TE OGH 1991/1/31 7Ob35/90

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Veröffentlicht am 31.01.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien ***** vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und Dr. Klaus Kollmann, beide Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Hans Kreinhöfer und Dr. Thomas Mader, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 2,560.000,- s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12.September 1990, GZ 2 R 146/90-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 19.März 1990, GZ 9 Cg 296/89-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, sodaß es zu lauten hat:

"Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei ist schuldig, dem Erstkläger S 166.666,66, dem Zweitkläger S 797.777,78 und dem Drittkläger S 797.777,78 und der Viertklägerin S 797.777,78, alle Beträge 4 % Zinsen ab dem 1.4.1989 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 72.657,76 (darin S 12.112,96 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten (hievon der Erstkläger 6,51 %, die weiteren Kläger je 31,16 %) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagenden Parteien sind weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 99.988,64 (darin S 9.431,44 Umsatzsteuer und S 43.400,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 90.757,44 (darin S 4.926,24 Umsatzsteuer und S 61.200,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (jeweils zu den zuvor genannten Anteilen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

L***** war die Ehegattin des Erstklägers und Mutter der Zweit- bis Viertkläger. Sie wurde mit rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 26.1.1989, GZ T 234/88-8, gemäß § 7 TEG 1950 für tot erklärt. Der 26.8.1987 wurde als Zeitpunkt ihres Todes festgestellt.

Am Nachmittag des 26.8.1987 bemerkte ein deutscher Segler auf der österreichischen Seite des Bodensees ein bei Windstärke 4 unkontrolliert fahrendes leeres Boot, das am Vormittag desselben Tages von L***** angemietet worden war. Trotz intensiver Suchaktion der österreichischen und deutschen Wasserrettung wurde L***** nicht gefunden.

Für L***** bestand bei der beklagten Partei eine Einzelunfallversicherung zur Polizzennummer 6/71/27113204, überdies war L***** als Ehegattin des Erstklägers im Rahmen einer Familienunfallversicherung zur Polizzenummer 8/71/62304511 zu 50 % mitversichert. Die Versicherungssumme aus dem Einzelversicherungsvertrag beträgt S 2,000.000,-- und erhöht sich aufgrund einer Indexberechnung auf S 2,060.000,--, wobei der Zweit- und Drittkläger sowie die Viertklägerin zu gleichen Teilen bezugsberechtigt sind. Die Versicherungssumme aus der Familienunfallversicherung beträgt unter Berücksichtigung der 50 %igen Mitversicherung der L***** S 50.000,--, wobei auf den zu einem Drittel erbberechtigten Erstkläger S 166.666,66 und die zu je 2/9 erbberechtigten Zweit- und Drittkläger sowie die Viertklägerin je S 111.111,11 entfallen.

Von den Vorinstanzen wurden trotz des Umstandes, daß die brasilianische Einreisebehörde eine Ein- und Ausreise mit dem Paß L***** nach dem 26.8.1987 registriert haben, nicht als erwiesen angenommen, daß L***** noch lebt.

Die Kläger begehren von der Beklagten die Bezahlung der im Spruch ersichtlichen Beträge und brachten dazu vor, daß L***** am 26.8.1987 bei einem Segelunfall am Bodensee ums Leben gekommen sei.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, es sei kein Nachweis erbracht worden, daß L***** einen Unfallstod erlitten habe. Es sei möglich, daß L***** noch lebt, jedenfalls sei eine Person mit ihrem Reisepaß nach dem 26.8.1987 in Brasilien ein- und wieder ausgereist.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsansicht, eine Todeserklärung stelle eine uneingeschränkte Todesvermutung dar. Sie begründe sohin eine Rechtsvermutung, welche den Nachweis der Tatsachen, für welche sie spreche, ersetze. An die Führung eines zulässigen Gegenbeweises müßten strenge Anforderungen gestellt werden. Eine noch so große Wahrscheinlichkeit, daß die Verschollene lebe, reiche noch nicht aus, vielmehr müsse der volle Beweis vorliegen, daß die Todeserklärung unrichtig sei. Eine Todeserklärung nach § 7 TEG setze voraus, daß die Verschollene in eine Lebensgefahr geraten und in dieser umgekommen sei. Daraus ergebe sich der Nachweis eines Unfallstodes.

Das Berufungsgericht bestätigte mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil und erklärte die Revision für zulässig. Es trat der Rechtsansicht des Erstgerichtes bei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Daß L***** noch lebt, haben die Vorinstanzen als nicht bewiesen erachtet. Die Tatfrage zu diesem Punkt kann der Oberste Gerichtshof nicht mehr überprüfen (SZ 37/39).

Nach § 9 Abs.1 TEG begründet die Todeserklärung die Vermutung, daß die verschollene Person in dem im Beschluß festgestellten Zeitpunkt gestorben ist. Damit ist jedoch die Frage nicht beantwortet, ob der für tot Erklärte durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Unter Lebensgefahr (§ 7 TEG) wird das Zusammentreffen von Umständen verstanden, durch die das Leben eines Menschen ernstlich bedroht ist. Der Eintritt des Todes muß sich nach subjektiven und objektiven Gesichtspunkten als wahrscheinlich darstellen (SZ 23/374). Es genügt in der Regel, wenn der Versicherte Umstände dartut, die die Möglichkeit eines Unfalles im Sinne des Art.2 Z 1 AUVB 1965 (= Art 2 Z 1 AUVB 1982) naheliegend erscheinen lassen. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen einen Unfall nur aus dem Todeserklärungsbeschluß abgeleitet. Selbst wenn man davon ausgeht, daß auch eine Bindung bezüglich jener Umstände besteht, die eine Todeserklärung nach § 7 TEG rechtfertigen, so würde dies noch nicht zu der zwingenden Annahme eines Unfalles führen, weil ein Umkommen in Lebensgefahr nicht mit so großer Wahscheinlichkeit auf einen Unfall schließen läßt, daß letzterer zwingend aus der Todeserklärung abzuleiten wäre. Bei den Ausführungen der Vorinstanzen, L***** könnte vom Segelbaum getroffen ins Wasser gestürzt und dort ertrunken sein, handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine aufgezeigte Möglichkeit, die durch die Vermutung des § 9 Abs.1 TEG nicht gedeckt und sohin für den Nachweis eines die beklagte Partei verpflichtenden Unfallsgeschehens nicht ausreicht. Der laut Todeserklärung anzunehmende Tod L***** könnte außer durch Ertrinken auch durch andere ebenso wahrscheinliche Umstände erfolgt sein (beispielsweise durch einen Herzinfarkt, Schlaganfall, Ohnmacht u.dgl.) Für das Vorliegen eines Unfallsgeschehens sind die Kläger beweispflichtig. Sie haben zwar in ihrer Klage einen Segelunfall L***** behauptet, sich aber hier nur auf die Todeserklärung gestützt. Daß diese nicht ausreicht, einen Unfall hinreichend darzutun, wurde bereits dargelegt. Nach dem Inhalt der Todeserklärung und nach den festgestellten Verhältnissen am Todestag ist die Wahrscheinlichkeit eines Ertrinkungstodes nicht so hoch, daß andere ebenso wahrscheinliche Ursachen des Todes wie ein Unfall ausscheiden. Der Revision war daher Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E25248

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00035.9.0131.000

Dokumentnummer

JJT_19910131_OGH0002_0070OB00035_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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