TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/16 2004/02/0220

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Veröffentlicht am 16.12.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §102 Abs1;
VStG §44a Z1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des UU in W, vertreten durch Mag. Rudolf Lind, Rechtsanwalt in 2103 Langenzersdorf, Korneuburger Straße 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom 17. Februar 2004, Zl. Senat-KO-03-2007, betreffend Übertretungen des KFG und der StVO,

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Das Verfahren wird hinsichtlich der Übertretung der StVO (Spruchpunkt 3.) eingestellt.

II. Zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Übertretung des KFG (Spruchpunkt 1.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 17. Februar 2004 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe (Spruchpunkt 1.) am 18. Juli 2002 um

13.40 Uhr an einem näher umschriebenen Ort ein Kraftfahrzeug mit einem dem Kennzeichen nach bestimmten Anhänger gelenkt und somit in Betrieb genommen, ohne sich, obwohl dies zumutbar gewesen wäre, überzeugt zu haben, dass dieses Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften entspreche, da die Ladung (zwei Pfosten) mehr als 1 m über den hintersten Punkt des Anhängers hinaus geragt habe (1,15 m) und der hinterste Punkte der Ladung nicht durch einen 25 cm x 40 cm große weiße Tafel mit einem roten, 5 cm breiten Rand erkennbar gemacht gewesen sei; der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 102 Abs. 1 in Verbindung mit § 101 Abs. 4 KFG und § 59 Abs. 1 KDV begangen (es wurde eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Weiters wurde der Beschwerdeführer mit Spruchpunkt 3. dieses Bescheides einer Übertretung der StVO für schuldig befunden und hiefür bestraft.

Über den diesbezüglichen Antrag des (nunmehrigen) Beschwerdeführers wurde ihm mit hg. Beschluss vom 5. Mai 2004, Zl. VH 2004/02/0011, die Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den zitierten Spruchpunkt 1. des obzitierten Bescheides bewilligt; gleichzeitig wurde der Antrag im Übrigen (sohin hinsichtlich der beabsichtigten Beschwerde gegen den Spruchpunkt 3.) abgewiesen.

Zu I. (Spruchpunkt 3.):

Mit hg. Verfügung vom 1. Juli 2004 wurde die vom Verfahrenshelfer eingebrachte Beschwerde gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Behebung von Mängeln unter Festsetzung einer Frist zurück gestellt, wobei auch darauf hingewiesen wurde, dass die Verfahrenshilfe nur für die Beschwerdeführung hinsichtlich der Übertretung des KFG bewilligt worden sei. Gegenstand der vorliegenden Beschwerde bilde jedoch auch die Übertretung der StVO. Für den Fall, dass der einschreitende Rechtsanwalt insoweit bevollmächtigt worden sei, sei dessen Bevollmächtigung hiefür nachzuweisen.

Anlässlich der Verbesserung der Beschwerde in anderer Hinsicht teilte der einschreitende Rechtsanwalt mit, dass "neben der Verfahrenshilfe" keine Vollmacht vorliege.

Davon ausgehend war die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 3. des eingangs zitierten Bescheides (Übertretung der StVO) gemäß den §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG als zurückgezogen anzusehen und das Verfahren in diesem Umfang in nichtöffentlicher Sitzung einzustellen.

Zu II. (Spruchpunkt 1.):

Der Beschwerdeführer bringt insoweit u.a. vor, die belangte Behörde übersehe, dass das Kraftfahrzeug lediglich abgestellt gewesen und der Beschwerdeführer "nicht einmal im Begriff" gewesen sei, dieses in Betrieb zu nehmen. Dies führt zum Erfolg der Beschwerde:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 97/03/0105) schließt die dem Kraftfahrzeuglenker im § 102 Abs. 1 KFG auferlegte Verpflichtung, sich vor der Inbetriebnahme, soweit es zumutbar ist, davon zu überzeugen, dass das Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, die Verpflichtung ein, die Inbetriebnahme und damit auch das Lenken des Kraftfahrzeuges zu unterlassen, wenn das im Rahmen des Zumutbaren vorgenommene "Überzeugen" zu dem Ergebnis geführt hat, dass das Kraftfahrzeug den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften nicht entspricht.

Ein derartiges Verhalten, nämlich das "Lenken" eines nicht den Vorschriften entsprechenden Kraftfahrzeuges wurde dem Beschwerdeführer spruchgemäß vorgeworfen, obwohl die Aktenlage hiefür keine Deckung bietet: Aus der Zeugenaussage des eingeschrittenen Gendarmeriebeamten vom 7. Februar 2003 samt den - so dieser Zeuge - zum Zeitpunkt seines Einschreitens angefertigten Lichtbildern lässt sich nämlich kein Anhaltspunkt dafür finden, dass der Beschwerdeführer am (spruchgemäß vorgeworfenen) Tatort zum Tatzeitpunkt das Fahrzeug "gelenkt" habe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2004, Zl. 2004/02/0078, wonach Tatort und Tatzeit jene des "Lenkens" sind). Die belangte Behörde räumt zwar in der Gegenschrift ein, der "Anzeigeleger" habe "tatsächlich den Beschwerdeführer nicht bei Inbetriebnahme bzw. Lenken des Fahrzeuges angetroffen". Dass - so die belangte Behörde weiter - nichts gegen die Annahme spreche, dass der Beschwerdeführer unmittelbar vor dem Einschreiten des Gendarmeriebeamten das Fahrzeug gelenkt habe, ist eine bloße Vermutung und vermag schon deshalb den Schuldspruch nicht zu stützen.

Entgegen der weiteren Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift handelt es sich beim diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde - weil der Aktenlage entsprechend - um keine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2005, 2005/02/0191).

Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 16. Dezember 2005

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Sachverhalt Neuerungsverbot Besondere Rechtsgebiete Sachverhalt Verfahrensmängel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004020220.X00

Im RIS seit

17.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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