TE OGH 1991/2/13 9ObA2/91

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Veröffentlicht am 13.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Othmar Roniger und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Dr. *****, Rechtsanwalt, ***** als Masseverwalter im Konkurs der ***** Gesellschaft mbH, ***** wegen S 201.096,99 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.Dezember 1989, GZ 5 Ra 155/89-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.Juni 1989, GZ 35 Cga 17/89-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher

Sitzung

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird teilweise dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes zum Teil mit der Maßgabe wieder hergestellt wird, daß sie als Teilurteil zu lauten hat:

"Der klagenden Partei steht im Konkurs der beklagten Partei eine Konkursforderung von S 168.308,53 brutto samt 4 % Zinsen vom 5. November 1988 bis 27.Februar 1990 zu."

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten. II. den Beschluß

gefaßt:

Im übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger trat am 1.Jänner 1988 als Betriebsassistent bei der ***** Gesellschaft mbH (im folgenden: beklagte Partei) ein. Das Arbeitsverhältnis endete am 4.November 1988 durch Entlassung. Zuvor war das Arbeitsverhältnis bereits am 17.August 1988 durch die beklagte Partei zum 28.Februar 1989 aufgekündigt worden. Die mit 31.August 1988 datierte schriftliche Kündigung wurde dem Kläger am 1.September 1988 zugestellt.

Grundlage dieses Arbeitsverhältnisses war ein Einstellungsvertrag vom 26.November 1987, in dem es unter anderem heißt:

".....

7. Beendigung

Der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber können das unbefristete Dienstverhältnis unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist jeweils zum letzten Tag eines Kalendermonates per Einschreibbrief kündigen.

.....

8. Wettbewerbsverbot

Herr ***** verpflichtet sich, für die Dauer des abgeschlossenen Dienstverhältnisses seine volle Arbeitskraft dem ihm von unserer Gesellschaft übertragenen Aufgaben zu widmen. Ohne schriftliche Erlaubnis der Geschäftsleitung ist es untersagt, eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebenbeschäftigung auszuüben.

Herr ***** verpflichtet sich daher, ohne jede zeitliche Einschränkung, also auch für die Zeit einer eventuellen Beendigung des Dienstverhältnisses, Dritten keine Mitteilung über Informationen zu liefern, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bei unserer Firma zukommen oder zugekommen sind. Er unterwirft sich auch dem Verbot, von Personen außerhalb des Betriebes Geschenke im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit anzunehmen.

9. Konkurrenzklausel

Herr ***** verpflichtet sich, nach Beendigung des Dienstverhältnisses während einer Zeitdauer von 3 Jahren weder im In- noch Ausland auf selbständiger oder unselbständiger Basis eine Beschäftigung im Bereich der Hochregallagertechnik anzunehmen, weder als Teilhaber noch als Angestellter, Arbeiter oder Berater.

Diese Verpflichtung gilt auch sinngemäß für die Dauer seines Dienstverhältnisses. Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Verpflichtungen sind wir berechtigt, eine Konventionalstrafe in der Höhe des letzten Jahresbezuges zu verlangen. Außerdem steht uns das Recht zu, auf Beseitigung des vertragswidrigen Zustandes zu bestehen.

.....

Stellenbeschreibung

Bezeichnung:

Funktion:

Linienfunktion

Unterstellung:

Geschäftsleitung

Überstellung:

Konstruktionsabteilung

Mechanische Fertigung

Montagetechnik (Elektroplanung, Elektromontage und Anlagenmontage)

Zielsetzung:

Rationeller Personal- und Maschineneinsatz zur

Erreichung größtmöglicher Wirtschaftlichkeit.

Die Personalsituation sowie der betriebseigene Maschinen- und Betriebsmitteleinsatz muß in voraussichtlicher Weise der Auftragslage entsprechen.

Ein enger Kontakt zur Geschäftsleitung sowie zum Sekundärbereich (Verwaltung, Verkauf) muß angestrebt werden (Bindegliedfunktion).

Der Betriebsassistent erhält die volle Unterstützung der Geschäftsleitung.

Der Betriebsassistent muß im betrieblichen wie auch im privaten Bereich als Vorbild wirken.

Aufgaben:

Koordination und Organisation der Abteilungen,

Arbeitsqualität, Arbeitsquantität und Terminqualität.

Der Betriebsassistent muß vom Auftragseingang über den innerbetrieblichen Probelauf (Vorabnahme) bis zur kundenseitigen Endabnahme den kompletten Überblick besitzen.

Zur Unterstützung dienen ihm die jeweiligen Abteilungsverantwortlichen."

Mit der am 6.Februar 1989 eingebrachten Klage machte der Kläger folgende entlassungsabhängige Ansprüche geltend:

Kündigungsentschädigung vom 5.November 1988 bis 5.Februar 1989 S 105.000,-- anteilige Sonderzahlungen vom 5. November 1988 bis 5.Februar 1989 S 12.115,37

Urlaubsentschädigung für 16,5

Stunden im Urlaubsjahr 1988

S 4.041,51

Urlaubsentschädigung für

5 Wochen, Urlaubsjahr 1989

S 47.151,65

zusammen brutto

S 168.308,53

In der Tagsatzung vom 17.April 1989 brachte der Kläger vor, daß er bis 28.Februar 1989 arbeitslos gewesen sei und machte folgende weitere entlassungsabhängige Ansprüche geltend:

Kündigungsentschädigung vom 6. Februar bis 28.Februar 1989

S 28.750,-- brutto

anteilige Sonderzahlungen für

diesen Zeitraum

S 4.038,46 brutto.

Die Entlassung des Klägers sei nicht gerechtfertigt gewesen. Am 3. November 1988 sei er vom Geschäftsführer der beklagten Partei ***** aufgefordert worden, einen Arbeitsrapport über die letzten drei Monate zu schreiben. Derartige Aufträge hätten nicht der betrieblichen Übung entsprochen. Trotz der Ungewöhnlichkeit des Auftrages sei ihm der Kläger nachgekommen und habe unverzüglich mit der Zusammenstellung der von ihm verrichteten Tätigkeiten begonnen. Diese Arbeit habe er am 4.November 1988 fortgesetzt und den Bericht an diesem Tag um 12 Uhr dem Geschäftsführer übergeben. Nach der Mittagspause sollte um 13 Uhr eine Besprechung über diese Aufstellung erfolgen. Als der Geschäftsführer ***** um ca. 13 Uhr 05 in den Betrieb gekommen sei, habe der Kläger ihn um ein Gespräch ersucht und habe ihm der Ordnung halber mitgeteilt, daß er den Verdacht habe, es sei versucht worden, in den Betrieb einzubrechen. Auf die Frage des Geschäftsführers, wo dies geschehen sei, habe der Kläger erklärt, er werde dies der Gendarmerie mitteilen. Daraufhin sei er im Büro des Geschäftsführers nochmals zu seinem Diebstahlsverdacht befragt worden. Schließlich sei er unter Berufung auf die Vorkommnisse am Vormittag entlassen worden.

Der Verdacht des Klägers, daß aus seinem Aktenkoffer Unterlagen entnommen worden seien, habe sich insbesondere darauf gestützt, daß einem Arbeitskollegen vom Geschäftsführer der beklagten Partei ***** bei noch aufrechtem Arbeitsverhältnis der Schreibtisch ausgeräumt worden sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Am 3.November 1988 habe der Geschäftsführer der beklagten Partei ********** den Kläger beauftragt, einen schriftlichen Tätigkeitsbericht über die letzten zwei Monate zu verfassen, was im Hinblick auf befürchtete Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche von Kunden nicht ungewöhnlich gewesen sei. Am 4.November 1988 habe der Kläger dem Geschäftsführer gegen Mittag einen handgeschriebenen Bericht überreicht, worauf er für 13 Uhr dieses Tages zu einer Besprechung geladen worden sei. Kurz vor diesem Termin habe der Kläger erklärt, daß im Betrieb eingebrochen worden sei und er nunmehr die Gendarmerie verständigen müsse. Trotz Ersuchens des Geschäftsführers habe der Kläger eine Aufklärung über den Sachverhalt verweigert. Weiters habe der Kläger sich geweigert, seine handschriftlichen Aufzeichnungen zu erläutern und bestimmte Auskünfte über seine Tätigkeit zu erteilen, weil er nicht dem Geschäftsführer *****, sondern dem Geschäftsführer ***** unterstehe. Tatsächlich sei ***** der Vertreter des abwesenden Geschäftsführers ***** gewesen, so daß er zu diesem Zeitpunkt die alleinige Weisungsbefugnis gegenüber dem Kläger gehabt habe. Aus diesem Grund sei die Entlassung des Klägers ausgesprochen worden.

Der Kläger sei seit einiger Zeit entgegen der Konkurrenzklausel nach Punkt 9 seines Anstellungsvertrages bei der ***** Gesellschaft mbH beschäftigt, weshalb die vereinbarte Konventionalstrafe kompensando gegen die Klagsforderung eingewendet werde. Dieses Dienstverhältnis habe nicht erst am 28. Februar 1989 begonnen. Dies ergebe sich daraus, daß der PKW des Klägers wiederholt auf dem Parkplatz dieser Firma gesehen worden sei, der Kläger am 17.Februar 1989 ein Telefongespräch von dieser Firma geführt habe und ein Organigramm dieser Firma, in dem der Kläger als leitender Mitarbeiter aufscheine, den Kunden bereits im Jänner 1989 zugesandt worden sei. Des weiteren sei der Kläger etwa am 5. und 12.Dezember 1988 bei der ***** Gesellschaft mbH in ***** als Mitarbeiter der Firma ***** vorstellig geworden und habe Leistungen für diese Firma erreichen wollen. Es sei daher auch das Begehren an Kündigungsentschädigung überhöht. Schließlich habe der Kläger bereits im Herbst 1988 über seinen Übergang zur Firma ***** verhandelt. Darüber hinaus habe er auch schon während des aufrechten Dienstverhältnisses Leistungen für die Firma ***** erbracht oder zumindest Vorbereitungsverhandlungen gesetzt. Dies sei ein weiterer Entlassungsgrund.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden wesentlichen weiteren Sachverhalt fest:

Am 3.November 1988 gab der Geschäftsführer ***** dem Kläger gegen 15 Uhr den Auftrag, bis zum 4.November, 12 Uhr, einen Tätigkeitsbericht über seine Arbeit in den letzten drei Monaten zu verfassen. Den bis zum festgesetzten Termin verfaßten Bericht händigte dann der Kläger kurz vor 12 Uhr den beiden anwesenden Geschäftsführern ***** und ***** aus. Danach ging der Kläger in sein Büro zurück und schloß das Original seines Berichtes in seinem Aktenkoffer ein. Hiebei achtete er auf die Stellung des Schlosses des Aktenkoffers, weil der Geschäftsführer ***** einmal das Büro eines Mitarbeiters ausgeräumt hatte. Nach der Mittagspause stellte der Kläger fest, daß die Einstellung des Schlosses des Aktenkoffers verändert war. Der Kläger folgerte daraus, daß während seiner Abwesenheit über Mittag jemand am Schloß manipuliert haben müsse. Gegen 13 Uhr betrat der Geschäftsführer ***** gemeinsam mit dem Angestellten ***** das Büro des Klägers und bat ihn, in 10 Minuten in sein Büro zu kommen. Daraufhin erklärte der Kläger, daß es sein könne, daß er zwischenzeitig die Gendarmerie verständigen werde. Als ***** nach dem Grund hiefür fragte, erklärte der Kläger, es habe den Anschein, daß im Betrieb eingebrochen worden sei. Auf entsprechende Fragen und Vorhalte des *****, das ihm der Kläger Rechenschaft schuldig sei, wo und wann eingebrochen worden sei, entgegnete der Kläger, daß der dies nicht ihm, sondern der Gendarmerie sagen würde. ***** forderte sodann den Kläger auf, sofort in sein Büro zu kommen, und beorderte ***** ebenfalls dorthin. Im Büro kam es zu einer Debatte zwischen dem Kläger und *****, in deren Verlauf der Geschäftsführer den Kläger darauf hinwies, daß er ihm über den Vorfall Auskunft geben müsse, da er ihm direkt unterstellt sei. Der Kläger entgegnete, daß er nicht nur ***** sondern auch ***** unterstellt sei. Im Zuge dieser Debatte kamen die beiden auch auf die Tätigkeitsberichte des Klägers zu sprechen. Dabei warf der Kläger die Frage ein, ob sein Oktober-Gehalt schon überwiesen sei. ***** entgegnete, daß ihn das jetzt nicht zu interessieren habe. Er fragte den Kläger, ob er auch Diagramme betreffend den Auftragsstatus erstellt habe. Der Kläger entgegnete, daß er dies gemacht habe und daß diese Unterlagen sich bei einer Mitarbeiterin befinden. Als der Kläger diese Mitarbeiterin über Auftrag des Geschäftsführers aufsuchte, erklärte sie ihm, daß die gewünschten Balkendiagramme sich bei einem anderen Mitarbeiter befinden. Dieser Mitarbeiter war damals jedoch nicht im Betrieb anwesend. Als der Kläger ins Büro des Geschäftsführers zurückkehrte, wurde er von diesem unter Hinweis auf das soeben Vorgefallene entlassen.

Im Zuge der Debatte war der Inhalt des Tätigkeitsberichtes nur kurz angesprochen worden. Eine genaue Erläuterung durch den Kläger erfolgte nicht und wurde auch vom Geschäftsführer ***** nicht verlangt. Die Diskussion wurde zwar hitzig geführt, Beleidigungen sind aber von keiner Seite gefallen.

Nach der Entlassung wollte der Kläger seine persönlichen Sachen ausräumen und nahm dabei auch den Koffer in die Hand. ***** fragte den Kläger, was das sei und der Kläger entgegnete, dies sei das "Corpus delicti". Der Kläger erklärte weiters, daß er den Verdacht habe, daß aus diesem Koffer Unterlagen weggekommen seien. Es wurde sodann die Gendarmerie verständigt, in deren Beisein der Koffer geöffnet und untersucht wurde. Dabei wurde festgestellt, daß aus dem Koffer nichts abhanden gekommen war.

Nach seiner Entlassung war der Kläger arbeitslos und begann am 1. März 1989 bei einer Konkurrenzfirma der beklagten Partei, die der zwischenzeitlich ausgeschiedene Geschäftsführer ***** gegründet hatte, als Angestellter zu arbeiten. Im Dezember 1988 hat der Kläger versucht, einen Prokuristen der ***** Gesellschaft mbH für eine Mitarbeit für die Firma von ***** zu gewinnen. Diese Tätigkeit hat der Kläger unentgeltlich erbracht.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger den begründeten Verdacht gehabt habe, an seinem Koffer sei manipuliert worden und es seien allenfalls für ihn wichtige Unterlagen abhanden gekommen. Wenn er bei dieser Sachlage der Weisung des Geschäftsführers *****, ihm Näheres mitzuteilen, nicht nachgekommen sei, begründe dies nicht einmal eine Obliegenheitsverletzung, geschweige denn einen Entlassungsgrund. Es müsse dem Kläger unbenommen bleiben, seiner Meinung nach strafrechtlich relevante Ereignisse nicht seinem Arbeitgeber, sondern zunächst den hiefür zuständigen Behörden mitzuteilen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Verdacht des Klägers, an seinem Aktenkoffer sei manipuliert worden, entgegen der Ansicht des Erstgerichtes nicht die Verweigerung der näheren Auskunft über den Einbruch gegenüber dem Arbeitgeber gerechtfertigt habe. Nach einer solchen Mitteilung müsse dem Arbeitgeber unbenommen bleiben, sich unabhängig vom Einschreiten der Sicherheitsorgane selbst Klarheit darüber zu verschaffen, ob etwas gestohlen oder beschädigt worden sei, zumal dies für den weiteren Betriebsablauf von Bedeutung sein könne. Andererseits habe der Kläger seinen persönlichen Interessen nicht dadurch schaden können, daß er seinem Arbeitgeber mitgeteilt hätte, daß er den Einbruchsverdacht nur wegen der Veränderung der Zahlenkombination an seinem Aktenkoffer habe. Das Verhalten des Klägers könne nur dahin verstanden werden, daß er in schikanöser Weise die Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber aufgekündigt und deutlich zu verstehen gegeben habe, daß er nicht mehr loyal zum Unternehmen seines Arbeitgebers stehe. Die Weigerung des Klägers, Auskunft über den von ihm behaupteten Diebstahlsverdacht zu geben, rechtfertige die Entlassung nach § 27 Z 1 und Z 4 AngG.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern.

Während des Laufes der Frist zur Revisionsbeantwortung wurde am 27. Februar 1990 über das Vermögen der beklagten Partei der Konkurs eröffnet, sodann die Klagsforderung zuzüglich Kosten der Revision von S 18.649 als Konkursforderung angemeldet und in der Prüfungstagsatzung vom 19.April 1990 von Masseverwalter bestritten. Mit Schriftsatz vom 21.Mai 1990 beantragte der Kläger die Fortsetzung des gegenständlichen Verfahrens. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6.Dezember 1990 wurde das unterbrochene Verfahren wieder aufgenommen. Dieser Beschluß wurde dem Masseverwalter am 13.Dezember 1990 zugestellt.

Mit der am 20.Dezember 1990 zur Post gegebenen und daher rechtzeitig erstatteten Revisionsbeantwortung beantragte der für die beklagte Partei in den Prozeß eingetretene Masseverwalter, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 27 Z 1 dritter Tatbestand AngG ist die Entlassung des Angestellten gerechtfertigt, wenn er sich einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen läßt. Das Verhalten des Arbeitnehmers

muß - grundsätzlich - pflichtwidrig und schuldhaft sein und sich während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ereignet haben (siehe Kuderna, Das Entlassungsrecht 89; Petrovic, Die Vertrauensunwürdigkeit als Entlassungsgrund nach § 27 Abs 1 letzter Satz AngG, ZAS 1983, 49 ff (50)). Die Verpflichtung des Klägers, seinen Arbeitgeber über die näheren Umstände des von ihm behaupteten Einbruches zu informieren, ergibt sich aus der Verpflichtung des Arbeitnehmers, die sachlich gerechtfertigten wirtschaftlichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu wahren (siehe Mayer-Maly, Treue- und Fürsorgepflicht in rechtstheoretischer und rechtsdogmatischer Sicht, in Tomandl, Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht, 70 ff (85)); hiebei ist Spielbüchler (in Spielbüchler-Floretta-Strasser Arbeitsrecht I3 146) darin zu folgen, daß sich die Interessenwahrungspflicht in ihrem Kern auf den Bereich der zugesagten Arbeitsleistung beziehen muß.

Da durch den vom Kläger vermuteten Einbruch in seine Aktentasche wohl nicht betriebliche Interessen, sondern nur persönliche Interessen des Klägers gefährdet waren, war er aus dem Gesichtspunkt der Treuepflicht nicht zu einer Mitteilung an den Arbeitgeber verpflichtet (siehe auch Spielbüchler aaO 154 f). Ginge man aber davon aus, daß auch schon die Äußerung eines nicht näher konkretisierten Verdachtes, im Betrieb sei eine strafbare Handlung verübt worden, geeignet gewesen sei, den betrieblichen Arbeitsablauf zu stören und dadurch betriebliche Interessen zu gefährden, dann wäre nach Abwägung der Interessen des Klägers und der beklagten Partei zu prüfen, ob dem Kläger die Konkretisierung des Diebstahlsverdachtes vor Eintreffen der Gendarmerie zumutbar war. Das von dem in diesem Zeitpunkt bereits gekündigten Kläger in seinem Aktenkoffer verwahrte Original seines Berichtes war der einzige Beweis dafür, daß er dem Auftrag des Geschäftsführers der beklagten Partei nachgekommen war. Der Kläger hatte daher an der objektiven Feststellung eines allfälligen Diebstahles aus seinem Aktenkoffer ein erhebliches Interesse. Dem Kläger muß es daher wohl auch zugebilligt werden, die konkreten Anhaltspunkte für diesen Verdacht nicht dem von ihm in erster Linie verdächtigten Geschäftsführer ***** mitzuteilen, sondern damit die kurze Zeit bis zum Eintreffen der Gendarmerie zuzuwarten. Die Interessenabwägung führt daher zum Ergebnis, daß dem Kläger die Konkretisierung des Verdachtes vor Eintreffen der Gendarmerie nicht zumutbar war. Noch viel weniger war er zu einer solchen Konkretisierung verpflichtet. Da der Kläger durch sein Verhalten demnach die Treuepflicht nicht verletzt, sondern lediglich seine Interessen in legitimer Weise gewahrt hat, war seine Entlassung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes durch dieses Verhalten nicht gerechtfertigt.

Da das Berufungsgericht nur im Hinblick auf das Vorliegen eines Entlassungsgrundes auf die Verfahrens- und Beweisrüge der beklagten Partei nicht eingegangen ist, ist zu prüfen, ob davon entscheidungswesentliche Feststellungen betroffen waren.

Soweit die beklagte Partei in der Beweisrüge der Berufung Feststellungen darüber vermißt, daß der Kläger den Geschäftsführer ***** beleidigt habe, ist ihr zu erwidern, daß sie, obwohl im Verfahren erster Instanz anwaltlich vertreten, eine derartige beleidigende Äußerung nicht einmal behauptet hat. Ebensowenig hat die beklagte Partei in erster Instanz ein Vorbringen über ein planmäßiges Vorgehen des nach der Entlassung des Klägers ausgeschiedenen Geschäftsführers der beklagten Partei ***** gegen die beklagte Partei erstattet; die hiezu erstatteten Berufungsausführungen und die erstmals in der Berufung angebotenen Beweise sind daher unzulässige Neuerungen.

Die von der beklagten Partei im Rahmen der Verfahrens- und Beweisrüge angestrebte Feststellung, der Kläger sei bereits am 5. Februar 1989 beim Konkurrenzunternehmen ***** beschäftigt gewesen, entspricht zwar dem Vorbringen der beklagten Partei im Verfahren erster Instanz, ist aber für die Frage, ob die bereits am 4.November 1988 erfolgte Entlassung gerechtfertigt war, ohne jede Bedeutung. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Entlassung bereits von der beklagten Partei gekündigt war, ohne daß sie erklärt hatte, während der - zulässigen - Dauer der Beschränkung durch die Konkurrenzklausel dem Kläger das ihm zuletzt zugekommene Entgelt zu leisten; die beklagte Partei konnte sich daher gemäß § 37 Abs 2 AngG gegenüber dem Kläger nicht mehr auf die Konkurrenzklausel berufen. Mangels Bindung durch die Konkurrenzklausel handelte der Kläger demnach nicht rechtswidrig, wenn er schon während des Laufes der Kündigungsfrist einen neuen Arbeitsplatz bei einem Konkurrenzunternehmen anstrebte.

Die Feststellung, daß der Kläger bereits ab 5.Februar 1989 bei einer Konkurrenzfirma der beklagten Partei beschäftigt war, ist daher lediglich für die Frage, ob dem Kläger die volle Kündigungsentschädigung (also ohne jede Anrechnung) auch für den Zeitraum nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 29 Abs 2 AngG gebührt, von Bedeutung.

Der Revision war daher teilweise Folge zu geben und das Ersturteil - mit Ausnahme des Zuspruches der Kündigungsentschädigung für den Zeitraum vom 5.Februar 1989 bis 28. Februar 1989 - wiederherzustellen. Hiebei war der Zuspruch in dem nach Unterbrechung durch die Konkurseröffnung gemäß § 113 KO fortgesetzten Rechtsstreit gemäß § 110 Abs 1 KO von Amts wegen auf Feststellung der geltend gemachten Forderung als Konkursforderung umzustellen (siehe SZ 24/90; SZ 26/233 sowie SZ 52/144).

Im übrigen - bezüglich des Begehrens auf Kündigungsentschädigung (einschließlich anteiliger Sonderzahlungen) für den Zeitraum vom 5. Februar 1989 bis 28.Februar 1989 - war das angefochtene Urteil hingegen aufzuheben und die Rechtssache zur Behandlung der diesbezüglicher Verfahrens- und Beweisrüge an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E25822

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBA00002.91.0213.000

Dokumentnummer

JJT_19910213_OGH0002_009OBA00002_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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