TE OGH 1990/12/12 3Ob589/90

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Veröffentlicht am 12.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz B***, Kaufmann, Korneuburg, Kleinengersdorfer Straße 100, vertreten durch Dr.Wilhelm Philipp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Gertrude E***, Hauseigentümerin, Wien 8, Schlösselgasse 28/11, vertreten durch Dr.Manfred Melzer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 1.033,011,- S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22.Mai 1990, GZ 12 R 77/90-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20. November 1989, GZ 28 Cg 196/87-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 12.8.1986 kam es im Haus der Beklagten in Wien nach einem starken Regenfall zu einem Rückstau im Kanal, wodurch Wasser in die vom Kläger gemieteten Geschäftsräumlichkeiten drang. Der Kläger begehrt den Ersatz des Wasserschadens von 783.011 S und des Verdienstentganges von 250.000 S, zusammen 1,033.011 S, mit der Begründung, für den Wassereintritt sei ein mangelhaft verschraubter Kanaldeckel ursächlich gewesen, wofür die Beklagte einzustehen habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens mit der Einwendung, der fehlerhaft verschraubte Kanaldeckel sei nicht kausal für den Wasserschaden gewesen und die Beklagte treffe kein Verschulden, weil sie vom Zustand des Kanaldeckels keine Kenntnis gehabt habe.

Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Am Nachmittag des 12.8.1986 kam es zu außergewöhnlich starken Niederschlagsmengen. Der Straßenkanal wurde überlastet, was zu einem Rückstau beim Hauskanalanschluß und weiter in den Hauskanal hinein führte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war die Ursache des Wassereintritts in die Räume des Klägers ein nicht fachgerecht verschraubter und abgedichteter Kanalanschluß in einem Parteienkeller, wo die erste Austrittsmöglichkeit für das rückgestaute Wasser bestand. Die Möglichkeit, daß das Wasser nicht von dort, sondern über den Lichthof und über eine Kellerstiege oder aber direkt von der Straße her eindrang, ist nahezu auszuschließen. Falls das gesamte Regenwasser, das auf das Haus der beklagten Partei fiel, sich im Lichthof gesammelt hätte, wäre ein Wassereindringen über den Lichthof nicht auszuschließen. Auf Grund von Zeugenaussagen steht aber verläßlich fest, daß das Wasser tatsächlich weder von der Straße noch vom Lichthof, sondern vom Parteienkeller mit dem strittigen Kanal mit dem lockeren Verschluß eingedrungen ist. Irgendwelche Bauvorschriften für den etwa im Jahr 1905 errichteten strittigen Kanalverschlußdeckel können nicht festgestellt werden. Der Kanal wurde aber seinerzeit von der Baupolizei genehmigt.

Die Beklagte erwarb das Haus im Jahr 1978 von ihren Eltern. Das Haus wird von einem Hausverwalter verwaltet. Die Beklagte hatte keine Kenntnis von dem mangelhaft verschraubten Kanalabschlußdeckel. Sie wußte überhaupt nichts über den strittigen Hauskanal. Weder der Hausverwalter noch der Hausbesorger haben die Klägerin davon vor dem Schadensfall benachrichtigt. Vor etwa zehn Jahren stand einmal im Lichthof Wasser und floß über die Stufen in den Keller hinunter, wo es dann in der Erde versickerte.

Das Erstgericht vertrat auf Grund dieser Tatsachenfeststellungen die Ansicht, daß der Beklagten kein Verschulden anzulasten sei. Der Wasserschaden sei für sie nicht vorhersehbar gewesen, weil er außerhalb ihres Einflußbereiches für Instandhaltungs- und Pflegemaßnahmen gelegen sei; den Wartungsmangel habe sie infolge der Betrauung eines Hausverwalters nicht zu verantworten. Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes in ein Zwischenurteil dahin ab, daß der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe, und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht war im Gegensatz zum Erstgericht der Auffassung, daß die Beklagte im Sinne des § 1298 ABGB dartun hätte müssen, daß sie alle ihr zu Gebote stehenden zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft habe, um einen Wasserschaden der vorliegenden Art hintanzuhalten. Diesen Beweis habe sie schon deshalb nicht erbracht, weil sie es durch Jahrzehnte hindurch unterlassen habe, sich vom Zustand der Hauskanalanlage auch nur Kenntnis zu verschaffen. Dieses vollständige Außerachtlassen des Hauskanals habe sie von vorneherein außerstande gesetzt, ihrer Instandhaltungspflicht nach § 129 Abs 2 Wiener Bauordnung nachzukommen, welche Bestimmung eine Schutznorm auch zugunsten der Mieter darstelle. Bei einer sehr alten Kanalanlage sei jedem durchschnittlich sorgsamen Menschen ohne weiters erkennbar, daß sie eine potentielle Gefahrenquelle darstelle. Für das Verschulden des Hausverwalters habe die Beklagte nach § 1313 a ABGB einzustehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Feststellung des Erstgerichtes, es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der fehlerhafte Kanalverschluß die Ursache für den schadenstiftenden Wassereintritt, stellt in Verbindung mit der weiteren Feststellung, der theoretisch nicht auszuschließende Wassereintritt über den Lichthof komme auch wegen der Aussagen von Zeugen nicht in Betracht, einen ausreichenden Beweis über den Kausalzusammenhang dar. Selbst wenn man darin nur einen Anscheinsbeweis erblicken wollte, wäre ein solcher durch die beklagte Partei nicht entkräftet worden, weil sie keine anderen ernstlich in Betracht zu ziehenden Geschehensabläufe aufzeigt. Die theoretisch nicht auszuschließende Möglichkeit, daß auch bei nicht fehlerhaftem Kanalverschluß das ganze Wasser zusammen mit dem übrigen Niederschlagswasser in den Lichthof eingedrungen wäre und dort eine Höhe angenommen hätte, die ein Überlaufen über die Lichthoföffnungen und die Treppe ermöglicht hätte, ist keine solche ernstliche Gegenvariante. Sie beruht auf einer Reihe von unbewiesenen Annahmen, daß nämlich über den Straßenkanal die ganzen zwei Stunden hindurch überhaupt nichts mehr abfließen konnte und daß sich das gesamte auf das Haus der beklagten Partei niedergehende Regenwasser auf jeden Fall im Lichthof gesammelt hätte. Eine solche rein hypothetische Möglichkeit reicht zur Widerlegung des Anscheinsbeweises nicht aus. Noch weniger wird damit dargetan, daß es auch bei fehlerlosem Kanalverschluß auf jeden Fall zum gleichen Schaden gekommen wäre, weil dann das Wasser nicht über den Parteienkeller, sondern über die Stiege eingedrungen wäre. Die Haftung der beklagten Partei beruht auf einer Verletzung der Instandhaltungspflicht nach § 1096 Abs 1 ABGB. Nach dieser Bestimmung hat der Vermieter auch dafür zu sorgen, daß der Mieter nicht durch in sein Bestandobjekt eindringendes Regenwasser in dessen Gebrauch gestört wird. Kommt der Vermieter dieser Verpflichtung nicht nach, so haftet er für den dem Mieter hiedurch entstandenen Schaden, wenn er nicht beweist (§ 1298 ABGB), daß er alle ihm zu Gebote stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat (MietSlg 31.183, 32.170, 33.156; JBl 1987, 250).

Diese Verpflichtung darf sicherlich nicht überspannt werden. Wenn ein vorhandener Baumangel auch bei der üblichen Wartung nicht erkennbar war und daher auch kein Schadenseintritt voraussehbar ist, wäre eine Haftung zu verneinen. In diesem Sinne wurde bei einem morschen Tram die Haftung abgelehnt, wenn noch keine Anzeichen für ein Baugebrechen vorlagen (EvBl 1983/63), ebenso bei einem nicht vorhersehbaren Wasserrohrbruch (MietSlg 34.281), oder dem Haken einer vom Vermieter selbst regelmäßig ohne Anstand benützten Hängematte (1 Ob 600/87). Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um einen geheimen Mangel, sondern man hätte bei einer regelmäßigen Besichtigung des Hauses und einer Überprüfung aller vorhandenen Kanalverschlüsse den nicht mehr sachgerecht verschraubten Kanaldeckel ohne weiteres erkennen können. Wenn die beklagte Partei diese Kontrolltätigkeit einem Hausverwalter oder Hausbesorger übertrug, hat sie gemäß § 1313 a ABGB für ein Verschulden ihres Erfüllungsgehilfen einzustehen (MietSlg 31.183). Der Umstand, daß es bisher noch nie zu einem Wasseraustritt aus dem fraglichen Parteienkeller kam, kann die beklagte Partei nicht entlasten, weil bei besonders starken Niederschlägen immer mit einem Rückstau vom Straßenkanal her zu rechnen ist, ohne daß dies einen Fall der höheren Gewalt darstellt, dem durch nichts begegnet werden kann. Die Gefahr konnte vielmehr auch ohne vorangegangenen Schadensfall ins Bewußtsein treten. Die Behauptung, es seien die Schrauben erst kurz vor dem Schadensfall von dritter Seite entfernt worden, ist neu und überdies nicht bewiesen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 393 Abs 4 ZPO.

Anmerkung

E22584

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0030OB00589.9.1212.000

Dokumentnummer

JJT_19901212_OGH0002_0030OB00589_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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