TE OGH 1990/12/11 5Ob104/90

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.12.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Günther B***, Arzt, Graz, Hochstraße 3, vertreten durch Dr.Bernd Fritsch und Dr.Klaus Kollmann, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Maria Georgine DI L***, Hausfrau, Graz, Hugo Wolf-Gasse 10, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wegen Entfernung einer Feuerschutzwand, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1990, GZ 4 R 128/89-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 11. September 1989, GZ 17 Cg 249/87-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Das Klagebegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft 8010 Graz, Hugo Wolf-Gasse 10, im 23. Obergeschoß errichtete Feuerschutzwand binnen 14 Tagen zu entfernen, wird abgewiesen."

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 52.542,60 S bestimmten Kosten aller drei Instanzen (darin enthalten 17.436 S an Barauslagen und 5.851,10 S an USt.) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist zusammen mit seiner Gattin je zu 91/17.790-Anteilen, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung top. Nr. 82 im 21. Obergeschoß des Hauses Graz, Hugo Wolf-Gasse 10 untrennbar verbunden ist, und die Beklagte ist zu 91/8895-Anteilen, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung top. Nr. 89 im

23. Obergeschoß des genannten Hauses untrennbar verbunden ist, Miteigentümer der Liegenschaft EZ 1668 KG Geidorf.

Das Haus wurde in den Sechzigerjahren errichtet und besteht aus zwei Kellergeschoßen, Erdgeschoß, 24 Obergeschoßen sowie anschließendem Dachgeschoß. Das Erdgeschoß und die 24 Obergeschoße besitzen je 4 abgeschlossene Wohnungen, die vom zentral angeordneten Stiegenhaus samt vier Liften zugänglich sind. Die Hauptpodeste sind U-förmig ausgebildet. An der östlichen Begrenzungswand befinden sich zwei Lifte und daneben die Türen zu den zwei Wohnungen, die der Hugo Wolf-Gasse zugewandt sind. In Richtung Süden sowie Norden führt neben den Stiegenläufen je ein Gang zu den hofseitig gelegenen zwei Wohnungen, wobei in jedem dieser Gänge ein weiterer Lift vorhanden ist. Die Lifte untereinander sind alternativ geschaltet für Haltestellen in geraden und ungeraden Stockwerken.

Der Kläger und seine Gattin bewohnen ihre Eigentumswohnung seit 1986 nicht mehr. Die Beklagte, die sich von 1967 bis 1982 nur zu den Wochenenden in Graz aufhielt, hat seither ihren ständigen Wohnsitz in ihrer Eigentumswohnung, die über den südlichen Gang erreichbar ist. Unmittelbar vor ihrer Wohnungstür befindet sich eine gemeinschaftliche Mülleinwurföffnung 28 x 28 cm mit entsprechendem Verschluß.

Die Hauseingangstür ist selbstschließend ausgeführt, sodann sind nach einem Windfang Stahlrahmentüren mit Drahtglasfüllung selbstschließend vorhanden. Die Stiege ist zweiarmig mit Eisengeländer sowie PVC-Handlauf errichtet und führt jeweils von einem Hauptpodest zu einem Zwischenpodest und sodann zum nächsten Obergeschoß. Auf dem Zwischenpodest zwischen Erdgeschoß und erstem Obergeschoß ist eine Stahlkonstruktion mit Drahtglaslichte sowie einteiliger Stahlrahmentür (selbstschließend, derzeit ohne Sperrzylinder, die Oberlichte elektro-mechanisch klappbar) nachträglich errichtet worden. In jedem Halbstock befindet sich eine 25 Watt Dauerleuchte, bei jedem Zwischenpodest ein Druckknopfmelder für die Brandalarmanlage und bei jedem zweiten Zwischenpodest ein Rauchgasmelder. Der Lift führt bis zum 24. Obergeschoß. Beim Podest zwischen 24. Obergeschoß und Dachgeschoß befindet sich eine hoch liegende Oberlichte (gleichfalls elektro-mechanisch betreibbar). Über dem 24. Obergeschoß sind auf dem Flachdach die Betriebsräume für die Liftanlagen und umlaufend, durch eine gemauerte Brüstung abgeschlossen, eine Dachterrasse ausgeführt. Vom Balkon des 24. Obergeschoßes abwärts sind entsprechende Öffnungen in der Balkonplatte mit Steigleitern vorhanden.

Wegen mehrfacher bewußter Beschädigungen im Stiegenhausbereich dieses Hauses und gegen sie gerichteter Schädigungshandlungen (zB Verschütten von Salzsäure vor ihrer Wohnungstür) ließ die Beklagte nach baubehördlichem Verfahren (Erteilung der Baubewilligung mit Bescheid des Grazer Stadtsenates vom 14.10.1986; in der Folge über Berufung einer Miteigentümerin vom 17.9.1987 Abweisung des Bauansuchens mit Bescheid des Grazer Gemeinderates vom 10.12.1987; über die dagegen erhobene Beschwerde der Beklagten an den Verwaltungsgerichtshof ist noch nicht entschieden) Anfang des Jahres 1987 zwischen dem Geländer des Ganges zu ihrer Wohnung und dem Stiegengeländer des aufwärts führenden Treppenlaufes eine Trennwand (Metallständer mit beidseits 12,5 mm starken Gipskarton-Feuerschutzplatten sowie Glaswolle dazwischen, insgesamt 8,5 cm stark, 2,05 m lang, vom Podest-Gang bis zur Decke reichend) errichten, wodurch der Gang zur Wohnung der Beklagten gegenüber dem übrigen Stiegenhaus in voller Höhe abgeschlossen wird. Nach diversen Einwänden gegen diese Bauführung, insbesondere von Seite der Hausverwaltung, hat sich die Beklagte an die Eigentümergemeinschaft zwecks Genehmigung der Bauführung gewendet. Sie erhielt zunächst die Zustimmung der Miteigentümer von 5784,5/8895-Anteilen. Nachträglich (Juli 1987) widerriefen die Miteigentümer von 1252,5/8895-Anteilen ihre Zustimmung, sodaß von den 5784,5 ursprünglich genehmigenden Anteilen noch 4532/8895-Anteile genehmigend verblieben, also mehr als die Hälfte (4447,5/8895-Anteile).

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung der auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft Graz, Hugo Wolf-Gasse 10, im 23. Obergeschoß befindlichen Feuerschutzwand mit dem im Revisionsverfahren noch wesentlichen Vorbringen, die Beklagte habe zu dieser Baumaßnahme nicht die Zustimmung aller Miteigentümer und insbesondere nicht die des Klägers erhalten; diese Mauer, die ohne baubehördliche Genehmigung errichtet worden sei, behindere die Behebung von Verstopfungen der Müllschluckanlage, störe das optische Bild des Stiegenhauses und bilde eine nicht einsehbare Nische. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage mit dem Einwand, es handle sich um eine nützliche Verbesserungsarbeit (erhöhter Schutz bei Brand, Vandalenakten und Anschlägen), die von der Mehrheit der Miteigentümer genehmigt sei; die Kosten seien von der Beklagten allein zur Gänze getragen worden; zur fachgerechten Beseitigung von Verstopfungen der Müllschluckanlage habe sie mit eigenen Mitteln eine Spirale angeschafft und der Hausgemeinschaft zur Verfügung gestellt; eine übermäßige Beeinträchtigung des Klägers liege nicht vor; er wohne seit Jahren nicht mehr in diesem Haus, habe stillschweigend die Errichtung dieser Mauer akzeptiert und besitze kein Rechtsschutzinteresse; sein Klagebegehren stelle eine Schikane dar.

Das Erstgericht erkannte im Sinne der Klage. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch folgende Feststellungen:

Die gegenständliche Trennwand beeinträchtigt die Funktion des Stiegengeländers nicht. Es sind durch sie auch keine höheren Verwaltungs- oder Instandhaltungskosten zu erwarten. Vom darunter liegenden Hauptpodest aus besteht auch ohne diese Trennwand keine Sichtmöglichkeit auf die Liftanzeige in der Nähe der Wohnungstür der Beklagten. Durch diese Trennwand - eine weitere solche Trennwand gibt es in diesem Haus nicht - wird jedoch das optische Erscheinungsbild des Stiegenhauses verändert und die Einheitlichkeit gestört: Der ansonsten mögliche Durchblick zwischen den Sprossen des Stiegengeländers ist in jenem Bereich nicht mehr möglich; es besteht der Eindruck der Abtrennung eines Teiles des Stiegenhauses. Diese Trennwand kann auch die Verwendung langer Stangen zur Behebung von Verstopfungen in der Mülleinwurfanlage behindern (nicht jedoch die Verwendung von Spiralen). Durch die Trennwand ist außerdem in einem der obersten Geschoße ein dreiseitig abgeschlossener Bereich entstanden, der mit der Gefahr verbunden ist, für zwei bis drei Personen als Versteck zu dienen, welche vom Stiegenhaus aus bei üblicher Gehweise nicht gesehen werden können, und zwar auch dann nicht, wenn die neben der Wohnungstür der Beklagten in 1,6 m Höhe montierte Leuchte - von der Wohnung der Beklagten aus bedienbar - eingeschaltet ist.

Diese Trennwand stellt keine Verbesserung in bautechnischer, statischer oder konstruktiver Hinsicht dar; durch sie können Einwirkungen aus der Richtung des Stiegenhauses erschwert werden; nachteilig auswirken gerade auf die Wohnung der Beklagten würde diese Trennwand sich aber bei einem gefährlichen Geschehen innerhalb des durch sie abgeschlossenen Bereiches: Einerseits würde die rasche Erkennbarkeit bei üblicher Benützung des Stiegenhauses erschwert, andererseits könnten Rauch (zB bei Entwicklung aus der Mülleinwurfanlage, dem Lichtschacht dort), Dämpfe und ähnliches nur erschwert durch das Stiegenhaus entweichen. Aus der Sicht des Schutzes im Brandfall sind in diesem Haus brandhemmende Türen (Schutz gegen 30minütige Beflammung) als Wohnungstüren in Verwendung und die Beklagte hat ihre Wohnungstür zusätzlich abgedichtet. Es wurde nachträglich die eingangs beschriebene Stahlkonstruktion am Podest nach dem Erdgeschoß, insbesondere zur Abschottung gegenüber Kellerbränden, errichtet, wobei die Oberlichte, insbesondere jene über dem 24. Obergeschoß, dem Rauchabzug dient. Zufolge kaum vorhandenen brennbaren Materials im Stiegenhaus ist die Gefahr direkter Beflammung aus dem Stiegenhaus äußerst gering. Auch bei Wohnungsbränden erfolgt zufolge Springens der Glasscheiben die thermische Abfuhr grundsätzlich fast ausschließlich durch die Fenster ins Freie. Nur bei - allerdings häufig

vorkommendem - Offenlassen von Wohnungstüren bei der Flucht aus der Wohnung können sich Feuer und Rauch in das Stiegenhaus ausbreiten. Diese Rauchentwicklung ist die eigentliche Gefahr im Brandfall. Nur im Falle eines Flammenausstrittes aus der Wohnung unter jener der Beklagten würde die gegenständliche Trennwand einen Schutz darstellen. Aber auch ohne sie ist bei geschlossener Tür kein Übergreifen des Feuers auf die Wohnung der Beklagten zu befürchten. Die Verwendung einer 60 Minuten brandhemmenden Tür würde jegliches diesbezügliche Risiko ausschalten, zumal das gegenständliche Haus mit einer automatischen Brandmeldung zur Feuerwehr der Stadt Graz versehen ist und die Feuerwehr nach rund 10 Minuten zur Stelle sein und innerhalb von ungefähr 30 Minuten einen Wohnungsbrand unter Kontrolle bringen kann. Ein Absteigen über die Balkone aus den oberen Geschoßen wäre zumindest ohne entsprechende Mithilfe von Feuerwehrleuten für ältere Personen ohnedies unrealistisch. Der Beklagten könnte aber bei einem Brand in ihrer eigenen Wohnung gerade wegen dieser Trennwand und des hiedurch verminderten Rauchabzuges unter Umständen das Verlassen ihrer Wohnung erschwert sein.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Die Zustimmung der Mehrheit sei zwar gegeben; die Überstimmten hätten auch keine Kosten zu tragen; die von der Beklagten vorgenommene bauliche Veränderung sei jedoch nicht als nützliche Verbesserungsarbeit anzusehen und es liege auch eine beträchtliche Beeinträchtigung der Überstimmten vor. Dem Vorteil dieser Trennwand, daß nämlich durch sie Auswirkungen aus der Richtung des Stiegenhauses erschwert werden, stünden die festgestellten Nachteile gegenüber (bauliche Disharmonie im Stiegenhaus, erschwerte Behebung von Verstopfungen der Müllanlage, Bildung eines üblicherweise nicht eingesehenen Bereiches, Erschwerung des Abzuges von Rauch, Dämpfen und ähnlichem bei Entstehung in diesem agetrennten Bereich bzw. auch aus der Wohnung der Beklagten). Der Klage sei daher stattzugeben. Eine (schlüssige) Zustimmung des Klägers, ein mangelndes Rechtsschutzinteresse auf seiner Seite oder Schikane - auch ohne Wohnungsbenützung sei er weiterhin Miteigentümer mit allen Rechten und Pflichten - lägen nicht vor.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit dem Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Es erachtete weder die Mängelrüge noch die Beweisrüge der Beklagten für berechtigt und nahm zu deren Rechtsrüge wie folgt Stellung:

Zutreffend habe das Erstgericht seiner Prüfung der Berechtigung des Klagebegehrens ausschließlich § 14 Abs 3 WEG zugrundegelegt. Im vorliegenden Fall fehle es bereits - wie das Erstgericht richtig erkannt habe - am Bestehen einer nützlichen Verbesserungsarbeit. Wenn die Beklagte die Erfüllung dieser Voraussetzung in den positiven Auswirkungen der Feuerschutzwand auf ihren Wohnbereich erblicken wolle, so verkenne sie die Bedeutung dieses Rechtsbegriffes im Zusammenhang mit § 14 Abs 3 WEG: Für den Begriff der Nützlichkeit der Verbesserungsarbeit komme es auf die Ansicht der Mehrheit an. Ebensowenig wie verlangt werden könne, daß nach allgemeiner Auffassung - wenn sich diese überhaupt feststellen lasse - etwas eine nützliche Verbesserung darstelle, handle die Mehrheit doch privatautonom und daher subjektiv eigennützig, reiche demnach die Ansicht eines Einzelnen bzw. der Nutzen eines Einzelnen hin, um von einer nützlichen Verbesserungsabeit nach § 14 Abs 3 WEG sprechen zu können. Daß die Errichtung einer "Feuermauer" vor einer Wohnungstür nur dem (den) Bewohner(n) dieser Wohnung nützen solle und könne, unterliege keinem Zweifel.

Auch der Beurteilung des Erstrichters, daß durch die bekämpfte Baumaßnahme eine beträchtliche Beeinträchtigung der Überstimmten vorliege, könne beigetreten werden: Allein die Veränderung des optischen Erscheinungsbildes des Stiegenhauses, insbesondere das Gestörtsein der Einheitlichkeit, vermöge diese zu begründen. Wenn die Beklagte dies als bloß subjektiven Eindruck, der nicht objektivierbar sei, abzutun versuche, übersehe sie, daß nach herrschender Meinung eine übermäßige Beeinträchtigung nicht nur durch einen Eingriff in die materiellen Interessen herbeigeführt werden könne, sondern auch durch eine Verletzung ideeller Interessen. Das Verbot von Veränderungen, die mit einer Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes des Hauses einhergehen, sei im § 13 Abs 2 Z 1 WEG verankert. In diesem Zusammenhang komme auch der Überlegung maßgebliche Bedeutung zu, daß das Zugeständnis an einen Wohnungseigentümer, ein derartiges Bauwerk errichten und bestehen lassen zu können, zur Folge hätte, eine vergleichbare Bautätigkeit anderer Wohnungseigentümer ebenfalls billigen zu müssen, ein Ergebnis, das dem Zusammenleben in einem Hochhaus wie dem vorliegenden wohl endgültig abträglich wäre. Die gegenständliche Klageführung sei (wie des näheren ausgeführt wird) auch nicht als schikanöse Rechtsausübung zu beurteilen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist berechtigt.

Bei der Beurteilung der Berechtigung des Klagebegehrens ist angesichts des beiderseitigen Parteienvorbringens und des festgestellten Sachverhaltes in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen von § 14 Abs 3 WEG auszugehen. Nach dieser Gesetzesbestimmung bedürfen über die ordnungsgemäße Erhaltung der gemeinsamen Teile und Anlagen der Liegenschaft hinausgehende nützliche Verbesserungsarbeiten der Zustimmung aller Miteigentümer der Liegenschaft. Der Zustimmung der übrigen Miteigentümer bedarf es jedoch nicht, wenn 1. die Verbesserung von der Mehrheit beschlossen wird, 2. diese allein die Kosten trägt oder die Kosten aus der Rücklage gedeckt werden können und Arbeiten, die der ordnungsgemäßen Erhaltung dienen, in absehbarer Zeit nicht erforderlich sind, und

3. die Überstimmten durch die Verbesserung nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

Unter diese Gesetzesbestimmung fällt, wie der Oberste Gerichtshof bereits am 10.4.1990 zu 5 Ob 94/89 unter Berufung auf Würth in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 14 WEG sowie in ImmZ 1980, 183 f FN 67 mwN ausgesprochen hat, jegliche Veränderung (und nicht nur eine nützliche Verbesserung) gemeinsamer Liegenschaftsteile, die über die ordnungsgemäße Erhaltung im Sinne des § 14 Abs 1 Z 1 WEG hinausgeht. Die Voraussetzung des § 14 Abs 3 Satz 2 Z 3 WEG fehlt, wie gleichfalls bereits in der vorgenannten Entscheidung dargelegt wurde, nicht schon bei jeder Beeinträchtigung der Überstimmten, sondern erst bei einer übermäßigen. Daraus ergibt sich, daß ein maßvoller, dem Zusammenleben der Miteigentümer nicht endgültig abträglicher Eingriff in die Interessen der überstimmten Wohnungseigentümer zulässig ist und noch nicht die Notwendigkeit der Zustimmung aller Miteigentümer auslöst. Dabei sind sowohl materielle wie ideelle Interesse der Überstimmten zu beachten. Bei Beurteilung der Zumutbarkeit des Ausmaßes der mit den angestrebten Änderungen allenfalls verbundenen Beeinträchtigung der überstimmten Minderheit ist auch zu berücksichtigen, daß jeder Mit- und Wohnungseigentümer im Rahmen des die Gemeinschaft verbindenden besonderen Schuldverhältnisses die Pflicht hat, auf schutzwürdige Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer Rücksicht zu nehmen, andererseits aber auch selbst ein zumutbares Maß an Toleranz von den anderen Teilgenossen erwarten darf. Geringfügige Eingriffe in seine Interessen muß ein Wohnungseigentümer unter Umständen im Interesse der Eigentümergemeinschaft in Kauf nehmen. Es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Wie insbesondere Würth in ImmZ 1980, 183 ff und Call in WoBl 1988, 6 ff (vgl auch Würth in Rummel, ABGB, Rz 10 aE zu § 14 WEG sowie in WoBl 1988, 11; Faistenberger-Barta-Call, WEG 1975, Rz 96 f und 103; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht, Rz 12 zu § 14 WEG; die Rechtsprechung der Rekursgerichte ist nicht einheitlich:

vgl etwa MietSlg 31.524/43, 37.623 und 39.622 einerseits und MietSlg 35.614 andererseits) überzeugend dargetan haben, bedarf der den Voraussetzungen des § 14 Abs 3 Satz 2 WEG genügende Mehrheitsbeschluß zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung durch den Außerstreitrichter in einem Verfahren nach § 26 Abs 1 Z 3 WEG; der Umstand, daß die von der Mehrheit beschlossene Veränderung schon durchgeführt wurde, steht einer nachträglichen Genehmigung nicht entgegen (vgl die Rechtsprechung zu § 13 Abs 2 WEG:

MietSlg 30.561/28 ua, zuletzt etwa MietSlg 38.671, 39.615, ImmZ 1990, 25).

Im gegenständlichen Fall ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 14 Abs 3 Satz 2 WEG jedoch im streitigen Verfahren zu beurteilen, weil der Antrag auf Genehmigung des Mehrheitsbeschlusses vom Außerstreitrichter mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß es einer solchen Genehmigung nicht bedürfe (so schon 5 Ob 94/89 in einem vergleichbaren Fall; der Umstand, daß der dem Beklagtenvertreter am 29.5.1989 zugestellte Zurückweisungsbeschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 23.5.1989, 6 Msch 20/89-5, erst nach dem am 6.6.1989 gemäß § 193 Abs 3 ZPO zur Beischaffung des Aktes 6 Msch 20/89 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz erfolgten Schluß der Verhandlung im gegenständlichen Rechtsstreit rechtskräftig wurde, ändert nichts an dessen Beachtlichkeit, weil es sich um eine prozessuale Entscheidung handelt: vgl Fasching, Kommentar III 659).

Werden bei der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 3 Satz 2 Z 3 WEG - das Zutreffen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist nicht strittig - die zu 5 Ob 94/89 dargelegten Grundsätze auf den hier festgestellten Sachverhalt angewendet, so ergibt sich nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes, daß die überstimmte Minderheit durch die von der Beklagten errichtete Feuerschutzwand nicht übermäßig beeinträchtigt wird. Es kann einerseits nach den Feststellungen nicht gesagt werden, daß diese Wand keinesfalls geeignet ist, irgendwelchen schutzwürdigen Interessen der Beklagten zu dienen (eine nützliche Verbesserungsarbeit im engeren Sinn ist, wie bereits ausgeführt, nicht erforderlich); andererseits sind die festgestellten Beeinträchtigungen nicht so erheblich, daß deren Hinnahme den Überstimmten als übermäßig nicht zugemutet werden könnte. Dies gilt insbesondere von der durch die Errichtung der Feuerschutzwand herbeigeführten Veränderung des optischen Erscheinungsbildes des Stiegenhauses, wovon sich der Oberste Gerichtshof an Hand der im Akt erliegenden Lichtbilder überzeugen konnte, aber auch von der erschwerten Behebung von Verstopfungen der Müllschluckanlage und den sonstigen vom Erstgericht festgestellten Nachteilen. Die Interessenabwägung fällt zugunsten der Beklagten aus. Dazu kommt, daß die Baubewilligung - wie aus dem angeschlossenen Bauakt hervorgeht - bisher nur deshalb noch nicht erteilt wurde, weil weder die Zustimmung aller Miteigentümer zum Bauansuchen noch ein diese fehlende Zustimmung ersetzender Richterspruch vorlag. Daß die Baubewilligung aus anderen Gründen nicht erteilt werden kann, wurde vom Kläger nicht behauptet und von den Vorinstanzen nicht festgestellt.

Es war daher schon aus diesen Erwägungen der Revision Folge zu geben und das Entfernungsbegehren abzuweisen, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf die übrigen Revisionsausführungen einzugehen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten erster Instanz beruht auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auch auf § 50 ZPO. Für die Teilnahme an der Befundaufnahme durch den Gerichtssachverständigen gebühren Kosten nur nach TP 7/2 (vgl Feil-Hajek, Rechtsanwaltskosten, Rz 11 zu TP 7). Der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des Streitgegenstandes ist für die Bemessung der Rechtsanwaltskosten und Gerichtsgebühren ohne Bedeutung (vgl MietSlg 24.576 ua).

Anmerkung

E22395

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00104.9.1211.000

Dokumentnummer

JJT_19901211_OGH0002_0050OB00104_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten