TE OGH 1990/12/6 7Ob671/90

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Veröffentlicht am 06.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Mark N***, geboren am 17.März 1971, und der mj. Tanja N***, geboren am 9.Jänner 1974, infolge Revisionsrekurses des Mark N*** und der mj. Tanja N***, diese vertreten durch ihre Mutter Leonora N***, Wien 21., Rußbergstraße 20/1/26, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 24.August 1990, GZ 44 R 383/90-21, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 3.Mai 1990, GZ 3 P 32/90-17, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs der mj. Tanja N*** wird zurückgewiesen. Dem Revisionsrekurs des Mark N*** wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird im Umfang der Festsetzung eines Unterhaltsbeitrages für Mark N*** aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 25.1.1982 gemäß § 55 a EheG geschieden. Nach dem anläßlich der Ehescheidung abgeschlossenen Vergleich verpflichtete sich der Vater, den Kindern ab 1.2.1982 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 17 % (für Mark) bzw. 14 % (für Tanja) seines monatlichen Nettoeinkommens zu bezahlen.

Die Kinder begehren eine Unterhaltserhöhung auf je S 10.000 monatlich.

Das Erstgericht enthob den Vater von seiner Unterhaltsverpflichtung für den Sohn für die Zeit seines Präsenzdienstes vom 1.10.1989 bis 30.5.1990 (Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses) und erkannte im übrigen im Sinne des Antrags der Kinder.

Nach den Feststellungen des Erstgerichtes leben beide Kinder im Haushalt der Mutter, die auch die Familienbeihilfe für sie bezieht. Die mj. Tanja besucht die 6. Klasse der Mittelschule. Das Schulgeld beträgt monatlich S 3.340. Mark N*** wird nach Ableistung seines Präsenzdienstes studieren. Die Mutter ist Bankangestellte und bezieht ein monatliches Nettoeinkommen von S 16.500 (ohne Sonderzahlungen). Der Vater ist Leitender Redakteur des ORF und hat ein monatliches Nettoeinkommen von S 50.140. Im Jahre 1989 erhielt er von der AKM an Autorenhonoraren insgesamt S 14.019 brutto. Nach der Auffassung des Erstgerichtes entspräche ein Unterhaltsbeitrag von S 10.000 je Kind der Leistungsfähigkeit des Vaters.

Die Entscheidung des Erstgerichtes erwuchs im Ausspruch über die Enthebung des Vaters von seiner Unterhaltspflicht für den Sohn für die Zeit vom 1.10.1989 bis 30.5.1990 in Rechtskraft. Im übrigen änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es den Unterhaltsbeitrag für beide Kinder mit je S 7.500 ab 9.1.1989 festsetzte. Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Es begründete diesen Ausspruch damit, daß zur Frage der Obergrenze (Luxusgrenze) bei der Unterhaltsbemessung eine unterschiedliche Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz vorliege.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes soll zwar der Unterhaltsberechtigte an den gehobenen wirtschaftlichen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben, Unterhaltsbeträge, die den pädagogischen Zielrichtungen widersprächen, sollten jedoch nicht zuerkannt werden. Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der mj. Tanja N*** ist unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist an einen Ausspruch der zweiten Instanz gemäß § 13 Abs 1 Z 3 AußStrG über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses nicht gebunden (§ 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508 a ZPO). Voraussetzung der Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses ist das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG. Ist danach der Revisionsrekurs zulässig, ist der Rechtsmittelwerber aber nicht mehr auf solche Rechtsfragen beschränkt (vgl. Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 in JBl 1989, 747, 750 und 752). In Ansehung der mj. Tanja geht die angefochtene Entscheidung im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz (EFSlg. 55.986, 55.983, 53.143, 50.307 ua) von dem Grundsatz aus, daß bei einem überdurchschnittlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen die Prozentsatzkomponente nicht voll auszuschöpfen ist. Der der mj. Tanja danach zuerkannte Unterhalt liegt im Bereich zwischen dem 2 - 2 1/2fachen des Regelbedarfes für Kinder im Alter der Minderjährigen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, stellt die Frage, ob der Unterhaltsstopp im Einzelfall beim 2 1/2fachen oder schon beim 2fachen des Regelbedarfes liegt, keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG dar (6 Ob 606/90; 3 Ob 1509/90; 4 Ob 1512/90). Demgemäß ist der Revisionsrekurs der mj. Tanja zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Mark N*** ist dagegen zulässig. Der Unterhalt des Rechtsmittelwerbers aufgrund der Unterhaltsvereinbarung vom 25.1.1982 beträgt nach dem derzeitigen Einkommen des Vaters S 8.523 monatlich. Das Rekursgericht hat, wie der Revisionsrekurs zutreffend darlegt, dadurch, daß es den Unterhalt für den Sohn ab 9.1.1989 mit S 7.500 festsetzte, in Wahrheit eine Unterhaltsherabsetzung vorgenommen. Derartiges ist aber nie beantragt worden. Das Rekursgericht weicht somit von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab, wonach die Bestimmung des § 405 ZPO, daß das Gericht nicht befugt ist, einer Partei etwas anderes zuzusprechen als beantragt wurde, auch im Außerstreitverfahren sinngemäß anzuwenden ist (MietSlg. 25.542 ua). Daraus folgt aber auch, daß der Revisionsrekurs jedenfalls insoweit berechtigt ist, als der Unterhaltsbeitrag für den Sohn mit S 7.500 monatlich festgesetzt wurde.

Nicht gefolgt werden kann dagegen dem Rechtsmittelwerber im Begehren auf Unterhaltserhöhung auf S 10.000 monatlich. Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen, doch leistet nach § 140 Abs 2 ABGB der Elternteil, der den Haushalt führt, dadurch seinen Beitrag und hat zum Unterhalt des Kindes darüber hinaus nur beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als seinen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Einen Anhaltspunkt dafür, nach welchen Kriterien der Beitrag des Unterhaltspflichtigen zu ermitteln ist, bietet das Gesetz nur durch die Verknüpfung der Bedürfnisse des Kindes mit den Lebensverhältnissen der Eltern. Ein konkretes Berechnungssystem kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Ohne gesetzliche Grundlage ist es aber, wie bereits mehrfach ausgesprochen wurde, auch für den Obersten Gerichtshof nicht möglich, Regeln der Unterhaltsbemessung derart zu einem System zu verdichten, daß als Ergebnis geradezu eine Tabelle für jeden möglichen Anspruchsfall zur Verfügung stünde. In Fragen der Unterhaltsbemessung hat sich der Oberste Gerichtshof vielmehr darauf zu beschränken, jene Umstände zu bezeichnen, auf die es im Einzelfall ankommt (6 Ob 563/90; Petrasch aaO 748). Hundertsätze können bei der konkreten Berechnung eines Unterhaltsanspruchs im Interesse der Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle herangezogen werden, nicht aber etwa generell als Maßstab für die Unterhaltsbemessung schlechthin festgelegt werden (6 Ob 563/90). Sie bieten aber für durchschnittliche Verhältnisse eine brauchbare Grundlage dafür, den Unterhaltsberechtigten an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben zu lassen (7 Ob 562/90; Schwimann-Schlemmer, ABGB I, § 140 Rz 8). Es darf jedoch auch bei Berechnung nach der Prozentsatzkomponente die im § 140 ABGB verankerte Angemessenheitsgrenze nicht überschritten werden (6 Ob 563/90; 7 Ob 562/90). Auch in dieser Richtung lassen sich aus dem Gesetz keine starren, auf jeden Einzelfall anzuwendenden Begrenzungssätze ableiten. Im vorliegenden Fall beträgt der Unterhaltsanspruch des Rechtsmittelwerbers, wie bereits oben dargelegt wurde, monatlich S 8.523. Das Einkommen des Vaters liegt zwar über dem Durchschnitt, ist jedoch nicht so hoch, daß der Rechtsmittelwerber mit dem bereits zu leistenden Unterhaltsbeitrag nicht angemessen an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen teilhaben würde. Eine weitere Erhöhung kommt daher nicht in Betracht. Demgemäß wäre der Antrag, insoweit er eine Unterhaltserhöhung anstrebt, abzuweisen. Nach dem Vorbringen und dem erhobenen Begehren (AS 21 ON 9 und AS 71 ON 16) ist es jedoch unklar, ob nicht jedenfalls der Ersatz des Bruchteilstitels durch einen auf einen bestimmten Betrag lautenden Titel angestrebt wird. Dies wird vom Erstgericht klarzustellen und dann über den Antrag neu zu entscheiden sein.

Anmerkung

E22443

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00671.9.1206.000

Dokumentnummer

JJT_19901206_OGH0002_0070OB00671_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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