TE OGH 1990/12/19 13Os132/90

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Veröffentlicht am 19.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Dezember 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. HÖrburger, Dr. Brustbauer, Dr. Kuch und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfons G*** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Alfons G*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. September 1990, GZ 4 c Vr 6225/90-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik und des Verteidigers Dr. Hartenau, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Juni 1956 geborene beschäftigungslose Alfons G*** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in der Nacht vom 13. zum 14. Juni 1990 in Wien Bargeld in Höhe von 13.348 S und 2.800 S, Barschecks im Gesamtwert von 21.440 S und eine Modelleisenbahngarnitur im Wert von 6.258 S durch Aufdrücken einer Auslagenscheibe, mithin durch Einbruch, Berechtigten der Firma "M***" mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Alfons G*** im Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. In der Mängelrüge (Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer zunächst gegen die (auf seine Täterschaft hinweisende) Urteilsannahme, seine geschiedene Gattin habe anläßlich der Übernahme eines Geldbetrages von 2.600 S in den Morgenstunden des 14. Juni 1990 noch einige weitere Tausendschillingscheine bei ihm gesehen. Diese Feststellung gründe sich lediglich auf nicht "verifizierte" Angaben der Renate G*** "in einem gegen sie geführten Verfahren"; überdies habe sich die Genannte in der Hauptverhandlung der Zeugenaussage entschlagen. Er selbst habe zu diesem Zeitpunkt lediglich einige Hundertschilling-Scheine bei sich gehabt.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu erwidern, daß das Erstgericht im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖJZ-LSK 1987/95 = EvBl 1988/14, ÖJZ-LSK 1987/96 = EvBl 1988/15) berechtigt war, die niederschriftlichen Angaben der Renate G*** vor dem Bezirkspolizeikommissariat Ottakring am 15.Juni 1990 (S 35) trotz Ausübung ihres Entschlagungsrechtes in der Hauptverhandlung (§ 152 Abs. 1 Z 1 StPO) gemäß dem § 252 Abs. 2 StPO zu verlesen und bei der Beweiswürdigung zu verwerten. Dies umsomehr, als diese Verlesung "einverständlich" (S 282) vorgenommen wurde (§ 252 Abs. 1 Z 4 StPO). Zudem wurden in den Urteilsgründen (insbesondere) mit dem Hinweis auf die Widersprüchlichkeit der Verantwortung des Angeklagten und das von ihm nach Schluß des Beweisverfahrens abgelegte Geständnis eine Reihe weiterer durchaus tauglicher Argumente angeführt, auf Grund deren die Tatrichter in Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse die Darstellung des Angeklagten (insgesamt) als unglaubwürdig abgelehnt haben, sodaß seine Täterschaft keineswegs ausschlaggebend auf die Aussage der Zeugin G*** (verheiratete A***) gestützt wurde. Mit dem Hinweis aber auf seine Verantwortung ficht der Beschwerdeführer nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter an.

In bezug auf die Annahme der Qualifikation des § 129 Z 1 StGB entscheidenden Konstatierungen vermißt der Beschwerdeführer unberechtigtermaßen jegliche Begründung. Denn die Feststellungen, wonach der Angeklagte die Auslagenscheibe des Geschäftslokals der Firma "M***" in 1210 Wien, Brünnerstraße 34-38, unter Verursachung bloß geringfügiger Beschädigungen aufgedrückt und eine versperrte Handkasse gewaltsam geöffnet hat, sind - den Beschwerdeausführungen zuwider - in der Zeugenaussage des Peter K*** (S 85, 279) in Verbindung mit den Polizeierhebungen (S 47) gedeckt. Auch insoweit liegt kein Begründungsmangel (Z 5) vor. Dem Einwand in der Subsumtionsrüge (Z 10), das bloße Aufdrücken einer Auslagenscheibe stelle die Qualifikation des § 129 Z 1 StGB nicht her, ist zu erwidern, daß Einbruch im Sinne dieser Gesetzesstelle nur die Anwendung nicht ganz unerheblicher Körperkraft oder von Werkzeugen zur Beseitigung eines dem Diebstahl entgegenstehenden Umschließungshindernisses erfordert, nicht aber voraussetzt, daß die gewaltsame Einwirkung eine Substanzverletzung der betroffenen Sachen zur Folge hat (ÖJZ-LSK 1977/40, 1983/123 ua). So gesehen entspricht die Anwendung körperlicher Gewalt, um unter Überwindung nicht unerheblichen Widerstandes, die mit einer, wenn auch geringfügigen, Beschädigung verbundene Öffnung einer Auslagenscheibe zu erzwingen, bei der vorliegenden Fallkonstellation durchaus den Merkmalen eines Einbruches iS des § 129 Z 1 StGB. Hiezu kommt, daß den Urteilsannahmen zufolge vom Angeklagten eine versperrte Handkasse gewaltsam geöffnet (S 290), mithin ein Behältnis aufgebrochen wurde, sodaß ihm jedenfalls die Qualifikation der Z 2 des § 129 StGB anzulasten wäre.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 129 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zehn einschlägigen Vorstrafen, als mildernd hingegen die Selbststellung. Dem in der Hauptverhandlung nach Schluß des Beweisverfahrens abgelegten Geständnis maß es nahezu kein Gewicht bei, weil dieses aus prozeßtaktischen Erwägungen abgelegt worden sei. Mit seiner Berufung begehrt Alfons G*** eine Ermäßigung der Freiheitsstrafe; sein Geständnis sei sehr wohl als Milderungsgrund zu werten wie auch der Umstand, daß er medikamentenabhängig und durch den Tod seines Sohnes psychisch belastet sei. Der Berufung kommt Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat zwar zu Recht das in der Hauptverhandlung (aber erst nach Schluß des Beweisverfahrens) abgelegte Geständnis nicht als wesentlich strafmildernd gewertet, weil dieses - wie die Tatrichter zutreffend erkannten - offensichtlich bloß aus taktischen Erwägungen und keinesfalls aus echter Reue abgelegt wurde. Da der Sohn des Berufungswerbers ersichtlich erst nach der Tat verstorben ist (vgl ON 52 und 53), kann auch diesem Umstand mildernde Wirkung nicht zuerkannt werden. Medikamentenabhängigkeit schlechthin ist aber - dem Berufungsvorbringen zuwider - kein Milderungsgrund. Wohl aber kommt dem Angeklagten zugute, daß ein Teil der Diebsbeute sichergestellt wurde.

Unter Abwägung der etwas zum Vorteil des Berufungswerbers berichtigten Strafzumessungsgründe und bei Berücksichtigung des Wertes der Diebsbeute erweist sich eine Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten als tätergerecht und schuldangemessen. Aus all diesen Erwägungen war spruchgemäß zu erkennen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E22533

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0130OS00132.9.1219.000

Dokumentnummer

JJT_19901219_OGH0002_0130OS00132_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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