TE OGH 1991/2/7 15Os1/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.1991
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Februar 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Paulin als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mitar S***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB über die Beschwerde des Mitar S***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 4.Dezember 1990, GZ 24 Ns 841/90-4, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Am 26.Juli 1990 zeigte Slobodan S***** beim Bezirkspolizeikommissariat Favoriten an, sein Vater Mitar S***** habe ihn am 25.Juli 1990 gegen 21,00 Uhr mit dem Umbringen bedroht, wobei er auf ihn zugelaufen sei und ein ca 20 cm langes Küchenmesser in der Hand gehalten habe; am 26.Juli 1990 habe seine Mutter Joka S***** seiner Tante - der bei Erstattung der Anzeige als Dolmetscherin herangezogenen Goja L***** - gegen 12,00 Uhr telefonisch mitgeteilt, daß der Vater wieder ein Messer bei sich habe und den Anzeiger "am heutigen Abend, näheres unbekannt" in seiner Wohnung aufzusuchen gedenke. Der Anzeiger erteilte zugleich die Ermächtigung zur Strafverfolgung seines Vaters wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB (S 13 f).

Dieser Sachverhalt wurde um 15,20 Uhr fernmündlich dem (Journal-)Staatsanwalt bekannt gegeben, der beim (Journal-)Untersuchungsrichter die Erlassung eines Haftbefehls gegen Mitar S***** aus dem Haftgrund des § 175 Abs. 1 Z 4 StPO beantragte (S 1 und 1 verso). Der Journalrichter erließ den beantragten Haftbefehl (S 3 und 15).

Noch am 26.Juli 1990, um 19,05 Uhr, wurde Mitar S***** in seiner Wohnung verhaftet; er war dort schlafend angetroffen worden (S 19).

Am Freitag, dem 27.Juli 1990, um 12,55 Uhr wurde er in das Gefangenenhaus des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eingeliefert (S 25). Der Akt wurde vom Journalrichter an diesem Tag der Staatsanwaltschaft Wien zur weiteren

Antragstellung übermittelt (S 1), die noch am selben Tag Strafantrag gegen Mitar S***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB stellte und darin ua die Verhängung der Untersuchungshaft über ihn gemäß §§ 180 Abs. 2 Z 3 lit d, 484 StPO beantragte. Dieser Strafantrag langte am Samstag, dem 28.Juli 1990, beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein (S 23).

Am Sonntag, dem 29.Juli 1990, vernahm der Journalrichter den Beschuldigten unter Ausfolgung einer Gleichschrift des Strafantrages und verhängte über ihn aus dem Grunde des § 180 Abs. 2 Z 3 lit d StPO die Untersuchungshaft (S 33 verso, 35). Der Beschuldigte erhob noch bei dieser Vernehmung Beschwerde gegen den Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft (S 33 verso).

Am Montag, dem 30.Juli 1990, wurde der Akt der Staatsanwaltschaft zur Äußerung zur "BV" (gemeint: zur Haftbeschwerde in der Beschuldigtenvernehmung) übermittelt, wo er am 2.August 1990 einlangte (S 1 a). Der Staatsanwalt gab am 2.August 1990 die Erklärung ab, daß einer Enthaftung wegen Fortbestandes des angenommenen Haftgrundes entgegengetreten werde; der Akt langte allerdings erst am Freitag, dem 10.August 1990, wieder beim Gericht ein (S 1 a verso). An diesem Tag war auch ein Enthaftungsantrag des Verteidigers des Beschuldigten bei Gericht eingelangt (S 37). Am Montag, dem 13.August 1990, übermittelte der Untersuchungsrichter den Akt im Hinblick auf diesen Enthaftungsantrag neuerlich der Staatsanwaltschaft zur Stellungnahme, die sich am 14.August 1990 (abermals) gegen eine Enthaftung aussprach (S 1 a verso).

Am Montag, dem 20.August 1990, langte ein weiterer, mit 16. August 1990 datierter, den vorausgegangenen Enthaftungsantrag ergänzender und modifizierender Enthaftungsantrag des Verteidigers ein (S 41). Noch am 20.August 1990 wurde sodann eine Haftprüfungsverhandlung für Dienstag, dem 28.August 1990, angeordnet.

In dieser Haftprüfungsverhandlung, in der - nach dem Vorbringen des Beschuldigten in seinem Antrag ON 29 - angekündigt wurde, daß der Sohn des Beschuldigten bereit sei, die erteilte Ermächtigung zur Strafverfolgung seines Vaters zurückzuziehen, wurde die Untersuchungshaft unter Anwendung des gelinderen Mittels des § 180 Abs. 5 Z 3 StPO, nämlich unter Erteilung der Weisung, jeden Kontakt mit Slobodan S***** zu meiden, aufgehoben (S 51). Der Beschuldigte wurde am 28.August 1990 um 10,20 Uhr enthaftet (S 53).

Mit Schreiben vom 28.August 1990, bei Gericht eingelangt am 29. August 1990, zog Slobodan S***** die Ermächtigung zur Verfolgung seines Vaters zurück (S 75); darauf bezog er sich auch bei seiner Vernehmung am 24.Oktober 1990 (S 89). Die Staatsanwaltschaft Wien erklärte am 12.November 1990, vom Strafantrag zurückzutreten (S 93). Das Verfahren gegen den Beschuldigten wurde am 13.November 1990 gemäß "§ 90 (1) StPO" (ersichtlich gemeint: gemäß § 227 Abs. 1 StPO) eingestellt (S 94).

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Oberlandesgericht Wien den Antrag des Mitar S***** auf Feststellung, daß die im § 2 Abs. 1 lit a StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen gegeben seien, ab.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Genannten kommt keine Berechtigung zu.

Daß unter Zugrundelegung der Angaben des Anzeigers die Voraussetzungen für die Erlassung des Haftbefehls vom 26. Juli 1990 gegeben waren, wird vom Beschwerdeführer in seinem Antrag (S 60) und in der Beschwerde eingeräumt. Als gesetzwidrig wird demnach nur die Verhängung und die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft moniert.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die Verhängung der Untersuchungshaft trotz des Umstandes, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Verhaftung von Organen der Sicherheitsbehörde in seiner Wohnung schlafend angetroffen wurde, berechtigt. Aus seiner von Verwandten dem bedrohten Sohn übermittelten Äußerung, er werde ihn "am heutigen Abend, näheres unbekannt" (mit einem Messer) aufsuchen, läßt sich nämlich keineswegs folgern, daß er sich dabei (nur) auf die Zeit um etwa 19,00 Uhr bezog, in der er schlief. Nur durch eine - in der Aktenlage nicht

gedeckte - verengende Gleichsetzung dieser Zeitbegriffe gelangt der Beschwerdeführer mithin zu seiner Schlußfolgerung, es sei zum Zeitpunkt der Verhängung der Untersuchungshaft evident gewesen, daß er sein Vorhaben zur Wiederholung der Drohung (oder Ausführung des angedrohten Übels) aufgegeben habe.

Aber auch die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft bis zur Haftprüfungsverhandlung vom 28.August 1990 vermag den reklamierten Entschädigungsanspruch nicht zu begründen. Das Gebot des § 193 Abs. 1 StPO, auf das sich der Beschwerdeführer der Sache nach bezieht, stellt sich als Einräumung eines Ermessensspielraumes dar, innerhalb dessen richterliche Dispositionen in Ansehung der Verfahrensdauer - von einem Ermessensmißbrauch abgesehen - niemals im Sinn des § 2 Abs. 1 lit a StEG "gesetzwidrig" sein können (15 Ns 18/89). Der Oberste Gerichtshof hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine gesetzwidrige Haftverlängerung nur dann vorliegt, wenn die Haft entweder ohne gesetzliche Grundlage oder gegen eine zwingende gesetzliche Anordnung (§ 193 Abs. 2 StPO) aufrechterhalten wird (EvBl 1983/147 ua). Hievon abzugehen bietet die Kritik an der eben zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in einem Aufsatz von Schantl (ÖJZ 1983, 514 ff), auf den sich auch der Beschwerdeführer bezieht, keinen Anlaß (so schon 11 Os 125/83).

Abgesehen davon trifft nach dem eingangs dargestellten, aus dem Akteninhalt ersichtlichen Verfahrensgang die Beschwerdebehauptung, der Untersuchungsrichter habe seit der Haftbeschwerde vom 29.Juli 1990 bis zur Haftprüfungsverhandlung vom 28.August 1990 "nicht einen Finger gerührt", nicht zu: der Verpflichtung zu einer gesetzmäßigen prozessualen Vorgangsweise entsprechend hatte er Äußerungen der Staatsanwaltschaft zur Haftbeschwerde und den Enthaftungsbegehren einzuholen (vgl § 194 Abs. 1 StPO), was grundsätzlich durch Aktenübemittlung zu geschehen hat (vgl § 78 StPO). Verzögerungen durch einen nur auf Journaldienstsachen eingeschränkten Dienstbetrieb an Wochenenden sind dabei unvermeidlich. Der in einem Fall schleppende manipulative Vorgang der Aktenübermittlung vom Staatsanwalt zu Gericht (vom 2. bis 10.August 1990) und der Umstand, daß der Untersuchungsrichter erst am 20.August 1990 (und nicht schon einige Tage früher) die Anordnung einer Haftprüfungsverhandlung veranlaßt hat, lassen einen Ermessensmißbrauch wie ihn ein Anspruch im Sinn des § 2 Abs. 1 lit a StEG voraussetzt (15 Ns 18/89), nicht erkennen.

Der im Antrag enthaltene Einwand einer Unverhältnismäßigkeit der Haft (S 62) wird in der Beschwerde nicht mehr releviert; es erübrigt sich daher darauf einzugehen.

Aus den angeführten Gründen war der Beschwerde daher ein Erfolg zu versagen.

Anmerkung

E25110

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:015OS000001.91006.0207.000

Dokumentnummer

JJT_19910207_OGH0002_015OS000001_9100600_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten