TE OGH 1991/1/16 2Ob632/90

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Veröffentlicht am 16.01.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Friedrich Willheim, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Kurt Asamer, Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, und deren Nebenintervenientin *****, vertreten durch Dr. Georg Reiter, Dr. Gabriele Brandweiner-Reiter, Dr. Christoph Brandweiner, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 505.362,40 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei und deren Nebenintervenientin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5. September 1990, GZ 13 R 17/90-19, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 1. März 1990, GZ 9 Cg 87/89-14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Den Rekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 33.537,60 (darin enthalten S 5.589,60 an Umsatzsteuer), sowie der Nebenintervenientin die mit S 33.548,40 (darin enthalten S 5.591,40 an 20 %iger Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin brachte vor, von der Firma ***** beauftragt worden zu sein, den dieser von der Gemeinde Lustenau erteilten Auftrag zur Einrichtung eines Mehrzweckzentrums zu erfüllen. Der Leiter der Innsbrucker Filiale der Klägerin habe sich an die Beklagte gewandt und habe sich von dieser einen Stoff anbieten lassen, der bestimmte Eigenschaften haben mußte. Es sei sogleich darauf hingewiesen worden, daß unabdingbare Voraussetzung die B 1 (flammenhemmende) Qualifikation wäre. Die Beklagte habe den Stoff "St. Anna" angeboten und ein Zertifikat über die verlangte Eigenschaft in Aussicht gestellt. Aufgrund der Empfehlung der Beklagten seien 375 lm des Stoffes St.Anna bestellt worden, auf dem Bestellschein scheine ausdrücklich der Hinweis

"B 1-flammhemmend ausgerüstet" auf. Die Lieferung des Stoffes sei an die deutsche Schwestergesellschaft der Klägerin, die Firma ***** in Frankenberg/BRD, erfolgt. In der Folge habe sich jedoch herausgestellt, daß der gelieferte Stoff entgegen der erteilten Bestellung und auch entgegen den Angaben der Beklagten nur die Brennbarkeitsklasse "B 3" aufgewiesen habe. Die Klägerin habe die vom Bürgermeister der Gemeinde Lustenau erhobene Mängelrüge unverzüglich an die Beklagte weitergeleitet und sie aufgefordert, Lösungsvorschläge zu machen. Die Beklagte habe sich aber auf den Standpunkt gestellt, ordnungsgemäß geliefert zu haben. Der von der Beklagten empfohlene Stoff sei als reine Kunstfaser für den vom Bauherrn bedungenen Zweck minder geeignet gewesen. Da die Beklagte als Fachmann auf diesen Umstand nicht hingewiesen habe, habe sie ihre Beratungs- und Informationspflicht verletzt. Das Verschulden der Beklagten liege darin, daß sie die Klägerin nicht entsprechend über die Qualität des Stoffes aufgeklärt und die Ware nicht entsprechend kontrolliert habe, sowie in der mangelnden Auswahl des Ausrüstungsunternehmens. Im Hinblick auf die Drohung des Bürgermeisters der Gemeinde Lustenau, den Mangel durch Fremdfirmen beheben zu lassen, habe die Klägerin die geforderten Sanierungsarbeiten durchführen müssen, wodurch ein Aufwand in der Höhe des Klagsbetrages entstanden sei, für den die Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes aufzukommen habe.

Die Beklagte und deren Nebenintervenientin wendeten ein, der gelieferte Stoff habe die Brennbarkeitsklasse "B 1-flammhemmend" aufgewiesen. Der Stoff sei von der Nebenintervenientin über Auftrag der Beklagten fachgerecht mit dem flammhemmenden Mittel Flacavon B 45 ausgerüstet worden. Wenn später der Stoff die flammhemmende Eigenschaft "B 1" nicht mehr aufgewiesen habe, sei dies auf die nicht sachgerechte Reinigung der Sessel mit Wasser zurückzuführen. Die Klägerin sei ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Rüge eines allfälligen Mangels nicht nachgekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Klägerin hat als Subunternehmen der Firma ***** bei der Beklagten einen Stoff, der die Voraussetzung der flammhemmenden Qualifikation "B 1" haben mußte, für den Bezug der Stühle der Mehrzweckhalle in Lustenau bestellt; die Lieferung sollte an die Firma ***** in Frankenberg/BRD erfolgen. Die Beklagte ließ den Stoff bei der Firma ***** flammhemmend ausrüsten. Das dazu verwendete Mittel Flacavon B 45 ist wasserlöslich, sodaß es bei Behandlung des Stoffes mit Wasser zu einer Verringerung der flammhemmenden Wirkung kommen kann. Die Beklagte hat von dem gelieferten Stoff einen Meter abgeschnitten und an

das Österreichische Textilforschungsinstitut zur Prüfung der Brennbarkeit übersandt. Sie hat selbst einen Fadentest vorgenommen und festgestellt, daß es sich um flammhemmenden Stoff handelt. Im Gutachten des Österreichischen Textilforschungsinstitutes vom 1.4.1987 wurde der Stoff als "B 1-schwer brennbar" eingestuft. Die Lieferung an die Firma ***** in Deutschland erfolgte am 23.3.1987. Die Klägerin hat die gelieferte Ware auf ihre Brennbarkeit nicht überprüft. Erst aufgrund von Hinweisen des Bürgermeisters von Lustenau wurde ein Gutachten eingeholt und festgestellt, daß der Stoff nicht die Brennbarkeitsklasse B 1, sondern nur die Klasse B 3 aufweise. Im Oktober 1987 wendete sich die Klägerin wegen dieses Mangels an die Beklagte, diese war zur Lieferung eines Ersatzstoffes nur gegen Zahlung bereit. Der Klägerin sind Schäden in der Höhe des Klagsbetrages entstanden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß es sich bei der Zusicherung der Eigenschaft "B 1-flammhemmend" um eine Gewährleistungsabrede handle, nicht aber um einen echten Garantievertrag. Nach Lieferung der Ware sei der Klägerin der Mangel im Spätsommer 1987, jedenfalls aber am 23.12.1987 nach Vorliegen des Gutachtens des Textilinstitutes Dornbirn bekannt gewesen. Zumindest mit diesem Zeitpunkt habe die 6monatige Gewährleistungsfrist zu laufen begonnen, diese Frist sei bei Einbringung der Klage am 3.3.1989 bereits abgelaufen gewesen. Schadenersatzansprüche könne die Klägerin nicht geltend machen, da der Beklagten der Beweis ihrer Schuldlosigkeit gelungen sei. Die Beklagte habe den gelieferten Stoff untersuchen lassen, es sei ihr bestätigt worden, daß die Brennbarkeitsklasse B 1 gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß der Berufung der Klägerin Folge, es hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück; es wurde ausgesprochen, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß zwischen den Streitteilen ein Kaufvertrag abgeschlossen worden sei, gemäß § 377 HGB habe die Klägerin die unverzügliche Rügepflicht getroffen. Bei der Zusicherung bestimmter Eigenschaften - im vorliegenden Fall Ausstattung des Stoffes "flammhemmend B 1" - werde das Fehlen zugesicherter Eigenschaften, wenn der Mangel nicht offensichtlich sei, wie ein versteckter Mangel behandelt und der Käufer von der Untersuchungspflicht befreit; es bleibe lediglich die sofortige Rügepflicht bei Entdeckung des Mangels bestehen. Da das Fehlen der Brennbarkeitsklasse B 1 kein offensichtlicher Mangel sei und auch durch eine einfache Fadenprobe nicht festgestellt werden könne, habe die Klägerin eine Untersuchungsobliegenheit im Sinne des § 377 HGB nicht getroffen. Das Fehlen der Brennbarkeitsklasse B 1 habe sich erst nach Vorliegen der Gutachten vom 30.12.1987 und 7.1.1988 herausgestellt, die bereits am 23.12.1987 erhobene Mängelrüge sei daher rechtzeitig. Zum Zeitpunkte der Klagseinbringung am 3.3.1989 sei aber die 6monatige Frist des § 933 Abs.1 ABGB bereits abgelaufen gewesen, sodaß die Klägerin keine Gewährleistungsansprüche mehr geltend machen könne. Da die Klägerin die Ware bereits übernommen habe, habe sie auch keine Ansprüche wegen Nichterfüllung gemäß § 918 ff ABGB. Als Rechtsgrund für das Klagebegehren komme daher nur mehr Schadenersatz in Frage, wobei nach neuester oberstgerichtlicher Judikatur zwischen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüchen volle Konkurrenz bestehe. Der Unternehmer, für den der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB gelte, habe sich vom Vorwurf schuldhafter Vertragsverletzung freizubeweisen (§ 1298 ABGB). Eine Verletzung der Informations- bzw. Aufklärungspflicht liege aber nicht vor, da die Brennbarkeitsklasse B 1 bei entsprechender Dosierung des Mittels Flacavon 45 auch bei dem von der Beklagten verwendeten Stoff zu erzielen sei. Auch der in der nicht entsprechenden Kontrolle des Stoffes durch die Beklagte vor Lieferung an die Klägerin liegende Schuldvorwurf sei unbegründet. Die Beklagte habe ein Stück des an die Klägerin zu liefernden Stoffes testen lassen, man habe ihr als Ergebnis mitgeteilt, daß die Brennbarkeitsklasse B 1 gegeben sei. Der Beklagten sei daher der Beweis ihrer Schuldlosigkeit für den Fall des Fehlens der zugesagten Eigenschaft gelungen. Allerdings sei die Nebenintervenientin bezüglich der flammhemmenden Ausrüstung des von der Beklagten gelieferten Stoffes deren Erfüllungsgehilfin. Die Beklagte habe daher gemäß § 1313 a ABGB für allfälliges Verschulden der Nebenintervenientin wie für eigenes einzustehen und die Schuldlosigkeit der Nebenintervenientin zu beweisen. Die Klägerin habe behauptet, daß die Nebenintervenientin bei der flammhemmenden Ausrüstung des Stoffes das verwendete Mittel nicht entsprechend den Vorschriften der Herstellerfirma dosierte und deshalb die vereinbarte Brennbarkeitsklasse B 1 nicht erreicht wurde. Die dafür angebotenen Beweise habe das Erstgericht, ausgehend von einer vom Berufungsgericht nicht geteilten Rechtsansicht, nicht aufgenommen, weshalb das erstinstanzliche Verfahren mangelhaft geblieben sei.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes ist eine erhebliche Rechtsfrage deshalb gegeben, da in der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage, ob der Zulieferer eines Verkäufers dem Käufer gegenüber als Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 1313 a ABGB anzusehen ist, von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes abgewichen wurde.

Gegen diesen Beschluß erhoben die Beklagte und deren Nebenintervenientin Rekurs mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht den Auftrag zu erteilen, in der Sache durch Urteil zu entscheiden.

Die Klägerin beantragte, den Rekursen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rekurse sind berechtigt.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß auf den vorliegenden Fall die Rechtsvorschriften über den Handelskauf Anwendung finden. Demgemäß trifft den Käufer in der Regel die Verpflichtung, die Ware unverzüglich nach der Ablieferung, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen (§ 377 Abs.1 HGB). Unterläßt er dies, gilt die Ware als genehmigt (§ 377 Abs.2 und 3 HGB). Die gesetzliche Fiktion der Genehmigung tritt ohne Rücksicht auf den Parteiwillen in Kraft und bedeutet nicht nur den Verlust von Gewährleistungsansprüchen, sondern aller aus dem Mangel der Ware abgeleiteter Rechte (HS 10.854 = JBl. 1979, 34 = SZ 50/93). Das gilt auch für das Recht auf Irrtumsanfechtung (HS 10.857) und für Schadenersatzansprüche, die sich auf die Verletzung des Vertrages und die Beschaffenheit der Ware gründen (SZ 50/93; 8 Ob 524/81; 3 Ob 535/90 uva). Der Ansicht von Elisabeth Bydlinski (Mängelrüge und Schadenersatz, RdW 1989, 152 ff), wonach es vertretbar sei, Schadenersatzansprüche der Rügeobliegenheit des § 377 HGB nicht zu unterwerfen, vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Die ratio der §§ 377, 378 HGB liegt zum Teil im Schutz der Dispositionssicherheit des kaufmännischen Verkäufers; hiezu kommt das Argument der Beweisnot: "Der Verkäufer soll angesichts der Beweisnot, in die er mit zunehmendem Zeitablauf zu geraten droht, in die Lage versetzt werden, möglichst bald den Beanstandungen durch den Käufer nachzugehen, gegebenenfalls Beweise sicherzustellen." (Kramer in Straube, HGB, §§ 377, 378, Rz 2 mwN). Gerade der vorliegende Fall zeigt die Sinnhaftigkeit der Obliegenheit zur sofortigen Untersuchung und Rüge der Mängel. Wäre der von der Beklagten gelieferte Stoff sofort untersucht worden und hätten sich dabei Mängel herausgestellt, so wäre vermutlich die weitere Verarbeitung unterblieben. Es hätten die aufgetretenen Beweisschwierigkeiten verhindert werden können, der Schaden wäre wesentlich geringer gewesen.

Behauptungen dahingehend, daß die Beklagte einen Mangel arglistig verschwiegen hätte, hat die Klägerin nicht aufgestellt, auch der festgestellte Sachverhalt bietet dafür keinerlei Anhaltspunkte; nach den Feststellungen ist vielmehr davon auszugehen, daß der Beklagten selbst allfällige Mängel nicht bekannt waren.

Auch das Vorliegen eines echten Garantievertrages, der die Klägerin von der Rügepflicht befreien und eine selbständige Verpflichtung begründen würde (siehe hiezu SZ 53/164), wurde nicht behauptet. Es liegt aber auch kein unechter Garantievertrag ("Garantiezusage") vor, da die dispositiven Normen des Gewährleistungsrechtes durch die Parteien nicht modifiziert wurden (siehe Koziol-Welser8 I 252; Reischauer in Rummel2 Rz 5 zu §§ 922, 923; Schwimann/Binder, ABGB, IV/1, Rz 20 zu §§ 922, 923). Vielmehr stellt die Vereinbarung, der zu liefernde Stoff müsse die Eigenschaft "B 1-flammhemmend" aufweisen, nichts anderes als die Festlegung einer bestimmten Eigenschaft dar (Reischauer, aaO). Ohne eine derartige Vereinbarung würde das Fehlen dieser Eigenschaft - wenn sie nicht im Verkehr gewöhnlich vorausgesetzt wird (§ 922 ABGB) - keinen Mangel bedeuten.

Die Rüge hat unverzüglich nach Ablieferung der Ware zu erfolgen. Die Ablieferung ist bewirkt, wenn sie an den Käufer oder an eine von ihm bezeichnete Empfangsstelle erfolgt (Brüggemann in Großk4, Rz 32 zu § 377 HGB). Die Rügepflicht entfällt nicht allein dadurch, daß eine bestimmte Eigenschaft der Sache im Vertrag zugesichert war (SZ 50/93; HS 10.857; SZ 53/164 = HS 10.868; 8 Ob 579/86). Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, bei Zusicherung bestimmter Eigenschaften sei deren Fehlen, wenn der Mangel nicht offensichtlich sei, wie ein versteckter Mangel zu behandeln und der Käufer sei von der Untersuchungspflicht befreit, ist nicht zutreffend. Diese Ansicht würde bei einfachen Qualitätsversprechen die sofortige Untersuchungs- und Rügepflicht geradezu obsolet machen. Die gebotene Untersuchung ist ja das steuernde Element der Rügeobliegenheit. Die Unterscheidung zwischen offenen Mängeln, die unverzüglich nach einer möglich gewesenen, aber verabsäumten Untersuchung hätten gerügt werden müssen, und verdeckten Mängeln, die erst später, nach Offenbarwerden, gerügt zu werden brauchen, bestimmt sich danach, was eine alsbaldige Untersuchung, wäre sie ordnungsgemäß durchgeführt worden, hätte ergeben können (Brüggemann, aaO, Rz 73). Der Käufer wird in seinem Vertrauen auf die Zusage des Verkäufers durch die Bestimmung des § 377 Abs.5 HGB geschützt, wonach sich der Verkäufer bei Arglist auf die Unterlassung der sofortigen Rüge nicht berufen kann. Die Ausführungen von Kramer in Straube, HGB, Rz 10 zu §§ 377, 378, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, sind widersprüchlich. Während nämlich zunächst ausgeführt wird, daß der Käufer durch eine "unechte Garantiezusage" von seiner Obliegenheit zur unverzüglichen Untersuchung und Mängelanzeige nicht dispensiert werde, wird in der Folge die Ansicht vertreten, daß bei Zusicherung bestimmter Eigenschaften des Kaufgegenstandes deren Fehlen wie ein versteckter Mangel behandelt werden sollte und damit der Käufer von der Untersuchungsobliegenheit befreit werde. Jedenfalls läßt sich diesen Ausführungen keine stichhaltige Begründung dafür entnehmen, weshalb bei Vereinbarung bestimmter Eigenschaften die sofortige Untersuchungs- und Rügepflicht nicht Platz greife. Die Entscheidungen, in denen ausgesprochen wurde, der Käufer könne sich auf die Zusage bestimmter Eigenschaften verlassen und werde von seiner Prüfungspflicht für nicht bekannte oder nicht in die Augen fallende Mängel befreit (siehe JBl. 1981, 203 mit Kritik von Wilhelm), betrafen nicht Fälle eines beiderseitigen Handelskaufes; es bestand vielmehr in diesen Fällen überhaupt keine Prüfungspflicht.

Im vorliegenden Fall ist eine sofortige Untersuchung nach Ablieferung (23.3.1987) unterblieben, gerügt wurde erst im Oktober 1987, seitens der Beklagten wurde auch die Einrede der verspäteten Mängelrüge erhoben. Hat sich der Verkäufer aber darauf berufen, daß verspätet gerügt wurde, so hat der Käufer darzutun und zu beweisen, daß sich der Mangel bei der ursprünglichen Untersuchung nicht gezeigt hatte, auch nicht zeigen konnte, und, wenn eine Untersuchung nicht stattgefunden hat, selbst dann nicht hätte zeigen können (Brüggemann, aaO, Rz 206; HS 10.857). Derartige Behauptungen hat die Klägerin aber nicht aufgestellt. Sie hat lediglich vorgebracht, daß nach Vorliegen des vom Bürgermeister eingeholten Gutachtens gerügt worden sei (AS 17). Das Vorbringen im Beweisanbot ON 10 wurde in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, es ist daher nicht rechtswirksam geworden (JBl 1989, 516). Die Klägerin kann daher keine Ansprüche auf Ersatz der aus der Mangelhaftigkeit der Ware entstandenen Schäden mehr geltend machen.

Die Rechtssache erweist sich daher, ohne daß auf die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob der Zulieferer des Verkäufers dem Käufer gegenüber als Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 1313 a ABGB anzusehen ist, als spruchreif im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht ausgeführt, daß aus der Verletzung von Aufklärungspflichten im vorliegenden Fall die Klägerin keine Schadenersatzansprüche ableiten kann (siehe S.16 der Ausfertigung des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichtes). Es war daher in Stattgebung der Rekurse der Beklagten und deren Nebenintervenientin der angefochtene Beschluß aufzuheben und durch Urteil in der Sache selbst im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes zu entscheiden (§ 519 Abs.2 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die nachträglich verzeichnete Pauschalgebühr (ON 21) konnte gemäß § 54 Abs.1 ZPO jedoch nicht zugesprochen werden.

Anmerkung

E25127

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:002OB000632.9.0116.000

Dokumentnummer

JJT_19910116_OGH0002_002OB000632_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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