TE OGH 1991/3/6 1Ob518/91

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Veröffentlicht am 06.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred W*****, vertreten durch Dr. Herbert Grün, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Konrad Faulhaber, Rechtsanwalt in Wien, wegen Bucheinsicht (Streitwert 100.000 S), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Jänner 1990, GZ 1 R 253/90-19, womit aus Anlaß der Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 21. Juli 1989, GZ 27 Cg 111/88-15, als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung im außerstreitigen Verfahren an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.244,40 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 707,40 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist mit einer Stammeinlage entsprechend 29 % des Stammkapitals Gesellschafter der beklagten Gesellschaft mbH.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei iS des Klagebegehrens für schuldig, dem Kläger während der Geschäftsstunden... ohne Voranmeldung und ohne Beisein einer Kontrollperson a) den Zutritt in alle Geschäfts- und Betriebsräume der beklagten Partei und, b) die Einsicht in alle Handelsbücher, Papiere und sonstigen Geschäftsunterlagen der beklagten Partei zu gestatten, sowie c) die verlangten Aufklärungen (Auskünfte), die mit der Ausübung des Rechtes auf Bucheinsicht zusammenhängen, zu erteilen.

Aus Anlaß der Berufung der beklagten Partei hob die zweite Instanz dieses Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf (§ 477 Abs 1 Z 6 ZPO) und verwies die Rechtssache zur Entscheidung im außerstreitigen Verfahren an das Erstgericht zurück; über das Bucheinsichtsrecht des Gesellschafters einer Gesellschaft mbH sei grundsätzlich im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig (1 Ob 612/90), aber nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 102 GmbHG verhandelt und entscheidet über Angelegenheiten, die in diesem Gesetz dem Gericht zugewiesen sind, der für den Sitz der Gesellschaft zuständige, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufene Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen, sofern es sich nicht um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten handelt. Diese der allgemeinen Regelung des § 1 AußStrG derogierende Gesetzesvorschrift (2 Ob 612/90 in einer dieselben Parteien betreffenden Rechtssache zum Anspruch auf Aufstellung und Übersendung von Jahresabschlüssen) erhielt ihre heute gültige Fassung durch die GmbH-Novelle 1980, BGBl 1980/320. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 5 BlgNR XV.GP, 10, verfolgte die Gesetzesänderung das Ziel, die bis dahin geltenden Bestimmungen des § 102 GmbHG durch die Übernahme der im § 14 AktG getroffenen Regelung zu ersetzen. Diesen inhaltlich gleichlautenden gesetzlichen Regelungen ist die Absicht des Gesetzgebers zu entnehmen, die Durchsetzung aus diesen Gesetzen abgeleiteter Ansprüche in das außerstreitige Verfahren zu verweisen, soweit nicht eine gesetzliche Anordnung in der Richtung besteht, daß über derartige Ansprüche im streitigen Rechtsweg abzusprechen ist (2 Ob 612/90). Davon ausgehend wurde nach Wirksamwerden der im § 102 GmbHG idgF getroffenen gesetzlichen Regelung vom Obersten Gerichtshof bereits entschieden, daß das Recht des Gesellschafters einer Gesellschaft mbH auf Bucheinsicht nach § 22 Abs 4 GmbHG und überhaupt jeder dem - auch

ausgeschiedenen - Gesellschafter zustehende Informationsanspruch gegen die Gesellschaft im außerstreitigen Verfahren zu verfolgen

ist (GesRZ 1990, 222 = RdW 1991, 14 mwN; ecolex 1990, 153 =

RdW 1990, 47 = NZ 1990, 232 = NRSp 1989/258; Gellis-Feil,

Kommentar zum GmbH-Gesetz2 , § 22 Anm 9 mwN; Reich-Rohrwig, Spezielle Fragen der Bucheinsicht und der Sonderprüfung bei der GmbH, JBl 1987, 364 ff, 371, anders noch Reich-Rohrwig Das österr. GmbH-Recht 231 und FN 240; vgl auch Schiemer, AktG2, § 14 Anm 2.1). Deutsche Literatur ist in diesem Zusammenhang unanwendbar (2 Ob 612/90), die ältere Rechtsprechung vor der GmbH-Novelle 1980 zu dieser Frage ist überholt.

Die von der beklagten Partei in ihrer Rekursbeantwortung angestrebte Klagszurückweisung wird der Bestimmung des § 40 a erster Satz JN nicht gerecht. Danach richtet sich bei Prüfung der Zulässigkeit des (außer)streitigen Rechtsweges die Frage, in welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei. Aus der Bestimmung geht zwar nicht ausdrücklich hervor, ob § 40 a JN auch dann anzuwenden ist, wenn sich die in jeder Lage des Verfahrens von Amts bis zum Eintritt der Rechtskraft (und somit auch noch im Rechtsmittelverfahren) wahrzunehmende Unzulässigkeit des (außer)streitigen Rechtsweges erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt, davon ist aber schon nach dem Sinn der Bestimmung auszugehen. Nach den EB zur ZVN 1983, 669 BlgNR XV.GP, 30 f sollte durch die vorgesehene Ergänzung des § 41 JN - die nun im § 40 a JN enthaltene Regelung sollte ursprünglich als Abs 4 in den § 41 JN eingefügt werden - bewirkt werden, daß ein derart falsch bezeichnetes Rechtsschutzgesuch nicht zurückzuweisen, sondern einfach im richtigen Verfahren zu behandeln sei (zuvor müßte allerdings ein bereits durchgeführtes unrichtiges Verfahren, einschließlich allenfalls ergangener, noch nicht rechtskräftig gewordenen Entscheidungen aufgehoben werden). ... Eine Zurückweisung komme nur dann in Betracht, wenn das Gericht für das richtige Verfahren nicht sachlich und örtlich zuständig und auch nicht § 44 JN anzuwenden sei. Da somit der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang auch von der Nichtigerklärung eines bereits durchgeführten unrichtigen Verfahrens und von der Aufhebung bereits ergangener, noch nicht rechtskräftiger Entscheidungen spricht, leuchtet daraus seine Absicht hervor, § 40 a JN auch dann für anwendbar zu erklären, wenn das Gericht bereits in der unrichtigen Verfahrensart verhandelt und sogar entschieden hat, somit in jeder Lage des Verfahrens, auch noch im Rechtsmittelverfahren bis zur Rechtskraft der Entscheidung, es sei denn, daß bereits nach § 42 Abs 3 JN bindend über die Zulässigkeit des (außer)streitigen Rechtsweges abgesprochen wurde (vgl Simotta, Das Vergreifen der Verfahrensart und seine Folgen (§ 40 a JN), FS Fasching, 463 ff, 465 f, 476 mwN; Fasching, Lehrbuch2 Rz 114). Die Verfahrenseinleitung selbst ist von der Nichtigerklärung des Verfahrens nicht erfaßt (Simotta aaO, 475, 476), die von der beklagten Partei angestrebte Zurückweisung auch der Klage wegen Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges kommt daher nicht in Frage.

Daß sich die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, womit unter Anwendung des § 40 a JN die Rechtssache vom streitigen ins außerstreitige Verfahren ohne Zurückweisung der Klage überwiesen wurde, nach den Regeln des streitigen Verfahrens richtet,

entspricht ständiger Rechtsprechung (EvBl 1988/101; EvBl 1986/6 =

MietSlg 37.716/14; SZ 53/153 = EvBl 1981/75 ua; 1 Ob 612/90 in

dieser Rechtssache). Ausgegangen wurde somit, ohne daß dies allerdings ausdrücklich ausgesprochen worden wäre, schon bisher davon, daß sich die Anfechtbarkeit nach der vom Verfahrenseinleitenden gewählten Verfahrensart richtet (Simotta aaO, 479). Davon abzugehen besteht keine Veranlassung. Diese Art der Anfechtungsmöglichkeit entspricht auch der früheren Rechtslage; wurde vor der ZVN 1983 der unrichtig bezeichnete Rechtsschutzantrag nach § 42 JN wegen Unzulässigkeit des (außer)streitigen Rechtsweges zurückgewiesen, war dieser Beschluß nach der vom Verfahrenseinleitenden gewählten Verfahrensart anfechtbar. Nach den EB zur ZVN 1983 soll durch § 40 a JN bewirkt werden, daß ein derart falsch bezeichnetes Rechtsschutzgesuch nicht zurückzuweisen, sondern einfach im richtigen Verfahren zu behandeln ist. Da der die richtige Verfahrensart feststellende Beschluß demnach an die Stelle des den Rechtsschutzantrag wegen Unzulässigkeit des (außer)streitigen Rechtsweges zurückweisenden Beschlusses tritt, ist es nur logisch, die Anfechtbarkeit des Beschlusses, mit dem die richtige Verfahrensart (unter Nichtigerklärung der Entscheidung und des bisherigen Verfahrens) festgestellt wird, nach denselben Regeln zu behandeln wie jene des Zurückweisungsbeschlusses (Simotta aaO, 480). Im Zwischenverfahren darüber, ob der streitige oder außerstreitige Rechtsweg die richtige Verfahrensart ist, richtet sich demnach die Anfechtung nach jenem Rechtsweg, den der das Hauptverfahren Einleitende in seinem Rechtsschutzantrag gewählt und behauptet hat (Simotta aaO, 480). Da für den Rechtsschutzantrag des Klägers das bisherige Prozeßgericht - nun als im Außerstreitverfahren zu entscheidendes Firmenbuchgericht - zuständig bleibt, stellen sich Fragen der amtswegigen Überweisung an ein anderes Gericht hier nicht.

Im Zwischenverfahren darüber, ob der streitige oder außerstreitige Rechtsweg die richtige Verfahrensart ist, richtet sich auch die Kostenentscheidung nach jenem Rechtsweg, den der das Hauptverfahren Einleitende in seinem Rechtsschutzantrag gewählt und behauptet hat. Deshalb ist hier die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens nach den Regeln des Streitverfahrens zu treffen (§§ 41, 50 ZPO). Die klagende Partei hat der beklagten Partei die Kosten der Rekursbeantwortung ON 31 zu ersetzen.

Anmerkung

E25910

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0010OB00518.91.0306.000

Dokumentnummer

JJT_19910306_OGH0002_0010OB00518_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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