TE OGH 1991/3/12 4Ob508/91

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Veröffentlicht am 12.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1) Dipl.Ing.Alfred O*****, vertreten durch Dr.Arnulf Hummer, Rechtsanwalt in Wien; 2) Hermine Sch*****; 3) Margit H*****, diese beiden vertreten durch Dr.Wolfgang Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag.Helmut F*****, vertreten durch Dr.Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 114.918,61 S sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 13.November 1990, GZ 15 R 150/90-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 1.Juni 1990, GZ 14 Cg 67/89-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Kläger sind zu 29/80, 17/80 und 34/80-Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG N***** mit dem darauf errichteten Haus in W*****, W*****straße 3. Der Beklagte ist Hälfteeigentümer der Nachbarliegenschaft mit dem Haus in W*****, N*****gasse 33. Die Höfe der beiden Häuser waren ungefähr seit dem Jahre 1912 durch eine ca 30 cm starke, auf dem Grundstück der Kläger entlang der Grenze durchgehend über eine Länge von 19 m errichtete Ziegelmauer voneinander abgegrenzt; dahinter befand sich (auf dem Grundstück des Beklagten) gleichfalls eine Mauer.

Der Beklagte ließ in den Jahren 1984 bis 1986 eine Generalrenovierung des Hintertraktes seines Hauses durchführen und im Hof eine Tiefgarage errichten. Das Abschlagen und Neuverputzen der Feuermauer war nur vom Hof der Kläger aus möglich; auch Baumaterial und Gerüste konnten nur über diesen Hof herangeschafft werden. Für den Bau der Tiefgarage mußte überdies die Grenzmauer teilweise entfert werden. Auf sein Ersuchen gestattete die damalige Hausverwaltung der Kläger mit deren Zustimmug dem Beklagten, die Arbeiten an der Feuermauer von ihrem Grundstück aus durchführen zu lassen und die Grenzmauer - soweit notwendig - zu entfernen; dies allerdings unter der Auflage, daß die Arbeiten unter möglichst geringer Belästigung der Hausbewohner und der Kläger durchgeführt würden, daß nach den Arbeiten für die Reinigung gesorgt werde und alle möglichen verursachten Schäden behoben würden sowie der frühere Zustand wiederhergestellt werde. Der Beklagte sagte dies zu.

Im Zuge der Arbeiten wurden rund 10 m der Ziegelmauer der Kläger etwa in der Mitte des Hofes weggerissen. Im Bereich der Lücke wurde an der Grundgrenze eine Garage errichtet, deren Rückwand nunmehr die Liegenschaft des Beklagten zu jener der Kläger hin abschließt. Obwohl vor der Garagenrückwand die Wiedererrichtung (Schließung) der Grenzmauer möglich ist, ist diese unterblieben. Rechts und links der Garagenrückwand blieb die 30 cm tiefe Grenzmauer im Hofe der Kläger stehen; sie wurde aber im Zuge der Arbeiten des Beklagten beschädigt. Bei der tieferen Fundamentierung der Garagenmauer wurde ein im Hof der Kläger nahe der Grundstücksgrenze stehender Busch dadurch beschädigt, daß ihm die Wurzeln abgeschnitten wurden. Während der Bauarbeiten waren im Hof der Kläger auch Leitern und Gerüstteile gelagert. Im Hof selbst befindet sich ein umzäunter Garten. Der Sockel des Gartenzauns wurde beschädigt; die rechte vordere Ecke beim Sockelquader weist nunmehr einen 20 cm breiten Spalt auf. Beim Abtransport des Gerüstes wurde dann auch noch das Gittertor des Gartenzauns beschädigt. Durch die Arbeiten sind auch der Hof und das Flugdach auf der Liegenschaft der Kläger verschmutzt worden; das Wellblech des Flugdaches ist nach wie vor verschmutzt.

Die Wiederherstellung des früheren Zustandes und die Beseitigung aller Schäden erfordert einen Kostenaufwand von netto 114.918,61 S. Dabei ist eine Wiederherstellung der Grenzmauer in Betonschalsteinbauweise veranschlagt; eine Wiederherstellung in Ziegelbauweise käme um ca 20 % teurer.

Unter Berufung auf die mit ihm getroffene Vereinbarung begehren die Kläger vom Beklagten letztlich die Zahlung von 114.918,61 S sA. Obwohl der Beklagte die Grenzmauer niedergerissen, die restliche Grenzmauer und den Gartenzaun beschädigt sowie die Gartenerde, die Sträucher, die Bäume und das Flugdach im Hof verschmutzt habe, sei er den wiederholten Aufforderungen zur Schadensbehebung und Wiedererrichtung der Grenzmauer nicht nachgekommen. Der eingeklagte Betrag sei zur Wiederherstellung des früheren Zustandes und zur Beseitigung aller Schäden notwendig.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er sei nur Hälfteeigentümer der Nachbarliegenschaft, so daß seine Haftung - wenn überhaupt - nur zur Hälfte in Betracht komme. Auch habe er bereits eine neue Trennmauer errichtet, welche einen höheren Wert repräsentiere als die alte. Die Neuaufführung einer zweiten Mauer sei aus statischen Gründen nicht möglich. Seine Leute hätten die Liegenschaft der Kläger ordnungsgemäß gereinigt; es sei auch nichts beschädigt worden. Der Höhe nach könne nur ein Anspruch auf Ersatz des Zeitwertes einer 80 bis 90 Jahr alten und sehr baufälligen Grenzmauer bestehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Beklagte habe die vertraglich übernommene Verpflichtung zur Wiederherstellung des vorigen Zustandes, zur Reinigung und zur Schadloshaltung nicht erfüllt, weshalb ihm auffallende Sorglosigkeit im Sinne des § 1324 ABGB vorzuwerfen sei; er habe daher den Klägern volle Genugtuung gemäß § 1331 ABGB zu leisten. Da er selbst eine vertragliche Verpflichtung übernommen habe, schade es auch nichts, daß er nur Hälfteeigentümer der Nachbarliegenschaft sei. Zwar gelte der Grundsatz der Naturalrestitution, doch stehe den Klägern ein Anspruch auf Geldersatz zu, weil der Beklagte zur Erbringung der versprochenen Leistung nicht bereit sei. Ein Abschlag für Abnützung komme bei der Grenzmauer nicht in Betracht, weil sie vor dem Abriß noch voll funktionstüchtig und nicht baufällig gewesen sei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es ging auf die Beweisrüge der Berufung des Beklagten nicht näher ein, weil es die Klage für unschlüssig hielt: Aus dem anspruchserzeugenden Sachvorbringen der Kläger sei kein Grund dafür zu sehen, weshalb ihr vertraglicher Anspruch auf Erfüllung im Sinne einer Naturalleistung des Beklagten nun auf einmal in einen solchen auf Geldleistung umgewandelt worden sein sollte. Auf einen schadenersatzrechtlichen Tatbestand - auch nicht in Richtung des Ersatzes eines Verspätungsschadens - hätten die Kläger ihr Begehren nicht gestützt; eine zivildeliktische Haftung des Beklagten wegen eines Eingriffs in das Eigentumsrecht der Kläger komme aber schon deshalb nicht in Betracht, weil die Kläger diesem Eingriff zugestimmt hätten. Das Verhalten des Beklagten sei daher nicht rechtswidrig gewesen.

Das abändernde Urteil des Berufungsgerichtes bekämpfen die Kläger mit außerordentlicher Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung; sie beantragen die Wiederherstellung des Ersturteils, hilfsweise die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen.

In der ihm vom Obersten Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 2 ZPO freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, das Rechtsmittel der Kläger zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist entgegen der Meinung des Beklagten gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig: Richtig ist allerdings der Hinweis darauf, daß die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes in Abkehr von einem Teil der älteren Judikatur nunmehr den Standpunkt vertritt, § 368 EO enthalte nur Verfahrensvorschriften und setze eine im materiellen Recht begründete Forderung des Gläubigers auf das Interesse voraus (EvBl 1977/231; MietSlg 34.861; JBl 1983, 604); es müsse daher im Einzelfall untersucht werden, ob die Forderung auf das Interesse im materiellen Recht begründet ist. Hiefür komme § 920 ABGB - Vereitelung der Erfüllung durch Verschulden des Verpflichteten oder einen von ihm zu vertretenden Zufall - in Betracht (JBl 1983, 604), nicht aber § 912 ABGB, welcher keinen selbständigen Schadenersatzanspruch begründe (MietSlg 34.861); aus § 368 EO sei keine den Bestimmungen der §§ 918 ff ABGB widersprechende Rechtlage abzuleiten (MietSlg 34.861; vgl zum ganzen auch Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 4 a zu § 918). Es ist aber durchaus fraglich, ob es sich dabei bereits um eine neue, gesicherte Rechtsprechung handelt, wurde doch die ältere Auffassung (EvBl 1956/35; SZ 27/154; EvBl 1967/311; HS 6347) auch noch im Jahre 1979 vertreten (MietSlg 31.825) und ausgesprochen, daß die Voraussetzungen für die vorweggenommene Interessenklage schon dann gegeben seien, wenn der Schuldner mit der ihm obliegenden Leistung in Verzug geraten ist.

Die Revision ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages der Kläger berechtigt.

Die Frage nach den Voraussetzungen für eine vorweggenommene Interessenklage (§ 368 EO) muß allerdings auch diesmal nicht abschließend geklärt werden, weil das Berufungsgericht mit seiner Auffassung über die Unschlüssigkeit der Klage von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu §§ 918 ff ABGB abgewichen ist (§ 502 Abs 1 ZPO):

Die Kläger leiten ihr Zahlungsbegehren aus der Vereinbarung der Streitteile vom Jahre 1985 ab. Nach deren von den Klägern wiedergegebenem Inhalt stand ihre Gestattung mit der vom Beklagten übernommenen Gegenpflicht zur Wiederherstellung der Grenzmauer, zur Reinigung und zur Behebung allfälliger Beschädigungen in einem Austauschverhältnis. Es liegt daher ein gegenseitiger und damit auch ein entgeltlicher Vertrag (Koziol-Welser8 I, 94 f) vor, welcher den Rücktrittsregeln der §§ 918 ff ABGB unterliegt (Schwimann/Binder, ABGB IV/1, § 918 Rz 39). Da die Kläger auch den Verzug des Beklagten mit der Erfüllung der von ihm übernommenen Leistungsverpflichtung behauptet haben, weil er ihren wiederholten Aufforderungen zur Schadensbehebung und zur Wiedererrichtung der Grenzmauer nicht nachgekommen sei, ist ihr Begehren auf Zahlung jenes Geldbetrages, der zur Wiederherstellung des früheren Zustandes und zur Beseitigung aller Schäden erforderlich ist, die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches nach § 921 ABGB. Ein solcher setzt zwar den Rücktritt vom Vertrag voraus, doch kann dieser auch durch konkludente Handlungen erklärt werden. Wird aber - wie hier - nach § 921 ABGB auf Ersatz geklagt, dann ersetzt die Klage die Rücktrittserklärung. Dabei ist die in § 918 Abs 1 ABGB geforderte Nachfristsetzung entbehrlich, wenn der Gegner - wie hier der Beklagte - seine Leistungsverpflichtung auch noch im Prozeß bestreitet und zur Erfüllung offenkundig nicht bereit ist (Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht I3, 381; Reischauer aaO Rz 3; Schwimann/Binder aaO Rz 87; SZ 27/141; HS 5319; HS 6333/34; JBl 1977, 543 = HS 9379; MietSlg 31.110; JBl 1981, 256 uva).

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die vom Berufungsgericht angenommene Unschlüssigkeit der Klage nicht vorliegt. Eine Aufhebung der angefochtenen Entscheidung ist daher schon deshalb unumgänglich, weil das Gericht zweiter Instanz die Beweisrügen der Berufung zu behandeln und klarzustellen hat, ob es den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt übernimmt oder nicht bzw welchen sonstigen Sachverhalt es allenfalls - abweichend oder ergänzend zum Erstgericht - feststellt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E25188

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0040OB00508.91.0312.000

Dokumentnummer

JJT_19910312_OGH0002_0040OB00508_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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