TE OGH 1990/12/20 5Ob46/90

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Veröffentlicht am 20.12.1990
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz B*** Gesellschaft mbH, Steinmetzbetrieb, Tribuswinklerstraße 12, 2514 Traiskirchen, vertreten durch Dr.Edmund Pointinger, Rechtsanwalt in Bad Hall, wider die beklagten Parteien

1.) Ing.Norbert S***, Bauingenieur und 2.) Wienczyslawa S***, Unternehmerin, beide Brigittenauer Lände 48/10, 1200 Wien, beide vertreten durch Dr.Joachim Meixner und Dr.Josef Schima, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 23.Februar 1990, GZ R 907/89-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schladming vom 17.Juli 1989, GZ C 27/88-17, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 3.263,04 (einschließlich S 543,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist zu 44/3211 Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 253 des Grundbuches Ennsling (als Berghotel bezeichnetes Appartementhaus "Dachsteinblick" mit 72 Wohnappartements), womit Wohnungseigentum am Appartement 15/B verbunden ist. Die Beklagten sind Miteigentümer zu 1983/3211 Anteilen, mit denen Wohnungseigentum an verschiedenen Apppartements verbunden ist. Darüber hinaus ist die Zweitbeklagte schlichte Miteigentümerin von 484/3211 Anteilen. 17 andere Miteigentümer haben 744/3211 Anteile, mit denen gleichfalls Wohnungseigentum an einzelnen Appartements verbunden ist. Der Erstbeklagte ist Verwalter der Liegenschaft. Im Erdgeschoß des Hauses sind ein großer Speisesaal, eine installierte größere Küche, ein sogenanntes Stüberl, eine Hausbar, Diskothek, Sauna, Solarium und eine Rezeption als Gemeinschaftseinrichtungen der allgemeinen Benützung gewidmet. Der Kläger stellte zuletzt (ON 16, AS 50) das Klagebegehren, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, die ausschließliche Benützung der der Allgemeinbenützung dienenden Räumlichkeiten dieser Liegenschaft, insbesondere der Gemeinschaftseinrichtungen (unter Anführung der oben genannten Räume) zu unterlassen. Die klagende Partei begründet dieses Begehren damit, die Beklagten benützten ohne Benützungsregelung und ohne einstimmigen Beschluß der Miteigentümer diese Räumlichkeiten ausschließlich, unter anderem zum Betrieb eines Beherbergungsunternehmens bzw eines Hotelbetriebes (ON 1 und 16). Die Beklagten wendeten ein, für die klagende Partei und die übrigen Wohnungseigentümer sei eine Nutzung der im Klagebegehren genannten Räumlichkeiten in keiner Weise eingeschränkt. Die Führung eines Hotelbetriebes sei vertraglich vorgesehen, im Interesse aller Miteigentümer und beruhe auf einem einstimmigen Beschluß der Miteigentümer (ON 2 und 16, AS 51).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen zusätzlich zu den eingangs angeführten Tatsachen folgenden Sachverhalt fest:

Es war von Anfang an vertraglich vorgesehen, daß im Hause ein Hotelbetrieb geführt wird, dem die Appartements, soweit sie nicht vom Wohnungseigentümer oder seinen Angehörigen selbst benützt werden, jeweils gegen Entgelt zur Verfügung gestellt werden sollen. Im Punkt III. des notariellen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages vom 20./27.7.1983, mit dem die klagende Partei ihre Miteigentumsanteile und das damit verbundene Wohnungseigentum erwarb, ist hinzugefügt, daß zum "Wohnflächenanteil" ein "Nutzflächenanteil an den gemeinsam benützten Räumlichkeiten des Objektes, wie z.B. Speisesaal, Hausbar, Saune und dgl kommt". Die Ankündigung im Punkt VII. des Vertrages, "die sich aus der Führung des geplanten Hotelbetriebes ergebenden Fragen und Abmachungen werden in einer gesonderten Vereinbarung geregelt", ist bisher nicht verwirklicht worden. Nach einem Beschluß in der Eigentümerversammlung vom 10.12.1985, an der sich jedoch nicht alle Miteigentümer beteiligt hatten, war der "Gastronomiebetrieb" in dem in der Zwischenzeit fertiggestellten Haus bis 30.4.1987 an eine Familie M*** verpachtet. Anschließend haben die beiden Beklagten selbst in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes die Führung des Hotels als einen eigenen Betrieb übernommen, und zwar nicht nur mit den in ihrer Verfügung stehenden Appartements als Beherbergungsunternehmen - die anderen Miteigentümer wurden von der vertraglichen Verpflichtung zur Beistellung ihrer Eigentumswohnungen an das Hotelunternehmen entbunden -, sondern auch samt den für die allgemeine Benützung als Gemeinschaftseinrichtung gewidmeten, im Klagebegehren einzeln angeführten Räumlichkeiten, wobei nach den aufgenommenen Beweisen im besonderen der Speisesaal, das Stüberl, der als gewerbliche Küche eingerichtete Küchenraum und die Hausbar von den Beklagten für die gewerbsmäßige Verabreichung von Speisen und Getränken an die Wohnungseigentümer, Mieter und ihre Angehörigen verwendet werden. Der Speisesaal, das Stüberl und die Rezeption sind stets (auch) für die anderen Miteigentümer offen. In die Küche gibt es keinen freien Zutritt. Die Sauna und das Solarium haben beschränkte Öffnungszeitungen und sind ansonsten auf Weisung der Beklagten gesperrt. Die Diskothek und die Hausbar sind von 16.00 Uhr bis 24.00 Uhr offen und in der übrigen Zeit in der Regel geschlossen. Rechtlich führte das Erstgericht aus, daß das auf Unterlassung der ausschließlichen Benützung der allgemeinen Benützung dienenden Räumlichkeiten nicht berechtigt sei, weil die im Klagebegehren genannten Räumlichkeiten zumindest zeitweise auch für die Benützung durch andere Miteigentümer (neben den Beklagten) offenstünden. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannte, es zu unterlassen, auf der genannten Liegenschaft die als Gemeinschaftseinrichtung gewidmeten Räumlichkeiten (wie im Klagebegehren aufgezählt) zu dem Zwecke zu nutzen, um in diesen Räumlichkeiten einen gastgwerblichen Betrieb in Form der Verabreichung von Speisen und Getränken im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu führen.

Das Berufungsgericht stellte aus dem Akt C 24/88 und Msch 11/82 des Bezirksgerichtes Schladming zusätzlich fest, daß bei der Nutzwertbestimmung nach den §§ 3 ff WEG für die im Klagebegehren angeführten Räumlichkeiten keine Nutzwerte festgesetzt wurden.

Rechtlich führte das Berufungsgericht folgendes aus:

In Wahrheit sei zwischen den Parteien strittig, ob sich die Beklagten an den in der Klage genannten Räumlichkeiten durch Führung eines gastgewerblichen Betriebes eine Sondernutzung anmaßten. Daß eine ausschießliche Benützung dieser Räume durch die Beklagten im (strengen) Sinn des Wortlautes des Klagebegehrens nicht vorliege, sei ja in Wahrheit gar nicht strittig und stelle nicht den wirklichen Streit der Parteien dar. Diese Formulierung des Klagebegehrens allein dürfe daher nicht zur Abweisung der Klage ohne Rücksicht auf den wahren damit ausgetragenen Streit führen. Stelle man aber die Entscheidung auf den wirklichen Streitgegenstand ab, so sei das Klagebegehren in dem Spruch enthaltenen Ausmaß gerechtfertigt. Zutreffend mache nämlich die klagende Partei geltend, daß die Beklagten ohne einen hiefür erforderlichen einstimmigen Beschluß aller Miteigentümer die genannten Räumlichkeiten in Sondernutzung für sich beanspruchen, in dem sie allein von ihnen für die Betriebsführung verwendet werden. Der gegen die Eigenmacht der Beklagten gerichtete Abwehranspruch der anderen Miteigentümer könne auch von einem Minderheitseigentümer allein geltend gemacht werden.

Bei der Fassung des Urteilsspruches eliminierte das Berufungsgericht wegen des im § 226 ZPO und § 7 Abs 1 EO normierten Erfordernisses der Bestimmtheit die Worte ...."der Allgemeinbenützung dienenden" und ..."insbesondere".... Im übrigen wurden, gleichfalls wegen dieses Erfordernisses, Verteutlichungen eingeflochten, so vor allem hervorgehoben, zu welchem konkreten Zweck die Beklagten eine Sondernutzung der Räumlichkeiten zu unterlassen haben, wobei die Worte "in Form der Verabreichung von Speisen und Getränken" der Klarstellung dienen, daß den Beklagten die Führung eines reinen Beherbergungsunternehmens durch Vermietung der ihnen zur Verfügung stehenden Appartements und in diesem Zusammenhang auch eine Verwendung der klagsgegenständlichen Räumlichkeiten, insbesondere der Rezeption, für einen Aufenthalt und eine sonstige Betreuung der Mieter nicht untersagt wird. Aus dem Vertrag, insbesondere aus der darin hervorgehobenen Konzeption des Hauses als Appartementhotel, ergibt sich, daß vertraglich ein solcher Beherbergungsbetrieb grundsätzlich vorgesehen ist, wobei allerdings auch die anderen Miteigentümer berechtigt sind, ihre Appartements zu vermieten und die klagsgegenständlichen Räumlichkeiten für einen Aufenthalt ihrer Mieter zu verwenden. Soweit also die berufungsgerichtliche Fassung des Spruches eine Einschränkung gegenüber dem Klagebegehren und demnach ein Mehrbegehren beinhaltet, ist es abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Der Wortlaut des Klagebegehrens ist zwar auf die Unterlassung der ausschließlichen Benützung gewisser, der Allgemeinbenützung dienenden Räume gerichtet. Das diesem Begehren zugrundeliegende Sachvorbringen zeigt aber, daß der Streit zwischen den Parteien in Wahrheit auf die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrundegelegte alleinige Benützung durch die Beklagten durch Führung eines Restaurationsbetriebes und eines Beherbergungsbetriebes geht. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber das Klagebegehren so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klagserzählung vom Kläger gemeint ist (EvBl 1964/187 ua). Bei Prüfung des Urteilsantrages ist nicht vom starren Wortlaut des Begehrens auszugehen. Maßgeblich ist, welchen Ausspruch des Gerichtes der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt (7 Ob 2/89), so daß bei Fassung des Urteilsspruches nicht nur der Wortlaut des Klagebegehrens, sondern auch der Inhalt der Prozeßbehauptungen des Klägers, auf die sich das Begehren stützt, zu beachten ist (ÖBl 1980, 128 ua). Die vom Berufungsgericht vorgenommene geänderte Fassung des Urteilsspruches ist daher in Wahrheit nichts anderes als eine Konkretisierung des allgemein gefaßten Begehrens in der Klage durch Berücksichtigung der der Klage zugrunde liegenden Tatsachenbehauptungen. Dies führte zum Teil - wie im Spruch des berufungsgerichtlichen Urteiles enthalten - zur Stattgebung der Klage, im übrigen zur Abweisung. Eine Mangelhaftigkeit des berufungsgerichtlichen Verfahrens ist daher in der vom Wortlaut des Klagebegehrens abweichenden Formulierung des Urteilsspruches nicht gegeben. Auch im übrigen liegen die behaupteten Mängel des Verfahrens nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Gemäß § 14 Abs 1 WEG gilt für die Verwaltung der Liegenschaft das 16.Hauptstück des zweiten Teiles des ABGB mit den im WEG bestimmten Besonderheiten. Eine solche Besonderheit besteht bezüglich der Regelung der Verwendung derjenigen Teile der Liegenschaft, an denen nicht Wohnungseigentum besteht oder trotz abgesonderter Benützbarkeit nicht bestehen kann, insofern, als die Vermietung solcher Teile an einen Dritten zu den Angelegenheiten gehört, in denen die Mehrheit entscheidet. Die Benützungsregelung unter Miteigentümern hingegen ist eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB, der gemäß § 14 Abs 1 WEG auch unter Wohnungseigentümern anzuwenden ist. Die Beanspruchung der im Urteilsspruch genannten Räume durch die Beklagten zur Führung eines Restaurationsbetriebes im eigenen Namen und auf eigene Rechnung samt der damit verbundenen Bestimmung der Zeiten, zu welchen bestimmte Einrichtung benützt werden können, ist die Beanspruchung des Alleingebrauchsrechtes dieser Teile der Liegenschaft. Eine solche Beanspruchung ist eine wichtige Veränderung im Sinne des § 834 ABGB, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedarf. Der Mangel des Einverständnisses der anderen Miteigentümer kann nur durch Entscheidung des Außerstreitrichters ersetzt werden. Mangels einer solchen einvernehmlichen oder gerichtlich getroffenen Benützungsregelung erfolgt der Eingriff in das gemeinsame Eigentum der übrigen Wohnungseigentümer eigenmächtig (MietSlg 31.055). Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß bereits im Wohnungseigentumsvertrag die Führung eines Hotelbetriebes vorgesehen war. Die nähere Regelung blieb nämlich auch dort einem besonderen Übereinkommen der Miteigentümer vorbehalten. Selbst aus den von den Beklagten vorgelegten Urkunden (Protokolle über Eigentümerversammlungen) geht kein einstimmiger Beschluß aller Miteigentümer im Sinne des Vorbringens der Beklagten hervor. Durch die bloße Zusendung der Protokolle an Miteigentümer wird trotz Unterlassens eines Widerspruches kein einstimmiger Beschluß bewirkt. Für die Annahme einer konkludenten Zustimmung durch anderes Verhalten fehlen Behauptungen.

Zur Abwehr des rechtswidrigen Eingriffes der Beklagten ist jeder Miteigentümer für sich allein berechtigt (MietSlg 30.085/30, 35.602/16, 36.646/30 ua).

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Kostenbemessungsgrundlage ist weiterhin der in der Klage angegebene Streitwert von S 20.000 nicht der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes.

Anmerkung

E22612

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0050OB00046.9.1220.000

Dokumentnummer

JJT_19901220_OGH0002_0050OB00046_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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