TE OGH 1991/3/13 2Ob3/91

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Veröffentlicht am 13.03.1991
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich *****, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei August B*****, vertreten durch Dr. Adolf Lientscher, Rechtsanwalt in St. Pölten, und des Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei L*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen S 95.768,92 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Oktober 1990, GZ 11 R 114, 115/90-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei und ihres Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 19. Februar 1990, GZ 3 Cg 288/89-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 95.768,92 samt 4 % Zinsen seit 17. April 1987 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen und die mit S 31.354,80 bestimmten Kosten des Rechtsstreites (darin S 2.850,40 Umsatzsteuer) binnen der gleichen Frist zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Vertragsbediensteter des Landes *****. Am 26. Dezember 1986 lenkte er im Auftrag seiner Dienststelle, der Straßenmeisterei M*****, den im Eigentum der klagenden Partei stehenden LKW Marke Steyr mit dem polizeilichen Kennzeichen N 942.723 auf der schneeglatten Landesstraße 5279, um Splitt zu streuen. Im Bereich einer unbeschrankten Eisenbahnkreuzung in Busendorf stieß der Beklagte mit dem LKW gegen eine Diesellok der ÖBB. Die Reparatur des LKW erforderte einen Betrag von S 95.068,92.

Die klagende Partei begehrte den Ersatz dieses Betrages mit dem Vorbringen, der Beklagte habe infolge Unaufmerksamkeit und relativ überhöhter Geschwindigkeit den Unfall verschuldet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klabegehrens und wendete ein, er sei Dienstnehmer der klagenden Partei gewesen, weil er am Unfallstag auch die Bundesstraße B 2115 zu bestreuen hatte. Es sei daher das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz anzuwenden. Im Hinblick auf seine entschuldbare Fehlleistung sei seine Haftung gemäß § 2 DHG ausgeschlossen. Im übrigen sei der Rechtsweg unzulässig, weil das Arbeits- und Sozialgericht zuständig sei.

Das Land ***** trat dem Rechtsstreit als Nebenintervenient auf seiten des Beklagten bei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 43.862,17 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 51.906,75 sA ab. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:

Nach der im Jahre 1960 zwischen dem Bund und dem Land ***** abgeschlossenen Vereinbarung Beilage ./1 sind der Aufwand und die Kosten für Fahrzeuge und Geräte, die dem Bund und den Ländern gehören und Zwecken der Straßenverwaltung dienen, vom Bund und vom Land ***** nach einem zu bestimmenden Aufteilungsschlüssel gemeinsam zu bestreiten. Zu diesen Kosten gehören auch die Instandsetzungskosten in Schadensfällen. Im Unfallszeitpunkt waren 45,8 % dieser Aufwendungen vom Bund und 54,2 % vom Land ***** zu tragen. Nach einer internen Regelung hatte der Bund den Sachaufwand einschließlich der Reparaturkosten zu bevorschussen, während die Personalkosten vom Land bevorschußt wurden. Monatlich erfolgt ein Ausgleich nach dem anzuwendenden Aufteilungsschlüssel. Danach sind 54,2 % der Kosten für die Behebung des am LKW der klagenden Partei entstandenen Schadens, somit S 51.906,75 vom Land ***** zu tragen.

Das Erstgericht verneinte die Dienstnehmereigenschaft des Beklagten gegenüber der klagenden Partei. Das Land ***** habe der klagenden Partei den Schaden von S 51.906,75 ersetzt, sodaß dieser nur mehr S 43.862,17 zuzusprechen wären.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht, hingegen jener des Beklagten und seines Nebenintervenienten Folge und wies auch das restliche Klagebegehren ab. Der Beklagte sei bei der Schadenszufügung organisatorisch und funktionell als Dienstnehmer des Landes ***** in Verwendung gewesen. Der Vertrag zwischen dem Bund und dem Land ***** über den Kostenbeitragschlüssel bei Schäden der vorliegenden Art sei als Gesellschaftsvertrag zu beurteilen. Der Beklagte sei bei der Schadenszufügung zur Erreichung eines gemeinsamen Vertragszweckes tätig gewesen. Er sei Erfüllungsgehilfe und vollziehendes Organ des Landes ***** in einem gewesen, weshalb so vorzugehen sei, als hätte das Land ***** den Schaden selbst verschuldet. Der Beklagte sei daher passiv nicht legitimiert. Die Revision werde zugelassen, weil zur Haftung eines Dienstnehmers eines Landes gegenüber dem Bund bei vorliegender Haftungsvereinbarung für Schäden keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben.

Der Beklagte und sein Nebenintervenient beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die klagende Partei bekämpft die dargestellte Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes als nicht stichhältig. Die Vereinbarung Beilage ./1 stelle lediglich ein internes Übereinkommen dar, das auf die Aktivlegitimation (gemeint wohl auch Passivlegitimation) bei Geltendmachung von Schäden ohne Einfluß sei. Diesen Ausführungen ist zuzustimmen:

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 204/83 eindeutig klargestellt, daß in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem der LKW-Fahrer bei einer Tätigkeit auf einer Landesstraße den LKW des Bundes beschädigte, dem Bund keine funktionelle Dienstgebereigenschaft zukommt: Verrichtet ein Dienstnehmer teilweise Arbeiten für seinen Dienstgeber und teilweise im Auftrag seines Dienstgebers solche für einen Dritten, dann ist der Dritte bei den Arbeiten, die nicht für ihn durchgeführt werden, auf keinen Fall funktioneller Dienstgeber, auch wenn sein Kraftfahrzeug verwendet wurde. Dies hat aber zur Folge, daß § 2 DHG keine Anwendung findet, weil diese Bestimmung nur die Schädigung des Dienstgebers durch den Dienstnehmer betrifft. Auf den vorliegenden Fall ist vielmehr § 3 DHG anzuwenden, der die Schädigung eines Dritten durch den Dienstnehmer regelt (Koziol in der Entscheidungsbesprechung zu ZAS 1978/24 S 187; Waas, Die Schadenshaftung der öffentlichen Bediensteten seit dem ASGG in Öffentlicher Dienst 1987/9 S 12).

Der Dienstnehmer (Beklagte) könnte allerdings gegen seinen Dienstgeber, das Land *****, insoweit Rückgriff nehmen, als er bei einer Schädigung desselben nach § 2 DHG von der Haftung befreit wäre und der Dienstgeber vom Dritten ebenfalls in Anspruch genommen werden könnte. Die Möglichkeit des Regresses hat aber auf den geltend gemachten unmittelbaren Ersatzanspruch keinen Einfluß. Selbst wenn der Beklagte als Konsequenz eines angeblichen Gesellschaftsvertrages zwischen den genannten Gebietskörperschaften als Erfüllungsgehilfe des Landes ***** tätig gewesen wäre, hätte dies im übrigen nicht die vom Berufungsgericht daran geknüpfte Folge, weil der Gehilfe dem Partner des Geschäftsherrn solidarisch mit diesem haftet, wenn seine Handlung gegenüber jenem als Delikt zu werten ist (vgl. SZ 51/176; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 14 zu § 1313 a). Die Erwägungen des Berufungsgerichtes darüber, daß über den Umweg einer Gehilfenhaftung nach § 1313 a ABGB eine Haftungsbefreiung des Beklagten in Betracht komme, sind daher nicht stichhältig.

Die Haftung nach § 3 DHG ist eine solche nach den allgemeinen Vorschriften des ABGB für Verschulden (vgl Koziol aaO). Das Vorliegen desselben bei Beschädigung des LKW hat der Beklagte letztlich nicht mehr in Abrede gestellt (siehe AS 46 und 47). Die Angemessenheit der geltend gemachten Reparaturkosten wurden außer Streit gestellt (AS 46). Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher in Anbetracht der dargelegten Grundsätze abzuändern und dem Klagebegehren als zur Gänze berechtigt stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E25416

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1991:0020OB00003.91.0313.000

Dokumentnummer

JJT_19910313_OGH0002_0020OB00003_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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