TE OGH 1991/2/13 3Ob506/91

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Veröffentlicht am 13.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Christina K*****, vertreten durch den Sachwalter Bezirkshauptmannschaft Wels-Land, Jugendwohlfahrt-Außenstelle, 4650 Lambach, infolge Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgericht vom 28.November 1990, GZ R 1188/90-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lambach vom 7.November 1990, GZ P 27/89-13, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der erstgerichtliche Beschluß, dessen erster Absatz als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, wird im zweiten Absatz dahin abgeändert, daß die Einbehaltung der in der Zeit vom 1. Juni 1990 bis zum 30.November 1990 zu Unrecht ausgezahlten Unterhaltsvorschüsse von S 3.000,- zu unterbleiben hat.

Text

Begründung:

Der Unterhaltsschuldner hatte die Vaterschaft zu dem unehelich geborenen, jetzt im dritten Lebensjahr stehenden Kind anerkannt und sich zur Zahlung des monatlichen Unterhalts von S 1.500,-

verpflichtet. Auf diesen gesetzlichen Unterhalt bewilligte das Erstgericht nach § 3 Z 1 und § 4 Z 1 UVG ab dem 1.Mai 1990 Unterhaltsvorschüsse. Der Antrag des Unterhaltsschuldners, seine Verpflichtung ab dem 1.Juli 1990 auf S 1.000,- herabzusetzen, kam dem Sachwalter des Kindes am 25.Mai 1990 zur Stellungnahme zu. Nachdem der Sachwalter zunächst dem Begehren entgegengetreten war, stimmte er nach Prüfung der Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners der Herabsetzung zu, worauf das Erstgericht dem Antrag am 17.Oktober 1990 stattgab.

Das Erstgericht setzte am 7.November 1990 die Vorschüsse rückwirkend ab dem 1.Juni 1990 auf S 1.000,- herab und ordnete an, daß die zu Unrecht ausgezahlten Beträge von S 3.000,- von diesen Vorschüssen in Teilbeträgen von monatlich S 200,-

einzubehalten sind.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes gegen die Anordnung der Einbehaltung nicht Folge und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Rechtsprechung der Rekursgerichte zu § 19 Abs 1 UVG sei schwankend. Der Oberste Gerichtshof habe zu 1 Ob 606/90 erkannt, daß zumindest vorübergehend von den Unterhaltsvorschüssen Teilbeträge einbehalten werden können, wenn mit dem verminderten Vorschuß ein noch für die ungefährdete Versorgung ausreichender Betrag verbleibe. Die Minderung auf S 800,- im Monat sei dem (zweijährigen) Kind zumutbar, weil auch die Familienbeihilfe nicht ganz außer Betracht bleiben dürfe und der Herabsetzungsantrag dem gesetzlichen Vertreter des Kindes schon zu einem Zeitpunkt zur Kenntnis gelangte, als noch die höheren Vorschüsse zustanden. Das Kind habe daher "vorgreifend" Bedürfnisse befriedigen können, die den konkreten gesetzlichen Unterhaltsanspruch überstiegen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Kindes ist nach § 14 Abs 1 AußStrG idF WGN 1989 und § 15 Abs 3 UVG idF RRÄG zulässig und auch berechtigt.

Nach § 19 Abs 1 UVG hat das Gericht die Unterhaltsvorschüsse entsprechend - gegebenenfalls rückwirkend - herabzusetzen, wenn der Unterhaltsbeitrag herabgesetzt wird, und zugleich unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes die Einbehaltung zu Unrecht ausgezahlter Beträge, soweit notwendig in Teilbeträgen, von künftig fällig werdenden Vorschüssen anzuordnen. Durch diesen letzten Halbsatz sollte gesichert werden, daß im Fall der Herabsetzung der Vorschüsse ein Übergenuß auf eine mögichst einfache, freilich auch auf die Bedürfnisse des Kindes Bedacht nehmende Weise von diesem hereingebracht wird

(AB 199 BlgNr 14. GP in Ent-Hopf, UVG 63; Strauß-Brosch, UVG 85). Dabei kommt es - dem Kind nachteiliger - nicht darauf an, ob die zu Unrecht gezahlten Vorschüsse noch nicht für den Unterhalt des Kindes verbraucht worden sind, wie dies § 22 Abs 1 UVG für die Rückzahlungspflicht voraussetzt. Bei der Einbehaltung kommt es nicht darauf an, worauf die rückwirkende Vorschußherabsetzung und damit der Übergenuß zurückzuführen ist, die Einbehaltung erfolgt unabhängig von einem Verschulden des gesetzlichen Vertreters oder anderer Beteiligter (Knoll in ÖA 1989 Heft 5, 12. Lieferung Rz 9 zu § 19 UVG). Die Pflicht des Kindes zur Rückzahlung zu Unrecht erhaltener Vorschüsse ist im Fall der Einbehaltung nach § 19 Abs 1 letzter Halbsatz UVG nur dadurch beschränkt, daß bei der Entscheidung auf die Bedürfnisse des Kindes Rücksicht zu nehmen ist, was zur Anordnung der Einbehaltung entsprechend geringerer Teilbeträge aber auch zur Abstandnahme von einer Einhebung in Fällen führt, in denen die herabgesetzten Vorschüsse ohne Gefährdung des laufenden Unterhalts nicht gekürzt werden können. Die zu treffende Ermessensentscheidung ist auf den Einzelfall abzustellen. Auch wenn vorübergehend eine Einschränkung der zur Deckung der Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel hingenommen werden muß, darf die Einbehaltung nicht zu einer Gefährdung des notwendigen Unterhalts führen (Knoll in ÖA 1989 Heft 5, 12. Lieferung, Rz 10 zu § 19 UVG; OGH 11.Juli 1990, 1 Ob 606/90).

Die Familienbeihilfe bleibt auf die Unterhaltspflicht ohne Einfluß und daher entgegen der Meinung des Rekursgerichtes auch für die an Stelle der Leistung des gesetzlichen Unterhalts tretende Bevorschussung. Auch die Unterhaltspflicht der Mutter (§ 140 Abs 2 Satz 2 ABGB) kann die Einschränkung der herabgesetzten Vorschüsse durch Einbehaltung auf einen zur Deckung des notwendigen Aufwandes nicht mehr hinreichenden Betrag nicht rechtfertigen.

Die Rekursgerichte haben daher überwiegend die Ansicht vertreten, daß der Einbehaltung durch die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes Grenzen gesetzt sind, sei es durch den Durchschnittsbedarf (LGZ Wien EFSlg 57.556 uva), sei es durch einen darunter liegenden, den Durchschnittsbedarf nicht wesentlich unterschreitenden Betrag (LGZ Wien EFSlg 57.558 ua), sei es durch den notwendigen Unterhalt (LGZ Wien EFSlg 54.809 ua). Daß das Gesetz überhaupt die Einbehaltung als den einfachsten Weg der Rückerstattung der dem Kind zu Unrecht ausgezahlten Vorschüsse vorsieht, bedeutet, daß eine Unterschreitung des in vielen Fällen auch am Bedarf des Kindes ausgerichteten Unterhaltsbetrages und des in dieser Höhe herabgesetzten Vorschusses zulässig sein muß. Die im Gesetz vorgesehene Berücksichtigung der Bedürfnisse kann so zur Ausmessung entsprechend geringerer Teilbeträge, andererseits aber auch dazu führen, daß eine Einbehaltung ohne Gefährdung des notwendigen Unterhalts nicht möglich ist und daher unterbleiben muß.

Wenn auch die Voraussetzungen nach § 14 Abs 1 AußStrG bei der auf den Einzelfall abzustellenden Ermessensentscheidung in der Regel fehlen werden, ergibt die Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den zur Entscheidung vorliegenden Fall, daß der Ermessensspielraum überschritten wurde. Auch wenn die Durchschnittsbedarfssätze nur einen Anhaltspunkt für die Betrachtung im Einzelfall geben können, liegt der auf S 1.000,-

verminderte Vorschuß auf den in dieser Höhe vom Vater zu leistenden Unterhalt so wesentlich unter den Erfahrungssätzen, daß die Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kleinkindes eine Belastung dieses Monatsbetrages mit auch nur kleinen Teilbeträgen zur Einbehaltung des Übergenusses verbietet. Die Einbehaltung hat daher zu unterbleiben.

Anmerkung

E25148

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0030OB00506.91.0213.000

Dokumentnummer

JJT_19910213_OGH0002_0030OB00506_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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