TE OGH 1991/2/27 9ObS3/91

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Veröffentlicht am 27.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm. Dr. Franz Schulz und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G***** L*****, Angestellte, *****vertreten durch Mag. H***** S*****, Sekretär *****, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ARBEITSAMT *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 25.584,-- sA (Streitwert im Rechtsmittelverfahren S 24.122,-- sA) infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.10. 1990, 13 Rs 132/90-9, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.4. 1990, 26 Cgs 15/90-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Begründung der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend, so daß es ausreicht, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend wird den Revisionsausführungen der Klägerin folgendes entgegengehalten:

Die Klägerin trat nach der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin (6.5.1988) am 27.5.1988 gemäß § 25 Abs 1 KO vorzeitig aus. Da sie damals Mitglied des Betriebsrates war, hätte sie frühestens zum 28.5.1989 gekündigt werden können. Am 2.11.1988 hätte für die Klägerin ein neues Urlaubsjahr begonnen. Am 1.11.1988 trat sie bei der Sparkasse W***** ein neues Dienstverhältnis an; sie verdient dort um S 6.407,-- brutto monatlich weniger als bei ihrer früheren Arbeitgeberin.

Für die Zeit vom 2.11.1988 bis 28.5.1989 meldete die Klägerin im Konkursverfahren eine Forderung von S 25.584,-- aus dem Titel der Urlaubsentschädigung (Kündigungsentschädigung) an, die vom Masseverwalter anerkannt wurde. Das beklagte Arbeitsamt lehnte den Antrag auf Gewährung von Insolvenzausfallgeld für diese Forderung ab.

Beide Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin, die Beklagte zur Zahlung einer Urlaubsentschädigung von S 25.584,-- (im Berufungsverfahren nur mehr S 24.122,--) sA zu verpflichten ab.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht erkannte zutreffend, daß die Feststellung der klagsgegenständlichen Forderung im Konkurs (§ 109 Abs 1 KO) einer Prüfung der Einwendung der Beklagten, daß sich die Klägerin auf die begehrte Urlaubsentschädigung, die einen Teil der Kündigungsentschädigung bildet (Arb 9.866; 9.871; 10.217; 9 Ob S 15/88 nur teilveröffentlicht in DRdA 1988, 214 = RdW 1989, 310), gemäß § 1 Abs 3 Z 3 IESG alles anrechnen lassen müsse, was sie durch anderweitige Verwendung erworben habe. In der Beurteilung von Anspruchsbegrenzungen und Anspruchsausschlüssen, zu denen auch die Anspruchsbegrenzung nach § 1 Abs 3 Z 3 IESG gehört, bleibt das Arbeitsamt in allen Fragen, die im gerichtlichen Verfahren (als dort nicht anspruchsbegründend) von vornherein nicht zu prüfen waren oder (mangels Einwendung) nicht geprüft wurden, frei (DRdA 1989, 214 = RdW 1989, 310). Infolge dieser Rechtslage ist hier nicht zu prüfen, ob Anlaß bestünde, von der bisherigen Rechtsprechung, die Betriebsratsmitgliedern im Falle eines gerechtfertigten vorzeitigen Austritts die Ersatzansprüche nach § 1162 b ABGB und § 29 AngG unter Bedachtnahme auf die gesamte Dauer des Sonderschutzes, also bis zum Ablauf von drei Monaten nach dem Erlöschen der Mitgliedschaft zum Betriebsrat infolge Beendigung seiner Tätigkeitsdauer zuzüglich der daran anschließenden Kündigungsfrist gewährt (Arb

10.407 = DRdA 1987, 305 Migsch = ZAS 1986, 127 Spielbüchler;

Arb 10.473 = JBl 1986, 267; WBl 1988, 123 und 237;

9 Ob A 43,72/88, 9 Ob S 3 bis 6/88; 9 Ob S 1001/88) wegen der gewichtigen Bedenken im Schrifttum (siehe dazu jüngst Kuderna, Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes DRdA 1990, 1 (15)) abzugehen.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß der Klägerin für die Zeit vom 2.11.1988 bis 27.5.1988 keine Urlaubsentschädigung gebührt, weil sie sich auf den Urlaubsanspruch für dieses Urlaubsjahr den gleich hohen Urlaubsanspruch (30 Werktage = 25 Arbeitstage) gegen ihre neue Dienstgeberin anrechnen lassen muß, ist zutreffend. Das Gegenargument der Klägerin, ihr Naturalanspruch auf Urlaubsentschädigung gegen den früheren Dienstgeber habe sich durch ihren vorzeitigen Austritt endgültig in einen Urlaubsentschädigungsanspruch umgewandelt, auf den ein Naturalanspruch gegen den neuen Dienstgeber nicht angerechnet werden könne, ist nicht zutreffend.

Zweck der - durch den Ausschluß der Anrechnung für die ersten drei Monate der Kündigungsentschädigung

gemilderten - Anrechnungsvorschrift der § 1162 b ABGB und § 29 Abs 1 AngG ist es, eine Bereicherung des Arbeitnehmers durch Festsetzung entsprechender Schadensanrechnungsvorschriften zu verhindern. Es liegt im Wesen dieser Bestimmungen, daß erst mit dem Ende des Zeitraumes, für den der Dienstnehmer infolge vorzeitiger Lösung des Dienstverhältnisses seine vertragsmäßigen Ansprüche (in Form von Schadenersatzansprüchen!) behält, beurteilt werden kann, inwieweit tatsächlich ein Schaden eingetreten ist, d.h. ob und inwieweit dieser Entschädigungsanspruch durch das, was sich der Dienstnehmer "infolge Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat" gemindert oder fallweise sogar überhaupt aufgezehrt würde.

Daher müssen die Ersatzansprüche den anrechenbaren Vorteilen (Ersparnis, Verdienst) immer retrospektiv für die jeweils deckungsgleichen Zeiträume gegenübergestellt werden. Das muß auch für die Anrechnung von Naturalurlaub auf den Urlaubsentschädigungsanspruch gelten, der eben nur insoweit zur Entstehung gelangt, als Anrechnungstatbestände nicht entgegenstehen. Wird daher für einen nicht verbrauchten Urlaub eines während des Laufes der Kündigungsfrist beginnenden neuen Urlaubsjahrs gemäß § 9 UrlG iVm § 29 Abs 1 AngG eine Urlaubsentschädigung als Teil der Kündigungsentschädigung geltend gemacht, muß sich der Dienstnehmer auf diesen Anspruch einen für dieselbe Zeit gegen den neuen Dienstnehmer gebührenden Naturalurlaub anrechnen lassen (RdW 1988, 137), da er sonst für dieselbe Zeit (volle) Urlaubsansprüche und Geldersatzansprüche hätte und dadurch bereichert wäre, was die §§ 1162 b ABGB und § 29 AngG gerade verhindern wollen.

Da die Klägerin aus beiden Dienstverhältnissen für die Zeit ab 1.11.1988 (2.11.1988) einen gleich hohen Urlaubsanspruch hatte, führt die Vorteilsanrechnung zum gänzlichen Verlust ihres Urlaubsentschädigungsanspruchs. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Urlaubsanspruch gegen den neuen Dienstgeber erst nach Zurücklegung einer ununterbrochenen Dienstzeit von sechs Monaten (Wartezeit) entstand und daß die Klägerin beim früheren Dienstgeber ein höheres Entgelt bezogen hat und damit auch die Bemessungsgrundlage für die Urlaubsentschädigung höher war als die (fiktive) Urlaubsentschädigung aus dem späteren Dienstverhältnis. Da bei der Beurteilung der Anrechnung die der Klägerin primär gebührenden Naturalurlaubsansprüche aus beiden Dienstverhältnissen gegenüberzustellen sind, wurde die Klägerin für die Zeit ab 1.11.1988 in ihren Urlaubsansprüchen nicht verkürzt, so daß ihr eine Urlaubsentschädigung nicht gebührt. Der vom Berufungsgericht mit Recht verworfene Differenzanspruch, den die Klägerin damit begründet, daß ihr ein Urlaubsentschädigungsanspruch aus dem früheren Dienstverhältnis jedenfalls insoweit gebühre, als der fiktive Urlaubsentschädigungsanspruch aus einer angenommenen Auflösung des Dienstverhältnisses zur Sparkasse Wels per 28.5.1989 niedriger wäre, bestünde nur dann zu Recht, wenn das neue Dienstverhältnis tatsächlich aufgelöst worden wäre und die der Klägerin daraus gebührenden Urlaubsentschädigungsansprüche betraglich hinter jenen aus dem früheren Dienstverhältnis zurückgeblieben wären. Eine Auflösung des neuen Dienstverhältnisses behauptet aber die Klägerin nicht.

Da es bei Beurteilung der Anrechnung nur auf gleich hohe Urlaubsansprüche ankommt, kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, daß sie von dem ihr gegen die Sparkasse Wels gebührenden Urlaub bis zum 28.5.1989 nur zwei Urlaubstage konsumiert hat.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit. b ASGG; zu einem Kostenzuspruch an die zur Gänze unterlegene Klägerin nach Billigkeit besteht kein Anlaß.

Anmerkung

E25495

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:009OBS00003.91.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19910227_OGH0002_009OBS00003_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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