TE OGH 1991/2/27 2Ob6/91

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Veröffentlicht am 27.02.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hermann H*****, vertreten durch Dr. Christoph Raabe, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 12,034.912,78 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. Dezember 1989, GZ 16 R 220/89-121, womit infolge Berufung beider Parteien das Endurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. April 1989, GZ 22 Cg 755/88-114, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 29.869,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 4.978,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 3.1.1977 ereignete sich in Österreich ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem in der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen PKW und ein in der Schweiz zugelassener LKW beteiligt waren. Die Haftung der beklagten Partei für den Schaden, den der Kläger bei diesem Unfall erlitten hat, ist nicht mehr strittig.

Der Kläger machte Schadenersatzansprüche von insgesamt S 12,034.912,78 geltend, darin S 11,462.866 Verdienstentgang.

Das Erstgericht erkannte (im dritten Rechtsgang) die beklagte Partei schuldig, dem Kläger S 9,739.350,55 s.A. zu bezahlen. Es traf (unter Verweisung auf das im zweiten Rechtsgang ergangene Urteil) folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:

Der Kläger wurde im September 1975 Vorstandsvorsitzender des Geschäftsbereiches Plastik bei einer Industrieaktiengesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Ohne den Unfall hätte er sehr gute Aussichten gehabt, noch einen Karrieresprung zu machen, und zwar entweder einen Vorstandsvorsitz bei einem Dienstgeber der nächsthöheren Kategorie zu bekommen oder einen technischen Vorstandsmitgliedsposten in einem Unternehmen, das zwei Kategorien höher liegt als jenes, bei dem der Kläger zur Zeit des Unfalles beschäftigt war. Nach den Richtlinien des Konzerns, bei dem der Kläger beschäftigt war, bestand eine Betriebsversorgung für Angestellte wegen Berufsunfähigkeit. Zahlstelle war der Essener Verband, ein nicht rechtsfähiger Verein im Sinne des BGB, den die bundesdeutschen Stahlgroßunternehmungen gegründet haben, die sich im Rahmen dieses Vereins verpflichtet haben, im Fall des Eintrittes von Berufsunfähigkeit von Dienstnehmern diese zu versorgen und diesen auch in Altersfällen eine Zusatzpension zu gewähren. Der Essener Verband leistete dem Kläger ab 1.10.1979 eine monatliche Pension, der frühere Dienstgeber des Klägers ersetzt dem Verband die ausgezahlten Beträge. § 17 der Leistungsordnung des Essener Verbandes lautet:

"Ist der Eintritt eines Leistungsfalles auf das Verhalten eines Dritten zurückzuführen, werden etwaige Schadenersatzansprüche auf die Leistungen des Mitgliedes angerechnet, soweit sie gleichartig sind. In Ausnahmefällen kann die Anrechnung ganz oder teilweise unterbleiben."

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, aus dem Titel des Verdienstentganges stünden dem Kläger S 9,170.783,66 zu. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Bei Errechnung des zuerkannten Betrages ging das Erstgericht davon aus, daß der Kläger ohne den Unfall einen Karrieresprung gemacht hätte. Die Leistungen des Essener Verbandes wurden im Hinblick auf die Rückersatzpflicht des Klägers nicht berücksichtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, wohl aber jener des Klägers und änderte das Ersturteil dahin ab, daß ein Betrag von S 11,982.068,08 s.A. zuerkannt und ein Mehrbegehren von S 52.844,70 s.A. abgewiesen wurde. Das Gericht zweiter Instanz erachtete die Feststellungen des Erstgerichtes über einen Karrieresprung, den der Kläger ohne den Unfall gemacht hätte, als unbedenklich und erblickte darin, daß zu dieser Frage nicht ein Sachverständiger beigezogen wurde, keinen Verfahrensmangel. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht (unter Hinweis auf seinen im zweiten Rechtsgang ergangenen Aufhebungsbeschluß) aus, der Kläger habe auf die vom Essener Verband erbrachten Leistungen von DM 161.714 keinen Anspruch. Grundsätzlich seien die Schadenersatzansprüche des Klägers nach österreichischem Recht zu beurteilen, doch habe der Verletzte nur insoweit einen Verdienstentgang, als er nicht trotz der eingetretenen Arbeitsunfähigkeit seinen Lohn oder eine gleichwertige andere Zahlung weiterhin erhalten habe. Sei der Dienstgeber allerdings zu einer derartigen Weiterzahlung der Bezüge nicht unbedingt verpflichtet, habe er sie also unterlassen oder an Bedingungen knüpfen können, dann sei ein Verdienstentgang des Verletzten anzunehmen. Insoweit stehe ihm ein Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger zu, den er auch zedieren könne. Als Vorfrage für die Bestimmung des Umfanges des Verdienstentganges und damit des Schadens des Verletzten sei daher zu prüfen, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Dienstgeberin des Klägers weiterhin Leistungen habe erbringen müssen und wie hoch der unfallbedingte Verdienstentgang ohne diese Fortzahlung gewesen wäre. Diese Fragen seien nach deutschem Recht zu beurteilen, wobei sich der Inhalt der zwischen dem Verletzten und seinem Dienstgeber bestandenen dienstrechtlichen Beziehungen durchaus auf den Umfang der Ersatzansprüche des Verletzten auswirken könne. Hier stehe nun fest, daß der Kläger Leistungen vom Essener Verband entsprechend dessen Leistungsordnung erhalten habe und daß demnach für den Fall, daß ein Leistungsbezieher nach Unfällen im Rahmen von Schadenersatzleistungen Verdienstentgangzuwendung erhalte, er die vom Verband erhaltene Pension refundieren müsse. Nach dem Schreiben des Essener Verbandes vom 11.6.1986, Anlage 13 zum Gutachten Dris. Schilling, sei der Pensionsanspruch von vornherein mit Vorbehalten verknüpft, die allgemein als Leistungsvorbehalte bezeichnet würden. Der Pensionsanspruch sei kein unbedingter, die Leistungen an den Kläger seien unter ausdrücklichem Vorbehalt gewährt worden, der Kläger habe die Leistungen nach Durchsetzung seiner Ansprüche zurückzugewähren. Demnach habe der Kläger keinen unbedingten Anspruch auf Pensionszahlung, weshalb ihm ein Verdienstentgang entstanden sei.

Die beklagte Partei bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes hinsichtlich des Zuspruches eines Teilbetrages von S 4,490.860,84 s. A. mit Revision, macht die Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren im Umfang der Anfechtungserklärung abgewiesen werde. Hilfsweise stellt die beklagte Partei einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick darauf, daß das Datum der Entscheidung der zweiten Instanz vor dem 1.1.1990 liegt, zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Der behauptete Verfahrensmangel - die beklagte Partei rügt wie schon in der Berufung, daß kein Sachverständigengutachten zur Frage des Karrieresprungs des Klägers eingeholt wurde - liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Mit der Rechtsrüge wendet sich die beklagte Partei gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, der Kläger müsse sich Leistungen des Essener Verbandes in der Höhe von DM 161.714 (Schillinggegenwert S 1,119.696,51) nicht anrechnen lassen. Die Revisionswerberin führt hiezu aus, aufgrund der Dienstverträge habe der Kläger einen unbedingten Anspruch auf Zahlung eines Ruhegeldes bei unfallsbedingter Arbeitsunfähigkeit gegen seinen Dienstgeber gehabt. Zur Ausführung dieser Zusage habe sich der Dienstgeber des Essener Verbandes bedient. Die Leistungsordnung dieses Rechtsträgers verstoße mehrfach gegen gesetzliche Bestimmungen der Bundesrepublik Deutschland. Dem Geschädigten werde nämlich nicht nur die Vorfinanzierung des Prozesses, sondern dessen volles Kostenrisiko aufgebürdet, es fehlten konkrete Bestimmungen, nach welchen Grundsätzen der Dienstgeber bei seiner Entscheidung, Schadenersatzansprüche anzurechnen oder nicht anzurechnen, zu verfahren habe. Die Leistungsordnung setze sich damit in Widerspruch zu zwingenden Bestimmungen des Gesetzes über die betriebliche Altersvorsorge. Sei aber § 17 der Leistungsordnung unwirksam, so könne der Kläger die Leistung des Essener Verbandes nur dann geltend machen, wenn ihm diese zediert worden sei. Dies setze aber wiederum voraus, daß nach österreichischem Recht Ansprüche vorliegen, die zediert werden können. Dies sei jedoch nicht der Fall, da sich nach österreichischem Recht der Geschädigte die Firmenpension anrechnen lassen müsse, also nicht aufgrund einer Zession vom Schädiger einfordern könne.

Diesen Ausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Da am Unfall, der sich in Österreich ereignete, zwei in verschiedenen Staaten zugelassene Fahrzeuge beteiligt waren, ist gemäß den Art.3 und 4 des Haager Straßenverkehrsübereinkommens österreichisches Recht anzuwenden. Daß die Bundesrepublik Deutschland, deren Staatsangehöriger der Kläger ist, nicht Vertragsstaat dieses Abkommens ist, vermag daran gemäß Art.11 des Abkommens nichts zu ändern.

Eine Firmenpension, die der Geschädigte wegen der durch den Unfall herbeigeführten Berufsunfähigkeit erhält, wäre nach österreichischem Recht grundsätzlich auf den Schadenersatzanspruch anzurechnen (vgl. SZ 53/58). Der Umstand, daß im vorliegenden Fall die Pension nicht vom Dienstgeber, sondern vom Essener Verband ausbezahlt wird, ändert daran nichts, da die Leistungen des Verbandes in der Verpflichtung des Dienstgebers, den Kläger im Fall der Berufsunfähigkeit zu versorgen, ihre Grundlage haben. Voraussetzung dafür, daß die Pensionszahlungen des Essener Verbandes bei Berechnung des Verdienstentganges berücksichtigt werden, wäre jedoch, daß der Kläger auf diese Leistungen einen unbedingten Anspruch hätte (SZ 40/150, SZ 43/70; vgl. auch SZ 53/58).

Die Frage, ob dem Kläger ein unbedingter Anspruch auf die vom Essener Verband erbrachten Leistungen zusteht, hängt von den Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger einerseits und seinem Dienstgeber bzw. dem Essener Verband andererseits ab. Diese Rechtsbeziehungen sind nach deutschem Recht zu beurteilen (Schwimann in Rummel, Rz 6 zu § 48 IPRG; SZ 43/70; EvBl. 1976/19). Da nach § 17 der Leistungsordnung des Essener Verbandes Schadenersatzforderungen auf die Leistungen anzurechnen sind, hat der Kläger auf die vom Essener Verband erbrachten Leistungen keinen unbedingten Anspruch. Die von der beklagten Partei angestrebte Anrechnung käme daher nur in Frage, wenn § 17 der Leistungsordnung wegen Verstoßes gegen Bestimmungen der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland unwirksam wäre. Die Frage, ob der Essener Verband dem Kläger die Auszahlung der vollen Leistung mit dem Hinweis auf gegen die beklagte Partei geltend zu machende Schadenersatzansprüche verweigern könnte, wodurch dem Kläger tatsächlich die Vorfinanzierung und das Kostenrisiko des Prozesses aufgebürdet würden, braucht hier nicht erörtert zu werden, denn der Essener Verband erbrachte ohnedies die Leistungen ohne Anrechnung von Schadenersatzansprüchen. Es kommt daher nur eine Verpflichtung des Klägers, Schadenersatzleistungen, die er nachträglich aus dem Titel des Verdienstentganges tatsächlich erhält, an den Dienstgeber zurückzuzahlen, in Frage. Eine derartige Verpflichtung widerspricht aber auf keinen Fall der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Dadurch wird nämlich gerade das Ergebnis erzielt, das in diesem Staat von Gesetzgebung und Rechtsanwendung angestrebt wird, daß nämlich der Schädiger durch die Drittleistung nicht entlastet, der Geschädigte aber die Leistung nicht doppelt erhalten soll (vgl. Palandt, BGB50, Rz 134 ff vor § 249 sowie Grunsky im Münchener Kommentar2 II, Rz 102 ff zu § 249 hinsichtlich der Anordnung von Legalzessionen in einer großen Zahl von Gesetzen; Grunsky aaO, Rz 104 zur Möglichkeit, einen Rückgriffsanspruch des Dritten aus den §§ 255 und 812 BGB oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag abzuleiten; Selb im Münchener Kommentar2, Rz 28 zu § 421 hinsichtlich der Frage analoger Anwendung von Legalzessionsvorschriften; weiters Rixegger in Geigel, Der Haftpflichtprozeß20 195, wonach eine ungerechtfertigte Entlastung des Schädigers nicht eintreten darf; schließlich Wussow, Unfallhaftpflichtrecht13, Rz 1013 ff darüber, daß eine Fortzahlung von Lohn und Gehalt den Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Schädiger nicht berührt, der Arbeitnehmer aber verpflichtet ist, seinen Schadenersatzanspruch an den Arbeitgeber abzutreten). Soweit § 17 der Leistungsordnung des Essener Verbandes bewirkt, daß die Pension nicht bezahlt werden muß, wenn der Geschädigte eine Schadenersatzleistung tatsächlich erhält - also etwa im Fall der Zuerkennung einer Verdienstentgangsrente für die Zukunft -, oder daß der Geschädigte, wenn er Schadenersatz bekommt, eine bereits erhaltene Leistung zurückzahlen muß, bestehen an der Zulässigkeit einer derartigen Regelung keine Bedenken. Damit ist aber der Pensionsanspruch des Geschädigten kein unbedingter, weshalb er auf den Schadenersatzanspruch nicht anzurechnen ist.

Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25142

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00006.91.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19910227_OGH0002_0020OB00006_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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