TE OGH 1990/12/18 4Ob2/91

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Veröffentlicht am 18.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** Gesellschaft mbH, Wien 20., Treustraße 16, vertreten durch Dr.Gerhard Engin-Deniz und Mag.Dr.Christian Reimitz, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Susanne R***, Handelsfrau, Graz, Sparbersbachgasse 53, vertreten durch Dr.Helmut Klement und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 480.000) infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 3.Oktober 1990, GZ 6 R 198/90-14, womit der Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 18. Juni 1990, GZ 9 Cg 143/90-10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 32.311,80 (darin enthalten S 5.385,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin erzeugt und vertreibt ua - vorwiegend zum Einbau in Altbauten bestimmte - Sicherheitstüren.

Die Beklagte hatte von März 1987 bis April 1990 Sicherheitstüren der Klägerin vertrieben und dabei einen Prospekt (Beilage 2) verwendet, auf dessen Titelseite eine von der Klägerin stammende Sicherheitstür unter Hervorhebung ihrer einzelnen Sicherheitsmerkmale abgebildet war. Oberhalb davon standen die Worte "Raschl Sicherheitstüren lassen Einbrechern und Dieben keine Chance"; am unteren Rand derselben Seite war in einem rechteckigen weißen Feld im Schriftbild der Worte "S.Raschl Sicherheitstüren....." das "logo" der Klägerin:

"Geprüftes Wassner Sicherheitstür-System" integriert. Auf Seite 3 dieses Prospektes war ua folgender Satz zu lesen:

"Raschl-Sicherheitstüren sind österreichische Qualitätsprodukte und wurden in Zusammenarbeit mit österreichischen und deutschen Prüfinstituten auf ihre Widerstandsfähigkeit getestet und übertreffen sowohl die ÖNorm B 5338 als auch DIN (Deutsche Industrie-Norm) 18103 EH bei weitem." Seit dem Jahr 1988 vertrieb die Beklagte neben den Türen der Klägerin auch Sicherheitstüren anderer Erzeuger. Sie selbst hat niemals Sicherheitstüren erzeugt. Nachdem die Geschäftsbeziehung der Streitteile abgebrochen worden war, gestaltete die Beklagte den Prospekt für Sicherheitstüren dahin um, daß sie daraus das Bild der Sicherheitstür der Klägerin und den Hinweis auf die Türen der Klägerin entfernte; den auf Seite 3 dieses Prospektes stehenden, oben wiedergegebenen Satz ließ sie hingegen unverändert stehen.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung die Behauptung: "Raschl-Sicherheitstüren sind österreichische Qualitätsprodukte und wurden in Zusammenarbeit mit österreichischen und deutschen Prüfinstituten auf ihre Widerstandsfähigkeit getestet und übertreffen sowohl die ÖNorm B 5338 als auch die DIN (Deutsche Industrie-Norm) 18103 EH bei weitem" in ihrer Werbung, insbesondere in Prospekten, zu verbieten. Die Beklagte habe nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung der Streitteile die beanstandeten Qualitätsangaben aus dem von der Klägerin stammenden Prospekt wörtlich übernommen. Eine Prüfung von Raschl-Sicherheitstüren habe nie stattgefunden, weil es keine (von der Beklagten stammenden) "Raschl-Sicherheitstüren" gebe; nur die Türen der Klägerin seien auf die im Prospekt angegebene Art geprüft worden. Die Werbung der Beklagten verstoße wegen der wörtlichen Übernahme einer Passage aus einem Prospekt der Klägerin gegen § 1 UWG, wegen sachlicher Unrichtigkeit der darin gemachten Qualitätsangaben aber auch gegen § 2 UWG. Sie seien auch deshalb irreführend, weil sie den unrichtigen Eindruck erweckten, daß die Beklagte die Erzeugerin der "Raschl-Sicherheitstüren" sei; fremde Erzeugnisse dürfe aber die Beklagte nicht als "Raschl-Sicherheitstüren" bezeichnen. Während der aufrechten Geschäftsbeziehung der Streitteile habe die Beklagte keine Sicherheitstüren anderer Erzeuger - auch nicht mit Zustimmung der Klägerin - vertrieben.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrages. Sie habe schon immer Sicherheitstüren verschiedener Erzeuger vertrieben und als "Raschl-Sicherheitstüren" bezeichnet; die Klägerin habe von dieser Vorgangsweise Kenntnis gehabt und ihr auch zugestimmt. Die Beklagte habe ihre Werbeprospekte - also auch den Prospekt Blg 2 - stets selbst gestaltet; sie habe daher keine Werbeangabe der Klägerin übernommen. Nach der Beendigung der Geschäftsbeziehung der Streitteile habe die Beklagte lediglich die Hinweise auf die Sicherheitstüren der Klägerin aus dem Prospekt entfernt. Sämtliche von der Beklagten vertriebenen und als "Raschl-Sicherheitstüren" bezeichneten Türen seien geprüft worden; die beanstandete Qualitätsangabe treffe auf alle diese Türen zu. Die Beklagte erzeuge solche Türen zwar nicht selbst; sie erbringe aber die mit dem Handel mit diesen Türen notwendig verbundene Montageleistung, wobei sie Zargen des Erzeugers Alfred R*** verwende. Die Beklagte habe nie behauptet, Erzeugerin dieser Sicherheitstüren zu sein; auch der von ihr verwendete Prospekt erwecke nicht diesen Eindruck. Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Es stellte fest, daß der Werbeprospekt Beilage 2 von der Klägerin stammt und die darin und im Prospekt Beilage 3 enthaltenen Qualitätsangaben auf sämtliche von der Beklagten vertriebenen Sicherheitstüren (anderer Erzeuger) zutreffen. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht daraus, daß eine Übernahme fremder Werbeangaben nicht bescheinigt sei; die bloße Übernahme des beanstandeten Satzes aus einem Prospekt der Klägerin wäre aber auch nicht sittenwidrig.

Die - wahren und nicht irreführenden - Angaben der Beklagten über die Qualität der von ihr vertriebenen Sicherheitstüren verstießen nicht gegen § 2 UWG.

Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es unterließ aus rechtlichen Erwägungen die Behandlung der Tatsachenrüge im Rekurs der Klägerin und vertrat die Rechtsansicht, daß der beanstandete Satz selbst unter der Annahme, daß die darin gemachten Qualitätsangaben den Tatsachen entsprächen, deshalb irreführend im Sinne des § 2 UWG sei, weil er den - unrichtigen - Eindruck erwecke, daß die als "Raschl-Sicherheitstüren" bezeichneten Türen von der Beklagten erzeugt würden. Schon deshalb sei der Sicherungsantrag zur Gänze berechtigt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist schon deshalb zulässig, weil das Rekursgericht den Grundsatz, daß sich das Unterlassungsgebot immer am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren hat (ÖBl 1983, 134 uva), nicht beachtet und auch nicht erkannt hat, daß die Eignung der beanstandeten Werbeangabe, die Verbraucher über die betriebliche Herkunft der Sicherheitstüren irrezuführen, vom Sicherungsantrag nicht erfaßt ist; er ist auch berechtigt.

Der in der Berücksichtigung unzulässiger Neuerungen gesehene Verfahrensmangel liegt allerdings nicht vor: Abgesehen davon, daß die Klägerin schon in erster Instanz behauptet hat, daß der Prospekt Beilage 2 geeignet sei, die angesprochenen Verkehrskreise über die Person des Erzeugers der "Raschl-Sicherheitstüren" in Irrtum zu führen (ON 4 S 19 und 23), begründet die Berücksichtigung unzulässiger Neuerungen durch das Rekursgericht keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens (GZ 1913, 253 uva). Daß das Rekursgericht die gesamte beanstandete Werbeangabe mit der - hiefür nicht ausreichenden - Begründung verboten hat, daß die Bezeichnung "Raschl-Sicherheitstüren" irreführend sei, macht seine Entscheidung auch nicht nichtig im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9, 2.Fall, ZPO, weil dieser Nichtigkeitsgrund nicht einen Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, sondern nur einen solchen im Spruch selbst im Auge hat (EFSlg 44.100); auch der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung (§ 477 Abs 1 Z 9, 1.Fall, ZPO) liegt nicht vor, wenn die Begründung bloß mangelhaft ist (NZ 1902, 301; EFSlg 39.246).

Mit ihren Ausführungen zu der behaupteten Nichtigkeit zeigt die Beklagte jedoch zutreffend auf, daß die angebliche Eignung der beanstandeten Werbeangaben, den Verkehr über die Person des Erzeugers der "Raschl-Sicherheitstüren" in Irrtum zu führen, mit den weiteren Angaben im Prospekt über die Prüfung dieser Türen und deren Ergebnisse in keinem Zusammenhang steht. Die Eignung einer Werbeangabe, der Verkehr über die Person des Erzeugers der angepriesenen Ware in Irrtum zu führen, sagt noch nicht, daß auch damit zusammenhängende, nicht aus an Erzeugereigenschaft abgeleitete (Qualitäts-)Angaben unrichtig sein müßten. Nach ständiger Rechtsprechung hat sich das Unterlassungsgebot stets am konkreten Wettbewerbsverstoß zu orientieren (ÖBl 1983, 134; ÖBl 1980, 46; ÖBl 1971, 45; ÖBl 1971, 49 uva). Irreführende Behauptungen über die Erzeugereigenschaft können daher ein Verbot, Angaben über die Prüfung dieser Erzeugnisse und deren Ergebnisse zu machen, nicht rechtfertigen. Ein Begehren, der Beklagten die Bezeichnung der von ihr vertriebenen Türen als "Raschl-Sicherheitstüren" zu verbieten, wenn aus der Werbung nicht deutlich hervorgeht, daß sie diese Türen nicht selbst erzeugt hat, hat aber die Klägerin - obwohl sie auch diese Irreführungseignung geltend gemacht hat - nicht erhoben. Ob der vorliegende Sicherungsantrag berechtigt ist, hängt daher nur davon ab, ob die Beklagte in sittenwidriger Weise eine Werbemaßnahme der Klägerin nachgeahmt hat (§ 1 UWG) oder ob die beanstandeten Qualitätsangaben unrichtig oder irreführend sind (§ 2 UWG). Diese Fragen können aber ungeachtet dessen, daß das Rekursgericht die Tatsachenrüge der Klägerin nicht behandelt hat, schon jetzt abschließend beurteilt werden:

Die Klägerin macht einen Verstoß gegen § 1 UWG mit der Behauptung geltend, daß die Beklagte den beanstandeten Werbesatz aus einem von ihr stammenden Prospekt unverändert übernommen habe. Die Übernahme eines aus gängigen Wörtern und Wendungen bestehenden Satzes, der keinerlei wettbewerbliche Eigenart aufweist, ist jedoch nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Die Gewährung wettbewerbsrechtlichen Schutzes für bestimmte, nicht unter Sonderrechtsschutz stehende Werbemittel hängt in erster Linie davon ab, ob die Nachahmung der fremden Werbung die Gefahr einer Irreführung des Verkehrs mit sich bringen kann; das wird vor allem dann zutreffen, wenn eine bestimmte Form der Werbung besondere Durchschlagskraft erlangt hat. Die nachgeahmte Werbung muß zumindest eigenartig sein und im Verkehr einen solchen Grad von Bekanntheit erlangt haben, daß man von einem Erinnerungsbild und damit von einem geistigen Fortleben im Gedächtnis des Publikums sprechen kann. Aus der Verwendung üblicher und gängiger Wörter, Sprüche und Gestaltungsmerkmale kann die Sittenwidrigkeit einer Nachahmungshandlung jedenfalls nicht abgeleitet werden; sie weisen keine Eigenart auf, die im Verkehr eine gedankliche Verbindung mit einem bestimmten Unternehmen hervorrufen könnte, und sind daher auch nicht zur Irreführung geeignet (ÖBl 1979, 19; ÖBl 1983, 21). Auch dem hier beanstandeten Werbesatz fehlt die erforderliche wettbewerbliche Eigenart; er bringt lediglich zum Ausdruck, daß die Türen der Beklagten geprüft wurden und bestimmte Qualitätsnormen bei weitem übertreffen. Da die Beklagte schon bisher mit diesem Satz für die von ihr vertriebenen Türen als "Raschl-Sicherheitstüren" geworben hat, besteht im vorliegenden Fall auch aus diesem Grund keine Gefahr von Irreführungen. Von einer unmittelbaren Übernahme einer fremden Leistung kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Aus demselben Grund bedarf es auch nicht einer Feststellung, von wem der beanstandete Satz stammt. Daß das Rekursgericht die Tatsachenrüge nicht behandelt hat, mit der die Feststellung bekämpft wurde, der Werbeprospekt Beilage 2 sei von der Beklagten gestaltet worden, kann somit keinen Verfahrensmangel begründen. Die Feststellung des Erstgerichtes, daß die von der Beklagten vertriebenen Sicherheitstüren anderer Erzeuger den in den Prospekten Beilagen 2 und 3 gemachten Qualitätsangaben entsprachen und weiterhin entsprechen, hat die Klägerin in ihrem Rekurs nur mit der Ausführung bekämpft, die Beklagte habe im Zuge ihrer Vernehmung durch das Erstgericht nicht einmal behauptet (ausgesagt), daß diese Türen auch Sicherheitstüren im Sinne des Prospektes sind. Damit hat aber die Klägerin diese Tatsachenfeststellung nicht wegen unrichtiger Beweiswürdigung angefochten, sondern in Wahrheit den Vorwurf der Aktenwidrigkeit erhoben; dieser ist aber nicht berechtigt, weil die Beklagte ausdrücklich ausgesagt hat, daß alle von ihr vertriebenen Türen die einschlägigen Normen bei weitem übertreffen. Im übrigen hat das Erstgericht diese Feststellung auch mit den vorliegenden Prüfzeugnissen begründet. Warum diese Beweisergebnisse nicht hätten berücksichtigt werden dürfen, ist nicht zu sehen. Ist aber der in diesem Zusammenhang allein erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit nicht berechtigt, dann hat der Oberste Gerichtshof von der eingangs widergegebenen Feststellung auszugehen. Dem Kläger ist damit aber die Bescheinigung der sachlichen Unrichtigkeit der beanstandeten Werbeangabe nicht gelungen. Aus all diesen Gründen war der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen. Die im Provisorialverfahren siegreiche Beklagte hätte gemäß §§ 78, 402 EO, §§ 41, 50, 52 Abs 1 ZPO Anspruch auf Ersatz der Kosten dieses Verfahrens gehabt; da sie jedoch den Kostenvorbehalt des Erstgerichtes nicht bekämpft, vielmehr ausdrücklich die "vollinhaltliche Bestätigung" des Beschlusses der ersten Instanz beantragt hat, kann der Oberste Gerichtshof an dessen Stelle keine andere Kostenentscheidung setzen. Der von der Klägerin in ihrem Rekurs erhobene Vorwurf, daß die Beklagte Kosten des Provisorialverfahrens gar nicht verzeichnet habe, trifft allerdings nicht zu (siehe das Kostenverzeichnis in ON 7 S 33). Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die oben angeführten Gesetzesstellen.

Anmerkung

E22383

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0040OB00002.91.1218.000

Dokumentnummer

JJT_19901218_OGH0002_0040OB00002_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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