TE OGH 1991/2/14 7Ob34/90

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Veröffentlicht am 14.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****versicherung Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Anton B*****, vertreten durch Dr. Herwig Grosch u.a., Rechtsanwälte in Kitzbühel, und 2. Klaus H*****, vertreten durch DDr. Hans Esterbauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 657.638 sA und Feststellung (Streitwert S 100.000), infolge Revisionen der klagenden Partei und beider beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 22. Mai 1990, GZ 2 R 288/89-74, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 24. Juni 1989, GZ 1 Cg 238/83-63, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Revision der beiden Beklagten wird nicht Folge gegeben.

II. Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es insgesamt zu lauten hat:

"1. Das Leistungsbegehren der klagenden Partei besteht mit

S 569.399,20 zu Recht.

2.

Die Gegenforderungen der Beklagten bestehen nicht zu Recht.

3.

Die beiden Beklagten sind daher zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 569.399,20 samt 4 % Zinsen seit 21.4.1982 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

              4.              Das Mehrbegehren auf Zuspruch weiterer S 88.238,80 samt 4 % Zinsen seit 21.4.1982 wird abgewiesen.

              5.              Es wird festgestellt, daß die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand der klagenden Partei für alle von ihr als Haftpflichtversicherer des mit dem Probekennzeichen S***** versehenen PKW des Erstbeklagten aus dem Verkehrsunfall vom 16.4.1979 in Zukunft an die Geschädigte Ortrun S***** noch zu leistenden Zahlungen haften und ersatzpflichtig sind.

              6.              Die beiden Beklagten sind ferner zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 177.484,31 (darin S 15.142 an Barauslagen und S 27.057,05 an Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz und die mit

S 46.707,98 (darin S 2.240 an Barauslagen und S 7.411,32 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen."

III. Die beiden Beklagten sind schließlich zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 41.197,86 (darin S 10.000 an Barauslagen und S 5.199,64 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16.4.1979 ereignete sich auf der Pinzgauer Bundesstraße in Stuhlfelden-Pirtendorf ein Verkehrsunfall, an dem der Erstbeklagte als Lenker eines PKW Alfa-Romeo 2000 und Wilhelm S***** als Lenker eines PKW Peugeot 504 D beteiligt waren. Dabei wurde der PKW Peugeot total beschädigt. Ortrun S*****, die im Peugeot mitgefahren war, wurde schwer verletzt. Der Erstbeklagte wurde deshalb mit Urteil des Bezirksgerichtes Mittersill wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 2 und 4, erster Fall, StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe verurteilt. Am PKW des Erstbeklagten war zum Unfallszeitpunkt das Probefahrtkennzeichen S***** angebracht. Dieses Kennzeichen sowie ein entsprechender Probefahrtschein waren von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See dem Zweitbeklagten zugewiesen worden. Der Zweitbeklagte hatte bei der klagenden Partei eine Haftpflichtversicherung für mit dem Probefahrtkennzeichen versehene Fahrzeuge abgeschlossen. Der PKW Alfa Romeo war demnach zur Unfallszeit bei der klagenden Partei gegen Haftpflicht versichert.

Die klagende Partei begehrt den Zuspruch von S 657.638 sA und die Feststellung, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei alle aus dem Verkehrsunfall vom 16.4.1979 von ihr an die Geschädigte Ortrun S***** noch zu leistenden Zahlungen zu ersetzen. Die klagende Partei habe als Haftpflichtversicherer an Wilhelm und Ortrun S***** insgesamt S 657.638 aus dem Titel des Schadenersatzes gezahlt. Sie sei jedoch leistungsfrei. Der Erstbeklagte habe das Probefahrtkennzeichen widmungswidrig, nämlich ohne Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Zweitbeklagten, verwendet. Das Probefahrtkennzeichen sei dem Erstbeklagten von einem Angestellten des Zweitbeklagten zur Verfügung gestellt worden, damit dieser mit seinem - behördlich bereits abgemeldeten - PKW, an dessen Kauf Franz Z***** interessiert gewesen sei, eine Probefahrt unternehmen könne. Die widmungswidrige Verwendung des Probefahrtkennzeichens, von der die klagende Partei Ende Mai 1979 erfahren habe, müsse sich der Zweitbeklagte, der für seine Betriebsorganisation verantwortlich sei, zurechnen lassen. Wegen der Schwere der Verletzung der Ortrun S***** sei zu erwarten, daß seitens des Sozialversicherungsträgers noch weitere Ansprüche gegen die klagende Partei geltend gemacht werden.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage.

Der Erstbeklagte wendet ein, es fehle ihm die passive Klagelegitimation. Eine vereinbarungs- und widmungswidrige Weitergabe des Probefahrtkennzeichens an ihn könne nur allenfalls den Zweitbeklagten regreßpflichtig machen. Wilhelm S***** treffe ein nicht unerhebliches Mitverschulden an dem Verkehrsunfall. Der Erstbeklagte stelle deshalb auch die Reparaturkosten seines eigenen Fahrzeuges von zumindest S 60.000 der Klageforderung compensando entgegen. Ortrun S***** sei nicht angegurtet gewesen; dies mindere ihre Schadenersatzansprüche. Die klagende Partei habe ihre Forderung nicht entsprechend aufgeschlüsselt. Das Feststellungsbegehren sei unbegründet, weitere Verletzungsfolgen seien nicht zu erwarten. Das Klagebegehren sei verjährt.

Der Zweitbeklagte wendet ein, sein Angestellter habe das Probefahrtkennzeichen ohne sein Wissen und gegen seinen Willen an Franz Z***** verliehen, der es wiederum eigenmächtig dem Erstbeklagten zur Verfügung gestellt habe. Die klagende Partei habe mit den Geschädigten einen Vergleich abgeschlossen, ohne seine Zustimmung einzuholen. Der Klageanspruch sei verjährt. Der Klagebetrag sei nicht entsprechend aufgeschlüsselt worden.

In einem am 7.4.1986 eingelangten Schriftsatz (ON 23) gliederte die klagende Partei den Klagebetrag auf in Fahrzeugschaden (DM 6.748), Abschleppkosten (S 1.003), Zahlung an die Krankenkasse (DM 4.835,30), Privatbeteiligtenkosten des Rechtsanwaltes Dr. G***** im Strafverfahren (S 7.907), Teilschmerzengeldzuspruch (S 10.000) und Sachverständigenkosten (S 1.145). In einem weiteren Betrag von S 560.000 seien enthalten S 60.000 Anwaltskosten des Dr G***** für dessen Einschreiten, Schmerzengeld S 220.000 und Barauslagen der Verletzten S 7.000; im noch offenen Differenzbetrag seien die Ablöse für eine kosmetische Gesichtskorrektur, Ablösen für künftige Ansprüche aus einem Rentenbegehren sowie für ein Feststellungsbegehren - beide Ansprüche wären der Verletzten auf Grund eines Sachverständigengutachtens und der Schwere der Verletzungen zugestanden -, und schließlich die Kosten einer Haushalts- und Geschäftshilfe enthalten; ausgenommen seien lediglich die Kosten einer allenfalls notwendigen Arthrodese als Folge der offenen Sprunggelenksfraktur.

Die beiden Beklagten bestritten die Berechtigung dieser Ansprüche (Schriftsätze ON 24 a und 25).

In der Tagsatzung vom 7.4.1989 brachten die beiden Beklagten noch vor, die klagende Partei habe bei der Schadensabwicklung ihre Obliegenheiten schuldhaft verletzt. Sie habe es unterlassen, sachgerechte Feststellungen zu den Klagsansprüchen von Wilhelm und Ortrun S***** zu treffen. Bei Verurteilung der Beklagten stünde diesen ein Schadenersatzanspruch von zumindest S 400.000 zu, der der Klageforderung aufrechnungsweise entgegengehalten werde.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren der klagenden Partei in Ansehung des Zweitbeklagten Folge. Das Leistungsbegehren der klagenden Partei gegen den Zweitbeklagten erkannte es mit S 291.492,10 samt Anhang als zu Recht bestehend; es erachtete dessen Gegenforderung hingegen als nicht berechtigt und verurteilte den Zweitbeklagten daher, der klagenden Partei S 291.492,10 sA zu bezahlen. Das Leistungsmehrbegehren gegen den Zweitbeklagten wies das Erstgericht hingegen ebenso ab wie das gesamte Klagebegehren (Leistungs- und Feststellungsbegehren) gegen den Erstbeklagten. Das Erstgericht traf folgende Feststellungen:

Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls am 16.4.1979 bestand zwischen dem Zweitbeklagten und der klagenden Partei für Kraftfahrzeuge aller Art mit dem Kennzeichen S ***** eine Haftpflichtversicherung zu den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrversicherung (AKB), und zwar für Schäden bei Fahrten unter erlaubter Verwendung des Probefahrtkennzeichens S *****.

Zur Unfallszeit befand sich der vom Erstbeklagten gelenkte PKW Alfa Romeo 2000, auf dem sich das Probefahrtkennzeichen des Zweitbeklagten S ***** befand, in der ausschließlichen Verfügungsgewalt des Erstbeklagten. Er beabsichtigte, dieses Kraftfahrzeug an Franz Z***** zu verkaufen. Der Erstbeklagte verwendete den PKW mit dem Probefahrtkennzeichen ausschließlich zu Privatzwecken; er wußte auch, daß er das Probefahrtkennzeichen nicht im Rahmen des Geschäftsbetriebes, sondern für seine privaten Zwecke verwendete. Der Erstbeklagte erhielt das Probefahrtkennzeichen von einem beim Zweitbeklagten angestellten Tankwart, der dies über ausdrückliche Anordnung des Angestellten des Zweitbeklagten Christian H***** tat. Das Probefahrtkennzeichen befand sich in der Gewahrsame des Tankwartes des Zweitbeklagten. Dem Erstbeklagten wurde nur das Probefahrtkennzeichen, nicht auch der Probefahrtschein übergeben.

Der Zweitbeklagte hatte von der Übergabe des Probefahrtkennzeichens an den Erstbeklagten vor dem Unfall keine Kenntnis.

Der Unfall ereignete sich derart, daß Wilhelm S***** mit seinem PKW von der Bundesstraße 168 nach links in Richtung Pirtendorf abbog, während der Erstbeklagte zur gleichen Zeit überholte und im Bereich der Abzweigung zur Straße in Richtung Pirtendorf mit dem PKW des Wilhelm S***** zusammenstieß. Wilhelm S***** fuhr mit seinem PKW von Mittersill nach Stuhlfelden. Seine Gattin Ortrun S***** war Beifahrerin. Dahinter fuhr ein von Wiltrud W***** gelenkter PKW in einem Abstand von etwa 20 m. Beide Lenker verlangsamten ihre Fahrzeuge aus einer Geschwindigkeit von 70 km/h, weil sie beabsichtigten, nach links in Richtung Pirtendorf abzubiegen. Mindestens 80 m vor der Unfallskreuzung setzten sie, also auch Wilhelm S*****, den linken Blinker, reihten sich zur Fahrbahnmitte hin ein und näherten sich langsamer werdend der Unfallstelle. Mindestens 30 m vor dem Überfahren der Leitlinie blickte Wilhelm S***** in den Rückspiegel. Er näherte sich der Unfallstelle mit den linken Rädern etwa 20 cm rechts der Leitlinie fahrend. Beim Überfahren der Leitlinie zum Zwecke des Linksabbiegens blickte er nochmals in den Außenspiegel und sah auf der Höhe des von Wiltrud W***** gelenkten Fahrzeuges - etwa 30 m dahinter - auf der Überholspur kein anderes Fahrzeug kommen.

Ob Ortrun S***** zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt war, ist nicht feststellbar.

Mit Einschreibebrief vom 4.9.1979 teilte die klagende Partei dem Zweitbeklagten mit, daß das Probefahrtkennzeichen widmungswidrig und unzulässig verwendet worden sei. Die klagende Partei erklärte als Haftpflichtversicherer ihre Leistungsfreiheit und führte aus, daß sie den Dritten gegenüber hafte und daß der Zweitbeklagte regreßpflichtig werde. Einen insoweit inhaltlich identischen Einschreibebrief sandte die klagende Partei an den Erstbeklagten am 21.6.1979.

Mit Einschreibebrief vom 11.8.1981 kündigte die klagende Partei dem Erstbeklagten die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Wege des Rückgriffes aus dem Titel des Fahrzeugschadens, der Abschleppkosten, eines Teilschmerzengeldes und für die Bezahlung von Sachverständigengebühren und Privatbeteiligtenkosten in der Höhe von S 97.638 an.

Ortrun S***** erlitt bei dem Unfall am 16.4.1979 einen offenen Innen- und Außenknöchelbruch rechts mit Abriß des hinteren Schienbeinkeiles, eine Verrenkung des Sprungbeines nach außen und eine Rißquetschwunde an der Stirne rechts. Als Folge des Unfalls verblieben bei Ortrun S***** eine Versteifung des unteren und oberen Sprunggelenks mit einer leichten Spreizfußstellung von 5 Grad. Damit verbunden verblieben eine deutliche Gangbehinderung, eine Atrophie der Wadenmuskulatur und subjektive Belastungsschmerzen beim Auftreten mit dem Bein. Diese Folgen können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Außerdem verblieb Ortrun S***** eine Narbe im Bereich der Stirne. Die subjektiven Beschwerden können durch eine operative Versteifung (Arthrodese) des Sprunggelenkes erreicht werden. Ortrun S***** erlitt 10 Tage starke Schmerzen, sechs Wochen mittelstarke Schmerzen und 5 Monate leichte und abklingende Schmerzen.

Ob Ortrun S***** durch diese Verletzungen in der Ausübung ihres Zoohandelsgewerbes behindert ist, war nicht feststellbar. Die Folgen eines operativen Eingriffes bei Ortrun S***** in Form einer weiteren Versteifung des oberen Sprunggelenkes, die mit dieser Operation verbundenen Schmerzen sowie die Folgen einer kosmetischen Operation zur Beseitigung der Narbe auf der Stirn sind in den vom Sachverständigen ermittelten Schmerzen nicht enthalten.

Am PKW des Wilhelm S***** entstand Totalschaden von DM 5.500. Dieser Betrag wurde von der klagenden Partei an Wilhelm S***** bezahlt. Ob die Klägerin einen Betrag von S 1.300 für Abschleppkosten an Ortrun oder Wilhelm S***** bezahlte, ist nicht feststellbar. Die Klägerin bezahlte weiters an die Krankenkasse Eintracht in Häusenstamm, die Krankenversicherung von Ortrun S*****, Kosten der Krankenhausbehandlung von DM 4.835,30.

Den Schmerzengeldanspruch von Ortrun S***** beglich die klagende Partei mit einem Teilbetrag von S 10.000 sowie durch Bezahlung eines weiteren Betrages von S 218.000. Weiter bezahlte die klagende Partei das Honorar des gerichtlich beeideten Sachverständigen für Kraftfahrwesen F. W***** für die Feststellung des Schadens am PKW des Wilhelm S***** in der Höhe von S 1.145.

Ob Ortrun S***** im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall weitere Barauslagen in der Höhe von S 7.000 sowie Kosten einer Haushalts- und Geschäftshilfe entstanden, war nicht feststellbar.

Die klagende Partei leistete Ortrun S***** überdies eine Ablöse für eine kosmetische Operation zur Beseitigung der Narbe an der Stirn in einem nicht feststellbaren Umfang.

Ob Ortrun S***** infolge des Unfalls ein Verdienstentgang entstand oder entstehen wird, ob sie bei der Ausübung ihres Berufes im Zoohandelsgewerbe mehr Anstrengungen machen muß als ein Gesunder, und ob bei Ortrun S***** die konkrete Gefahr besteht, sie werde infolge der Unfallsfolgen ihren Arbeitsplatz verlieren, ist nicht feststellbar.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, der Klageanspruch sei nicht verjährt. Privatfahrten zur Feststellung der Gebrauchs- und Leistungsfähigkeit eines PKW seien durch das Probefahrtkennzeichen nicht gedeckt und stellten daher keine Probefahrt iS des § 45 Abs 1 KFG dar. Den Zweitbeklagten treffe ein Verschulden an der Herbeiführung des Versicherungsfalles. Er habe es nämlich schuldhaft unterlassen, in der Organisation seines Geschäftsbetriebes entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, daß Angestellte seines Unternehmens ohne sein Wissen und völlig frei das Probefahrtkennzeichen an Dritte weitergeben können. Der Zweitbeklagte habe eine dem vereinbarten Zweck zuwiderlaufende Verwendung des Probefahrtkennzeichens hingenommen und daher seine Obliegenheit nach § 2 Abs 2 lit. a AKHB gemäß § 6 Abs. 1 VersVG schuldhaft verletzt. Er hafte daher für sämtliche Folgen, die sich aus der schuldhaften Herbeiführung des Versicherungsfalles ergeben. Die Haftung des Zweitbeklagten sei nicht begrenzt, weil den Erstbeklagten das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls treffe. Der Erstbeklagte habe entgegen der Bestimmung des § 20 StVO eine unklare Verkehrssituation nicht beachtet, als er zwei linksblinkende und zur Fahrbahnmitte hin eingeordnete Kraftfahrzeuge mit großer Geschwindigkeit überholt habe. Soweit die klagende Partei als Haftpflichtversicherer des Zweitbeklagten die geschädigten Dritten nach § 158 c Abs 1 VersVG befriedigt habe, gehe ihre Forderung gegen den Zweitbeklagten gemäß § 158 f, erster Satz, VersVG zur Gänze auf sie über. Dies gelte jedoch nicht für den Erstbeklagten, weil die Legalzession nach § 158 f VersVG stets nur die Forderung des geschädigten Dritten gegen den Versicherungsnehmer umfasse. Für die Kosten des geschädigten Dritten, die eigenen Prozeßkosten und die ihm auferlegten Verzugszinsen könne der Versicherer jedoch nicht Regreß nehmen. Deshalb könne die klagende Partei weder einen Zinsenschaden der Ortrun S*****, noch die Privatbeteiligtenkosten des Rechtsanwaltes Dr. G***** aus dem Strafverfahren vor dem Bezirksgericht Mittersill oder die außergerichtlichen Vertretungskosten dieses Rechtsanwalts ersetzt verlangen, auch wenn sie von der klagenden Partei tatsächlich bezahlt worden seien. Rückgriffsansprüche gegen den Zweitbeklagten stünden der klagenden Partei hinsichtlich folgender Ersatzleistungen zu:

1.

Totalschaden am PKW des Wilhelm S***** DM 5.500,

2.

Zahlung an die Krankenkasse Eintracht DM 4.835,30,

3.

Schmerzengeldanspruch der Ortrun S***** S 218.000,

4.

Sachverständigenkosten W***** S 1.145.

Das Leistungsbegehren gegen den Zweitbeklagten bestehe daher mit insgesamt S 291.492,10 zu Recht. Da Dauerfolgen bei Ortrun S***** und damit das Entstehen weiterer Regreßansprüche nach § 158 f VersVG nicht auszuschließen seien, bestehe das Feststellungsbegehren gegen den Zweitbeklagten zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Zweitbeklagten nicht, jener der klagenden Partei dagegen teilweise Folge und erkannte, daß das Leistungsbegehren der klagenden Partei gegen beide Beklagte zur ungeteilten Hand mit S 369.399,20 zu Recht und mit S 288.238,80 nicht zu Recht bestehe (Punkt 1.); daß die aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen der Beklagten nicht zu Recht bestehen (Punkt 2.); und daß die Beklagten daher zur ungeteilten Hand schuldig seien, der klagenden Partei S 369.399,20 samt 4 % Zinsen seit 21.4.1982 zu bezahlen (Punkt 3.). Es wies das Mehrbegehren auf Zuspruch weiterer S 288.238,80 sA ab (Punkt 4.) und stellte fest, daß die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand der klagenden Partei für alle von ihr als Haftpflichtversicherer des mit dem Probekennzeichen S ***** versehenen PKW des Erstbeklagten aus dem Verkehrsunfall vom 16.4.1979 in Zukunft an die Geschädigte Ortrun S***** noch zu leistenden Zahlungen haften und ersatzpflichtig sind (Punkt 5.). Es sprach aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig ist (Punkt 6.). Das Berufungsgericht ergänzte die erstgerichtlichen Feststellungen dahin, daß die klagende Partei unter anderem auch Privatbeteiligtenkosten von S 7.907 und Anwaltskosten der Geschädigten von S 60.000 bezahlt hat. Es ging im übrigen von den Feststellungen des Erstgerichtes aus und pflichtete dessen rechtlicher Beurteilung hinsichtlich des Zweitbeklagten mit Ausnahme der Kostenbeträge von S 7.907 und S 60.000 sowie eines Schmerzengeldteilbetrages von S 10.000 bei. Hinsichtlich des Erstbeklagten vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, dieser sei Eigentümer und Halter des versicherten PKWs und damit gemäß Art. 1 Abs 2 AKHB Mitversicherter gewesen. Er habe auch gewußt, daß er das Probefahrtkennzeichen widmungswidrig verwende. Der Regreßanspruch der klagenden Partei hänge davon ab, wie weit die von ihr den Geschädigten erbrachten Leistungen der Sachlage entsprächen. Der Versicherungsnehmer und der Versicherte könnten sich aller Einwendungen aus einem Haftpflichtverhältnis bedienen, wenn sie der Schadensregulierung durch den Versicherer nicht zugestimmt haben. Ein Mitverschulden des Wilhelm S***** sei jedoch nach den ausreichenden Feststellungen des Erstgerichtes nicht zu erkennen. Die klagende Partei habe das Klagebegehren nur hinsichtlich des Teilbetrages von S 97.638 und hinsichtlich der im Betrag von S 560.000 enthaltenen Teilbeträge von S 60.000 Anwaltskosten, S 220.000 Schmerzengeld und S 7.000 Ersatz für Barauslagen offengelegt. Hinsichtlich des Differenzbetrages sei die klagende Partei ihrer Behauptungs- und Beweispflicht zufolge ihrer irrigen Rechtsansicht, die Beklagten hätten den von ihr mit den Geschädigten abgeschlossenen Pauschalvergleich hinzunehmen, nicht nachgekommen, sodaß es das Erstgericht zu Recht abgelehnt habe, sich mit diesen Ansprüchen näher zu befassen. Hinsichtlich der Kostenbeträge sei zu beachten, daß der Versicherer, wenn er einen Prozeß geführt oder sonst Kosten zum klaren überwiegenden Vorteil des Versicherten aufgewendet habe, Ersatzansprüche nach § 1037 ABGB stellen könne. Diese Voraussetzungen seien bei den geltend gemachten Kosten, die der Höhe nach unbedenklich erschienen, gegeben. Zu Unrecht nicht berücksichtigt habe das Erstgericht auch die Zahlung der Ortrun S***** im Strafverfahren zugesprochenen Teilbetrages von S 10.000. Einen Einwand iS des Art 6 Abs 3 AKHB hätten die Beklagten nicht erhoben. Er wäre auch nicht berechtigt, weil der Versicherungsfall im Jahr 1979 eingetreten, die betragsmäßige Begrenzung der Leistungsfreiheit des Versicherers mit S 100.000 aber erst mit Wirkung vom 1.1.1981 in Geltung gesetzt worden sei.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird von der klagenden Partei in seinem abweisenden, von den beiden Beklagten in seinem stattgebenden Teil mit Revision bekämpft.

Die Revision der klagenden Partei ist zum Teil berechtigt. Den Revisionen der beiden Beklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, ein ohne Mitwirken bzw. Zustimmung des Versicherungsnehmers zustande gekommener Vergleich des Versicherers mit dem geschädigten Dritten könne den regreßpflichtigen Versicherungsnehmer insoferne nicht binden, als diesem im Rückgriffsprozeß alle Einwendungen offen stünden, nach denen dem Geschädigten ein Anspruch nicht oder nicht zur Gänze zustand; und es sei daher an der klagenden Partei gelegen, die Berechtigung der Schadenersatzforderungen nachzuweisen, was eine entsprechende Aufschlüsselung der geltendgemachten Schadensbeträge voraussetze. Auch bei einem außergerichtlichen Vergleich handle es sich um einen Akt der Schadensfeststellung, die der Versicherer mit Wirkung gegen den Versicherungsnehmer vornehmen könne.

Der Rechtssatz, daß sich der Versicherungsnehmer, der einem Vergleichsabschluß nicht zugestimmt hat, in einem Regreßprozeß, den der Versicherer gegen ihn anstrebt, aller Einwendungen aus einem Haftpflichtverhältnis bedienen kann, wird zwar in mehreren Entscheidungen ausgesprochen (zB VersR 1973, 976, VersR 1965, 170 ua), doch lagen diesen Entscheidungen ausschließlich Fälle zugrunde, in denen die strittigen Einwendungen den Grund des Anspruches betrafen (Verjährung, Fremdverschulden, Anerkenntnis udgl). Die Interpretation dieses Satzes dahin, daß der Versicherungsnehmer mit Erfolg einwenden könne, ein Prozeß hätte der Höhe nach ein bestimmtes anderes Ergebnis gebracht, würde der Interessenlage nicht gerecht. Der Regreßprozeß wird durch ein den Versicherungsbedingungen nicht entsprechendes Verhalten des Versicherungsnehmers oder des Versicherten ausgelöst. Es wäre daher nicht vertretbar, dem Versicherer sämtliche Risken in weiterem Umfang aufzulasten, als er sie bei einem gesunden Versicherungsverhältnis tragen müßte. Selbstverständlich ist der Versicherer beim gesunden Versicherungsverhältnis berechtigt, einen ihm untragbar erscheinenden Prozeßrisiko durch eine außergerichtliche Bereinigung auszuweichen. Im Prozeßfall drohen ihm nämlich nicht nur Kostenfolgen, sondern häufig auch weitere oder höhere Forderungen, die durch die außergerichtliche Bereinigung abgewehrt werden. Würde man den aufgezeigten strengen Standpunkt vertreten, so müßte der Versicherer, der Regreß nehmen will, auch äußerst riskante Prozesse bis zum Ende führen. Durch das vertragswidrige Verhalten des Versicherungsnehmers oder des Versicherten würde er daher in eine wesentlich ungünstigere Position gedrängt als im Falle der Vertragstreue seines Partners. Auch im Falle gänzlicher Leistungsfreiheit ist der gegenüber dem Dritten leistungspflichtige Versicherer der erste Risikoträger, weil er vor Durchführung eines Regreßprozesses nicht mit Sicherheit beurteilen kann, inwieweit er mit seiner Regreßklage Erfolg haben wird und inwieweit eine ihm zugesprochene Regreßforderung einbringlich ist. Die strenge Auslegung läßt sich aber nicht mit dem Argument rechtfertigen, der Versicherer sei sowieso nur eine Durchlaufstation, der wahre Risikoträger sei der regreßpflichtige Versicherungsnehmer.

Der erkennende Senat vertritt zu dieser Frage die Rechtsansicht, daß, wenn im Regreßprozeß die Haftung des Versicherungsnehmers oder Versicherten gegenüber dem Dritten dem Grund nach feststeht, dem beklagten Versicherungsnehmer zwar eine Bestreitung der Höhe des vom Versicherer ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers mit dem Dritten verglichenen Betrages nicht grundsätzlich verwehrt ist, jedoch nur geprüft werden muß, ob der Vergleichsabschluß nach den zum damaligen Zeitpunkt gegebenen Umständen vertretbar war oder nicht. Der Versicherer darf grundsätzlich eine außergerichtliche Regelung von Ansprüchen vornehmen. Er darf hiebei nur nicht nach Willkür und ohne Bedachtnahme auf die Interessen des Versicherungsnehmers vorgehen (vgl. VersR 1967, 763 ua). Spätere Entwicklungen, die bei Vergleichsabschluß nicht absehbar waren, sind bei der Prüfung der Berechtigung der Regreßforderung im Regreßprozeß nicht zu berücksichtigen.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich, daß der Versicherer im Regreßprozeß nur jene Umstände dartun muß, die eine Beurteilung der Vertretbarkeit des von ihm abgeschlossenen Vergleiches zulassen. Ist die Vertretbarkeit dargetan, so wäre es Sache des im Regreßprozeß Beklagten zu beweisen, daß der Vergleich ganz oder in dieser Form unvertretbar war. Solche Umstände sind aber keinesfalls in einer zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht absehbaren Entwicklung zu erblicken.

Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei den Vergleichsbetrag dahin aufgeschlüsselt, daß neben dem Schmerzengeld auch die Kosten einer allfälligen kosmetischen Operation, künftige Rentenansprüche, die Kosten einer Haushalts- und Geschäftshilfe sowie ein Feststellungsbegehren abgegolten werden sollten. Den Grund dieser Ansprüche hat sie durch Vorlage des Gutachtens Dri.s L***** (Beilage C) dargetan. Nach dem Inhalt dieses Gutachtens waren solche Ansprüche durchaus möglich. Eine Darlegung der Umstände, die ihre Abschätzung der Höhe nach ermöglicht hätten (etwa Erhebungen über die Höhe von Rentenansprüchen oder die allfälligen Kosten von Operationen), hat sie hingegen unterlassen. (Bezüglich der Abgeltung des Feststellungsbegehrens wäre eine solche Darlegung allerdings kaum vorstellbar.) Es ergibt sich sohin, daß von der grundsätzlichen Berechtigung einer vergleichsweisen Abfindung der Restforderung auszugehen ist, Grundlagen für die Beurteilung der Höhe jedoch fehlen und heute kaum mehr beschafft werden können. Es war daher eine Entscheidung über diese Ansprüche nach § 273 ZPO geboten. Unter den gegebenen Umständen (Risiko eines Feststellungsbegehrens mit ungewissen Folgen für die Zukunft, Rentenansprüche ungewisser Höhe) erschien dem Obersten Gerichtshof der Zuspruch eines weiteren Betrages von S 200.000 gerechtfertigt.

Der Zweitbeklagte vertritt in seiner Revision die Ansicht, die Forderung des geschädigten Dritten könne sich nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen nur gegen den Kraftfahrzeuglenker oder gemäß § 5 Abs 1 EKHG gegen den Kraftfahrzeughalter richten. Lenker und Halter des am Unfall beteiligten PKW sei der Erstbeklagte gewesen. Ein Rückgriffsanspruch nach § 158 f VersVG aber setze voraus, daß die Forderung eines Dritten gegen den Versicherungsnehmer oder gegen den Versicherten auf den Versicherer übergegangen sei.

Es ist richtig, daß der Forderungsübergang nach § 158 f VersVG voraussetzt, daß der Versicherer objektiv gemäß § 158 c Abs. 1 VersVG zur Leistung gehalten war (Prölss/Martin aaO, 683; § 158 c Abs 1 VersVG: "...... Verpflichtung in Ansehung des Dritten ...."). Es trifft auch zu, daß der Zweitbeklagte nicht Halter (§ 5 Abs 1 EKHG) des am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuges war.

§ 6 Abs 1 EKHG aber bestimmt weiter, daß zwar derjenige, der zur Zeit des Unfalls das Kraftfahrzeug ohne den Willen des Halters benutzte, anstelle des Halters für den Ersatz des Schadens haftet, daß jedoch daneben der Halter für den Ersatz des Schadens haftbar bleibt, wenn die Benutzung des Kraftfahrzeuges durch sein oder der Personen Verschulden ermöglicht worden ist, die mit seinem Willen beim Betrieb des Kraftfahrzeuges tätig gewesen sind. Der Zweitbeklagte hatte bei der klagenden Partei nicht ein bestimmtes Kraftfahrzeug haftpflichtversichert, sondern alle jene Kraftfahrzeuge, die unter Verwendung des behördlichen Probefahrtkennzeichens S ***** benutzt wurden. Hat er dem Erstbeklagten die Benutzung dieses Probefahrtkennzeichens - ohne das der Erstbeklagte das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nicht hätte verwenden können (§ 36 KFG) - durch sein Verschulden ermöglicht, ist dies analog der Bestimmung des § 6 Abs 1 EKHG zu beurteilen. Unter Schwarzfahrt, wie sie in § 6 EKHG geregelt wird, wird jede Benutzung eines Kraftfahrzeuges als Fortbewegungsmittel gegen den Willen des Halters, ohne es dessen Verfügungsgewalt dauernd zu entziehen, verstanden (Veit-Veit, EKHG4 Anm. 1 zu § 6). Nicht anders aber ist der Sachverhalt zu beurteilen, wenn zwar nicht das Kraftfahrzeug als solches, aber doch das behördliche (Probefahrt-)Kennzeichen, das den Betrieb des Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr erst ermöglicht, gegen den Willen jener Person, der es zugewiesen wurde, benutzt wird. Ein Ersatzanspruch des geschädigten Dritten gegen den Zweitbeklagten iS des Art 1 Abs 1 AKHB ist daher (dem Grunde nach) unter der Voraussetzung gegeben, daß dem Zweitbeklagten ein Verschulden an der "Schwarzfahrt" des Erstbeklagten anzulasten ist.

Zu Unrecht wendet sich der Zweitbeklagte gegen die Ansicht der Vorinstanzen, der Erstbeklagte habe keine Probefahrt iS des § 45 Abs 1 KFG, sondern eine Privatfahrt unternommen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Probefahrten werden in § 45 Abs 3 KFG genannt; sie sind beim Erstbeklagten keineswegs gegeben. Nach den Besonderen Bedingungen, wie sie dem Antrag auf Kraftfahrversicherung Beilage S zu entnehmen sind, fallen überdies unter die Versicherung, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, nur Fahrzeuge, die dem Versicherungsnehmer gehören oder von ihm zum Verkauf oder zur Reparatur übernommen werden. Der Erstbeklagte hat kein derartiges Fahrzeug in Betrieb genommen. Von einem Zusammenhang der vom Erstbeklagten unternommenen Fahrt mit dem Geschäftsbetrieb des Zweitbeklagten (vgl. hiezu auch SZ 45/24) kann keine Rede sein. Daß ein derartiger Zusammenhang gegeben sein muß, um von einer Probefahrt iS des § 45 KFG sprechen zu können, ergibt sich entgegen der Ansicht des Zweitbeklagten zweifelsfrei aus § 45 Abs 3 lit. a des zitierten Gesetzes (".... im Rahmen seines gewerblichen Betriebes ....").

Die vorliegenden Feststellungen reichen zur rechtlichen Beurteilung hin, daß dem Zweitbeklagten ein Verschulden an der mißbräuchlichen Verwendung des Probefahrtkennzeichens durch den Erstbeklagten anzulasten ist, daß das Kennzeichen also zu einem anderen als dem vereinbarten Zweck verwendet werden konnte (Art 21 AKHB iVm Art 6 Abs 1 lit b AKHB). Ob der Versicherungsnehmer für die fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls durch Dienstnehmer oder Beauftragte gegenüber der Versicherungsunternehmung einzustehen hat, ist hier nicht die Frage. Der Umstand, daß das Probefahrtkennzeichen in der vom Zweitbeklagten betriebenen Tankstelle derart verwahrt wurde, daß es der dort beschäftigte Tankwart ohne weiteres an Unbefugte weitergeben konnte, rechtfertigt durchaus die Annahme eines Verschuldens des Zweitbeklagten selbst, der dafür hätte Vorsorge treffen müssen, daß das Kennzeichen nicht mißbräuchlich, insbesondere nicht ohne jeden Zusammenhang mit seinem Geschäftsbetrieb, verwendet werden kann.

Anders als bei der "echten" Schwarzfahrt, bei der der Umstand, daß der Versicherte durch mangelhafte Verwahrung seines Fahrzeuges dessen unbefugte Inbetriebnahme schuldhaft ermöglicht hat, nur für die Frage seiner zivilrechtlichen Haftung gegenüber dem anläßlich einer Schwarzfahrt geschädigten Dritten von Bedeutung ist, das zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bestehende Haftpflichtversicherungsverhältnis aber unberührt läßt (Art 6 Abs 2 lit a AKHB; 7 Ob 229, 230/75; SZ 42/78; Petrasch, Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den KFZ-Versicherungen, ZVR 1985, 65 ff, insbes. 72 f), wurde die Verpflichtung, das Fahrzeug (iVm Art 21: das Probefahrtkennzeichen) nicht zu einem anderen als dem vereinbarten Zweck zu verwenden, in Art 6 Abs 1 lit. b AKHB als Obliegenheit, deren Verletzung im Zeitpunkt des Schadenereignisses die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung iS des § 6 Abs 1 VersVG bewirkt, bestimmt. Nach § 6 Abs 1 VersVG aber tritt die vereinbarte Rechtsfolge der Leistungsfreiheit nur dann nicht ein, wenn die Verletzung der Obliegenheit als eine unverschuldete anzusehen ist.

Verfehlt ist schließlich auch der Vorwurf des Zweitbeklagten, es komme im angefochtenen Urteil nicht zum Ausdruck, daß der Zweitbeklagte mit der klagenden Partei in einem Vertragsverhältnis stehe. Hingewiesen sei insbesondere auf Seite 13 der Entscheidung (".... ist davon auszugehen, daß das Kennzeichen vereinbarungswidrig, zu einem anderen als dem zwischen der Klägerin und dem Zweitbeklagten vereinbarten Zweck, verwendet worden ist.").

Der Erstbeklagte wendet sich unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegen die Annahme des Berufungsgerichtes, es liege ein Rechtsverhältnis vor, das einen Rückgriffsanspruch gegen ihn begründe. Es bestehe insbesondere kein Regreßanspruch nach § 158 f VersVG, da der Erstbeklagte schon auf Grund der widmungswidrigen Verwendung des Probefahrtkennzeichens nicht als Mitversicherter angesehen werden könne.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, der Erstbeklagte sei mitversichert iS des Art 1 Abs 2 AKHB 1967 - mit der die zweite Instanz den Ausführungen in der Berufung der klagenden Partei gefolgt ist - und hafte dementsprechend ebenso wie der Zweitbeklagte nach § 158 f VersVG, vermag auch der Oberste Gerichtshof nicht beizupflichten. Nach Art 1 Abs 1 AKHB umfaßt die Versicherung die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder mitversicherte Personen iS des Art 1 Abs 2 AKHB erhoben werden. Mitversichert ist nur ein "berechtigter Fahrer" (der Begriff entstammt den vor den AKHB in Geltung gestandenen AKB, § 10 Abs 1: ".... gegen den Versicherungsnehmer, den Halter und den berechtigten Fahrer"), wie er in Art 1 Abs 2 AKHB angeführt wird:

Der Eigentümer, der Halter und derjenige, der mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeuges tätig ist oder mit seinem Willen mit dem Fahrzeug befördert wird. Die mitversicherten Personen können ihre Ansprüche selbständig geltend machen (Art 1 Abs 2 AKHB). Nicht mitversichert ist jener, der das Kraftfahrzeug gegen oder doch ohne den Willen des Halters benutzt, damit eine Schwarzfahrt unternimmt (ZVR 1968/37; SZ 36/39). Bezieht sich, wie hier, der Versicherungsvertrag auf Probefahrten, so gilt gemäß Art 21 AKHB die Haftpflicht aus der Verwendung des Fahrzeuges als versichert, an dem jeweils die Kennzeichentafeln angebracht sind; bei Probefahrtkennzeichen sind die Bestimmungen des Art 6 Abs 1 lit b AKHB "sinngemäß" anzuwenden. Gemäß Art 6 Abs 1 lit. b AKHB aber wird als Obliegenheit, deren Verletzung im Zeitpunkt des Schadensereignisses die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (§ 6 Abs 1 VersVG), bestimmt die Verpflichtung, das Fahrzeug nicht zu einem anderen als dem vereinbarten Zweck zu verwenden - bzw. bei sinngemäßer Anwendung, das Probefahrtkennzeichen nicht zu einem anderen als dem vereinbarten Zweck zu verwenden. Hat der Erstbeklagte das Probefahrtkennzeichen - wie feststeht - widmungswidrig verwendet, kann er ebenso wie der Schwarzfahrer nicht als ein berechtigter Fahrer angesehen werden. Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Erstbeklagte zum Unfallszeitpunkt mitversichert war (wie dies auch in der im Verfahren schon mehrfach zitierten Entscheidung SZ 45/24 ausgeführt wird).

Nur dann aber, wenn der Schädiger ein berechtigter Fahrer und demnach mitversichert war, kann der Versicherer gegen ihn gemäß § 158 f VersVG Regreß nehmen (SZ 31/134). Der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherer kann jedoch gegen den Schwarzfahrer Regreß gemäß § 67 VersVG nehmen, wenn er die Ansprüche des geschädigten Dritten im Rahmen der Deckungspflicht gegenüber dem Halter befriedigt hat (SZ 51/106). Der Zweitbeklagte als Versicherungsnehmer war, wie dargelegt wurde, gegenüber den Geschädigten haftpflichtig. Dadurch, daß die klagende Partei ihn von dieser Verpflichtung befreite, hat sie ihm eine Leistung erbracht, für die im Regreßweg der Erstbeklagte haftet (ZVR 1963/184, SZ 51/106).

Die klagende Partei hat den von ihr behaupteten Schaden innerhalb von drei Jahren ab Schadenseintritt gerichtlich geltend gemacht; Verjährung ist daher nicht eingetreten.

Soweit der Erstbeklagte rügt, es seien ausreichende Feststellungen zum Fehlverhalten seines Unfallsgegners Wilhelm S***** nicht getroffen worden, weil nicht festgestellt worden sei, in welcher Weise Wilhelm S***** mit dem von ihm gelenkten Kraftfahrzeug von der Bundesstraße nach links, Richtung Pirtendorf, abgebogen ist, ist ihm entgegenzuhalten:

Es werden vorwiegend Forderungen der Ortrun S***** geltend gemacht. Diese kann den Unfall nicht mitverschuldet haben. Gemäß § 1302 ABGB haften alle Personen, die den Unfall schuldhaft herbeigeführt haben, für den Ersatz der Schäden, die einem Dritten durch diesen Unfall verursacht worden sind, solidarisch. Der Erstbeklagte hätte daher gegenüber Ortrun S***** nicht mit Erfolg das Mitverschulden eines anderen an dem Unfall einwenden können. Diese Möglichkeit hatte demnach auch die klagende Partei, als Versicherer des Fahrzeuges, mit dem der Erstbeklagte den Unfall zumindest mitverschuldet hatte, nicht. Die Einwendung, die klagende Partei hätte bei der Schadensregulierung ein Mitverschulden des Wilhelm S***** berücksichtigen müssen, geht daher bezüglich der Forderungen der Ortrun S***** schon aus rechtlichen Erwägungen ins Leere.

Was die verhältnismäßig geringfügigen Forderungen des Wilhelm S***** anlangt, so wäre dessen allfälliges Mitverschulden kaum unfallskausal gewesen. Eine Verlegung des Abbiegevorganges um einige Meter in Fahrtrichtung der beteiligten Fahrzeuge hätte für die beteiligten Lenker wegen der anhaltenden Rechtskurve die Sichtverhältnisse zumindest nicht verbessert. Dem Erstbeklagten wäre eine größere Bremsstrecke nur dann zugute gekommen, wenn er sich bei einem späteren Abbiegen S***** fahrtechnisch anders verhalten hätte, wofür jeder Anhaltspunkt fehlt. Der Erstbeklagte hat auf unübersichtlicher Strecke in einer Rechtskurve mehrere Fahrzeuge links mit hoher Geschwindigkeit überholt, ohne auf deren bereits lange und deutlich angezeigte Absicht, in die Ortseinfahrt einzubiegen (Betätigung des Blinkers, Einordnen zur Fahrbahnmitte, deutliche Verlangsamung), Bedacht zu nehmen. Was die Annahme rechtfertigen könnte, er hätte sich anders verhalten, wenn S***** einige Meter weiter eingebogen wäre, ist unerfindlich. Vielmehr kann davon ausgegangen werden, daß sich der Unfall einige Meter von der jetzigen Unfallstelle entfernt genauso abgespielt hätte. Dafür, daß diesfalls die Unfallsfolgen wesentlich geringer gewesen wären, besteht kein vernünftiger Anhaltspunkt.

Selbst wenn man aber S***** einen Verstoß gegen die StVO anlasten könnte und dieser auch unfallskausal wäre, würde dieser gegenüber dem besonders rücksichtslosen und gefährlichen Verhalten des Erstbeklagten derart in den Hintergrund treten, daß er hier unberücksichtigt bleiben müßte.

Die Berechtigung des Ersatzes der Privatbeteiligtenkosten kann schon im Hinblick auf deren Höhe (S 7.907) und auf den Umfang des Strafverfahrens nicht bezweifelt werden.

Bei den S 60.000 handelt es sich um pauschalierte Anwaltskosten, wie sie üblicherweise bei Vergleichsverhandlungen verlangt und häufig auch gezahlt werden. Den Vergleich läßt man an derartigen Kosten gewöhnlich nicht scheitern, weil eine Führung des durch ihn vermiedenen Prozesses meist ein wesentlich höheres Kostenrisiko bringt. Ein Schadenersatzprozeß der Ortrun S***** hätte kaum einen geringeren Aufwand als der vorliegende Prozeß erfordert. Die in diesem Prozeß in erster Instanz beiderseits verzeichneten Kosten haben den Betrag von S 60.000 um ein Mehrfaches überschritten, was zeigt, daß eine vergleichsweise Regelung der Kosten zweckmäßig war und auch im Interesse der Beklagten lag. Es erübrigt sich daher eine Aufschlüsselung des Betrages von S 60.000, zumal eine solche Aufschlüsselung bei einem Kostenpauschale nicht üblich und auch kaum möglich ist.

Das von der zweiten Instanz zugesprochene Schmerzengeld erscheint bei Berücksichtigung der festgestellten Schmerzperioden, die die Verletzungen der Ortrun S***** nach sich gezogen haben, der Höhe nach noch angemessen. Umstände, die die Vorinstanzen bei der Bemessung des Schmerzengeldes etwa zu Unrecht berücksichtigt hätten, werden vom Zweitbeklagten im übrigen nicht aufgezeigt.

Zu Recht hat die zweite Instanz die Ansicht vertreten, daß die Leistungsfreiheit des Versicherers im vorliegenden Fall nicht nach Art 6 Abs 3 AKHB mit S 100.000 begrenzt ist. Der Versicherungsfall ereignete sich am 16.4.1979, also vor Inkrafttreten der erst durch die Novelle BGBl. Nr. 605/1980 eingeführten Neuregelung. Mangels einer Rückwirkungsklausel ist die Bestimmung auf frühere Versicherungsfälle nicht anzuwenden (SZ 57/77).

Es war deshalb spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 43 Abs 2 ZPO auf der Grundlage des von der klagenden Partei ersiegten Betrages.

Anmerkung

E25734

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0070OB00034.9.0214.000

Dokumentnummer

JJT_19910214_OGH0002_0070OB00034_9000000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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