TE OGH 1991/1/30 9ObA320/90

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Veröffentlicht am 30.01.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Wolfgang Adametz und Rupert Gnant als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** S*****, Angestellter, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagten Parteien 1) R*****, 2) R*****, beide vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen 2,291.237,23 S brutto, 20.000,-- S netto und Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Revisionsstreitwert insgesamt 2,297.237,23 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.Jänner 1990, GZ 5 Ra 161/89-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Juli 1989, GZ 47 Cga 185/88-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 26.314,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 4.385,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die erstbeklagte Partei, deren persönlich haftende Gesellschafterin die zweitbeklagte Partei ist, vertreibt Reinigungsmaschinen und Reinigungsprodukte. Der Kläger war bei der erstbeklagten Partei als Handelsvertreter vom Jahre 1976 bis zum 19.April 1988 beschäftigt. Da der Kläger mit Untervertretern arbeiten wollte, wurde die bereits bestehende Agenturvereinbarung bezüglich der Provisionshöhe geändert und am 1.März 1979 folgende Agenturvereinbarung geschlossen:

"§ 1 Gegenstand der Vereinbarung:

Die Geschäftsführerin betraut den Handelsvertreter mit Verkaufsgeschäften, somit mit der Pflege der Geschäftsbeziehungen mit den in Frage kommenden Kunden. Die Vertretung erstreckt sich auf das gegenwärtige Erzeugungs- bzw. Vertriebsprogramm der Firma R*****. Der Handelsvertreter ist selbständiger Unternehmer und versichert, daß er hinsichtlich der Mehrwertsteuer für die Regelbesteuerung optiert. Er hat sich selbst zu versichern und seine Einkünfte selbst zu versteuern. Die Abrechnung erfolgt einvernehmlich mittels Gutschriften gemäß § 11 UStG 1972. Der Handelsvertreter wird auch bei der Gewerbebehörde erster Instanz um die gewerberechtliche Befugnis zur Ausübung dieser Tätigkeit ansuchen.

§ 3 Pflichten des Handelsvertreters

Der Handelsvertreter ist verpflichtet, die Interessen der Firma R***** mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes wahrzunehmen. Weiters sind bei der Vermittlung von Verkaufsgeschäften die Preise und Verkaufsbedingungen der Geschäftsherrin einzuhalten. Handelsvertreter, denen die Firma R***** einen PKW zur Verfügung stellt, verpflichten sich, nur der Geschäftsherrin Kaufverträge zu tätigen. Handelsvertreter mit eigenem PKW sind nicht weisungsgebunden.

§ 4 Gewerbeordnung von 1973

Der Handelsvertreter verpflichtet sich, die gesetzlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1973 einzuhalten. Im besonderen wird auf die exakte Einhaltung des § 57 der Gewerbeordnung 1973 verwiesen. Über den Inhalt der Gewerbeordnung wurde der Handelsvertreter informiert.

§ 6 Provision

Es wird zwischen einem Produkteumsatz und einem Maschinenumsatz unterschieden. Es gelten folgende Provisionssätze als vereinbart:

Eine Provision von 37 % der Nettoauftragssumme ohne Mehrwertsteuer bei Produktumsatz. Die Provision bei Maschinen wird mit 25 % vereinbart.

Der Handelsvertreter hat keinen Anspruch auf Spessenvergütung irgendwelcher Art. Er trägt auch das Unternehmerrisiko.

§ 7 Abrechnungsmodus

Der Handelsvertreter erhält für die jeweils wöchentlich eingelangten Aufträge (mit Wochenaufstellung) ein Provisionsakonto auf die anfallende Provision, abzüglich 10 %, die als Stornorücklage gutgeschrieben wird. Verprovisioniert wird der Warennettowert abzüglich Boni, Rabatte etc. In Betracht kommen hiebei nur Aufträge, die innerhalb Monatsfrist lieferbar sind und keine außergewöhnlichen Zahlungsvereinbarungen getroffen wurden. Die von der Firma R***** einbehaltene Stornorücklage wird jeweils halbjährlich, anläßlich der Monatsendabrechnungen Juni und November, bis auf einen Restgarantiebetrag von 10.000,-- an den Vertreter ausbezahlt.

§ 8 Entstehung der Provision

Die Verprovisionierung eines Kaufvertrages des Handelsvertreters erfolgt erst dann, wenn die Vertragsexemplare einwandfrei leserlich sind und vom Kunden unterschrieben sowie vom Handelsvertreter abgeliefert worden sind.

§ 11 Dauer

Diese Vereinbarung gilt auf unbestimmte Zeit abgeschlossen.

§ 12 Kündigung, Auflösung

Diese Agenturvereinbarung kann von jedem Teil ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden.

§ 14 Konkurrenzverbot

Es gilt als vereinbart, daß der Handelsagent nach einer eventuellen Beendigung der Vereinbarung für die Dauer von sechs Monaten keine Geschäfte für Firmen tätigt, deren Produkte mit denen der Firma R***** identisch oder artverwandt sind. Die Einschulungskosten in Höhe von 10.000,-- sind bei einem Wechsel zu einer Konkurrenzfirma der Geschäftsherrin sofort zu ersetzen."

Der Kläger hatte folgenden Tätigkeitsbereich:

Schulungen der Vertreter, insbesondere der von ihm angestellten Vertreter bzw. seiner Untervertreter, wobei die theoretische Schulung zwei Tage dauerte; Kontrolle der Vertreter, Überprüfung der von den Vertretern hereingebrachten Aufträge auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit, insbesondere Kontrolle - auch durch Rückfrage bei den Kunden - , ob der Auftrag fingiert war oder nicht; Betreuung der Vertreter durch Ausgabe der Vorführware, durch Besprechungen, Einteilung des Arbeitsgebietes und Abrechnung mit den Vertretern am Freitagnachmittag.

Der Kläger ließ im Zusammenhang mit der Anstellung von Handelsvertretern durch die Sekretärin der erstbeklagten Partei inserieren und führte mit den Personen, welche sich auf Grund der Inserate meldeten, Vorstellungsgespräche. Der Kläger war nicht weisungsgebunden, nicht berichtspflichtig und hatte keine fixe Dienstzeit. Er durfte in Kärnten und Osttirol sowie im Außerfern keine Aufträge entgegennehmen, wohl aber im übrigen Tirol, in Salzburg, in der Steiermark und in Oberösterreich.

Der Kläger setzte für seine Tätigkeit Untervertreter ein, welche aus seiner Provision bezahlt wurden. Der Kläger setzte mit seinen Untervertretern deren Provision, die unterschiedlich hoch war, fest, wobei sich die Provisionen des Klägers und des Untervertreters bei Produkten auf 37 % und bei Maschinen auf 25 % jeweils ergänzten.

In seiner Urlaubsgestaltung war der Kläger frei, er mußte sich wegen des Urlaubs nicht mit dem Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei in Verbindung setzen. Eine Urlaubskartei wurde für ihn nicht geführt.

Der Kläger wurde auf Provisionsbasis ohne Fixum entlohnt. Anfänglich stand ihm ein Firmenfahrzeug zur Verfügung. In den letzten Jahren vor dem Ausscheiden fuhr der Kläger mit seinem eigenen PKW und erhielt bei Erreichen eines Monatsumsatzes von 600.000,-- S eine Prämie von monatlich 4.000,-- S.

Der Kläger war bei der Gebietskrankenkasse als Selbstversicherer krankenversichert. Er richtete einen Teil seiner Wohnung als Büro ein und machte in der Buchhaltung unter anderem Bürokosten als Ausgaben geltend. Seit dem Jahre 1982 wurde die Buchhaltung des Klägers von dessen Vater, der beim Finanzamt beschäftigt war, besorgt. In die Einkommensteuererklärungen wurden der Reisekostenaufwand und die Fahrzeugkosten aufgenommen und als Betriebsausgaben vom Einkommen des Klägers in Abzug gebracht. Bis zum Jahre 1982 führte der Kläger keine Einkommensteuer ab. Im Jahre 1982 beantragte der Kläger beim Finanzamt I***** eine Steuernummer und wird seither dort zur Einkommensteuer veranlagt. Mit vorläufigem Bescheid des Finanzamtes I***** vom 31.Juli 1986 wurde die Einkommensteuer für das Jahr 1985 mit 54.705,-- S, die Gewerbesteuer mit 33.673,-- S und die Umsatzsteuer mit 124.811,-- S festgesetzt. Für das Jahr 1986 wurde mit Bescheid des Finanzamtes I***** die Umsatzsteuer mit 102.426,-- S und die Einkommensteuer mit 22.893,-- S festgesetzt. Für das Jahr 1987 wurden die Umsatzsteuer mit 99.250,-- S und die Gewerbesteuer mit 5.718,-- S festgesetzt.

Im Büro der erstbeklagten Partei in I***** stand dem Kläger kein eigener Schreibtisch zur Verfügung. Er hatte auch kein eigenes Zimmer, keine Schreibmaschine und keine eigene Sekretärin. Das Büro der erstbeklagten Partei besteht aus einem großen Raum, welcher nicht unterteilt ist. Vom Büro aus gelangt man in einen Lagerraum. Im Büro selbst befindet sich ein runder Tisch, an dem normalerweise die Sekretärin arbeitete und lediglich am Freitagnachmittag, wenn sie frei hatte, der Kläger Vertreterschulungen durchführte und sonstige Arbeiten besorgte.

Im Jahre 1987 (Woche 2-51) erhielt der Kläger insgesamt eine Provision von 588.093,-- S, im Jahre 1988 (Woche 1-13) eine solche von 153.507,-- S.

Eine Gewerbeberechtigung für die Ausübung des Gewerbers eines selbständigen Handelsvertreters besitzt der Kläger nicht.

Anfangs März 1988 hatte der Kläger mit seinem PKW einen Parkschaden. Er veranlaßte den bei der erstbeklagten Partei als Auslieferer für Tirol und Vorarlberg beschäftigten W***** M***** zur Abgabe einer Schadensmeldung über einen fingierten Unfall mit einem diesem von der Erstbeklagten zur Verfügung gestellten Firmenfahrzeug. Diese Schadensmeldung wurde mit Ausnahme des maschingeschriebenen Teiles vom Kläger ausgefüllt und von W***** M***** nach mehrmaligem Ersuchen des Klägers unterfertigt. Der Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei erfuhr am 18.April 1988 von diesem Vorgang und forderte am 19.April 1988 den Kläger auf, die Schlüssel des Büros der erstbeklagten Partei zurückzustellen. Der Kläger kam dieser Aufforderung nach und wurde nicht mehr für ie beklagten Parteien tätig.

Die Behebung des mit der fingierten Unfallmeldung geltendgemachten Schadens hätte Kosten von ca. 5.500,-- S verursacht.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Bruttobetrages von 2,291.237,23 S, eines Nettobetrages von 20.000,-- S sowie die Ausstellung eines Dienstzeugnisses. Er sei ab Juni 1979 ausschließlich im Innendienst zur Einschulung des Personals und dessen Kontrolle eingesetzt worden. Er habe das Personal einteilen, die Aufträge kontrollieren, die Tätigkeit der Vertreter überwachen, deren Verkaufsgeschäfte abrechnen und darüberhinaus Inserate für Tageszeitungen erstellen und buchen müssen. Er habe somit die Funktion eines Verkaufsleiters und daher eine Angestelltentätigkeit ausgeübt. Trotzdem sei er weiterhin auf Provisionsbasis entlohnt worden. Die Höhe seines Einkommens sei jedoch nicht mehr von dem von ihm erzielten Umsatz, sondern vom Umsatz der übrigen, teils angestellten, teils selbständigen Vertreter abhängig gewesen, welche der Kläger jeweils wöchentlich abzurechnen gehabt habe. Der Kläger habe jeweils eine Subprovision von 5 % vom Maschinenumsatz und 12 % vom Produkteumsatz erhalten. Die aus eigener Vertretertätigkeit erzielte Provision habe maximal 5 % seines Einkommens ausgemacht. Die im Jahre 1987 bezogene Provision habe einem monatlichen Nettolohn von 50.928,86 S und einem Bruttolohn von 109.463,16 S entsprochen. Als Angestellter habe der Kläger noch Anspruch auf Sonderzahlungen für die Jahre 1985, 1986 und 1987. Da der Kläger am 19.April 1988 ohne Angabe von Gründen ungerechtfertigt entlassen worden sei, habe er darüberhinaus noch Anspruch auf Kündigungsentschädigung bis 30.September 1988, Abfertigung und Urlaubsentschädigung für 71 Tage. Weiters habe der Kläger Anspruch auf Auszahlung der vereinbarten Stornorücklage in Höhe von 20.000,-- S.

Hilfsweise stützte der Kläger seine Ansprüche im Ausmaß von 561.836,08 S auf die Bestimmungen der §§ 24 und 25 HVG. Eine ordnungsgemäße Beendigung des Vertragsverhältnisses wäre frühestens zum 30.September 1988 möglich gewesen. Für diesen Zeitraum gebühre dem Kläger Schadenersatz, ausgehend von einer Jahresprovision im Jahre 1987 von 719.790,-- S brutto, im anteiligen Betrag von 321.906,08 S zuzüglich eines weiteren Anspruches gemäß § 25 HVG in Höhe von 4/12 der Jahresprovision in Höhe von 293.930,-- S.

Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei lediglich als selbständiger Handelsvertreter tätig gewesen und in keinem Beschäftigungsverhältnis zur erstbeklagten Partei gestanden. Er habe für seine Tätigkeit Untervertreter beschäftigt und seien diese aus der Provision des Klägers bezahlt worden. Der Kläger sei nie als Arbeitnehmer im Innendienst beschäftigt gewesen; er sei weisungsfrei gewesen und habe auch keinen Ersatz für die durch seinen Geschäftsbetrieb entstehenden allgemeinen Kosten und Auslagen geleistet. Es habe für den Kläger auch keine Anwesenheitspflicht bestanden. Das Vertragsverhältnis des Klägers sei berechtigt vorzeitig aufgelöst worden, weil der Kläger einen Angestellten zu einer strafbaren Handlung angestiftet und daher das ihm entgegengebrachte Vertrauen gröblichst mißbraucht habe.

Das Erstgericht gab lediglich dem Begehren auf Zahlung eines Nettobetrages von 20.000,-- S sA statt und wies das Klagebegehren im übrigen ab. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger nicht als wirtschaftlich unabhängiger, selbständiger Handelsvertreter angesehen werden könne, da er keinen Gewerbeschein gehabt habe und auch nur für die beklagten Parteien tätig gewesen sei. Die Sache falle daher gemäß § 51 Abs.3 Z 2 ASGG in die "Zuständigkeit des Erstgerichtes". Die Veranlassung einer fingierten Schadensmeldung durch den Kläger begründe Vertrauensunwürdigkeit und berechtige den Geschäftsherrn gemäß § 22 Z 2 HVG zur vorzeitigen Lösung des Vertragsverhältnisses. Von den beklagten Parteien sei daher lediglich die Stornorücklage in Höhe von 20.000,-- S zu zahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger mangels persönlicher Abhängigkeit nicht als Arbeitnehmer zu qualifizieren sei. Der Kläger sei weder weisungsgebunden noch berichtspflichtig gewesen, habe keine fixe Dienstzeit gehabt und habe sich auch wegen des Urlaubes nicht mit dem Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei in Verbindung setzen müssen. Er habe Untervertreter angestellt, mit ihnen Provisionen in unterschiedlicher Höhe vereinbart und sie aus seiner Provision bezahlt. Da der Kläger aber ausschließlich für die Erstbeklagte tätig gewesen sei, sei er zufolge seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit als arbeitnehmerähnlicher Handelsvertreter anzusehen, auf den jedoch das HVG anzuwenden sei. Das festgestellte Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der fingierten Schadensmeldung habe die erstbeklagte Partei gemäß § 22 Z 2 HVG zur vorzeitigen Lösung des Vertragsverhältnisses berechtigt. Dem Kläger stehe daher auch der hilfsweise auf § 25 HVG gestützte Ausgleichsanspruch nicht zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagten Parteien beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Da auch die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes zu erwidern:

Neben dem selbständigen und dem angestellten Handelsvertreter ist auch der Typus des arbeitnehmerähnlichen freien Handelsvertreters in der Judikatur (siehe insbesondere RZ 1979/37; Arb 9.945; Arb 10.025; zuletzt 9 Ob A 121/90; siehe auch Kuderna, Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, 276) anerkannt, der zwar wirtschaftlich unselbständig ist, der aber wegen der Möglichkeit, seine Arbeitsbedingungen frei zu gestalten, nicht als Arbeitnehmer anzusehen ist. Wie Tomandl in "Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages in rechtsvergleichender und rechtspolitischer Sicht, 72 f", hervorgehoben hat, liegt ein Arbeitsverhältnis nur vor, wenn persönliche Arbeitsleistung geschuldet wird. Wenn hingegen dem zur Arbeitsleistung Verpflichteten gestattet ist, sich grundsätzlich vertreten zu lassen, liegt ein Dienstverhältnis nicht vor.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen beschäftigte die erstbeklagte Partei den Kläger als selbständigen Handelsvertreter mit erhöhter Provision, weil er mit Untervertretern arbeiten wollte; der Kläger setzte für seine Tätigkeit auch tatsächlich Untervertreter ein, handelte mit ihnen ihre - unterschiedlich hohen - Provisionen aus und zahlte diese aus seiner eigenen Provision. Da auf diese Weise dem Kläger bezüglich der Ausführung der mit der beklagten Partei vereinbarten Vertretungstätigkeit eine weitgehende und insbesondere in dem wesentlichen Punkt der Festsetzung der Entlohnung der ihm unterstellten und von ihm zu aquirierenden Untervertreter den Möglichkeiten eines selbständigen Handelsvertreters gleichkommende Gestaltungsfreiheit eingeräumt wurde, ist der Kläger schon allein auf Grund dieser Gestaltungsmöglichkeit nicht als Arbeitnehmer anzusehen, selbst wenn die dem Kläger unterstellten und von ihm aus seiner Provision honorierten Untervertreter auch in ein direktes Vertragsverhältnis zur erstbeklagten Partei getreten sein sollten.

Auch die vom Berufungsgericht als "Innendienst" bezeichnete Tätigkeit des Klägers in den Räumen der erstbeklagten Partei führt nicht dazu, ihn als Angestellten zu qualifizieren. Daß der Kläger - schon im eigenen Interesse - die ihm unterstellten Vertreter kontrollierte und betreute und mit ihnen zu diesem Zweck am Freitag nachmittag in den Räumen der erstbeklagten Partei zusammentraf, spricht ebensowenig für die persönliche Abhängigkeit des Klägers und seine Eingliederung in den Betrieb der erstbeklagten Partei wie der Umstand, daß er für die Büroräume der erstbeklagten Partei einen Schlüssel besaß. Auch der Umstand, daß der Kläger auch sonst die Einrichtungen der erstbeklagten Partei für seine Tätigkeit benützte, insbesondere die Sekretärin im Zusammehang mit der Einstellung von Handelsvertretern inserieren ließ und mit den sich auf Grund dieser Inserate meldenden Personen Einstellungsgespräche führte, offenbar um sie dann unter Vereinbarung einer aus der Provision des Klägers zu zahlenden Provision als Untervertreter einzusetzen, spricht keineswegs für die persönliche Abhängigkeit des Klägers. Zieht man schließlich noch in Betracht, daß der Kläger hinsichtlich der Inanspruchnahme seines Urlaubs frei war und sich deswegen nicht mit dem Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei in Verbindung setzen mußte, nicht weisungsunterworfen, nicht berichtspflichtig und an keine fixe Dienstzeit gebunden war, dann ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß mangels persönlicher Abhängigkeit des Klägers von der erstbeklagten Partei ein Arbeitsverhältnis nicht vorlag.

Soweit der Revisionswerber darauf hinweist, daß der Kläger keinen Gewerbeschein besaß, ausschließlich für die erstbeklagte Partei tätig war und eine Konkurrenzklausel sowie der Ersatz der Einschulungskosten von 10.000,-- S für den Fall des Wechsels zu einem Konkurrenzunternehmen vereinbart waren, ist ihm zu erwidern, daß diese Umstände gegen die wirtschaftliche Selbständigkeit des Klägers und daher gegen seine Qualifikation als nicht arbeitnehmerähnlicher Unternehmer, nicht aber dagegen sprechen, daß er seine Arbeitsbedingungen anders als ein Arbeitnehmer frei gestalten konnte. Völlig bedeutungslos ist in diesem Zusammenhang der vom Revisionswerber hervorgehobene Umstand, daß ein Teil der umsatzabhängigen Provision des Klägers als Spesenersatz bezeichnet wurde.

Auf arbeitnehmerähnliche, freie Handelsvertreter ist aber weder das Angestelltengesetz noch das Urlaubsgesetz (siehe Martinek-Schwarz, Angestelltengesetz6, 35 f; Klein-Martinek, Urlaubsrecht, 31 f; Wachter, Der sogenannte freie Dienstvertrag, DRdA 1984, 405 ff 415) noch auch der erste Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes (siehe Strasser in Floretta-Strasser Komm ArbVG § 1 Rz 4.2.4) und daher auch nicht der einschlägige Kollektivvertrag anzuwenden, zumal nicht einmal behauptet wurde, daß auch arbeitnehmerähnliche Personen in dessen Geltungsbereich einbezogen wurden. Damit fehlt es an einer Grundlage für die vom Kläger aus den Titeln der Sonderzahlung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung begehrten Beträge. Kündigungsentschädigung (und Abfertigung) schließlich stünden dem Kläger - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - auch bei Anwendung des Angestelltengesetzes nicht zu, weil sein Verhalten die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit auch nach § 27 Z 1 Angestelltengesetz gerechtfertigt hätte.

Zieht man in Betracht, daß das HVG der ganz generell im Vergleich zu anderen Unternehmern wirtschaftlich schwächeren und unselbständigeren Stellung des Handelsvertreters Rechnung trägt, dann ist Jabornegg (Handelsvertreterrecht und Maklerrecht, 58) darin zu folgen, daß das HVG grundsätzlich auch auf arbeitnehmerähnliche (freie) Handelsvertreter anzuwenden ist. Dies führt aber zu dem Ergebnis, daß die Auflösung des Vertrages mit dem Kläger durch die erstbeklagte Partei gemäß § 22 Z 2 HVG berechtigt war. Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger einen Arbeitnehmer der erstbeklagten Partei veranlaßt, bezüglich des ihm von der erstbeklagten Partei zur Verfügung gestellten Firmenfahrzeuges eine fingierte Schadensmeldung zu erstatten, um daraus die Reparatur eines Parkschadens am eigenen PKW des Klägers zu finanzieren. Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß diese Vorgangsweise des Klägers Vertrauensunwürdigkeit im Sinne der obzitierten Gesetzesbestimmung begründete.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25067

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00320.9.0130.000

Dokumentnummer

JJT_19910130_OGH0002_009OBA00320_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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