TE Vwgh Erkenntnis 2005/12/19 2002/06/0004

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Veröffentlicht am 19.12.2005
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §7 Abs1;
BauO Tir 1998 §37 Abs1;
BauO Tir 1998 §37 Abs3;
BauRallg;
VVG;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des PG in S, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Bürgerstraße 19/I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. September 2001, Zl. Ve1-550-2904/1-2, betreffend baupolizeilicher Abbruchauftrag, (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister) zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 8. Mai 2000 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 37 der Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998) "der Abbruch des errichteten Wohnhauses auf Gp 2945, 2946 und 2839 (der KG S) bis zum 30. Juni 2001 aufgetragen". Begründend wurde ausgeführt, dass mit Eingabe vom 10. Dezember 1974 um die baupolizeiliche Genehmigung zur Errichtung des Wohnhauses angesucht worden sei, es gebe für dieses aber keine rechtskräftige Baubewilligung; das (unvollständig belegte) Ansuchen sei mit Bescheid vom 8. Mai 2000 zurückgewiesen worden.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. April 2001 gemäß § 66 AVG abgewiesen wurde. Dies wurde zusammengefasst damit begründet, dass die beantragte Bewilligung für die Genehmigung des Wohnhauses zurückgewiesen worden sei, dieser Bescheid sei von der Tiroler Landesregierung bestätigt worden, der Abbruch sei somit aufzutragen gewesen.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Vorstellung bestritt der Beschwerdeführer nicht, dass für das zum Abbruch beschiedene, verfahrensgegenständliche Wohnhaus eine Baubewilligung nicht vorliege, brachte aber zusammengefasst vor, dass es seit 1975 völlig unbeanstandet errichtet sei und er dort mit seiner Familie wohne. Das Vorliegen einer baurechtlichen Bewilligung sei nur daran gescheitert, dass ein in den Jahren 1974/67 abgeschlossener Tauschvertrag betreffend Grundstücksteilflächen der Grundstücke Nr. 2946 und 2839/1 keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung unterzogen worden sei, ein zivilgerichtliches Verfahren vor dem Bezirksgericht S sei anhängig, das Verfahren sei bis zu dessen Entscheidung auszusetzen gewesen. Sämtliche Gemeindeorgane seien in der Angelegenheit befangen, weil sie sich durch die Entfernung des Hauses im Baurechtswege einer Schadenersatzverpflichtung gegenüber dem Beschwerdeführer entledigten.

Diese Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 7. September 2001 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das verfahrensgegenständliche Wohnhaus zwar mit Bescheid vom 2. Dezember 1974 baurechtlich genehmigt worden sei, dieser Bescheid sei jedoch infolge der Berufung einer Nachbarin, die als Partei übergangen worden sei, aufgehoben worden. In der Folge sei der Bauantrag auf Genehmigung des Wohnhauses mangels Zustimmung der Grundeigentümer zurückgewiesen worden, welche Entscheidung letztlich mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2000 bestätigt worden sei.

Eine vom Beschwerdeführer geltend gemachte Befangenheit von Verwaltungsorganen könne nur dann geltend gemacht werden, sofern sich infolge der Befangenheit Bedenken gegen den Bescheid ergäben. Solche seien aber nicht ersichtlich.

Die Frage, ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden könne, stelle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Vorfrage im Abbruchverfahren dar. Daher sei auch das Ergebnis eines anhängigen Gerichtsverfahrens zur Klärung der Eigentumsverhältnisse nicht als Vorfrage anzusehen. Im Übrigen sei im vorliegenden Fall ein derartiges Gerichtsverfahren nicht anhängig und es bestehe auch kein Anspruch auf Aussetzung nach § 38 AVG.

Im vorliegenden Fall habe die Behörde den Beschwerdeführer mit nachweislich zugestellten Schreiben vom 26. April 1995, 9. August 1995 und vom 9. Februar 2000 aufgefordert, die fehlenden Unterlagen des Bauansuchens nachzureichen. Da sie in der gesetzten, angemessenen Frist nicht nachgereicht worden seien, sei das Bauansuchen zurückgewiesen worden. In der Folge sei daher völlig zu Recht der Abbruch der baulichen Anlage aufgetragen worden. Zum Vorbringen, dass ein Tauschvertrag vorliege, sei anzumerken, dass die Baubehörde die Eigentumsverhältnisse ausschließlich nach dem Grundbuchsstand zu beurteilen habe.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit auf Grund Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die maßgebliche Bestimmung der Tiroler Bauordnung 1998

(TBO 1998), LGBl. Nr. 15, lautet:

"§ 37

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung erforderlich wäre. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden.

...

(3) Wurde eine bauliche Anlage ohne die nach früheren baurechtlichen Vorschriften erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert und ist deren Errichtung oder Änderung auch nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig oder zumindest anzeigepflichtig, so hat die Behörde nach Abs. 1 bzw. 2 vorzugehen."

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil bei der Beschlussfassung über den Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde sowohl der Bürgermeister als auch das Mitglied des Gemeindevorstandes AG anwesend gewesen seien, obwohl beide befangen gewesen seien. Es sei nicht ersichtlich, ob und wie die beiden mitgestimmt oder an der Beratung teilgenommen hätten.

Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Aus der in den Akten des Verwaltungsverfahrens einliegenden Niederschrift der Sitzung des Gemeindevorstandes vom 10. April 2001 ist nämlich ersichtlich, dass der Gemeindevorstand mit drei Stimmen einstimmig die Berufung gegen den Abbruchbescheid als unbegründet abgewiesen hat und zwar "ohne BM Mag. ES und ohne AG, der in dieser Angelegenheit befangen ist". Dass die Genannten an der Beratung teilgenommen und derart ungebührlich auf deren Ergebnis Einfluss genommen hätten, ist nicht ersichtlich (vgl. hinsichtlich der Anwesenheit eines ausgeschlossenen Organs bei der Beratung und Beschlussfassung in einem Kollegialorgan das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 2004, Zl. 2002/03/0186). Im Übrigen wird auch auf die hg. Rechtsprechung hingewiesen, wonach die Mitwirkung eines befangenen Verwaltungsorganes im Rahmen einer Kollegialbehörde eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellt, die nur dann wesentlich ist, wenn anzunehmen ist, dass die Behörde bei Einhaltung der Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2003, Zl. 2002/05/1025, m.w.N.). Solche sachliche Bedenken gegen die Berufungsentscheidung haben sich im vorliegenden Fall aber nicht ergeben.

Soweit der Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Bescheid einwendet, die belangte Behörde habe im Verfahren über seinen Bauantrag keine mündliche Verhandlung durchgeführt und seine Fristerstreckungsansuchen nicht ordnungsgemäß erledigt, zeigt er deswegen keine Rechtswidrigkeit auf, weil es sich dabei um ein Vorbringen handelt, das allenfalls im Verfahren über seinen Bauantrag vorzubringen gewesen wäre, nicht aber im Verfahren über den gegenständlichen Abbruchauftrag seinen Platz hat.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass für das gegenständliche Wohnhaus, das unzweifelhaft bewilligungspflichtig ist, eine Baubewilligung nicht erteilt worden ist. Er bestreitet auch nicht, dass ihm Fristen zur Vervollständigung seines Bauansuchens gesetzt worden sind, die er ungenutzt verstreichen ließ. Damit wurden im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 und 3 TBO 1998 erfüllt, und es kann nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde in der Erteilung des gegenständlichen Abbruchauftrages keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers erblickte.

Dem Beschwerdeführer bleibt es unbenommen, für das gegenständliche Wohnhaus neuerlich einen - vollständig belegten - Bauantrag einzubringen, wobei während dessen Anhängigkeit ein Beseitigungsauftrag nicht vollstreckt werden darf (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0234, und vom 28. März 2000, Zl. 99/05/0254).

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 19. Dezember 2005

Schlagworte

Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10 Befangenheit der Mitglieder von Kollegialbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002060004.X00

Im RIS seit

20.01.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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