die Ansiedlung gewerblicher Betriebe zu begünstigen. Zur Schaffung einer entsprechenden Infrastruktur habe sie erhebliche Kosten aufgewendet. Durch die Erlassung des bekämpften Fahrverbotes in Kundl (der Nachbargemeinde von Radfeld) würden einige Ansiedlungsinteressenten ihr Vorhaben, ihren Betrieb in Radfeld zu errichten, aufgeben; bereits bestehende Betriebe würden ihren Standpunkt verlegen. Dies habe Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation in der Gemeinde. Auch die Benützung der Verladestelle für die "rollende Landstraße" sei weniger attraktiv geworden. Aufgrund des gesteigerten LKW-Ausweichverkehrs entstehe durch das angefochtene LKW-Fahrverbot eine Mehrbelastung. Davon seien einerseits die Besitzer von an der B 171 gelegenen Schrebergärten und anderseits die Landwirte, die ihren alljährlichen Viehtrieb auf der B 171 durchzuführen hätten, betroffen. Schließlich bringt die Antragstellerin auch vor, daß ihr als betroffene Gemeinde entgegen der Bestimmung des §94f Abs1 lita StVO 1960 keine Möglichkeit zur Anhörung gewährt worden sei.

II. Die Anträge sind unzulässig.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge gemäß §35 Abs1 VfGG 1953 in Verbindung mit §§187 und 404 ZPO zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8059/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen (natürlichen oder juristischen) Person eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB VfSlg. 8594/1979, 10353/1985, 11730/1988, 14463/1996, 14959/1997, 15527/1999).

1.1. Zur Zulässigkeit der zu V105/00 und V3/01 protokollierten Anträge:

a. Soweit die Antragsteller behaupten, in ihrer Eigenschaft als Gewerbetreibende an ihrem Standort betroffen zu sein:

Wenn die Antragsteller die Zulässigkeit ihrer Anträge darauf stützen, daß ihre Betriebsstandorte aufgrund der angefochtenen Verordnung für ihre Kundschaft und ihre Lieferanten nur noch schwer erreichbar sind, ist darauf zu verweisen, daß sich die Verkehrsbeschränkung an die Straßenverkehrsteilnehmer richtet, die Gewerbetreibenden sind jedoch als solche nicht Adressaten der Norm. Mag sich auch durch eine Verkehrsbeschränkung auf einer von mehreren Zu- oder Abfahrtsstrecken die wirtschaftliche Attraktivität eines Unternehmensstandortes verringern, so begründet doch dieser Umstand für sich allein genommen noch keine aktuelle Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Antragsteller in ihrer Eigenschaft als Liegenschaftseigentümer. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß das an die Verkehrsteilnehmer gerichtete sektorale LKW-Fahrverbot die Antragsteller wesentlich härter trifft, als andere Anrainer. Es besteht jedoch keine Norm, die dieser besonderen Betroffenheit im Rechtsbereich Anerkennung verschaffen würde. Weder das Eigentums- noch ein sonstiges Recht in Bezug auf den Standort ihres Gewerbebetriebes, noch eine gewerberechtliche oder die Stellung von Anliegern regelnde Vorschrift räumt eine Rechtsposition ein, die durch das verordnete LKW-Fahrverbot berührt würde. Die hinsichtlich der Zufahrtsmöglichkeiten für Kunden und Lieferanten vorgebrachten Auswirkungen erweisen sich aus der Position der Antragsteller als Inhaber ihrer Betriebsstandorte als bloß faktische Reflexwirkungen einer an die Verkehrsteilnehmer gerichteten Norm (so schon VfSlg. 8060/1977, vgl. auch VfSlg. 8670/1979, 8757/1980, 10491/1985, 10302/1984, 11623/1988). Im vorliegenden Fall ist zu beachten, daß keiner der Betriebe der Antragsteller durch das LKW-Fahrverbot zur Gänze unerreichbar wird. Jene Grundstücke, die sich außerhalb des Bereichs des LKW-Fahrverbots (zB westlich des Streckenkilometers 24,109) befinden, sind jedenfalls noch von einer Seite erreichbar (anders als in den Fällen VfSlg. 8984/1980, 9089/1981, 9721/1983). Jene Grundstücke, die innerhalb des Fahrverbotsbereichs liegen, sind aufgrund der Ausnahme für "Ziel- und Quellverkehr" ebenfalls erreichbar (vgl. §2 litb der Verordnung: "Der Ziel- oder Quellverkehr betreffend jene Gebiete, die ohne Benützung der vom Verbot nach §1 erfaßten Wegstrecke nicht ... erreicht werden können").

Von der Antragstellerin im Verfahren zu V105/00 wird das Vorliegen eines "Eingriffs in ihr verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz" damit begründet, daß sie im Vertrauen auf das Vorliegen ihrer gewerbebehördlichen Bewilligung und auf die raumordnungsrechtliche Widmung ihres Grundstückes Investitionen in Millionenhöhe getätigt habe. Diese Investitionen seien durch die Erlassung des sektoralen Fahrverbotes in der Nachbargemeinde nutzlos geworden.

Dieses Vorbringen vermag einen Eingriff in die Rechtssphäre der Antragstellerin nicht zu begründen. Dem Vorbringen ist das Erkenntnis VfSlg. 10096/1984 entgegenzuhalten. Der Verfassungsgerichtshof traf darin zur Frage der Zulässigkeit eines (Individual-)Antrages eines Anrainers auf Aufhebung einer Verkehrsbeschränkung folgende Aussage:

"Insbesondere ist es ausgeschlossen, daß aus einem Bescheid, mit dem eine gewerbliche Betriebsanlage genehmigt wird, ein Anspruch des Gewerbeinhabers auf Zufahrt von Fahrzeugen zu seiner im Bereich einer öffentlichen Straße gelegenen Betriebsstätte aus beiden Fahrtrichtungen geltend gemacht werden könnte. Denn Gegenstand dieses Bescheides können ausschließlich Rechte und Pflichten des Gewerbeinhabers in gewerberechtlicher, nicht aber in verkehrsrechtlicher Hinsicht sein. In dieser Hinsicht genießt das Interesse de(s) Antragsteller(s) an der Teilnahme am Gemeingebrauch (am öffentlichen Verkehr auf der öffentlichen Straße), ... rechtlichen Schutz nur in dem Rahmen, der diesem Gemeingebrauch jeweils allgemein (für alle Verkehrsteilnehmer in gleicher Weise) gezogen ist (Hinweis auf VfSlg. 9309/1981)."

Im gleichen Sinn ist das Vorbringen zur raumordnungsrechtlichen Widmung des Grundstückes zu beurteilen. Gegenstand der raumordnungsrechtlichen Widmung können nicht Rechte und Pflichten des Antragstellers in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht sein.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich nicht dazu veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Da durch die angefochtene Verordnung in die von den Antragstellern behaupteten Rechtspositionen gar nicht eingegriffen werden kann, ist ihr Antrag unzulässig.

b. Zur Zulässigkeit der Anträge, soweit sich die Antragsteller in ihrer Eigenschaft als Fahrzeughalter und Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt erachten (V3/01):

Die Antragsteller in dem zu V3/01 protokollierten Verfahren bringen vor, durch das angefochtene Fahrverbot insofern betroffen zu sein, als es sie in ihrer Eigenschaft als Transporteure - und somit als Verkehrsteilnehmer auf der von der Verordnung erfaßten Strecke - beeinträchtige. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu stellen, ob es ihnen zumutbar wäre, im Verwaltungsweg eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, um zu einem (letztinstanzlichen) Bescheid zu gelangen, welcher im Wege der Beschwerde die Einleitung eines Normprüfungsverfahrens ermöglichen würde.

Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, daß die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung gemäß §45 StVO 1960 zur Bekämpfung einer mittels Verordnung verhängten Verkehrsbeschränkung einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit der Verordnung eröffnet (vgl. VfSlg. 9740/1983, 10302/1984, 11366/1987, 12359/1990, und insb. 12317/1990).

Auch nach den für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des §45 Abs2a und Abs2b StVO 1960 besteht die Möglichkeit für die Antragsteller, über Antrag in einem Verwaltungsverfahren klären zu lassen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung vom allgemeinen Fahrverbot gegeben sind. Sind die Voraussetzungen gegeben, so hat die Behörde durch Erteilung der beantragten Bewilligungen die sonst für jedermann eintretende Verkehrsbeschränkung für die Antragsteller aufzuheben. Damit steht jedem Antragsteller ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder eben - soweit dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden letztinstanzlichen Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Fahrverbotes an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Diesen Weg hält der Verfassungsgerichtshof für zumutbar.

Es sei an dieser Stelle ausdrücklich betont, daß auf das Vorbringen der Antragstellerin im Verfahren zu V105/00, wonach es ihr unzumutbar sei, für jeden einzelnen potentiellen Kunden ihrer Tankstelle eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, hier nicht einzugehen ist. Wie nämlich unter Punkt 1.1.a. dargelegt wurde, bewirkt die Verkehrsbeschränkung - insoweit sie von einem Gewerbetreibenden als Beeinträchtigung der Erreichbarkeit seines Betriebsstandortes durch Dritte angesehen wird - keinen Eingriff in die Rechtssphäre des Gewerbetreibenden, weshalb sich die Frage nach der (Un)zumutbarkeit eines Umweges insoweit erübrigt.

1.2. Zum Antrag der Gemeinde Radfeld (V41/01):

a. Der Antrag der Gemeinde Radfeld enthält zunächst eine Darstellung von Auswirkungen der bekämpften Verordnung auf verschiedene Personengruppen, nämlich die in Radfeld ansässigen Landwirte, die Eigentümer von in Radfeld gelegenen Schrebergärten sowie der in Radfeld angesiedelten Unternehmen. Es wird jedoch nicht dargetan - und es ist auch für den Verfassungsgerichtshof nicht erkennbar - inwiefern die Gemeinde Radfeld durch diese Auswirkungen auf dritte Personen selbst unmittelbar betroffen ist und in welchen Rechten sie sich dadurch als verletzt erachtet. Auch das Vorbringen, daß die in einer anderen Gemeinde gelegene Umladestelle für die "rollende Landstraße" an Attraktivität verliere, läßt nicht erkennen, inwiefern die antragstellende Gemeinde dadurch in einem Recht berührt sein könnte.

b. Die Gemeinde Radfeld bringt weiters vor, daß ihr im Ermittlungsverfahren vor Verordnungserlassung - entgegen der Bestimmung des §94f StVO 1960 - keine Möglichkeit zur Anhörung eingeräumt wurde. Auch dieses Vorbringen führt nicht zur Zulässigkeit ihres Antrages. In §94f StVO ist die Anhörung der "betroffenen Gemeinde" vorgesehen.

Aus dem Inhalt des dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verordnungsaktes ergibt sich jedoch, daß das Anhörungsverfahren im Hinblick auf die Gemeinde Radfeld eingehalten worden ist. Der Gemeinde Radfeld wurde mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 29. August 2000 ein erster Verordnungsentwurf übersandt, mit Schreiben vom 6. September 2000 wurde ihr der endgültige Entwurf des Verordnungstextes übermittelt. Außerdem nahm die Gemeinde Radfeld im Wege ihres Rechtsvertreters, der zugleich als Bevollmächtigter mehrerer anderer Interessenten und Verfahrensbeteiligter einschritt, mehrmals schriftlich zu der geplanten Verordnung Stellung. In einem Schriftsatz vom 1. September 2000 erwähnte der Rechtsvertreter, daß ein Verordnungsentwurf an die Gemeinde Radfeld ergangen sei. In diesem Schreiben ging er zudem im einzelnen auf die Bestimmungen des Verordnungsentwurfes ein. Aus seinem Schreiben vom 14. September 2000 ergibt sich schließlich, daß auch der zweite (endgültige) Verordnungsentwurf der Gemeinde Radfeld zugegangen ist. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die antragstellende Gemeinde nicht im Sinne des §94f StVO 1960 in das Verfahren einbezogen wurde.

2. Die Anträge waren daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Fahrverbot, Verordnungserlassung, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2001:V105.2000

Dokumentnummer

JFT_09988873_00V00105_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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