TE OGH 1990/12/19 9ObS19/90

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Veröffentlicht am 19.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Jelinek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich und Mag.Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert K***, Arbeiter, Rechnitz, Pointgasse 34, vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A*** V*** W***, Wien 4, Schwindgasse 5, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, und des auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Dr.Peter H***, Rechtsanwalt, Wien 1, Reischachstraße 3, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der D*** Bau Gesellschaft mbH, wegen S 11.527,67 netto, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Juli 1990, GZ 32 Rs 124/90-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 9.Februar 1990, GZ 12 Cgs 511/89-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.2.1983 bis 20.12.1984 als Fassader bei der D*** Baugesellschaft mbH beschäftigt. Diese war bereits ab 1979/1980 nicht mehr in der Lage, in angemessener Frist ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen; sie war regelmäßig Exekutionen ausgesetzt; seit Jänner 1986 wurden 18 Konkursanträge gestellt. Der Kläger klagte am 25.2.1985 den nicht gezahlten Lohn für November und Dezember 1984 in Höhe von S 15.499 sA beim Arbeitsgericht Wien zu 2 Cr 66/85 ein und erwirkte ein dem Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil. Anschließende Exekutionsverfahren blieben wegen bestehender Vorpfandrechte erfolglos.

Am 11.3.1987 stellte der Kläger gemeinsam mit anderen zu 5 Nc 236/87 des Handelsgerichtes Wien einen Konkursantrag unter Hinweis darauf, daß außer ihnen beinahe 20 andere Gläubiger mit zum Teil beträchtlichen Forderungen andrängten, weshalb Zahlungsunfähigkeit vorliege. Nach Zahlung ihrer Kapitalforderungen in Teilbeträgen und der Zusage, daß auch die Zinsen gezahlt werden, zogen sie ihren Antrag am 3.8.1987 zurück. Wegen Nichtzahlung der zugesagten Zinsen stellten sie am 2.3.1988 zu 5 Nc 219/88 erneut einen Konkursantrag. Zu der für am 22.3.1988 anberaumten Tagsatzung erschien niemand. Am 22.4.1988 wurde zu 5 S 45/88 des Handelsgerichtes Wien über das Vermögen der D*** Baugesellschaft mbH der Konkurs eröffnet und Dr.Peter H*** zum Masseverwalter bestellt.

Nach erfolgloser Rückforderung der gezahlten Beträge erhob der Masseverwalter zu 20 Cg 318/88 des Handelsgerichtes Wien gegen den Kläger und andere eine auf § 30 Abs 1 Z 3 KO gestützte Anfechtungsklage, der stattgegeben wurde. Die angefochtenen Zahlungen seien den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. Die Beklagten wurden zur Zahlung der erhaltenen Beträge samt Anhang und Zahlung der Prozeßkosten verpflichtet. Die Zahlungen wurden als nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit erfolgte Befriedigungen qualifiziert, durch welche die Beklagten vor anderen Gläubigern absichtlich begünstigt wurden. Diese Begünstigungsabsicht müsse den Beklagten bekannt gewesen sein, weil sich aus den von ihnen gestellten Konkursanträgen ergibt, daß sie mit einer Befriedigung im exekutiven Weg nicht mehr rechneten und ihnen klar sein mußte, daß durch die offensichtlich zur Abwendung des Konkurses erfolgten Zahlungen andere Gläubiger benachteiligt werden konnten. In der Folge beantragte der Kläger Insolvenz-Ausfallgeld an offenem und rechtskräftig zugesprochenem Lohn für November und Dezember 1984 samt Zinsen, Prozeß- und Exekutionskosten sowie den Kosten für die Forderungsanmeldung im Konkurs. Weiters begehrte er Insolvenz-Ausfallgeld auch für die dem Masseverwalter auf Grund des oben zitierten Urteils des Handlesgerichtes Wien ersetzten Verfahrenskosten von S 6.679,47 und die Kosten der eigenen anwaltlichen Vertretung von S 4.848,20, somit S 11.527,67. Diese Ansprüche lehnte die beklagte Partei mit Bescheid vom 13.12.1989 mit der Begründung ab, daß die in diesem Verfahren entstandenen Kosten nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien, da eine solche den aufrechten Bestand eines zu verfolgenden Rechtes voraussetze und der Antragsteller unterlegen sei. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei zur Zahlung von Insolvenz-Ausfallgeld in der abgelehnten Höhe zu verurteilen.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und wendete ein, dem Kläger sei die Zahlungsunfähigkeit und die Begünstigungsabsicht der beklagten Partei bekanntgewesen; er hätte daher die Zahlung ablehnen oder den vom Masseverwalter geforderten Betrag sofort zurückzahlen müssen, wodurch in beiden Fällen die klagsgegenständlichen Kosten nicht entstanden wären.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Kosten gehörten nur dann zu den gesicherten Ansprüchen, wenn es sich um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten einer gesicherten Forderung handle. Der Ansicht des Berufungswerbers, daß die im § 1 Abs 2 Z 4 IESG aufgezählten Kosten jedenfalls ohne Einschränkung zuzusprechen seien, könne nicht gefolgt werden, weil die grundsätzliche Einschränkung des Kostenersatzes auf das zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Maß ganz allgemein gelte und sonst die Anordnungen des Gesetzgebers gerade für die wichtigsten, beispielsweise aufgezählten Kostenersatzfälle inhaltsleer wären. Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Revision für zulässig zu erkären und die Entscheidung der Vorinstanzen im klagestattgebenden Sinn abzuändern. Die beklagte Partei beantragt, die außerordentliche Revision nicht zuzulassen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Mit Recht macht der Kläger geltend, daß zur Frage, ob die Kosten des im Anfechtungsprozeß unterlegenen Arbeitnehmers zu den nach § 1 Abs 2 Z 4 IESG ersatzfähigen Kosten gehören, eine (ausdrückliche) oberstgerichtliche Judikatur fehlt. Da der Lösung dieser Frage eine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende Bedeutung zukommt, ist die außerordentliche Revision zwar zulässig, doch ist sie nicht berechtigt.

Im Verfahren nach dem IESG sind nur solche Kosten gesichert, die zur Durchsetzung gesicherter Hauptansprüche dienen. Gesichert sind die im § 1 Abs 2 Z 1 bis 3 IESG erwähnten (Haupt-)Ansprüche nur, wenn sie aufrecht und nicht verjährt sind und nicht zu den ausgeschlossenen Ansprüchen zählen. Kosten, die zur Durchsetzung vermeintlicher, objektiv aber nicht aufrechter Ansprüche dienen - wenn also mehr eingeklagt als zugesprochen wurde, auch wenn der besondere Tatbestand einer "offenbaren Überklagung" nicht vorliegt - , sind von vornherein nicht gesichert. Sind Kosten in gemeinsamer Durchsetzung gesicherter und ungesicherter (Haupt-)Ansprüche entstanden, so sind sie selbst nur so weit gesichert, als sie der Durchsetzung gesicherter (Haupt-)Ansprüche gedient haben (Ecolex 1990, 104). Wie bereits erwähnt, hat die beklagte Partei im vorliegenden Fall die Hauptansprüche des Klägers anerkannt; gesicherte Hauptansprüche liegen daher vor.

Gemäß § 1 Abs 2 Z 4 IESG sind jedoch nicht alle Kosten, die dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit gesicherten Hauptforderungen entstanden sind, sondern nur diejenigen zu ersetzen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren; dazu gehören insbesondere auch die rechtskräftig zugesprochenen Prozeß- und Exekutionskosden. die dem Arbeitnehmer zur Durchsetzung und Hereinbringung seiner gesicherten Forderungen entstanden sind. Aus diesem Grund hat die beklagte Partei die dem Kläger aufgelaufenen Prozeß- und Exekutionskosten auf Grund des Versäumungsurteils sowie die Kosten für die Forderungsanmeldung im Konkurs anerkannt. Der Kläger gesteht selbst zu, daß die im § 1 Abs 2 Z 4 lit a bis f IESG aufgezählten Kosten nicht ohne Einschränkung zuzusprechen sind, sondern nur insoweit, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Zutreffend verweist er auch darauf, daß andere als die dort genannten Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und daher gesichert sein können; denn die Aufzählung des § 1 Abs 2 Z 4 lit a bis f IESG ist nur eine demonstrative. Richtig ist auch, daß nicht nur die der Durchsetzung der Ansprüche dienenden notwendigen Kosten gesichert sind, sondern hiezu nach dem Zweck des Gesetzes auch die der Abwehr von Anfechtungsansprüchen dienenden gehören können. Diese Voraussetzungen treffen aber im vorliegenden Fall nicht zu. Ebenso wie die Kosten, die zur Durchsetzung vermeintlicher, objektiv aber nicht aufrechter Ansprüche aufgewendet wurden - wenn also mehr eingeklagt als zugesprochen wurde -, von vornherein nicht gesichert sind (vgl aaO), sind auch jene Kosten, die dem im Anfechtungsprozeß unterlegenen Arbeitnehmer entstanden sind, nicht gesichert. Es ist auch hier vom Erfolgsprinzip auszugehen. Demnach hat der klagende Arbeitnehmer nicht nur die Kosten eines verlorenen oder mit Teilabweisung endenden Prozesses zur Durchsetzung vermeintlicher Ansprüche endgültig zu tragen und sind diese Kosten im Verfahren nach dem IESG nicht gesicherte Ansprüche, sondern hat der im Anfechtungsprozeß beklagte Arbeitnehmer auch das Kostenrisiko eines verlorenen Anfechtungsprozesses endgültig selbst zu tragen und kann diese Kosten nicht als Insolvenz-Ausfallgeld erfolgreich geltend machen. Folgerichtig kann nur eine Kostenforderung des das Anfechtungsbegehren des Masseverwalters erfolgreich abwehrenden Arbeitnehmers eine nach dem IESG gesicherte Forderung sein, wenn sie vom Masseverwalter nicht beglichen werden kann, weil die Masse dazu nicht ausreicht.

Zu einem Kostenzuspruch an den Kläger nach Billigkeit (§ 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG) besteht kein Anlaß, weil der Kläger berücksichtigungswürdige Umstände iS dieser Gesetzesstelle nicht einmal behauptet hat und weil die bereits vorhandene oberstgerichtliche Rechtsprechung erkennen ließ, daß Kosten nur insoweit als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzusehen und hiemit als nach dem IESG gesichert sind, als es sich um Kosten für eine erfolgreiche Prozeßführung handelt.

Anmerkung

E22474

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:009OBS00019.9.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19901219_OGH0002_009OBS00019_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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